17. Gesetzesbrecher
Das heiße Wasser wurde durch einen Dieselgenerator möglich. Es stank und war vermutlich nicht das Umweltschohnendste, aber in ihrer Situation schien das kaum noch von Bedeutung.
Niemand in der Unterstadt würde ein Wort gegen den Generator sagen. Heißes Wasser war das einzige, dass einen Großteil der Bewohner glücklich machte. Jay schloss die Augen und genoss den Wasserdampf, die Hitze die langsam seinen Körper entlanglief und eine Gänsehaut nach sich zog.
In diesem Augenblick war es ihm ziemlich egal das Privatsphäre ein Fremdwort in der Unterwelt war. Die zehn Duschen waren kreisförmig um den zentralen Wasseranschluss angeordnet. Da Rohstoffe wie Holz oder Stein schwierig waren, wurden die Duschen durch etwa 1, 50 große Plastikscheiben getrennt.
Jemand aus der Stadt konnte Plastik wie Knetmasse formen. Endlich hatten die abertausenden Wasserflaschen einen Verwendungszweck. Graue Handtücher hingen an Harken an einer Plastikwand. Der Boden war ebenfalls aus Plastik.
Die wenige Seife war kostbar und wurde dementsprechend genutzt. Zwei Duschen neben ihm stand Mina unter einem ebenso heißen strahl Wasser. Sie sah erschöpft aus, dunkle Augenringe verfärbten ihr Gesicht. An ihrem Hals erkannte er Tattoos, ihr gesamter Körper war von ihnen verziert.
"Jay.", sie drehte die Dusche ab und sah ihn an, "ich weiß, dass ist vermutlich das Letzte unserer Probleme, aber ich habe wirklich großen Hunger. Ich brauche dringend was Essbares. Kannst du was organisieren?", er nickte langsam.
"Sicher, das ist kein Problem. Wenn wir uns angezogen haben, zeig ich dir, wo sie das Essen ausgeben. Alles okay? Du wirkst müde." Mina stieg aus der Dusche, ungeniert und ehrlich. Ein dünner Körper blickte ihm entgegen. Dünner als noch vor ein paar Stunden, da war er sich sicher. Verlor sie derart schnell an Gewicht?
"Das bin ich auch. Das war ganz schön viel Aufregung für einen Tag." Er drehte das Wasser ab und beschloss genauso ungeniert wie sie zu sein. Sie waren beide erwachsen und nach dem Grad seiner Erschöpfung nachzuschließen wäre ein peinliches Erlebnis ausgeschlossen.
"Für mich sind es bereits einige anstrengende Tage. Keine Sorge. Ich besorg dir was zu essen, rede mit ein paar Leuten und dann legen wir uns für die Nacht hin. Es gibt immer ein paar leere Zelte, in denen sich Neuankömmlinge zurückziehen können. Es sind keine Hotels und die Matratzen hart wie Stein, aber ein Bett ist ein Bett, richtig?"
"Mehr erwarte ich nicht. Danke.", sie trocknete sich ab und begann sich anzuziehen. Fasziniert betrachtete er ihre Tattoos. Er hatte zwar auch ein paar, aber nichts Vergleichbares.
"Sind schön, oder?", fragte sie seinem Blick folgend. Jay wurde rot. Hatte sie ihn erwischt. "Ja, der Künstler muss ausgesprochen talentiert gewesen sein und ehrlich gesagt, will ich mir gar nicht vorstellen, was du dafür bezahlt hast."
Mina wuschelte mit dem Handtuch über ihr kurzes Haar. Als sie fertig war standen die blonden Strähnen wild in alle Richtungen ab. "Gar nichts." Ein keckes Lächeln verbarg sich in ihrem Mundwinkel.
"Wie jetzt? Gar nichts? Du hast all diese Tattoos gratis bekommen?" Er konnte es nicht glauben, schüttelte skeptisch den Kopf als er sich Hose, Schuhe und Shirt anzog.
Die Kleidung, in die sie sich beide zwangen, war die Standartkleidung der Menschen in der Unterwelt. In grau und Brauntönen, manchmal auch schwarz gehalten. Mina hatte einen braunen Pullover und eine schwarze Hose an.
Er selbst hatte weniger Glück gehabt. Völlig in grau gehalten wirkte er wie eine Wand. Mina strich verträumt über das Tattoo an ihrem Handgelenk, ein Vogel in einem Käfig.
"Ich hab mich in ihr Tattoostudio verirrt. Es war spät und sie hat nur noch an einer Kleinigkeit für sich selbst gearbeitet. Irgendwie kamen wir ins Reden und sie hat mir ein Tattoo angeboten. Aus einem wurden viele. Ich glaube, sie hatte Mitleid."
"Wieso?"
"Wieso was?"
"Wieso hatte sie Mitleid?" Mina presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. "Warum stellst du immer so viele Fragen?" "Weil du mir so wenige beantwortest, und die Antworten, die ich kriege, scheinen nie vollständig zu sein. Hinter jeder Antwort verbirgt sich hundertmal mehr. Du tust so, als ob da nichts wäre, als ob du nichts Besonderes bist. Aber allein dein Vater macht dich wichtig. Und dann ist da Oona. Du scheinst in all das hier verstrickt zu sein. Und ich will wissen, wer du bist."
Ihre kornblumenblauen Augen sahen ihn offen an. "Manchmal ist es besser nicht alles zu wissen, Jay. Wissen bedeutet Entscheidungen treffen zu müssen für die du vielleicht noch nicht bereit bist. Vergiss was ich dir erzählt habe. Konzentriere dich auf deine Mission."
Wenn er das nur könnte. Seufzend ließ er ihre Worte stehen und brachte sie zum Zelt, in dem das Essen zubereitet wurde. Die Nahrung wurde stark kontrolliert und rationiert. Es arbeiteten alle in Schichten bei der Essensausgabe- und Zubereitung. Damit wurde die Gefahr einer Bevorzugung verhindert.
Sein unfreiwilliger Gast trottete mit gesenktem Kopf hinter ihm her. Während er seine Freunde und Bekannten begrüßte, verschwand sie in den Schatten. An diesem Abend gab es Reis mit roten Linsen. Sobald er ihr die Schüssel reichte, stopfte sie sich das heiße Essen in den Schlund. Er konnte kaum blinzeln und schon war ihre Schüssel leer.
"Ich brauche mehr.", flüsterte sie mit Hunger in den Augen. Es wirkte fast als hätte sie tagelang nichts gegessen. Grundsätzlich gab es nie mehr als eine Portion. Er sah auf seine eigene Schüssel, nahm einen Löffel und reichte den Rest Mina. Diese fragte nicht nach, sie verschlang seine Portion gierig und atmete erst als alles in ihrem Bauch verschwunden war. Mit roten Wangen wischte sie sich den Mund an ihrem Ärmel ab.
"Danke." "Du scheinst echt Hunger gehabt zu haben. Gabs bei dir kein Mittagessen? Ich mein, ich will nicht urteilen, aber wow. Und dabei ist das Essen hier nicht mal besonders gut."
"Ich krieg von Aufregung immer Hunger.", sie wich seinem Blick aus betrachtete stattdessen zum erstem Mal ihre Umgebung. Verwundert schüttelte er den Kopf. Die zwei Portionen reis röteten nicht nur ihre Wangen, sondern füllten sie auch auf.
Mit einem Mal schienen ihre Augenringe kaum noch der Rede wert. Aber vielleicht irrte er sich auch. Höchstwahrscheinlich tat er das. Das gedämpfte Licht warf große Schatten. Die Zelte waren teils geschlossen, teils offen. Einige schliefen bereits, andere spielten leise Karten oder erzählten sich Geschichten.
"Es ist so ruhig.", er folgte ihrem Blick über seine zweite Heimat. Sie hatte recht. "Die Angst. Sie ist kein guter Wegbegleiter." "Ich weiß. Sie macht einen klein und wund. Und misstrauisch." Erfahrung färbte ihre Stimme.
"Wovor hast du Angst?", eine gehauchte Frage zwischen Zelten. Sie waren alleine in ihrem Kosmos. Er wollte Ehrlichkeit, er brauchte sie. Ihr kleines Lächeln zog ihn näher.
"Ich will niemanden mehr verlieren." Er dachte an ihre Familie, Bruder und Schwester, Mutter und nun auch noch Oona. Sie hatte wahrlich einige Menschen auf der Liste verlorener Lieben. Vielleicht wäre er in ihrer Position auch vorsichtig neue Freundschaften zu akzeptieren.
Zaghaft hob er die Hand, legte sie an ihre Wange. Die Kälte ihrer Haut war keine Überraschung, eher ein Willkommensgruß. Sie ließ die Berührung geschehen.
"Das wirst du nicht-" "Oh mein Gott!", einem Gewitter gleich stürmte eine junge Frau auf sie zu und zerstörte jegliche Vertrautheit zwischen ihnen. Augenblicklich gingen sie auf Abstand. Die junge Frau mit wehenden Haaren, breitem Grinsen und erstaunlichem grünen Kleid entpuppte sich als Oona. Freudestrahlend warf sie sich in seine Arme und küsste ihn. Jay erwiderte den Kuss nur kurz, machte dann die Augen auf und bemerkte Minas steinernen Blick.
"Oona.", er schuf Distanz zwischen ihnen, nahm ihre Hand und lächelte verkniffen, "ich wollte dich gerade suchen." Eine schlechte Lüge, zum Glück war Oonas Spürsinn dafür nicht so gut wie Minas.
"Ich hab gehört, dass du hier bist, und musste dich finden. Ich hatte solche Angst um dich!" Shit, Schuldgefühle grummelten in seinem leeren Magen. Sie mochte ihn, glaubte an eine Verbindung zwischen ihnen. Und da war doch was, oder? Oder nicht...er blickte zu Mina.
Die Zeit mit ihr war anders. Jedes Mal, wenn er bei ihr war. Sie brachte ihn zur Weißglut, platzend vor Neugierde, die Welt geriet jedes Mal aus den Fugen. Und dann erzählte sie ihm eine Wahrheit zwischen tauschend lügen und er hätte Oona nicht küssen dürfen.
Er hätte den Kuss abbrechen müssen, ihn verhindern sollen. Egal wo seine Gefühle lagen, er durfte keine weiteren Grenzen überschreiten. Nicht, bis er sich selbst verstand. Ordnung in seine Gefühle bringen konnte. Okay, er musste atmen. Dringend. Bemüht langsam nahm er zwei tiefe Atemzüge und lächelte Oona an.
"Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Es ging alles gut. Ich hab dir jemanden mitgebracht." Und das war wohl die mieseste Nummer aller Zeiten. Er schubste Oona zu ihrer Freundin in der Hoffnung sich ein wenig Zeit verschaffen zu können.
Wie erwartet weiteten sich Oonas Augen auf Tellergröße und ihre gesamte Aufmerksamkeit lag gebündelt auf Mina. Anders als Jay, drückte Mina ihre Freundin herzlich an sich, küsste ihre Wange und strich zärtlich über deren Haar. Die Berührung erschien natürlich und ernst. In ihr lag eine tiefe Verbundenheit, eine Geschichte.
"Ich hab dich vermisst, Ooni.", flüsterte sie und Oona begann zu schluchzen. "Ich dich auch, Minnie. Hier unten ist alles so kontrolliert und grau. Ich vermisse unsere Abende. Ich vermisse meine Küche und ich vermisse einen guten Chai Latte." Ein leises Lachen wanderte zwischen ihnen.
"Ich weiß. Das ist nicht deine Welt." Aber ihre? Schon wieder eine Frage. Hörten die Fragen bei dieser Frau nie auf. Genervt von seinen eigenen Gedanken ließ er den Blick schweifen und landete auf einer vertrauten Person. Viktor. Seine klugen Augen betrachteten die Szene intensiv. Peinlich berührt lächelnd trat er zu ihm.
"Jap, ich bin wieder da." "Das sehe ich. Schneller als erwartet. Was macht sie hier?" Er meinte Mina, deren Anwesenheit ein Spektakel für die Bewohner der Unterwelt war. Jeder versuchte diskret einen Blick zu erhaschen, doch die Neugierde war offensichtlich.
Nur Sakis, die normale Kinder hatten, durften diese in die Zeltstadt bringen. Ansonsten galt ein strenges Normalo verbot. Niemand ohne Kräfte war willkommen. Da Mina nicht über die vorbestimmten Wege, die rigorosen Sicherheitsmaßnahmen gewandert war, pulsierte sie als bestaunbare Anomalie im Zentrum der gelangweilten Sakis.
Es würde nicht lange dauern und jemand mit Autorität würde sie sich vorknöpfen. Jay musste dem zuvorkommen, seinen Gast traf schließlich keine Schuld. Im Gegenteil.
"Sie hat mir geholfen die Informationen zu beschaffen. Ohne sie wäre ich jetzt nicht hier." "Sie ist keine von uns.", dieser beschissene Satz. Wut schäumte in ihm auf.
"Sie gehört zu Oona und mir und ist absolut keine Gefahr. Ich verbürge mich für sie." Viktor warf ihm einen skeptischen Seitenblick zu. "Ob sie eine Gefahr ist, entscheidest nicht du alleine. Du kennst unsere Regeln. Eine Strafe wird sich nicht vermeiden lassen."
Zum Wohle aller. Die strengen Regeln hatten sie über Jahre geschützt, sie waren das einzige, das Chaos im Schach hielt und sie alle beschützte. Seufzend gestand er seinen Fehler ein.
"Ich versteh. Kann ich sie bei Oona lassen, bis die Führung eine Entscheidung getroffen hat." "Keine gute Idee. Sollte sie zu viel sehen, könnten sie auf den Tod pochen. Besser du führst sie in Oonas Zelt. Sperr sie dort ein. Sorg für einen Zeugen. Und danach komm zum Zelt am Ende der Stadt. Die anderen werden dort warten."
Nickend verabschiedete er sich von Viktor und trat erneut an die Frauen heran. Oona sah ihn besorgt an. "Gibt es ein Problem?" "Etwa Hundert, aber nichts, dass ich nicht regeln könnte. Komm wir zeigen Mina dein Zelt." Ein irritierter Blick wurde ausgetauscht. Mina verschränkte die Arme.
"Wenn es derart viele Probleme gibt, sollte ich dir besser helfen sie zu lösen." "Das ist nicht nötig. Ich-" "werde mein Schicksal sicher nicht blind in deine Hände legen. Was wird hier gespielt, Jay, und sei ehrlich. Du weißt, dass ich dich durchschaue."
Ihr stechender Blick wurde von Oonas zweifelnder Miene begleitet. Beides war eine tödliche Kombination. "Ich hätte dich nicht herbringen dürfen. Es ist streng verboten Nicht-Sakis die Unterwelt zu zeigen. Sehr streng. Die Gesetzte gelten für jeden, auch Menschen, die uns unterstützen. Ich habe eines der wichtigsten Gesetzte gebrochen und jeder hier hat es gesehen. Die Führung muss eine geeignete Strafe finden, um Nachahmung zu vermeiden." Oona begann wie wild den Kopf zu schütteln.
"Das ist doch Blödsinn. Sie ist unsere Freundin. Sicherlich gibt es da Ausnahmen?!" Er biss den Kiefer zusammen, seine eigene Naivität war kaum zu glauben. Natürlich musste es eine Strafe geben. Regeln waren nun mal Regeln. Die Einzige, die völlig gelassen blieb war Mina. Sie nickte langsam.
"Eure Welt, eure Gesetzte. Daran ist nicht zu rütteln. Ist wohl besser, wenn ich nicht zu viel sehe. Hältst du mir die Augen zu?", sie sah ihn herausfordernd an. Tatsächlich war die Augen zu verbinden keine schlechte Idee. Hastig fragte er einen essenden Saki nach seinem Halstuch. Wohlwollend gab er ihm das Tuch. Es bestand aus kratziger Wolle, aber vielleicht würde das die Führung milde stimmen.
"Tut mir leid. Ich hätte besser nachdenken sollen.", entschuldigend hielt er Mina den Stoff vor die Nase. "Wir hatten keine Wahl. Jeder andere Weg wäre unser Tod gewesen.", ihre Worte waren ein Flüstern, als er ihr vorsichtig das Tuch um den Kopf band. Ihr warmer Atem, streifte seinen Hals. Vorsichtig fuhr er über ihren Arm und griff fest nach ihrer Hand.
"So was Bescheuertes! Kein Wunder, dass die Sakis nicht Besonders viele Freunde haben.", protestierte Oona wütend, doch all ihre Wut würde nichts bringen. Sie mussten besonnen vorgehen, klug und vorrausschauend. Mina ergab sich ihrem Schicksal weitaus gelassener. Sie hielt seine Hand mit einem eisernen Griff fest und suchte mit der anderen nach Oona.
"Ich hab dich. Keine Sorge, ich schau drauf, dass du nicht gegen ein Zelt läufst.", Oona warf ihm einen gekränkten Blick zu. Offensichtlich hätte sie sich mehr von ihm erwartet, aber was sollte er tun?
Er war ein Niemand in der Unterwelt. Ein kleiner Programmierer, jemand der andere Sakis in Sicherheit brachte. Organisation war nie seine Stärke gewesen und Führung auch nicht. Behutsam führten sie Mina durch die Zeltstadt.
An jeder Ecke folgten ihnen ein Dutzend neugierige Augen, heißeres Geflüster wurde laut. Der unebene Boden machte es Mina schwer schnell zu gehen und mehrmals stolperte sie. Er bemühte sich ihr Gewicht aufzufangen und auszubalancieren.
"Was hast du gefunden?", Oonas leise stimme riss ihn aus unruhigen Gedanken. "Viel und eigentlich nichts. Dieses Dorf ist absolut verwirrend. Wir haben ein Haus lokalisiert, das definitiv nicht dorthin passt. Aber das ganze Gefängnis kann nicht nur ein Haus sein, dafür gibt es einfach zu viele Sakis. Das ergibt keinen Sinn."
"Was ist, wenn es nicht nur ein Haus ist.", warf Mina ein. "Du meinst unterirdisch?", sie nickte und stolperte. Sein Griff wurde fester. "Daran hab ich auch schon gedacht. Könnte sein, aber irgendwas daran gefällt mir nicht."
"Es ist ein Gefängnis. Ich bin ziemlich sicher, das gar nichts daran gut sein soll.", Oona hatte recht, aber trotzdem rumorte es in seinem Kopf. "Was ist, wenn...", Mina begann und legte den Kopf schief, "nein, das ist Blödsinn."
"Was ist es?" Seine mysteriöse Begleiterin sah ihn mit verbundenen Augen an. "Was ist, wenn es nicht nur ein Haus ist. Was ist, wenn das ganze Dorf mitmacht?" "Du meinst alle Bewohner sind die Wärter für die gefangenen Sakis?"
"Ich meine, dass es vielleicht gar keine Bewohner mehr gibt. Erinnere dich, die meisten Menschen, die wir gesehen haben, waren Touristen wie wir oder Agenten. Hast du Menschen gesehen, die nach Bewohnern aussahen? Leute, die vielleicht auf dem Weg zur Arbeit waren oder Erledigungen machten?"
Jay zog scharf die Luft ein. Vor seinem inneren Auge sah er das Dorf. Traiskirchen mit seinen traditionellen Häusern, den kleinen Läden und den...Agenten.
"Du könntest recht haben, aber ein ganzes Dorf...das erscheint mir trotzdem unwahrscheinlich." "Ich kannte mal...", sie stoppte sich, bis auf ihre Lippe. "Was?", zum Glück fragte Oona nach, Jays Neugierde wäre sonst sicherlich geplatzt. Mina schüttelte den Kopf.
"Nichts. Es ist nichts weiter." Enttäuscht kamen sie zu Oonas Zelt. Als sie hineintraten lag da Defne auf ihrer Matratze. Luke saß zu ihren Füßen und lass ein dickes Buch vor. Ihre erschrockenen Blicke als sie Mina erkannten waren fast unbezahlbar. Vorsichtig setzte er seinen Gast auf Oonas Bett und nahm ihr die Augenbinde ab. Oona verschloss das Zelt und nahm neben ihrer Freundin Platz.
Defne zischte angewidert und sah ihn giftig an. "Was hast du getan?" Beruhigend hob er die Hände, "Ich weiß, was du denkst, aber sie hat mir geholfen. Es gab keine andere Möglichkeit. Sonst wäre sie jetzt in einer Gefängniszelle."
"Und? Sie ist eine Normale! Sie gehört nicht hierher." "Defne, komm schon. Sie kann dich hören.", versuchte Luke sie zu beschwichtigen und zu Jays Überraschung gelang ihm das auch bis zu einem gewissen Grad.
"Sie muss hierbleiben, bis die Führung über meine Strafe und ihren Verbleib entschieden hat. Bitte Defne." "Das wird nicht schön."
"Damit muss ich leben. Schließlich hab ich die Gesetzte gebrochen. Sie warten bereits auf mich.", er wandte sich an Mina und Oona, "bleibt einfach hier. Ruh dich aus, Mina. Wenn ich wieder komme, weiß ich hoffentlich mehr." Mina stand auf, trat zu ihm.
"Erzähl ihnen, was wir gefunden haben, vielleicht lassen sie sich dadurch beschwichtigen." "Als wären sie dumm genug auf sowas reinzufallen.", Defne stierte sie an, "wenn sie dich für eine Gefahr befinden, musst du leider sterben."
"Ich lasse mich nicht so einfach töten.", gab Mina zurück. Da glitzerte eine unangenehme Wahrheit in ihrem Blick. Unumstößlich, nein, sie würde nicht sterben. Ganz sicher nicht für seine Taten. Jay trat dazwischen, hoffentlich beschwichtigend genug, um Blutvergießen zu vermeiden.
"Das werden sie nicht. Das sind keine Barbaren. Vertrau mir, ich Regel das.", ein furchtbarer Satz, den sie ihm nicht abkaufte, aber was Besseres hatte er ihr nicht zu bieten. Mit einem letzten Blick auf seine Freunde trat er aus dem Zelt. Er atmete tief durch, mehrmals und machte sich dann auf den Weg zu dem Zelt am Rande der Stadt.
Der Weg kam ihm ewig vor und immer wieder spielte er im Kopf seinen Fund durch, versuchte ihn besser zu erklären. Nervosität kroch durch seinen Körper wie zäher Beton, bedeckte seine Handflächen mit kaltem Schweiß und trocknete seinen Mund völlig aus. Viktor wartete vor dem Zelt.
"Wo ist sie?" "In Oona und Defnes Zelt. Defne wird dafür sorgen, dass sie dort auch bleibt. Sie ist meine Zeugin." Und besaß einen ausgesprochen guten Ruf bei der Taube.
Zufrieden nickte Viktor und schob ihn vor die wartenden Hunde. Falkos Grinsen war das erste das er bemerkte. Breit und gemein erwartete er Jays Versagen. Die Frau mit dem dritten Auge auf der Stirn lächelte ihn willkommen heißend an, ihre Kollegin hatte vor Wut die Arme verschränkt und eine säuerliche Miene aufgesetzt. Viktor strahlte als einziger Neutralität aus.
"Du bist wieder da.", verkündete die dreiäugige, "früher als wir es uns vorgestellt hätten." "Ich hatte Hilfe. Die Informationen sind gut.", er ließ den Satz in ihrer Mitte schweben. Es war offensichtlich das er damit Mina, die Normale, meinte.
Tick. Tack. Und die junge Frau ohne Haare explodierte. "Wie kannst du es wagen unser wichtigstes Gesetzt zu brechen?! Eine Normale in der Unterstadt!"
Falko setzte nach, doch Jay hörte ihm nicht zu. Er schnalzte mit der Zunge, schuldig und gleichzeitig ohne Reue. Irgendetwas sagte ihm, dass Mina zu ihnen gehörte. Dass ihr Platz bei ihnen war.
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