Kapitel 2: Alles vorbei?
Mein Leben hatte sich in den letzten Wochen sehr verändert.
Ich hatte den Stall seit Wochen nicht mehr betreten, hatte die Bilder von Silvermoon und mir von meinen Wänden gerissen und auch unsere unzähligen Turnierschleifen in einer Kiste verstaut. Auch wenn meine Wunden und Brüche, die ich vom Sturz davon getragen habe fast verheilt sind, bleibt das klaffende Loch in meinem Herzen.
Meine Eltern machen dies auch nicht besser, wenn sie ständig versuchen mich aus meinem Zimmer zu locken und mir nur Mitleidsbekundungen machen, die ich sowas nicht gebrauchen kann.
Ich schmiss mich rücklings auf mein Bett und starrte an die Decke. An ihr hingen noch kleine Klebereste, die die Fotos hinterlassen hatten.
Neben mir lag mein Handy, dass ununterbrochen blinkte. Sophia schickte mir ständig Nachrichten und versuchte mich zu erreichen.
Sie machte sie bestimmt sorgen, doch ich konnte einfach nicht mit ihr reden. Ihr in die Augen sehen.
Ihre verachtenen Blick für das was ich getan habe. Für das, wofür ich verantwortlich war. Ich konnte es einfach nicht ertragen.
Wenigstens waren bald Sommerferien und ich müsste nicht mehr in die Schule gehen. Wenigstens für 6 Wochen.
Doch vorerst musste ich den Schultag morgen meistern...den ersten Schultag seit ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde und meine Schonfrist, für die meine Mutter gekämpft hatte, vorbei war. Mit Geld und einer Privatschule ist sowas schon einfacher.
Diese Zeit hatte ich gebraucht...um
,,Seli! Kommst du endlich mal?"
Schrie meine Mutter von unten.
Oh man, ich hatte total vergessen, dass sie mich eben zum Essen gerufen hatte. Widerwillig stand ich auf und stellte mich vor den Spiegel.
Ich betrachtete meine schwarzen Haaren, die wahrlos und zerzaust abstanden und meine blauen Augen, die nur trostlos in den Spiegel blickten. Nur daran würde ich wohl nichts ändern können, doch wenigstens was an meinen Haaren. Ich nahm mir eine Bürste und ließ sie durch meine Haaren gleiten, die nur in kleinen Wellen über meine Schultern fielen.
,,Selina?" Kam es wieder von unten.
Ich rollte mit den Augen und lief die lange Treppe herunter und blieb am letzten Absatz stehen und streichelte die Pferdestaute, die den Abschluss des Geländers bildete. Ein wilder Pferdekopf, der von einer langen Mähne umspielt wird. Die Augen voller Freiheit und Lebensfreude. Genauso hatte Silvermoon auch ausgesehen.
Ich setzte meinen Weg in unseren Speisesaal fort, der eigentlich viel zu groß für unsere kleine Familie war, doch was soll ich sagen...er passt halt zu unserem Haus.
Luisa unser Au-pair Mädchen lächelte mir zu, als sie mich sah. Heute Abend hatte sie ein violettes Kleid mit linken Tupfen an und eine passende Schleife im Jahr.
Sie half hier im Haushalt und gab ihr trotz ihr jungen Alters viele weise Ratschläge.
Ich betrat den Saal.
,,Ah Selina" sagte mein Vater und deutete mit seinem Arm auf meinen freien Stuhl.
Ich zwang mich zu einem kurzen Lächeln und ließ mich dann auf meinen Platz neben meinem Bruder fallen.
Und schon kam Luisa mit einem Tablett voll dampfender Suppe durch die Flügeltür gerauscht und stellte eine kleine Schüssel vor mich
,,Bon Appetit, Süße" sagte sie fröhlich und verteilte auch die restlichen bevor sie summend wieder verschwand.
,,Sie ist echt ein Goldschatz. Wir haben echt Glück mit ihr gehabt." sagte meine Mutter lächelnd.
,,Ja sie ist richtig cool" sagte mein Bruder mit vollen Mund
,,Sie war heute mit mir draußen und hat Fußball gespielt. Isi ist richtig gut für ein Mädchen. Sie ist besser als alle anderen."
,,Leopold Rutherford. Deine Essmanieren" tadelte meine Mutter.
,,Tschuldigung" murmelte dieser nur.
Ich löffelte weiter still meine Suppe.
,,Sir Donnerhall und Chapeu werden morgen bei den Crowfords starten. Willst du mitkommen, Selina?"fragte mein Vater vorsichtig, doch ich konnte seine Absichten erkennen, die keinesfalls wollten, dass ich nur einen schönen Nachmittag hatte.
,,John könnte dich nach der Schule abholen und mit dir nachkommen."
sagte er jetzt bestimmter
,,Nein danke" sagte ich nur stumpf.
,,Wirklich nicht? Du willst doch bestimmt sehen wie sich Donnerhall neuerdings macht. Er..."
,,NEIN Danke, Dad." sagte ich ernergischer. Daraufhin herrschte Stille und ich konnte in Ruhe mein Essen genießen.
Nach dem Essen, räumte Luisa das Geschirr zusammen. Mein Vater verschwand Richtung Stall und mein Bruder mit meiner Mutter im Wohnzimmer.
Luisa klapperte mit den Tellern und ich nahm ihr etwas ab und half ihr es in die Küche zu tragen.
,,Danke." sagte sie lächelnd.
,,Kein Problem." sprach ich trocken und wollte gehen. Auch wenn ich Luisa wirklich mochte, gerade wollte ich mit niemanden reden, doch sie legte eine Hand auf meine Schulter
,,Hey...sei nicht sauer auf deinen Vater. Er meint es nicht böse."
,,Ich weiß..." sagte ich
,,Er ist ein guter Mensch, Selina. Glaubs mir."
,,Ja. Gute Nacht, Isi."sagte ich mit einem leichten lächeln, bevor ich die Treppen zu meinem Zimmer hochlief.
Ich schloss die Tür hinter mir und lehnte mich an sie. Morgen war es wohl so weit. Die letzten Tage hatte ich versucht zu verdrängen, dass ich morgen wohl Sophia wie auch den anderen gegenüber treten muss.
Ich werde das schon durchstehen. Meine Schulsachen hatte ich nach kurzer Zeit zusammen gesucht und gepackt. Viel hatte ich nicht verpasst, da meine Schule mir immer wieder Übungsaufgaben ins Krankenhaus bringen ließ, auch wenn ich sie nur halbherzig erledigt hatte. Zum Schluss steckte ich noch Schmerztabletten und meine Entschuldigung für den Schulsport ein. Danach zog ich mich um und legte mich ins Bett und schaute auf mein Handy.
Drei verpasste Anrufe von Sophia und unzählige Nachrichten. Ich werde morgen mit ihr reden. Sie ist zwar bestimmt noch wach und würde an einen Anruf rangehen, aber ich war müde und wollte einfach nur noch schlafen, weswegen ich das Licht ausknipste und mich meinen Träumen hingab.
Ich fand mich auf den Rücken meines prachtvollen Pferdes wieder. Wir galoppierten auf das Ziel eines Parcours zu und übersprangen die letzte Kombination mit links. Die Leute applaudierten und meine Eltern nickten mir stolz zu. Ich ließ mich von seinem Rücken gleiten.
Silvermoon! Wir haben es geschafft! rief ich lachend und schmiss mich an den Hals meines großen Hengstes, doch auf einmal war nicht mehr Silvermoon, wie ich ihn kannte vor mir, sondern eine Gestalt, die von Maden zerfressen war und deren Haut wie Schleim hinunter lief. Ich starrte in tote Augen...
Ich wachte schweißgebadet auf. Es war nur ein Traum gewesen. Nur ein weiter Albtraum. Wahrscheinlich würde diese nie wieder verschwinden. Es dauerte einen Moment bis sich mein Atem beruhigte und ich mich von dem Schock erholt hatte. Im Dunkeln taste ich nach meinem Handy und schaute auf die Uhr: 5:50. In 10min müsste ich sowieso aufstehen, weswegen ich mich müde ins Bad schleppte, mich auszog und die letzten Reste meines Traumes mit einer heißen Dusche von mir fortspülte.
Danach zog ich mich an und schminkte mich ein wenig, damit ich nicht aussah, als hätte ich gerade die ganze Nacht durchgemacht.
Ich schaute wieder auf die Uhr: 6:40.
Genug Zeit um mir noch was aus der Küche zu holen, bevor ich zum Bus müsste. Mein Vater würde mich auch von John oder von Peet fahren lassen, aber das wollte ich nicht.
In der Küche wartete ein Frühstück bestehend aus einem Müsli und einem Brot und Obst für die Schule. Isi musste es gestern Abend noch gemacht haben. Ich lächelte. Sie war einfach super, doch langsam müsste ich mich beeilen.
Die frische Luft fühlte sich gut an, auch wenn es noch recht kalt war, konnte man spüren, dass es heute ein schöner Sommertag werden würde.
Ich schloss die Haustür leise hinter mir und ging den Weg entlang.
Die Stein knirschten unter mir. Dieses Geräusch hatte ich schon als Kind geliebt. Ich weiß nicht den ersten Sonnenstrahlen öffnen, dann würde der ganze Hof in Farben erstrahlen.
Ich blieb kurz stehen und starrte zu Stallungen, die in einem weiß hell erstrahlten. Licht drang durch die offene Stalltür. John war wahrscheinlich schon dabei, die Pferde zu füttern oder die Boxen auszumisten.
Ich blieb noch einen Moment stehen und sah mich um. Hier war ich schon lange nicht mehr gewesen.
Nach diesem kurzen Augenblick führte ich meinen Weg zum Tor unseres Gestütes weiter, das von einem weißen Pferd geschmückt wurde. Mein Vater hatte es nach meinem ersten europäischen Sieg mit Silvermoon anbringen lassen.
Ich wandte dem Gestüt den Rücken zu und wanderte das kleine Stück an den Weiden entlang bis zu meiner Bushaltestelle. Lange musste ich nicht warten und stieg in den Bus.
Die Fahrt über lauschte ich meiner Musik und ignoriere das getuschel um mich herum. Natürlich kannten sie mich. Ich war in den Nachrichten gewesen. Die Tochter des erfolgreichen Michael Rutherfords, die kläglich versagt hatte und dabei auch noch ihr Pferd umgebracht hatte.
Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich fast meine Haltestelle verpasst hätte, doch nur fast und so stand ich nun an der Haltestelle meiner Schule.
,,Sel!" Sophia lief so schnell sie konnte auf mich zu und zog mich in eine feste Umarmung, bei der meine Gliedmaßen an meinen Körper gepresst wurden.
,,Soph...Meine Schulter" würgte ich hervor. Sie ließ von mir ab, als hätte ich ihr einen Stromschlag verpasst.
,,Sry hatte ich vergessen, aber warum hast du mir nicht geantwortet verdammt oder wenigstens mal angerufen?" sagte sie wütend.
,,Tut mir Leid." sagte ich geknickt.
Sophia atmete hörbar aus und legte einen Arm um mich. ,,Hauptsache du bist wieder hier, aber du hast einiges verpasst. Vorallem hätte ich letzte Woche dringend deine Hilfe gebraucht. Mr Roland hat mal wieder versucht mich fertig zu machen. Nur weil ich das 'Stipendium-Mädchen' bin, was nicht seiner Norm sein. Kann halt nicht jeder so reich sein..."
Auf dem Weg bis zur Schule redete sie mich mit den aktuellsten Themen zu und bevor wir überhaupt das Gebäude betreten hatten, war ich auf dem neusten Stand. Wer mit wem auf der Schultoilette rumgemacht hatte, wer sich mal wieder total blamiert hatte, wer mit wem ausging und sowas halt. Auch wenn es mich relativ wenig interessierte.
Wir betraten das Gebäude. Sofort richteten sich alle Blicke auf mich. Selbst die Leute aus der Schach AG und die Streber streckten ihre Nasen aus ihren Büchern hervor um einen Blick auf die Mörderin zu werfen. Jede kleinste Bewegung verfolgten sie mit ihren Augen.
Oder bildete ich mir das alles nur ein?
,,Hey. Sel? Sel!" Sophia holte mich in die Wirklichkeit zurück und diese sah mal ganz anders aus.
Es waren kaum Leute im Gang zu sehen und diese die da waren, waren mit anderen Dingen beschäftigt, als mit mir. Vielleicht würde der Tag ja doch ganz gut werden.
Als erstes hatten wir Geschichte bei Herr Johnson. Eigentlich mein Lieblingsfach, nur irgendwie konnte ich mich nicht durchringen dem Unterricht zu folgen.
Keiner hatte ein Wort über die letzten Wochen oder über mein Fehlen verloren. Es wirkte alles so normal.
Doch ich konnte nicht so tun, als wäre nichts passiert. Ich betrachtete das Bild, was ich von Silvermoon in mein Notizbuch geklebt hatte.
Der Unterricht langweilte mich zu Tode, weshalb ich anfing das Bild abzuzeichnen.
Auf einmal wurde es merklich laut im Raum und als ich aufsah, wusste ich auch warum. Ein Junge mit braunen kurzen Haaren, der wahrscheinlich ungefähr in meinem Alter ist, kam in den Klassenraum.
,,Entschuldigen Sie die Verspätung. Ich hatte noch ein Gespräch mit dem Schulleiter."
,,Kein Problem" sagte Herr Johnson und wandte sich dann an den Kurs ,,Hört mal her. Das ist..."
,,Nathan." fiel der fremde Junge im ins Wort. Herr Johnson runzelte kurz die Stirn und strich dann etwas in seinen Unterlagen weg.
,,Na gut dann setz dich einfach auf einen freien Platz" Nathan lief den Gang herunter und setze sich dann auf den einen Platz in meiner und Sophs Nähe. Sophias Blick wanderte sofort zu dem Jungen und sie versuchte seine Aufmerksamkeit zu erregen, doch dieser hatte sich der Tafel zugewandt. Mr Johnson schrieb etwas an und schaute sich dann um:
,,Mike, wie wärs wenn du den nächsten Punkt ergänzt." Mike, der hinter mir saß erhob sie lässig und schlenderte zur Tafel, wobei er meinen Tisch streifte und meine Sachen runterfegte.
,,Oh sorry." sagte er und half mir meine Sachen aufzuheben.
,,Kein Problem" sagte ich noch schnell und widmete mich dann mal den Aufgaben an der Tafel und fing an diese mitzuschreiben, denn meine Zeichnungen konnte ich nicht mehr finden. Wahrscheinlich wahr sie irgendwo in meinem Blätterhaufen verschwunden.
Es klingelte, weshalb ich mir meine Tasche schnappte und den Klassenraum mit Sophia verließ.
Wir gingen zusammen auf den Schulhof und setzten uns auf eine Bank. Hier saßen wir fast jede Pause, denn hier waren wir ungestört.
,,Alsooo wie findest du ihn?" fragte sie mich mit glänzenden Augen
,,Wen?" Ich sah sie fragend an.
,,Den Neuen" sagte sie empört.
,,Ich finde ihn ja mega heiß. Hast du seine Arme gesehen?" Schwärmte sie weiter.
,,Ja er ist nicht hässlich" gab ich widerwillig zu. Sophia nahm meine Hand:,,Aber jetzt erzähl doch mal."
,,Was denn?"
,,Naja wie es dir geht und so weiter. Ich habe dich seit Wochen nicht mehr im Stall gesehen...wir sind nicht mehr ausgeritten. Nichts." sagte sie traurig.
,,Ich weiß. Das was passiert ist, war nicht schön, aber es bringt nichts sich zu verstecken, Sel. Du hast es ihm Blut. Du musst wieder in den Sattel. Selina ohne Pferde. Das geht doch gar nicht." sagte sie drängend. ,,Du klingst schon wie mein Vater." sagte ich genervt. ,,Weil er Recht hat."konterte sie. ,,Jetzt klingst du wie eine Sklavin, die alles für meinen Vater tun würde."
Sie lachte:,,Hallo? Er lässt Sunny bei euch stehen und das ohne dass wir was dafür bezahlen."
,,Jaja mein Vater. Der große Held." wir lachten. Es tat gut sich wieder mit Sophia zu reden. Vorallem da sie sich gegenüber nicht anders verhielt, als sonst auch. Wir quatschen noch über dies und das, bis es klingelte.
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