27. Ein neuer Körper
Nervös spielte Jay schere-Stein-papier mit Luke. Gabis Zelt lag in vollkommener Stille vor ihnen. Die innerliche Aufregung unterdrückend saßen sie auf den alten Gartenmöbeln vor dem bunten Zelt. Die vorbeigehenden Leute betrachteten sie neugierig.
"Ich fühl mich ein bisschen wie im Zoo." "Im Affengehege.", gab Jay ihm recht und warf erneut einen besorgten Blick zum geschlossenen Zeltvorhang. Mina war ohne ein weiteres Wort hinein gegangen und hatte sie draußen stehen lassen.
"Es ist so still.", merkte Luke an und schluckte hart. Seit einer halben Stunde warteten sie und jede Sekunde quälte Jay. Was passierte in dem Zelt? War es wirklich so schmerzhaft?
Mina..
Mina...
Der Gedanke sie würde da drinnen Schmerzen erfahren und er könnte nichts für sie tun, machte ihn schlecht.
"Tief durchatmen, Freundchen, es geht ihr gut. Sie ist eine ziemlich harte Nuss." "Ich weiß nicht, was du meinst.", Jay mied seinen Blick. Luke lächelte wissend. "Natürlich. Ich habe auch eigentlich mit mir selbst geredet. Ich mache mir Sorgen um Defne."
"Defne? Um die muss sich niemand sorgen machen. Es ist Defne.", der Gedanke war absurd und genau das was Luke gerade zu ihm gesagt hatte. Dankbar klopfte er seinem Freund auf die Schulter. "Hast du sie endlich auf ein Date eingeladen?"
"Ja, wir hatten schon ein paar. Nie lange, weil die letzten Wochen etwas viel waren. Aber ich stehle mir immer ein paar Minuten mit ihr. Wir reden total viel über alte Serien und sie hat denselben Humor wie ich. Wusstest du das sie gerne Kamerafrau beim Film geworden wäre?" "Hm, das hat sie mir nie erzählt."
"Ich mag sie, Jay. Wirklich. Wenn ich bei ihr bin, fühle ich mich wohl. Wie in Zuckerwatte gepackt.", der verträumte Gesichtsausdruck passte zu der blumigen Aussage.
"Fühlt sie dasselbe?", fragte er vorsichtig. Er wollte die rosarote Blase seines Freundes nicht zu platzen bringen, aber ein wenig Realität tat manchmal gut. Und als Freund war das seine Aufgabe. Luke zuckte mit den breiten Schultern und starrte auf seine Hände.
"Ich wünschte, ich wüsste es. Besonders mit dieser Mission. Ich meine, die Chance, dass wir abkacken ist groß." Und er würde nie wissen, was Defne fühlte. Eine furchtbare Aussicht. "Shit. Such sie, Mann. Lauf zu ihr und regel das. Ich werde als nächstes zu Gabi gehen, du hast Zeit."
"Bist du sicher?" "Ganz sicher.", er war dankbar für die Fürsorge seines Freundes, aber diesmal musste er Luke an erste Stelle setzen. Zitternd stand er auf und nickte Jay zu. "Danke."
"Lauf." Und schon war sein Freund verschwunden. Hoffentlich würde Defne ihm keinen Korb geben, so kurz vor der Mission könnte das fatal enden. Andererseits wäre eine Lüge auch scheiße. Jay kratze sich am Kopf. Liebe war schon was Nerviges. Wieder sah Jay zu dem Zelt, stellte sich vor wie Mina sich auf der Liege unter grauenhaften Schmerzen wandt.
Es war ihre Entscheidung gewesen und die Konsequenzen konnte er ihr nicht abnehmen. Niemand konnte das. Am Ende würde auch er die Folgen seiner Entscheidungen alleine tragen müssen.
Er ballte die Fäuste und versuchte sich krampfhaft zu beruhigen. Klappte natürlich nur geringfügig. Die Minuten vergingen. Schließlich öffneten sie die Zeltvorhänge und Gloria, ihre Gefangene trat auf wackligen Beinen heraus. Das Gesicht war kreidebleich, auf ihrer Stirn standen Schweißperlen.
Gabi setzte sie auf einen der Gartensessel und strich beruhigend über ihren Kopf. "Ich weiß. Die ersten Minuten tun verdammt weh. Alles fühlt sich seltsam und unangenehm an. Gib dir ein wenig Zeit, dann wird das.", sie wandte sich an Jay, "jetzt bist du dran, mein Junge. Bist du bereit?" Jay sah seine Freundin beunruhigt an.
"Mina.", sie antwortete nicht, atmete stattdessen konzentriert ein und aus. Frucht kroch seine Wirbelsäule hinunter. Gabi berührte ihn an der Schulter und er zuckte weg.
"Das war dein Plan, Jay. Ich versuche nur zu helfen." "Ich weiß. Ich weiß." Er hatte keine Zeit panisch zu werden und auch kein Recht darauf. Entschlossen drückte er die Angst in die hinterste Ecke seines Verstanden und stand auf. "Ich bin bereit."
"Wo ist Luke?" "Er hat noch was zu erledigen, aber er kommt dann wieder her." Gabis Lippen verzogen sich zu einem verständnisvollen Lächeln. "Hoffen wir mal, dass Defne ihm keine Abfuhr erteilt. Diese Prozedur ist auch ohne ein gebrochenes Herz kein Zuckerschlecken."
Sie ging voran in das großzügige Zelt. Als geliebte Mutterfigur war ihr Zelt immer ein Ort für geselliges Beisammensein. Im Inneren waren mehrere Lichterketten aufgehängt, die mit sanftem Licht die Schatten vertrieben. Eine Liege aus Paletten war in der Mitte aufgestellt und die zwei Betten aufeinandergestapelt worden.
Der Geruch nach kaltem Schweiß lag in der Luft. "Zieh dich aus und leg dich hin. Wenn ich deinen Körper verändere, willst du nicht auch noch gegen die Kleidung kämpfen müssen. Ich werde eine Decke über dich legen."
Gabi zündete eine Duftkerze an und schaltete Entspannungsmusik ein. Das sanfte Klingen der Musik verbreitete sich im Raum. Verwirrt begann Jay sich auszuziehen. "Ist das wirklich alles notwendig?" Gabi ölte ihre Hände ein.
"Nein, nichts davon brauche ich um dich zu Morphen, aber alles davon wird es dir leichter machen. Du musst dich entspannen, es zulassen. Verkrampfte Muskeln sind hart und unbiegsam. Ich werde dich ein wenig massieren und dann langsam ins Morphen wechseln. So sind die Schmerzen nicht überwältigend."
"Das klingt gut durchdacht.", merkte er an und legte sich unbeholfen auf die Liege. Sie war hart, aber nicht kalt. Das Holz unter ihm war stabil. Er starrte leicht zittrig an die Zeltdecke, ein Tuch über seinen Kronjuwelen.
"Mach die Augen zu, Jay. Hör auf die Musik, fühle meinen Händen nach." Gabis Stimme war melodisch und freudig gehorchte er ihr. Es war Ewigkeiten her, dass ihn jemand massiert hatte. Das letzte Mal war während eines Familienthermenurlaubs gewesen. Seine Mutter hatte ihnen beiden eine Massage spendiert und oh wow. Die war wunderbar gewesen. Und Gabi war fast genauso gut. Sie hatte weniger Kraft in den Daumen, aber ihre Finger fanden die verkrampfen Stellen sofort und bearbeiteten sie gnadenlos.
Die letzten Wochen waren viel gewesen, da hatte Luke absolut recht gehabt. Der Druck war gewaltig gewesen. Jay atmete aus und ließ sich fallen. Und während er sich immer tiefer in eine wohltuende Entspannung vergrub, arbeitete sich Gabi von seinen Füßen zu seinen Armen hinauf zu seinen verspannten Schultern.
Es war herrlich...bis es anfing wehzutun. Zu Beginn war es ein kleiner Schmerz, nichts Besonderes, nichts dass er nicht ignorieren konnte. Aber nach und nach entwickelten sich die Schmerzen weiter, wurden intensiver. Jay verkrampfte sich, atmete flach ein und aus. Beim nächsten Stich riss er die Augen auf und suchte nach Gabi.
Sie stand über ihm, berührte seinen Körper mit federleichten Fingern. Er wollte sich entziehen, wollte weglaufen, aber kein einziger seiner Muskeln wollte ihm gehorchen. Panisch sah er sich um. Die Schmerzen wurden schlimmer.
Mina hatte nicht geschrien, sie hatte still gelitten, aber...er war nicht stark genug. Der erste Schrei war tief und hohl. Der nächste sehr viel höher. Blind vor Schmerzen und taub vor Angst schrie er sich die Seele aus dem Leib. Plötzlich war da Kühle auf seiner überhitzten Stirn.
Er suchte die Quelle. Eine Fremde stand über ihm, das Gesicht mitfühlend verzogen. Nein, keine Fremde...sein vernebeltes Hirn erkannte ihre kalten Hände. Mina. Sie strich über seine Wangen während er weiter schrie. Nässe rann aus seiner Nase. Blut. Er blutete.
"Er ist nicht stark genug.", Gabis flüstern erschreckte ihn. "Er schafft das." "Nein, tut er nicht. Sieh ihn dir an." Eine weitere Welle ließ ihn die Augen zusammenkneifen, er schmeckte Blut in seinem Mund. "Du musst ihm helfen." "Wie denn?"
Gabis schnaubte. „Du weißt wie. Er wehrt sich zu sehr. Wenn das so weitergeht, wird das Morphen ihm irreparable Schäden zufügen." Die kalten Hände wanderten zu seiner Brust, über sein Herz. „Ich kann nicht." "Bitte, Mina.", die Sorge in Gabis Stimme war unüberhörbar.
Jay bäumte sich auf und- machte die Augen auf. Er stand in einem kühlen, schwummrigen Raum. Eine einsame Glühbirne schwang leicht hin und her. Die Schmerzen waren weg. Einfach weg. Erleichtert lachte er auf und berührte er seine Arme und Beine. Wie konnte das sein? Was war passiert?
„Sieh einer an. Besuch.", die tiefe Männerstimme riss ihn aus seiner Verzückung. Zaghaft trat er näher. Das spärliche Licht zeigte einen Käfig. Die Gitterstäbe aus glänzendem Gold. Dahinter saß ein Mann. Dunkle Haut, kurz geschorene schwarze Haare und ein schiefes Grinsen im subjektiv gutaussehenden Gesicht.
„Träume ich?" „Spannende Frage. Träumst du öfter von Männern in Käfigen?", der Fremde legte den Kopf schief. Jay lachte leicht.
„Nein, eigentlich nicht. Ich kann mich selten an meine Träume erinnern. Wer bist du?", er besaß sich den Käfig genauer. Da war keine Tür. Keine Möglichkeit den Mann zu befreien. Es schien fast so als wäre der Käfig um den Mann herum gebaut worden. „Ein Gefangener." „Das sehe ich, aber wieso? Wieso träume ich von einem Gefängnis."
Es fiel ihm wie schuppen von den Augen. Natürlich träumte er von einem Gefängnis! Er war dabei in eines einzubrechen. Nun ergab das alles einen Sinn. Der Fremde sah ihn neugierig an. „Vielleicht wirst du dich an das hier auch nicht erinnern."
„Vielleicht. Bist du hier ganz alleine? Die ganze Zeit?" Das erschien ihm schlimmer als der Tod. Der Gefangene stand auf, muskulös und groß türmte er vor Jay auf. Die dunkle Jogginghose und das dunkelblaue Shirt konnten nicht über seine Stärke hinwegtäuschen. „Nur eine einzige Person kommt mich besuchen und das ist meine Wärterin.", murmelte er während er leicht an den Gitterstäben zu rütteln begann.
„Deine Wärterin? Hat sie dich auch eingesperrt? Wofür? Was hast du getan?" „Noch nichts." Jay biss die Zähne zusammen, er würde sich nicht einschüchtern lassen. „Und was wirst du tun? Was wirst du tun um das hier zu verdienen?"
Der Fremde lächelte böse, „Ich werde die Welt zerstören.", er umfasste die Gitterstäbe und begann zu biegen. „Ich brauche nur eine Chance." Hastig stolperte Jay zurück, nur einen Gedanken im Kopf. Er wollte nicht mehr in diesem Raum sein, wenn der Gefangene ausbrach. Er wollte nicht miterleben was die rohe Kraft des Mannes mit der Welt anstellen würde. Panisch sah er sich um. Es musste einen Ausweg geben. Der Fremde schrie und schmiss sich gegen die Gitterstäbe. Das Gold ächzte.
Jay tastete die kahlen Wände ab. Der Boden schien zu beben. Seine Augen fanden eine Tür. Eine blutrote Tür, die vorher garantiert nicht da gewesen war. Egal, schnell raus hier und- er machte die Augen auf. Gabis Entspannungsmusik klingelte in seinen überreizten Ohren, es stank nach Schweiß und Blut. Gabis Gesicht trat in sein Blickfeld.
„Jay. Du bist wieder wach." Er hörte Weinen und sah sich um. Mina saß neben ihm. Blut tropfte aus ihrer Nase, sie hielt sich den Kopf und weinte leise. „Hör auf, bitte hör auf.", hauchte sie tonlos. Jay suchte Gabis Blick.
„Was ist los? Was ist passiert?", es kam als ein leises Krächzen über seine trockenen Lippen. „Ich habe dich gemorpht. Du hast ziemlich laut geschrien." Das musste der Grund sein, warum Mina ihn bat aufzuhören. Schuldgefühle überschwemmten ihn und vorsichtig berührte er ihre Schulter.
Sie wich zurück als hätte er sie geschlagen. Nur einen winzigen Moment konnte er ihre Augen sehen. Kornblumenblau und...Braun. Nein, er hatte sich geirrt. Sein Verstand spielte ihm Streiche.
Übelkeit stieg seinen Magen empor und Gabi hielt ihm gerade rechtzeitig einen Kübel unter die Nase. Luke würde sich über die Geruchsvariationen im Zelt freuen. Gabi brachte sie beide im Schneckentempo vor das Zelt. Noch nie hatte ein Gartenstuhl derart angenehm auf Jay gewirkt.
In weiche Wolldecken gehüllt saßen Mina und er da. Beide zu fertig um sich über die Nacktheit ihrer Körper unter den Decken Gedanken zu machen.
Sein Körper fühlte sich unangenehm an. Zu groß und zu klein zugleich. Die Haut war nicht seine. Die Tattoos verschwunden. Ein Spiegel hätte ihn in diesem Augenblick vermutlich ins Koma fallen lassen. Der Geschmack von Blut in seinem Mund war widerlich.
Gabi reichte ihnen beiden ein Glas Wasser und ermutigte sie kleine Schlucke zu machen. Mit einem feuchten Lappen säuberte sie sowohl Minas als auch sein Gesicht.
„Wenn die Leute euch so vor meinem Zelt sehen, werden sich böse Gerüchte verbreiten. Das wollen wir natürlich nicht." Ungelenk nickte er, die Stimme zu heißer vom Schreien. Dabei starrten die Bewohner der Unterstadt sie bereits alle unverhohlen an. Jeder Passant warf ihnen einen entsetzten Blick zu und scheuchte die Kinder ihrer Gemeinschaft weiter.
Als Gabi mit ihnen zufrieden war tauchte Luke auf. Grinsend wie ein Honigkuchenpferd turtelte er mit Defne herum. Zumindest bis er sie sah. Sein Lächeln verschwand innerhalb weniger Sekunden und wurde durch eine besorgte Grimasse ersetzt.
„Die zwei sehen ja aus wie die lebenden Toten. Was hast du gemacht, Gabi.", er beugte sich zu Jay und berührte seine schweißnasse Stirn. „Ich habe getan worum mich die beiden gebeten haben. In ein bis zwei Stunden wird es ihnen besser gehen, du wirst sehen. Und jetzt komm. Du bist dran." Gabi wirkte müde, als sie zurück ins Zelt schlurfte. Luke drehte sich zu Defne.
„Wartest du hier?" „Nein.", sie drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, „ich komme mit hinein." „Schnucki, das musst du nicht." Jay konnte sich das kichern nicht verkneifen und selbst aus Minas Richtung hörte er leises amüsiertes Wimmern.
Luke warf ihnen böse Blicke zu. „Lacht ihr nur, aber ich muss da immerhin nicht alleine durch." Damit hatte er theoretisch recht, doch praktisch hatte Mina ihm Beistand geleistet.
Hand in Hand ging er mit Defne in Gabis Zelt. Jay schloss die Augen und döste dahin. Lukes spitze Schreie ließen ihn hochschrecken. Sein Freund hörte sich furchtbar an. Besorgt suchte er Minas Blick, diese lächelte ihn mitfühlend an. „Er schafft das schon."
„Hoffentlich wird er ohnmächtig wie ich. Ich hatte den seltsamsten Traum als ich weg war." „Was hast du geträumt.", fragte sie und rutschte auf dem Gartensessel hin und her.
Wenn er sie nicht besser kennen würde, hätte er geglaubt, dass sie nervös war. Er fuhr sich über den kahlen Schädel und stellte erstaunt fest, dass sein neuer Körper keine Haare am Kopf hatte.
„Ich war in diesem Raum mit so einem Typen. Er war in einem Käfig gefangen." „Das klingt grässlich."
„Das ist nicht das schlimmste. Er meinte, er wolle die Welt zerstören. Ich glaube, ich habe zu viele Apokalysefilme gesehen." Sie wich seinem Blick aus.
„Vermutlich." Irgendwas an ihrer Stimme ließ ihn stutzig werden. Der Traum hatte sich anders angefühlt. Es war äußerst schwer die Andersartigkeit festzunageln, aber da war dieses Gefühl.
Kannte er den Mann? Nein, sicher nicht. Das Zelt wurde geöffnet und unterbrach seine Gedanken. Ein zittriger Mann, gestützt von sowohl Gabi als auch Defne kam heraus. Vorsichtig setzten sie ihn neben Jay in einen Gartenstuhl. Auch er hatte Nasenbluten gehabt und der Schweiß lag wie eine Duftwolke auf seiner Haut. Keine gute Duftwolke. Eher die Art Duftwolke, die Jay zum stillen würgen brachte.
Defne warf ihm einen wütenden Blick zu. „Sei einfach Still, Jay. Gib mir den Lappen, Gabi. Ich kümmere mich um ihn."
„Ist gut, Liebes." Liebevoll reinigte sie Luke, während dieser seine Stärke zurückgewann. „Wenn ich nur halb so schlecht rieche wie Luke, muss ich dringend duschen.", flüsterte Mina ihm verstohlen zu. Ein Lächeln kroch über sein fremdes Gesicht.
„Ich muss auch." „Zusammen?" Was für eine Frage. Alleine würde er es wohl kaum schaffen. Sie standen auf. Wackelig auf neuen Beinen stolperten sie in Decken gewickelt zu den provisorischen Duschen der Unterstadt. Sie boten ein kurioses Bild, doch niemand hielt sie auf. Vor den Kabinen ließen sie die Decken fallen und besahen einander. Scham war nicht vorhanden, wieso auch? Es waren schließlich nicht ihre Körper.
Lachend betatschte Jay sich selbst und merkte wie Mina kichernd dasselbe tat. „Das ist so merkwürdig.", kommentierte er und zog sie in eine Kabine. Sie seiften einander ein, erkundeten die fremden Körper. Es fühlte sich wie ein Spiel an.
Luke und Defne kamen dazu. Bedächtig zog sie ihm die Decke von den Schultern und führte ihn angezogen in eine der Duschkabinen. „Oida, fühlt sich das scheiße an.", grunzte Luke mit verkrampftem Kiefer.
Mina lachte über seinen Gesichtsausdruck. „Als wären wir nicht wir, sondern ganz andere Leute."
„Einfach Scheiße.", Luke ließ sich von ihrer guten Laune nicht anstecken. Viel zu schnell mussten sie aus dem warmen Wasser. Gabi stand bereits mit leichter Wäsche vor ihnen. „Zeiht das an und bewegt euch. Ihr könnt nicht wie frisch geschlüpfte Küken zu diesem Ball."
Aber genauso fühlte er sich. Roh und Neu. Sie zogen sich an und begannen zu üben. Teona zwang die Gefangenen ihnen ihren Gang vorzuführen und die Sprechart beizubringen. Anstrengende Arbeit, besonders da Jay am liebsten geschlafen hätte. Oona brachte ihnen einen Kaffee nach dem anderen. Schon bald war Luke ein einziger hibbeliger Haufen.
„Können wir eine Pause machen?", jammerte er und lehnte sich an Luke. „Pause? Ich brauche keine Pause.", zuckte dieser unkontrolliert zusammen. „Wir haben nur noch ein paar Stunden. Wir müssen weitermachen.", Minas Entschlossenheit war beeindruckend und notwendig. Bald schon würden sie nicht mehr üben, bald schon würde ein Fehler sie das Leben kosten.
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