25. Drei Spione und ein Plan
Eine Stunde verstrich mit heftigem Streiten. Wer sollte die Vorhut, die Gefangenen imitieren? Falko bestand auf seine Wenigkeit und erntete damit bei Jay wütende Worte. Seiner Meinung nach war Falko viel zu stürmisch, zu aggressiv und ein arrogantes Arschloch. Diese Mission erforderte Fingerspitzengefühl und das besaß der Mann nicht.
Schließlich hob Teona die Hände. "Jay wird Richard Ulans Rolle einnehmen. Er war bereits einmal in Traiskirchen, hat sich umgesehen und er kann in stressigen Situationen ruhig bleiben."
"Ich halte das für eine gute Idee.", gab Viktor ihr recht und damit die zweite Stimme. Schließlich beugte Falko sich. "Einverstanden.", bestätigte Jay sofort und setzte nach, "ich möchte, dass, Mina Gloria Duncan, die zweite Gefangene übernimmt." Er hatte ein Versprechen zu halten und um keinen Preis wollte er Mina erneut enttäuschen.
"Das kann nicht dein Ernst sein?", zeterte Falko. "Sie ist ein Risiko.", gab Viktor ruhiger zu bedenken.
"Ein Risiko? Sie ist eine tickende Zeitbombe. Das hier ist unsere einzige Chance unsere Leute aus Traiskirchen zu bekommen und du willst sie mit dieser Verräterin verschwenden?", der Zorn in Falkos Stimme ließ seinen Kopf rot werden. Jay biss die Zähne zusammen. Er wollte sein Wort gegenüber Mina nicht brechen müssen.
"Sie ist keine Verräterin. Nur durch sie haben wir die Möglichkeit dieser Rettungsmission."
"Pah!" "Sie war mit mir in Traiskirchen. Sie hat das Dorf gesehen. Wir zwei sind die einzigen in der Unterstadt, die eine Ahnung davon haben. Sollten wir sie nicht zumindest in Betracht ziehen?" Teona nickte langsam, die Finger strichen über ihr spitzes Kinn.
"Ein guter Punkt. Du denkst, dass sie unsere Sache mit voller Kraft unterstützen wird?" "Das hat sie die ganze Zeit. Keine ihrer Handlungen haben uns gefährdet. Im Gegenteil sie hat Oona gerettet, hat sie vor den Augen der Regierung verschwinden lassen. Sie war loyal und ganz ehrlich, sie würde niemals jemanden von der Unterstadt erzählen."
"Das ist das, was du glaubst. Aber wir wissen, dass deine Meinung von Gefühlen gefärbt ist." Welche Gefühle ließ Teona absichtlich im Raum stehen. Wütend ballte er die Hände. Seine Gefühle hatten nichts damit zu tun und sie gegen ihn zu verwenden war ein mieser Schachzug.
"Sie gehört nicht zu uns. Sie hat keine Kräfte.", gab Viktor zu bedenken. Frustriert warf Jay die Hände in die Luft. "Sie hat vielleicht keine Kräfte, aber sie hat den Willen."
"Wieso?", fragte Teona plötzlich und brachte das Gespräch auf einen völlig neuen Zug. Er schüttelte den Kopf. "Was meinst du?"
"Wieso will sie bei der Mission dabei sein? Was bringt es ihr, sich in diese Art Gefahr zu begeben." Verdammt. Teona hatte Blut geleckt. Die intensiven drei Augen starrten ihn nieder. Seine Gedanken rasten. "Ähm, es ist was Persönliches.", schweiß machte seine Hände rutschig. Hastig wischte er sie an seiner Hose ab. "Von dem sie dir erzählt hat, richtig?"
"Wenn du sie in dieser Mission haben willst, raus mit der Sprache.", bestätigte Viktor Teonas Drängen. Jay schluckte hart. Er wollte nichts über Minas Vergangenheit oder Beweggründe preisgeben, nicht ohne ihr Einverständnis. Nicht schon wieder. Unsicher rieb er sich übers Gesicht und bekam prompt eine zündende Idee.
"Mina befindet sich in der Unterstadt. Wir können sie einfach selbst fragen." Keiner der Anwesenden war damit glücklich. Die Information aus ihm herauszuquetschen schien besonders für Falko eine lustige Beschäftigung. Aber auch Teona war mit der Aussicht Mina persönlich zu fragen unzufrieden. Es war wohl deutlich einfacher ihm Geheimnisse zu entlocken als ihr. Teona ließ nach Mina schicken und in unangenehmer Stille warteten sie.
Jay starrte zu Boden und betete, dass ihm keine weiteren Fragen gestellt wurden. Als der Zelteingang das nächste Mal geöffnet wurde, trat Mina ein. Ihre ausdruckslose Miene schuf einen erstaunlichen Gegensatz zu den drei Führungskräften der Taube. Aus irgendeinem Grund wirkte sie diesen ebenwürdig. Eine Königin in ihrem eigenen Recht. Mina verschränkte die Arme.
"Was wollt ihr?", kam sie direkt auf den Punkt. Teona kam ihr wenig überrascht nach. "Jay möchte dich bei der Rettungsmission dabeihaben. Und einige seiner Argumente sprechen durchaus für dich. Dennoch sehen wir Probleme mit diesem Wunsch. Du bist ein Risiko."
"Kein Wunder nachdem ihr mich gegen meinen Willen hierher verschleppt habt." "Freiwillig hätten wir niemals die Kooperation deines Vaters erreicht.", schimpfte Falko aufgebracht. Mina legte den Kopf schief. "Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wir werden es nie herausfinden." Teona bat Falko mit einer Handbewegung um Ruhe und suchte gekonnte Minas volle Aufmerksamkeit. "Es geht nicht nur darum. Du bist keine von uns. Keine Saki."
"Das ist ein bisschen Rassistisch, oder nicht?", Jay konnte sich das Kichern nicht verkneifen. Mina hatte es auf den Punkt getroffen. "Rassistisch? Die ganze Welt ist rassistisch. Wir müssen uns schützen.", Falko fühlte sich offensichtlich persönlich angegriffen. Gekonnt verdrehte Mina die Augen und wandte sich wieder an Teona.
"Was bedeutet das nun? Muss ich erst das Serum nehmen, damit ich zu euch gehöre?" "Würdest du das wollen? Zu uns, als Verfolgte gehören?" Ein kleines Lächeln zeigte sich in Minas Mundwinkel. "Spielt keine Rolle."
"Richtig. Du willst bei der Mission dabei sein, um jeden Preis." "Ich habe dafür mit meinem Blut bezahlt. Ist das nicht genug?" Die Eintrittskarte zu einer Selbstmordmission war Blut. Wie passend. "Die Sache mit Alexas Preis ist äußerst sonderbar, findest du nicht?", Teona verzog das Gesicht, "wir haben auch schon gerätselt, was es damit auf sich hat."
"Nichts. Ein Machtkampf zwischen ihr und meinem Vater. Wichtig ist, dass Jay mir sein Versprechen gegeben hat." "Ohne uns vorher zu informieren. Wir sind nicht daran gebunden. Wieso willst du nach Traiskirchen?" Der bohrende Blick der dreiäugigen brachte ihn zum Schwitzen. Mina zuckte nicht mal mit der Wimper.
"Nun, Jay wird es euch sowieso sagen, also kann ich das auch selbst tun." Ein Armutszeugnis seiner Verschwiegenheitsfähigkeiten. Am liebsten wäre er im Erdboden verschwunden.
"Meine Schwester war eine Saki. Ziemlich mächtig. Nachdem sie gestorben ist, hat IZANAGA ihr Blut aufbewahrt. Wie es aussieht, befindet es sich momentan in Traiskirchen. Ich will es vernichten. IZANAGA hat viel zu lange damit experimentiert und meine Schwester sollte endlich Ruhe dürfen."
Falko und Viktor verdauten die Worte noch als Teona ihre Augen verengte, "Die Priorität dieser Mission ist es die Gefangenen zu retten." Shit, das stimmte.
"Und ich werde dieser Priorität meine persönliche Vendetta unterordnen.", Minas Gelassenheit verströmte Beruhigung. Sie wirkte vollkommen ehrlich und vertrauenswürdig. Jay runzelte die Stirn. Er hatte nicht mit dieser Antwort gerechnet. Zufrieden nickte Teona.
"Wenn das so ist. Kann Defne diesen Part übernehmen. Sie ist eine hervorragende Kämpferin und besser dafür geeignet." Das war ein Schlag in die Magengrube. Mina stand versteinert vor ihr.
"Teona, bitte, glaub mir, Mina ist gerade für solche verdeckten Mission wirklich gut.", versuchte er es eindringlich, "sie hat uns in Traiskirchen aus mehr als einer brenzligen Situation geholt. Defne ist viel zu hitzig dafür. Sie würde unsere Tarnung sofort auffliegen lassen."
"Na danke für dein Vertrauen.", hörte er seine Kameradin hinter ihm. Defne trat ein, einen säuerlichen Ausdruck auf dem beschuppten Gesicht tragend. Sie wirkte erschöpft.
"Aber er hat recht. Ich bin eine Kämpferin, keine Spionin. Ich habe nicht die Geduld." "Schwachsinn! Du bist perfekt dafür.", bemühte Falko sich, doch seine Stimme verrutschte und klang kaum glaubwürdig. Defne verdrehte die Augen.
"Diese Rettungsaktion ist verdammt gefährlich. Ihr braucht jemanden, der in einer schwierigen Situation einen ruhigen Kopf bewahrt. Mina kann das. Ich denke, dass sie die beste Frau für den Job ist." Die Worte hingen in der Luft, verbreiteten sich, wurden eingesaugt und hastig wieder ausgespuckt. Niemand hätte mit Defnes Unterstützung gerechnet. Minas überraschter Ausdruck überraschte ihn. Heute war ein seltsamer Tag.
"In Ordnung.", Teona nickte langsam, "dann werden wir es wohl so machen. Dann müssen wir uns nur noch überlegen wer die dritte Person übernimmt."
"Luke.", Defne überraschte erneut. Viktor hob die Augenbrauen. "Ist er dafür wirklich der beste Mann? Was ist mit Falko oder Henrik." "Ich würde das nur ungern übernehmen. Meine Aufgaben sind eher im Management.", ließ sich Falko verlauten. Ein Feigling, große Reden schwingen, Wütende Tiraden von sich geben, aber wenn ihn jemand ernsthaft für die gefährlichen Aufgaben in Betracht zog, war er plötzlich ganz bescheiden.
Jay hätte dem älteren Mann seine Empörung nur zu gerne gezeigt, aber sie spielte ihm gut in die Karten. Mit niemand anderem würde er gerne in dieses Wespennest gehen. Luke würde ihm den Rücken freihalten und besonnen reagieren. Niemand sonst hatte einen Einwurf vorzubringen. Defne lächelte zufrieden.
"Ich werde ihm das Angebot bringen. Aber ich bin sicher, dass er es annehmen wird." "Damit hätten wir unsere Spione. Um den Rest kümmern wir uns jetzt." Teona verließ prompt das Zelt und ging entschlossen weiter. Perplex folgten sie ihr.
Jay ging neben Defne und Mina. Flüsternd beugte er sich zu seiner Kameradin. "Danke für deine Unterstützung." Müde nickte Defne.
"Ich hatte nicht wirklich eine Wahl. Gabi hat mit mir geredet. Sie kann sich vieles zusammenreimen, weil so gut wie jeder mit ihr redet. Sie meinte, dass es wegen meiner äußerlichen Merkmale äußerst schmerzhaft und schwierig bis hin zu unmöglich wäre, mein Aussehen zu verändern.", sie warf einen Blick auf Mina, "und ich traue niemand anderen diese Mission zu."
"Und ich dachte, du hasst mich?", Mina sprach die Worte ohne Gefühl. Defne lachte leise. "Wer sagt, dass ich nicht beides kann." Defne ging schneller und ließ sie zurück, verschwand in der Menge, die sich mittlerweile um Teona aufgebaut hatte.
"Sie ist eine komplizierte Frau.", beinahe hätte er Mina Bewunderung zugeschrieben. Nickend sah er sich um. "So wie du. Ich denke, ihr zwei könntet euch gut verstehen. Sie hat schon so einiges erlebt und versteht dich vielleicht auf einer anderen Ebene als Oona." "Ich brauche keine weiteren Freunde."
"Man kann nie zu viele haben.", murmelte er abgelenkt. Eine wahre Menschenversammlung hatte sich in der unregelmäßigen Mitte der Zeltstadt gebildet. Die Sakis murmelten unsicher und gleichzeitig neugierig. Eine solche Unterbrechung des Alltags war selten.
Jeder wollte wissen, was Teona zu sagen hatte. Geschickt stellte sie sich auf eine Kiste um größer zu sein und von jedem gesehen zu werden. Ihre graue Kleidung, einfach und langweilig ließ sie dennoch Autorität verströmen. Die bereits sanfter werdenden Lichter gaben der gespannten Stimmung tiefe. Eine Handbewegung und ruhe kehrte ein. Wie elektrisiert wurde auf die ersten Worte gewartet.
Ein seliges Lächeln trat auf Teonas Züge. "Ich sehe, viele bekannte Gesichter vor mir. Freunde, Familie. Menschen, die einmal fremd waren und nun wie ein Teil von mir sind. Wir alle haben unser Zuhause verlassen. Sind Flüchtige aus jeder Gesellschaftsschicht. Wir wurden zu einer Bewegung, einer Zuflucht und schließlich einem neuen Zuhause.
Doch für jeden, den wir retten konnten, gab es zwei, für die wir zu langsam waren, zu schwach. Viele unserer Brüder und Schwestern befinden sich in Gefängnissen und müssen dort Qualen erleiden. Eines dieser Gefängnisse wird Traiskirchen genannt. Ein einfaches Dorf, unscheinbar und genau das soll es auch sein.
IZANAGA hat dort schon lange eine Basis und benutzt unsere Freunde für menschenverachtende Forschung. Ich spreche von Experimenten mit grausigsten Ausgängen, Folter und Strafe. Ein Leben ist dort nichts wert, besonders wenn es das eines Sakis ist.", sie hielt inne, ließ die Wut über diese Aussage schwellen, "Aber das ist Bullshit! Wir sind Menschen! Wir verdienen eine gerechte Behandlung.", ein zustimmendes Gemurmel ging durch die Masse, einige schrien ihre Zustimmung sogar in die Runde.
Teona hatte es geschafft, die Gefühle von jedem zu wecken. Und auch Jay stimmte mit ein. Langsam hob Teona die Hände und brachte erneut Ruhe in ihre Versammlung, sie holte tief Luft und machte dramatisch weiter.
"Aber was können wir tun? Eine gute Frage. IZANAGA hat die Regierung unter ihrer Kontrolle. Das Gesetzt steht nicht auf unserer Seite. Unsere Ressourcen sind limitiert. Nun, genau diese Frage hat sich Jay hier auch gestellt.", sie zeigte auf ihn und etwa 80 Augenpaare wanderten in seine Richtung.
So plötzlich im Rampenlicht fühlte er sich entblößt. "Jay hat die letzte Woche unermüdlich an einer Rettungsmission gearbeitet. Er hat sich selbst in große Gefahr gebracht um wichtige Informationen zu beschaffen. Mit diesen ließ sich ein Plan gestalten. Ich werde euch nicht anlügen, es ist ein riskanter Plan. Vieles kann schief gehen, aber sind unsere Freunde es nicht wert?!", erneut schrien die Sakis der Unterstadt.
Jeder hatte ein Familienmitglied oder einen Freund durch IZANAGA verloren. Die Gefühle waren aufgeheizt. Defne trat zu Teona und flüsterte ihr etwas zu. Ein Leuchten trat in ihre Augen.
"Drei von uns werden das Gefängnis infiltrieren und unsere Freunde befreien. Jay, Luke und Mina werden diese Vorhut bilden." Luke stand plötzlich neben ihm, ein stoischer Ausdruck auf den sonst sanften Zügen.
"Bist du sicher?", hauchte Jay ihm zu und bekam ein knappes nicken. "Ich würde dich doch da nie alleine reingehen lassen. Ich bin an deiner Seite." Mit einem genervten Blick von Mina waren sie ruhig und hörten weiter zu.
"Ihr Mut wird diese Mission möglich machen. Jetzt ist es an uns, für den Rest zu sorgen. Sobald unsere Spione die Gefangenen befreit haben, sind sie verletzlich. Eine rasche Flucht ist alles was sie retten kann und genau da kommen wir ins Spiel. Traiskirchen liegt weit abseits und ohne genügend Autos und dazugehörige Fahrer wird das nichts."
"Was ist mit der Bahnstrecke?", hörte er aus dem Masse. Jeder sah sich um. Es war Oona. Mit selbstsicheren Schritten zeigte sie sich. "Es gibt eine Bahnstrecke von Wien nach Traiskirchen. Wäre es nicht einfacher, wenn wir einen Zug okkupieren und so verschwinden?"
Keine dumme Idee. Ein Zug wäre unauffällig und sehr viel leichter zu stehlen als drei bis vier Autos. Vielleicht würden sie sogar mehr brauchen. Und wer würde sich schon um das Verschwinden eines Zuges kümmern. Die ÖBB ganz sicher nicht.
"Ich war Zugführer!", rief ein Mann in seinen Vierzigern, "Ich kann ihn kurzschalten und fahren." Erfreut lächelte er. All die Sorge keine Freiwilligen zu finden und hier war zumindest einer. Teona schien ebenfalls zufrieden.
"Das klingt machbar. Es fehlt eine Eskorte. Wir brauchen Mitstreiter, die den Zug beschützen, ihn bewachen und wenn möglich Tarnen." Stille verschluckte den Mut. Er war nicht überrascht. Von Revolution zu sprechen war immer einfacher als danach zu handeln und um was Teona bat, war gefährlicher als alles andere. Oona hob die Hand.
"Ich werde den Zug mit Strom versorgen und bewachen." Ihren Mut hatte er tatsächlich nie angezweifelt, auch wenn es ihm vielleicht lieber gewesen wäre, sie in Sicherheit zu wissen. Nach und nach meldeten sich die Menschen.
Es war ein bunter Haufen jeden Alters und jeder Fähigkeit. Er war froh, Eloise unter den Freiwilligen zu sehen. Die junge Frau konnte sich selbst und andere unsichtbar machen. Ein ganzer Zug wäre zu viel, aber vielleicht war es möglich Teile davon zu tarnen.
"Vielen Dank für euren Mut. Zusammen können wir aus Unrecht Recht werden lassen. Der Rest von euch wird mit Viktor die schnellstmögliche Evakuierung üben und Ressourcen für unsere möglicherweise verletzten Freunde vorbereiten."
Ein Ruck ging durch die Masse. Teona erhob noch einmal die Stimme, "Ich weiß, dass ihr es alle gespürt habt. Es war längst an der Zeit für eine Veränderung. Unser Leben ist mehr wert als das hier. Und gemeinsam können wir einen neuen Weg gehen.", damit verließ Teona die provisorische Bühne und entließ gleichzeitig die Bewohner der Unterstadt.
Die Sakis verschwanden in Zelten oder zogen sich anderwärtig zurück. Es gab viel zu bereden, viel zu überlegen. Teonas Ansprache musste verdaut werden und ein Urteil über gemachte Pläne stand ebenfalls noch aus.
"Ihr solltet mit Gabi reden, wegen eurer Tarnungen.", meinte Teona und wurde von einer verschwitzen Maddie an weiteren Worten gehindert. "Ich habe den dritten erwischt.", meinte sie keuchend mit unangebrachtem Stolz. Schließlich ging es um eine Entführung, dieses Verbrechen verdiente vieles, aber sicherlich keinen Stolz.
Jay vergrub seine bissigen Gedanken, es war seine Idee gewesen. Die junge Frau hatte Befehle ausgeführt und das zur vollsten Zufriedenheit ihrer Kommandeure.
"Tom hat sich ordentlich gewehrt, er kann Karate oder ähnliches. Hat ihm am Ende nichts genutzt. Jetzt sitzt er neben seinem Geliebten in unserem Gefängnis.", strahlte sie von einem Ohr zum anderen.
"Seinem Geliebten?", verwirrt hob Jay die Augenbrauen. Maddie zuckte mit den Schultern und reichte ihm Alexas Zettel. Darauf stand Wort für Wort, dass Tom und Richard ein inoffizielles Paar waren.
Jay sah Luke verschmitzt an. Sein Freund lächelte und legte einen Arm um seine Schultern. "Das wird interessant.", meinte er lachend.
"Also haben wir kein Problem?", Teonas Blick wanderte von einem zum anderen. "Nein, das kriegen wir hin."
"Gut, dann ab zu Gabi und dann Nachtruhe. Morgen ist der Ball und ihr müsst davor noch passende Kleidung besorgen. Oona, liebes, komm her." Hastig bemühte Oona sich zu ihrem kleinen Kreis. Schüchtern lächelte sie Teona an.
"Was brauchst du, Teona?" "Dich. Maddie wird das Kommando der Eskorte übernehmen. Ich möchte, dass du ihre rechte Hand bist." "Aber ich habe sowas noch nie gemacht.", unsicher zog sie die Schultern hoch. Jay stieß sie an.
"Du kannst das. Menschen lieben dich." "Das ist kein Beliebtheitswettbewerb.", Maddie wirkte alles andere als glücklich über diesen Befehl. Teona warf ihr einen strengen Blick zu und wandte sich wieder an Oona.
"Du hast hier Mut gezeigt und den Willen die Rettungsmission zu unterstützen. Ich denke, dass du die Freiwilligen motivieren kannst. Und keine Sorge, jeder beginnt irgendwo. Maddie wird dir das wichtigste davor beibringen und den Rest lernst du." Die ermutigenden Worte zeigten Wirkung. Oona nickte und sah Maddie hoffnungsvoll an. Diese braunen Augen und das freundliche Gesicht. Jay sah zu wie Maddie einknickte. Gespielt missmutig verschränkte sie die Arme und nickte.
"Wir werden das gemeinsam machen.", bestätigte sie. "Gut, geht an die Arbeit. Trainiert und organisiert. Ich überlasse euch das. Viktor, Falko und ich kümmern uns um die Unterstadt."
"Dann los.", Luke zog sowohl ihn als auch Mina davon und drängte sie zu Gabis Zelt. "Sie wird sicher nicht dort sein.", merkte Jay an, doch Luke schüttelte den Kopf.
"Vielleicht nicht, aber es wird der Ort sein, an dem wir uns mit ihrem Treff können. Sie wird kommen." "Und dann?", fragte Mina und betrachtete das alte Zelt skeptisch. Es war beschmückt und liebevoll mit Teppich ausgelegt.
Mehrere Gartensessel davor ließen regelmäßig viele Besucher vermuten. Gabi war mit eine der längsten Einwohner der Stadt. Lange Zeit konnte sie das Morphen, wie sie ihre Fähigkeit nannte, nicht kontrollieren. Jeden den sie berührte, veränderte sie, meist unter starken Schmerzen.
"Wir sollten dich zumindest einmal vorstellen und vielleicht kann sie uns verraten was uns morgen erwartet.", er war selbst neugierig. Er hatte Gabis Morphen noch nie gesehen, der Prozess war ein Mysterium.
"Ah, da sind meine drei Spione ja. Lasst auch ansehen.", Gabi trat lächeln zu ihnen. Sie war Mitte fünfzig, hatte schulterlanges braunes Haar, eine brille und freundliche braune Augen.
Ihre Rheumageplagten Hände waren stets zu leichten krallen geformt und ihre Schmerzen mussten an manchen Tagen beträchtlich sein. Trotzdem hatte Jay sie noch nie mit etwas anderem als einem Lächeln auf den Lippen gesehen. Sanft berührte sie Jays Wangen, danach Luke und schließlich wandte sie sich Mina zu.
"Dich kenne ich noch nicht. Ich bin Gabi." "Mina."
"Du bist eine kleine Berühmtheit hier, lass dir das gesagt sein. Zuerst Gast, dann Gefangene und nun Kämpferin für unsere Freunde. Das ist schon ein beachtlicher Wandel."
"Nur das letzte war meine Entscheidung.", meinte sie trocken. Gabi lachte leise. "Du hast schon viel erlebt. Das sehe ich in deinen Augen. Ich weiß, dass diese Fähigkeiten beängstigend sein müssen. Alles was wir können...", sie konnte den Satz nicht beenden. Mina berührte Gabis Hand sachte.
"Ist ein Teil von euch, aber ihr seid dennoch mehr als eure Fähigkeiten." "Das ist lieb von dir. Ich kann deinen Körper zu Glorias formen. Das ist meine Fähigkeit. Leider wird das keine angenehme Erfahrung für dich."
"Ich kann viel aushalten." Ein trauriger Ausdruck zeigte sich in Gabis Zügen. "Das kann ich mir durchaus vorstellen. Das Leben kann hart sein, mein Kind. Aber es sind nicht nur Schmerzen sondern auch Kraft. Du wirst dich danach müde fühlen. Ausgelaugt. Das Morphen wird ungefähr einen Tag anhalten und dann langsam abklingen. Es ist ein invasiver Eingriff. Das musst du verstehen. Ihr alle müsst euch darüber im Klaren sein."
Sie sah jeden von ihnen eindringlich an. Jay fühlte die Nervosität in seiner Magengrube. Sie brodelte zäh vor sich hin. "Ruht euch aus. Morgen etwa zu Mittag treffen wir uns wieder."
"Ist das nicht etwas zu früh?", Luke wirkte auch reichlich nervös. Er trat von einem Fuß auf den anderen. "Ihr werdet Zeit brauchen um euch in den neuen Körpern zurechtzufinden. Du würdest dich wundern, wie anderes es sich anfühlt fünf Zentimeter größer zu sein oder längere Arme zu haben. Selbst die Nase kann einen gewaltigen Unterschied machen. Wir wollen, dass ihr nicht auffallt, also müsst ihr üben."
Die Schwere der Situation war mit Händen greifbar. Müde strich Jay über seinen Kopf. "Okay. Dann sehen wir uns morgen."
"Komm mit, du kannst in meinem Zelt übernachten. Mina hat bei Oona sicher noch Platz." "Ich begleite dich zu dem Zelt.", bot Jay ihr an. "Ich möchte mich noch ein wenig mit Gabi unterhalten. Wenn das für dich okay ist.", entgegnete Mina und rückte näher zu Gabi. Die ältere Frau nickte überrascht.
"Natürlich. Komm herein, wir können zusammen einen Tee trinken." Mina warf ihm einen letzten Blick zu und verschwand mit Gabi im Zelt. Worüber die zwei redeten blieb unter ihnen. Luke zog ihn davon.
"Du kannst nicht lauschen. Wenn sie was zu sagen hat, wird sie es dir sagen." "Diese Frau ist wie eine menschliche Nebelbank. Egal wie viele Fragen ich beantwortet kriege, da sind immer noch hunderte die warten. Es ist frustrierend." Luke lächelte wissend.
"Die hat dich ja ganz schön um den Finger gewickelt." "Ach, was. Ich will nur wissen mit wem Ichs zu tun habe." "Das weißt du längst. Sie ist Mina. Der Rest kommt mit der Zeit. Aber ehrlich, so habe ich dich noch nie gesehen." Und genau das war das Problem. Jay war schnell verliebt und schnell entliebt. Er war nie der Typ für etwas Ernsteres gewesen und er war es auch jetzt bestimmt nicht.
"Mina...macht mich fertig." "Das sehe ich.", sein Freund lachte leise, "fühlt sie dasselbe?" "Keine Ahnung. Sie hat einen festen Freund." Luke pfiff durch die Zähne und klopfte ihm auf den Rücken.
"Willkommen im Mätressenclub. Dachte nie, dass ich dich hier sehen würde."
Anmerkung der Autorin: Ich freue mich auf Traiskirchen. Was sind eure Vermutungen zum Ball?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top