Nervös tritt Carla von einem Fuss auf den anderen. Angespannt wartet sie darauf, endlich aufgerufen zu werden. Ihr Blick huscht zu dem dicken Stapel von Karteikarten. Ihre Hände zittern leicht. Sie ist es sich nicht gewohnt, vor so vielen Leuten zusprechen.

Carla lebt den Traum ihres Lebens. Schon als sie ein kleines Kind war, wünschte sie sich immer, Forscherin zuwerden. Leider hatte sie es in ihrem menschlichen Leben nie geschafft, aber fünfzig Jahre nach ihrer Verwandlung in eine Vampirin hat es endlich geklappt.

Ihr Blick huscht über die Menge der Vampire.

Als der Vampir, der auf der Bühne steht, endlich ihren Namen aufruft, versteinert sie für einen Moment, lächelt dann aber und geht schüchtern auf die Bühne.
Sie hatte diesen Moment etliche Male in ihrem Zimmer geübt, aber es hatte sich noch nie so überwältigend angefühlt, wie in diesem Moment.

Carla räuspert sich und lässt ihren Blick über die fremden Gesichter huschen.

„Liebe Vampire, liebe Vampirinnen. Mein Name ist Carla Murphy, Forscherin der Vamp-stud Instruktion. Ich möchte Ihnen heute eine neu entdeckte Fabelwesen Art vorstellen", Carla lächelt in das Publikum, welches sie interessiert beobachtet.

„Der Name dieses Wesens ist pointed tooth. Auf Deutsch übersetzt „Spitzer Zahn". Ihr könnt euch vielleicht selbst vorstellen, weshalb dieses neuentdeckte Wesen diesen Namen trägt", die Nervosität scheint plötzlich verschwunden.

„Das pointed tooth sieht wie eine Mischung aus einem Mara, also ein grosser Phamapashase, und einem Reh aus. Sein Stockmass ist aber nur um die 30-40 Zentimeter und hat ein Gewicht bis zu 16 Kilogramm. Der Kopf gleicht mehr dem eines Maras und die Köperstatur eher eines Rehs. Ich hoffe, meine Damen und Herren, Sie können sich nun etwa ein Bild eines pointed tooth machen", Carla lächelt stolz ins Publikum. Glücklich über die interessierten Blicke, welche sie erhält.

„Vergesst nicht, ein pointed tooth gilt nur als Fabelwesen, weil es die Menschen noch nicht entdeckt haben und somit nicht an seine Existenz glauben. Sobald sie eines dieser süssen Kreaturen finden, werden sie versuchen, es wissenschaftlich zu erklären. Doch ich bin stolz, Ihnen diese Wesen, welche uns so ähnlich sind, nun vorstellen zu dürfen", das erste Mal in der Zeit, in der Carla nun schon spricht, fällt ihr Blick kurz auf ihre Karten. Sie weiss genau, was sie sagen will, doch es gibt ihr eine kurze Pause, in der sie Luft holen kann.

„Pointed teeth haben ähnliche Eigenschaften wie wir Vampire. Wie wir haben sie, wie der Name sagt, spitze Zähne und sind ebenfalls Blutsauger. Sie beissen andere Lebewesen, töten jene aber nicht und schaden diese auch nicht. Ähnlich wie Menschen das Gift einer Schlange abnehmen, können auch wir das Blut der pointed teeth bekommen. Ich habe ihr Blut versucht und sage euch, ich hatte für den Rest des Tages keinen Hunger mehr. Das Blut von diesen kleinen Wesen, scheint eine heilende Wirkung zuhaben. Mein Team und ich wollen aber noch weitere Tests durchführen, um ihr Blut genauer zu erklären", Carla schaut weiter in die Menge. Gespannt, wie die Vampire auf ihre gesagten Worte reagieren. Einige schauen sie neugierig an, andere nicken verstehend und wieder andere lächeln.

Clara lässt den Part, dass eines dieser Tiere dank einem Biss ihr Leben gerettet hat, gekonnt aus. Eigentlich sollte sie dies nicht verschweigen, aber das Tier scheint seit jenem Tag an sie gebunden zu sein. Durch Angst, dass die Tiere für die anderen zu schmackhaft werden, hat sie sich dazu entschlossen, diesen Teil fürs Erste geheim zuhalten.

„Gehen wir zum Lebensraum eines pointed tooth über. Ich habe durch Zufall ihren Lebensraum gefunden und war positiv erstaunt. Um ihren Lebensraum zu finden, muss man tiefer in den Wald, als Menschen es jemals gewesen sind. Menschen denken immer schon fast alles auf der Erde gesehen zu haben, aber dies ist nicht der Fall", beim Gedanken an die Welt der pointed teeth kann sich Carla ihr Lächeln nicht mehr verkneifen.

„Mein Weg führte mich in die Tiefen einer Höhle. So weit hinein, dass ich schon fast aufgeben wollte, als ich ein kleines, fast unscheinbares Licht entdeckt habe. Dieses Licht wurde mit jedem Schritt grösser und enthüllte mir dann einen Ausweg", erneut kann sich Carla ihr Lächeln nicht mehr verkneifen. Sie ist sich bis heute froh, nicht aufgegeben zu haben.

„Auf der anderen Seite der Höhle waren zwei kleine Teiche. In jedem Teich waren einige Seerosen aufzufinden. Zwischen den beiden Teiche führte ein kleiner Weg hin. Der Weg, bestehend aus Gras, war schmal. Ein Baum schnitt den Weg ab und vor dem Baum war ein grosser Stein. Der Baum war eine Art Trauerweide", Carla nimmt sich einen Moment Pause. Dies, um den Leuten einen kurzen Moment zugeben, sich den Ort in Stille vorzustellen, und um für sich den Ort noch einmal in ihr Gedächtnis zurufen.

Sie hatte sich damals zusammen mit ihrem Buch gegen den Stein gelehnt, ihre eine Hand ins kühle Nasse gleiten lassen und die pointed teeth näher betrachtet.
Der Stein schien wie gemacht zu sein für sie. Ihr Rücken hatte perfekt auf die Rundung des Steines gepasst.
Die Äste der Trauerweide haben ihr Schatten gespendet und sie auf eine gewisse Art auch beschützt.
Was würde sie nun alles so gerne geben, um noch einmal dort zu sitzen und ihr Leben zu geniessen? Noch einmal alle Sorgen zu vergessen und sich bei den pointed teeth willkommen fühlen.

Sie holt tief Luft und fährt dann weiter: „Die pointed teeth gingen in den Teichen schwimmen, trockneten sich in der Sonne. Die Jünglinge spielten gemeinsam. Andere hüpften über Steine. An jenem Ort schien das Leben unbeschwert, gutmütig und ruhig. Fast wie in einem Traum!"

Carla räuspert sich und blickt dann kurz auf ihre Karteikarten. Die Erinnerung an den Ort erleichtert ihr Herz ein wenig. Scheint sie von schlechten Gedanken zu lösen und jetzt noch immer zu beruhigen. Nun ist die Nervosität komplett verschwunden und lässt sie zusammen mit einer ruhigen Art zurück. Auch auf die anderen Vampire im Raum scheint Carlas plötzlich so ruhige Art einen ruhigen Einfluss zuhaben. Alle schauen sie immer noch interessiert an, wirken aber selbst ruhiger und weniger angespannt zu sein.

„Gehen wir weiter zum Aufwachsen", verkündet Clara. „Leider hatten meine Forscherfreunde und ich noch nicht genug Zeit, die pointed teeth genau zu analysieren, aber wir fanden doch schon einiges über ihr Aufwachsen heraus."

Carlas Blick huscht erneut über die verschiedenen Gesichter.
„Jünglinge kommen wie Meerschweinchen auf die Welt, somit quicklebendig. Sie sind nicht wie zum Beispiel Welpen, welche zuerst eine Weile brauchen um laufen zu können, Fell zubekommen oder ihre Augen zu öffnen. Ich zähle mich zu einer der Glücklichen, die eine Geburt mitansehen konnte. Das kleine neugeborene pointed tooth brauchte eine Weile, bis es sich wie ein Fohlen daran gewöhnt hat, auszustehen. Doch als es sich auf seinen kurzen, dünnen Beinen halten konnte, wurde es schnell zu einem kleinen Wirbelwind, welches herumrannte und begann, mit anderen Jünglingen herumzutollen", ein warmes Lächeln breitet sich auf Carlas Lippen aus. Das kleine pointed tooth, welches sie insgeheim Whirli nennt, hat sich sofort in ihr Herz gebrannt.

„Das Stockmass des Neugeborenen war etwa um die 15-20 cm. Wie schwer es war, weiss ich leider noch nicht. Die Mutter des Kleinen war sehr beschützerisch und liess mich nicht näher als einen Meter an das Kleine heran", einige Vampire schmunzeln ab diesem Wissen. Carla ist bewusst, dass auch die meisten Vampire hier in diesem Raum Kinder haben oder Kinder hatten und deshalb den Beschützerinstinkt einer Mutter sehr wohl kennen.

„Die Kleinen wachsen dann langsam heran, so wie es die meisten auch von Menschen anerkannten Tiere machen. Zuerst sind es kleine Geschöpfe, danach werden sie immer grösser und erwachsener. Wie Säugetiere brauchen auch die pointed teeth Milch zum Aufwachsen. Später ernähren sie sich dann von Blut, Gras und Wasser."

Carlas Blick saust zu ihrem Platz, auf dem sie, bevor sie auf die Bühne gegangen ist, gesessen hatte. Unter jenem Stuhl, wo sie gesessen ist, liegt eine Box. So eine Box, wie es die Menschen für Katzen brauchen. Nur ist jene Box etwas grösser und im Inneren ist keine Katze versteckt.

Koren, das pointed tooth, welches sich an sie gebunden hat, ist im Inneren versteckt. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen bei dem Gedanken an den kleinen Fratz.

Koren ist ein jugendlicher pointed tooth, welcher die Sicherheit seines Zuhauses verlassen und sich in den Wald zurückgezogen hat. Carla weiss nicht genau, weshalb das Wesen von Zuhause geflohen ist, aber er rettete sie, als sie vom Weg abgekommen ist. Etwas, was sie den Vampiren vor ihr auch verschweigt, ist nämlich der genaue Standort des Waldes. Wenn man durch jenen Wald geht, darf man nicht vom Weg abkommen. Der Weg führt niemals nach Norden. Sollte der Weg dies tun, ist dein Schicksal im Wald zu sterben.
Carla hatte einen Riesenfehler begangen und sich zu wenig über den Wald informiert, sodass sie vom Weg abgekommen ist. Die Luft schien aus ihren Lungen gezogen zu werden und sogar als Vampir fühlte es sich so an, als würde sie sterben. Doch als sie sich schon mit ihrem Schicksal abgefunden hatte, spürte sie einen Biss an ihrem Handgelenk und sofort konnte sie wieder atmen. Koren hatte sie gerettet und weicht nun nicht mehr von ihrer Seite.

Warum Koren sie gebissen hat und auf welche Weise er nun mit ihr verbunden zu sein scheint, ist für sie noch unklar, aber sie ist gewillt, es herauszufinden.

Sie löst ihren Blick wieder von der Box und schaut zu den Leuten. „Da mein Team und ich immer noch daran sind, mehr über die Fabelwesen herauszufinden, freue ich mich darauf, in einem Jahr wieder hier vor Ihnen stehen zu können und euch mehr über die pointed teeth erzählen zu können. Ich danke Ihnen für eure Aufmerksamkeit", mit diesen Worten schenkt Carla den Leuten noch ein letztes Lächeln, verlässt die Bühne dann und schreitet auf ihren Platz zu.

Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen hört sie den Rest der Vampire zu. Der eine erzählt über die Legende der Elementwesen und der andere über die Geistervampire. Gespannt hört Carla zu.

Als das Meeting zu Ende geht, greift Carla nach der Box und verlässt den Ort. Als die Frischluft sich mit ihrem Atmen vermischt, öffnet sie die Türe der Box und stellt jene auf den Boden. Koren verlässt die Box und sieht sich kurz etwas verwirrt um. Als das Wesen sich zu Carla dreht, lächelt jene das Tier glücklich an.

„Wir haben es geschafft, Koren."
Koren legt seinen Kopf schief, doch dreht sich dann glücklich im Kreis. Carla ist immer noch dabei, die Köpersprache der pointed teeth zu lernen, aber Freude und Wut kann sie mittlerweile gut unterscheiden.

Carla kann ein glückliches Lachen nicht mehr zurückhalten. Sie hatte es geschafft. Sie hatte es geschafft, vor mehreren Vampiren und Vampirinnen zu stehen und ihnen etwas über ihre Lieblingsfabelwesen zu erzählen. Und nun steht sie an der Frischluft. Gemeinsam mit Koren, ihrem besten Freund, ihrem pointed tooth.

„Gehen wir nach Hause", sagt sie lächelnd und schreitet mit leichten Schritten in die Richtung ihrer Wohnstätte. Koren erhebt seinen Kopf und trottet ihr mit erhobenem Kopf hinterher. Wen ein Grashalm kommt, macht er einen kurzen Stop, um etwas in seinen Magen zu bekommen. Carla sieht ihm dabei lächelnd zu und atmet die Luft ein. Seit dem Tag, an dem Koren sie gerettet hatte, ist sie viel dankbarer für jeden Atemzug, den sie noch machen kann. Ihr Leben als Sterbliche ist schon lange vorbei. Doch ihr Leben als Vampirin und als Forscherin scheint für sie erst richtig zu beginnen und irgendwie ist sie sich sicher, dass sie es gemeinsam mit Koren und den anderen pointed teeth noch gross herausbringen könnte.

Einige Tage später erreicht Carla ein Brief eines Teamkollegen. Er gratuliert ihr für ihre wundervolle Vorstellung über die pointed teeth und erklärt ihr wo, wie und wann sie weitermachen werden.

Carla lächelt stolz und macht sich bereit, ihre Sachen für eine weitere Reise zu packen. Koren sieht ihr dabei interessiert zu. Er würde sie natürlich begleiten. Vielleicht freut er sich ja, seine Familie wieder sehen zu können, denkt sich Carla.

Einen Tag später verlassen sie und ihr pointed tooth ihr Haus, bereit, um mehr Geheimnisse herauszufinden.