⠀ ⠀ ⠀ XVII. meet me at the hanging tree
LUFT ERFÜLLT SEINE LUNGEN voller Sehnsucht nach ihrer Bestimmung, sobald das Wasser in Schwallen wich und immer mehr aus seinem Mund floss, als würde sein Inneres nur noch aus der fremden Flüssigkeit bestehen. Der schlammige Boden des Seeufers gab unter seinen Händen nach und sanken tiefer, während er sich versuchte zu retten, noch bevor er seine Augen aufgeschlagen hatte.
Die eiserne Hand, die sein Fußgelenk umfasst hatte, löste sich in dem Moment, in dem er das kalte Wasser verlassen hatte, welches sich um seinen Körper gewickelt hatte wie eine Decke aus Blei, und die noch kältere, noch bittere Herbstluft ihn umarmte wie tausende Messerstiche. Seine Kleidung, schwer und triefend, an seinem Körper klebend.
Seine Kehle brannte, als hätte er Stunden geschrien und seine Lunge blutete, als hätte er Scherben eingeatmet.
Wind peitschte Tom Riddle in das Gesicht, als er seinen Kopf hob und in den Wald starrte, der ihm nur entgegen blickte, als wäre dieser enttäuscht. Träge ließ er sich auf seinen Rücken fallen, seine Glieder zitterten vor Kälte und Schwäche, nachdem er sich aus dem See gezogen hatte, dessen Tiefen ihn für alle Ewigkeit verschlingen wollten.
Der Erbe von Nichts starrte in den Himmel, welcher von den hohen Kronen der Bäume beinahe komplett verdeckt war, bis auf die Lichtung genau über der Mitte des Sees; der Mond spiegelte sich auf dessen schwarze Oberfläche. Wie wunderschön war doch die Grausamkeit.
Es war so kalt, jedoch konnte er sich noch nicht bewegen; seine Glieder waren bereits eingefroren von der Temperatur der schleichenden Jahreszeit.
Immer wieder spielte sich der Moment in seinem Kopf ab; immer wieder, bis er sich irgendwann in sein Hirn eingebrannt hatte und er selbst an etwas anderes denken konnte, wie es ihm beliebt, die Szene jedoch im Hintergrund weiter spielte.
Das Gesicht, geküsst von Jugend, die Augen so hohl und verlassen von dem Licht des Leben starrten ihm entgegen. Eine Figur des Theaterspiels seines eigenen jungen Verstandes, die durch seine Träume wanderte und auf ihn zu warten schien, wo immer sie auch waren. Ein Geist, ein Freund, ein Feind, ein Geliebter?
Da stand sie nun inmitten des Sees wo sie hingehörte und wo ihr Königreich war; Wasser tropfte von dem weißen Nachtgewand, als Tom in ihre Tiefen gezogen wurde und die Augen aufriss, mit Blut begrüßt wurde anstatt mit der dunkelgrünen Farbe des Gewässers.
Tom glaubte zu träumen oder von dem Wahnsinn nun vollkommen ergriffen worden zu sein, als sich sein Verstand wieder lichtete und er sich aufsetzte, über die Oberfläche des Wassers hinweg blickte. Er mochte es nicht gerne zu vergessen und doch schien er alles vergessen zu haben, während er im Schlamm saß und der Ruhe der Schweigenden Wälder lauschte.
Der Nebel kroch aus der von den Bäumen kreierten Dunkelheit beinahe wie Schlangen und etwas so Vertrautes erweckte mit einem Mal Unwohlsein in dem Jungen. Er stellte sich mit schwachen Beinen auf und wickelte seine Arme um seinen nassen Körper, während er Augen ihn beobachteten fühlte.
Eine gewisse Stille breitete sich in ihm aus und vereinte sich mit der des Waldes, betäubte jegliche Gedanken und Gefühle, als er umkehrte. Schritt für Schritt in die Finsternis hinein, die versucht hat, ihn zu töten.
Tom wusste, dass er seinen Kopf in den Nacken legen wollte, um schallend zu lachen; bis jenes Geräusch die Ruhe der Schweigenden Wälder ersetzte. Wieso tat er es nicht? Schreien sollte er, dass es daran gescheitert war seinen seligsten Wunsch zu erfüllen und Tom eine unschuldige Seele war, die von den Umständen korrumpiert wurde und das Universum, die Götter oder was auch immer dort draußen über sie lachte, dies auch einsahen.
Unschuldige Menschen starben nicht; Menschen, die von dem Größeren auserwählt waren, konnten nicht getötet werden.
Mit zitternden Bewegungen schleppte er sich nun aus der Finsternis des Waldes, lief zwischen Sträuchern und schattenhaften Gestalten, die er noch nie beachtet hatte und auch nie beachten würde. Der Mond war so hell in dieser Nacht und doch schafften es nur wenige Strahlen seines Lichtes, sich durch die Kronen zu kämpfen.
Schleicherhaft erinnerte sich Tom an die Worte der Professoren; an die Warnungen, die hinter Rätseln versteckt über diese Ländereien geäußert wurden. Er verspürte nicht den Wunsch, eine der Seelen zu werden, die niemals entkamen, doch packte ihn die Kälte so fest; doch packte ihn der Schmerz des Erfrierens, als würde er den nächsten Tag nicht erleben.
Sein schwarzes Haar klebte ihm in das mit Schlamm bedeckte Gesicht; die dunklen Locken sich kräuselnd.
Aus reinem Instinkt (das leise Ziehen eines Fadens, als würde jemand ihn zu sich zerren) durchbrach er die Nacht und entkam dem Wald, blickte auf die große Akademie der Verborgenen Künste, wie sie schwieg und wartete. Einen kurzen Blick warf er über seine Schulter, erwartete beinahe die Lady des Sees zu erblicken, jedoch verabschiedete ihn nur die Finsternis.
Er trat hinaus und wurde von Schreien begrüßt, dessen Bedeutungen er nicht über das Klappern seiner Zähne und Zittern seiner Glieder verstehen konnte. (War das Schweigen der Wälder so vollkommen, dass kein Ton in ihn drang oder entkam?)
Die Welt nahm einen düsteren Ton an; Schatten erhoben sich, um seine Sicht zu verschleiern und alles woran Tom nun denken konnte war, dass es doch ein ehrenvollerer Tod war, durch die geisterhafte Hand der Akademie, die zur leblosigkeit verflucht worden war, zu sterben, als durch die Hand des Alters oder der Krankheit. Der Schwäche.
Seine Augen fielen immer wieder zu, und der Kampf dagegen war ein mühsamer. Er schwankte, als er den Mann erblickte, der mit schnellen Schritten über die Freifläche zwischen der Akademiemauer aus Stein und der Waldmauer aus Dunkelheit und Dornen auf ihn zukam.
Der Mond legte sich auf die Züge des älteren Mannes, dessen Augen so voller Erleichterung waren, und Tom erkannte ihn trotz der Finsternis seines eigenen Blickfeldes. Kaum verstand er die Worte, als der Mann seinen Mantel um Toms zitternde Schulter legte und in die Nacht herein rief, er habe ihn gefunden. Suchte man nach Tom? — Natürlich suchte man nach ihm, wieso sollten sie auch nicht?
»Bei all den verfickten Ringen der Hölle, was dachtest du dir?«, fragte Professor Desmond verzweifelt wie eine Mutter, die ihre Jungen verloren geglaubt hatte, und umfasste Toms Gesicht mit einem festen Griff. Er konnte nicht umhin, die seltsame Unruhe auf dem Gesicht des Professors zu bemerken, der ohne Furcht lebte, da ein großer Mann nichts zu fürchten hatte. »Wieso bist du so nass? Ich zweifle an deinem Verstand, Tom. Im Herbst baden?«
Der letzte Satz erzeugte ein Lächeln auf den Lippen des Mannes.
Ariston Desmonds Ton war immer so väterlich, im Kontrast zu den anderen Professoren, die stets die bewundernde Distanz hielten oder die Stimme eines Großvaters annahmen. Tom fragte sich manchmal, ob es nur daran lag, dass er Vater war und die anderen nicht.
Aber nicht jeder Vater wurde mit Fürsorge gesegnet; vielleicht lag es doch an Desmond.
Magie wickelte sich so schnell um Tom, dass dieser den Übergang nicht einmal bemerkte. Wie sein Körper nun vor Wärme brannte, seine Haut von Schmutz gesäubert und seine Kleidung von Nässe befreit wurde, änderte jedoch nichts an seinen schweren Schritten oder der Schwäche seiner Selbst.
Den Arm um Tom gelegt, brachte Professor Desmond seinen Schüler zurück in die Akademie; wechselte kurze Worte mit seinen Kollegen, die alle so erfreut davon waren, den jungen Riddle sicher und wohl zu sehen und nun nicht mehr den Verlust eines so brillanten Kopfes betrauern mussten.
Man fragte auch ihn nach seinem Wohlergehen, aber antwortete der Junge nicht; wollte nicht sprechen mit dem Brennen in seiner Kehle, mit seiner Lunge so zerbrechlich. Unwohl ergriff ihn, während er zitterte und zitterte, da sich niemand wirklich um sein Wohlergehen sorgte.
Die Menschheit tat dies nie; war immer nur darauf fokussiert, sich selbst glücklich zu machen.
Nach einer Weile des Wanderns durch die klar strukturierten Gänge der Akademie, betreten sie das größere Büro von Professor Desmond, welches Tom stets mit Bewunderung in seinem Herzen betrachtete. Es befand sich nicht in dem oberen Teil des Schlosses wo ein so wichtiger Mann wie Ariston Desmond hingehörte (da am Ende die Stockwerke als Sinnbild der Hierarchie galten), jedoch schien der Professor auch nicht das Bedürfnis zu verspüren, dieses Büro jemals aufzugeben.
Der große Raum im Westflügel, der mit seinem romanischen Baustil an das Kloster erinnerte, welches er einmal mit acht Jahren besucht hatte, schien ganz anders als der Professor. Er passte nicht herein. Desmond ehrte die Religionen der Welt, an die er nicht glaubte und schien in ihnen eine Ordnung zu sehen, doch war ein Raum, der Tom an das Büro eines Pastors erinnert, der falsche Ort.
Bücherregale zierten die nörd- und südlichen Wände und wo kein Bücherregal stand, fingen alte Gemälde, Kerzen anstatt von Laternen spendeten dem Raum Licht, ein prunkvoller Kamin bot Wärme da und doch schwor der Professor, dass das schönste an diesem Raum die westliche Fensterfront war, welche einen Ausblick auf die Schweigenden Wälder und jenen Flügel des Schlosses ermöglichte, in welchem sich die Krankenstation befand. Der ehemalige Arbeitsplatz seiner Frau.
Professor Desmond scheuchte den Jungen auf einen der Sessel, die vor dem brennenden Kaminfeuer standen, während dieser sich zu dem dunklen Schreibtisch bewegte und in einer Schatulle herumkramte. Tom beobachtete ihn, während die Wärme des Feuers ihn langsam aus dem anhaltenden, lästigen Griff der Kälte befreite.
»Ich bin wahrlich zu alt für so etwas... Mein armes Herz«, murmelte Desmond vor sich hin, während er just den goldenen Trank fand, den er anscheinend gesucht hatte, und dann um den Schreibtisch herum zu Tom ging, sich auf die Kante des anderen Sessel setzte und ihm die Phiole reichte.
Mit nachdenklich verzerrtem Gesicht beobachtet der Professor, wie Tom den Trank leert und sich die Wirkung in seinem Körper bemerkbar macht; wie der Schmerz in seinem Körper nachließ, die sanfte Umklammerung des Todes sich von ihm löste.
»Wenn du vor hast mich umzubringen, so bitte tue mir den gefallen und erschlage mich mit einem Stein und versuche nicht mich mit Panik dahinzuraffen«, verordnete er so streng und professionell, als würde er nur einen Aufsatz korrigieren und Verbesserungsvorschläge liefern.
»So ist es einfacher, Sir...«, antwortete Tom leise, seine Stimme noch immer so rau und zittrig.
Mit einem lautlosen Lachen, wobei nur seine Schultern zitterten und seine Mundwinkel sich verzogen, strich Desmond ihm das schwarze Haar aus dem Gesicht. »Was ist passiert, Tom? Weshalb warst du in den Schweigenden Wäldern?«, fragte der Professor sanft, und Tom wandte seinen Blick ab, starrte zurück in die Flammen.
»Ich bin Unterwasser aufgewacht«, gestand er seine Erinnerungen leise und konnte seinen Blick nicht von dem Feuer lösen; beobachtete so neugierig, wie die Flammen sich überholten wie spielende Kinder und wieder zerfielen sobald sie so hoch gewachsen waren. »Habe gemerkt wie mich jemand herunterdrückt oder vielleicht herunterzieht.«
Sekunden vergingen und Ariston Desmond, der größte Zauberer, den die Welt der Magie besaß, der brillanteste Mann, der sie alle aus der Finsternis geführt hatte, verzog sein Gesicht zu einer Maske der gespielten Verwirrung. Beinahe so, als würde er die Antworten zu den Fragen kennen und fürchtete sich davor, deren Richtigkeit anzunehmen.
»Du warst den ganzen Tag und die ganze Nacht verschwunden und erinnerst dich nur noch an den See?« Professor Desmond erhob sich und brachte Distanz zwischen Tom und ihm; für wenige Sekunden ergriff die Panik den Jungen, dass man ihm nicht glaubte. »Ich würde dich der Lüge bezichtigen, aber... dann wäre ich es, der lügt.«
Erschöpft von der Last seines Lebens, seufzte Desmond und holte das Zigarettenetui, welches er stets bei sich trug, aus der Tasche seiner Anzugweste; setzte sich seine Zigarette zwischen seine Lippen, während er an seinem Schreibtisch lehnte. »Ich habe meiner Frau vor der Schwangerschaft versprochen aufzuhören«, sagte er, als er sie entzündete und seine Augen für einen Moment schloss. »Manchmal fürchte ich mich selbst davor, eine in meinem Büro anzuzünden, da sie es vielleicht spüren könnte.«
Er sprach oft über seine Ehefrau, Aikateríni Desmond, und schwor, dass die Liebe einen Menschen nur einmal besuchen würde. Etwas einmaliges, etwas Heiliges. Tom verwirrte es, wie ein so brillanter Mann von Liebe so geblendet werden konnte, bis zu dem Punkt, in dem er alles für sie tun würde.
Aristion lächelte in seinen eigenen Gedanken gefangen und Toms Blick traf auf eines der vielen Bilder, welche auf dem Sims des Kamins standen; blickte wie Kerzenschein und die Reflektion des Kaminfeuers sich in dem Glas spiegelten. Tom blickte auf das Bild mit dem kleinen Mädchen — kaum älter als drei Jahre — und verspürte eine gewisse Art des Hasses, seinen Verstand einnehmen.
Es war diese Sorte des Hasses, die einen Soldaten im Krieg blenden würde; eine Sorte, die ewig währen würde. Er fühlte die Emotion in seinem Herzen, wie auch in seinen Händen, die sich zu Fäusten ballten. Es war, als würde etwas in ihm brennen und als würden die Flammen Gerechtigkeit verlangen.
Er hat sie nie gemocht. Alethea Kassándra Desmond. Er traf sie auch noch nie, hatte niemals in ihr Gesicht geblickt, doch hörte er die Geschichten ihres Vaters und spürte jedes Mal diesen Hass ihn verzerren, da niemand ihr wahres Gesicht zu erkennen schien. Oh, wie schlau sie doch zu sein schien. Oh, welch eine schlaue Frau sie einmal werden würde — Tom wollte lachen.
In diesen Mauern wurden Hymnen auf ein Mädchen gesungen, das sie nie betreten hatte und das es auch nicht verdiente, sie jemals zu betreten. Während die Loblieder gesungen wurden und er nur lauschen konnte, fragte sich Tom manchmal, was er tun würde, wenn er dem Wesen begegnen würde. Manchmal wünschte er sich es zu zerdrücken wie ein kleiner Vogel.
Er stellte sich vor, wie er sie in ihrer Wiege erdrosselte und meist beruhigte ihn der Gedanke, dass bald die gesamte Welt ihr wahres Gesicht sehen würde. Eine Lüge überlebte nicht lange.
»Sie ist hinreißend, Professor«, kommentierte er stattdessen nur und wartete auf die Reaktion seines Mentors; wartete darauf, dass ein geblendeter Vater nur das Positivste hörte. Professor Desmond zog an seiner Zigarette, blickte zu dem Bild hinüber und sofort legte sich nicht nur ein Lächeln um seine Lippen, sondern auch eine Wärme um seine Augen; blickte ein verkümmertes Bild an, als sei dieses sein ganzer Stolz.
Tom vermutete, dass er nur lächelte aufgrund dem, was das Bild darstellte, jedoch wünschte er sich, dass das Lächeln vergehen würde, sobald das Bild zerbrach. Sobald das Glas den Boden bedeckte und das Fotos zerriss.
»Sie ist ein außergewöhnliches Kind und so klug... Sie trotzt dem Tod jedes Jahr ein bisschen mehr. Wäre sie in deinem Alter, wärt ihr zwei sicher gute Freunde geworden. Sie ist deiner Intelligenz und deinem Talent ebenbürtig«, erzählte Desmond ideologisch und Tom blickte ihn mit einem Lächeln an; wusste, dass er sie erschlagen würde, so wäre sie mit ihm in der Schule.
Sie war nicht so schlau; ein lieber Vater sah sein Kind immer in einem besseren Licht. Selbst Tom hatte sich das Lesen und Schreiben mit vier Jahren selbst beigebracht und für ihn wurden keine Lobeshymnen geträllert; sie war nichts Besonderes. Sie wurde gefördert von einem intelligenten Mann, der nicht hinnehmen wollte, dass seine Tochter schlichtweg normal war, Tom hingegen bekam diese Förderung nicht und war er nicht brillanter?
Sie zu vergleichen war eine Beleidigung. Tom hatte sich sein Leben mit eigenen Händen erschaffen, hatte für seine Ziele geblutet und gebürgt. Die Tochter hatte alles geschenkt bekommen.
Der Professor schien den leichten Umschwung Toms zu bemerken und zerdrückte die Zigarette in dem Aschenbecher (Tom hatte schon lange aufgehört auf den Geruch zu reagieren; kannte nichts anderes in London), kam zu Tom und setzte sich wieder auf die Kante des anderen Sessels. Zaghaft nahm er Toms Arm in die Hände, schob den weißen Ärmel seines Hemdes nach oben.
»Aus dir wird noch etwas Großes werden, Tom, doch du musst aufhören, nur mit deinem Stolz zu denken. Stolz ist nichts Verwerfliches, aber zu viel Stolz verwandelt sich in Arroganz, und es gibt nichts Schwächeres auf dieser Welt als Arroganz«, sagte der Professor und schweigend beobachtete der junge Riddle wie sein Professor die Wunde heilte, die er nicht einmal bemerkt hatte.
Die Bewegungen waren koordiniert und so präzise wie es sich für einen Heiler gehörte; so ungewohnt für Toms Augen, der nach seinem ersten Jahr in der Zaubererwelt noch immer die grausame medizinische Versorgung der Muggle Welt gewohnt war.
»Wo lernten Sie die Heilkunst, Sir?«, fragte Tom mit zögernder Stimme, um nicht mehr über Schwäche reden zu müssen, und der Mann lächelte, als Toms blasse Haut wieder vollkommen verheilt und makellos zurückblieb. Er wusste die Antwort bereits (schließlich war er kein Idiot), doch schien ihm die Frage des Anstands wegen passend.
»Meine Frau brachte es mir bei und ich hoffe, dass ich es dir eines Tages beibringen kann. Die größte Geste, zu der wir als Nachtgeborene fähig sind, ist die Heilkunst.« Ariston Desmond blickte ihm entgegen und lächelte erneut so väterlich, wie Tom es nicht kannte. Das Herz des Mannes schien für die Ungewollten zu schlagen. (Liebte er seine Tochter deswegen so sehr?)
Die Hogwarts Akademie hatte viele brillante Köpfe herausgebracht, so viele wurden hier gelehrt oder lehrten selbst, jedoch konnte niemand in Vergleich mit Professor Desmond gesetzt werden. Lord der Weisheiten. Ein großer Mann, der nicht vor der Dunkelheit huschte, sondern sie nach seinem Willen verzog und sie zu seinem Untertan machte. Ein Mann, der die Notwendigkeit in den Taten sah, die andere so töricht als grausam bezeichneten, so wenn sie doch gerechtfertigt waren.
»Es war die Akademie, Sir«, entkam es Tom und mit den ausgesprochenen Worten verlor der Professor sein Lächeln, starrte dem Jungen in die Augen. »Sie hat versucht, mich zu töten; mich zu ertränken. Wieso sollte sie so etwas tun? Ich verdiene es hier zu sein! Sie benötigt mich! Ich bin mächtig!«
Die letzten drei Worte sprach er mit einem beinahe furchterregenden Nachdruck, einem beinahe verzweifelten Anspruch auf etwas, das man ihm zu nehmen versuchte. Langsam ließ die Derealisation nach, langsam wurde Tom die Ungerechtigkeit wieder bewusst.
Sein Herz pochte noch immer in seiner Brust (aber hatte die Akademie nicht ein Ende davon gewünscht?) und seine Hände vergraben sich in seinem Schoß, packten einander, bis die kollidierten Stellen seiner Haut an noch mehr Farbe verloren.
Ruhig entgegnete Professor Desmond seinem Blick.
»Professor, Sie sagten es selbst: Ich bin mächtig. Ich bin es, der der Akademie Magie und Kraft gibt, wieso sollte sie mich töten wollen? Wieso, wenn sie sich selbst in ihr Fleisch schneidet?! Was habe ich getan?!«
»Du bist einer der mächtigsten Hexern, den ich jemals unterrichtet habe... jedoch—«
Er hielt inne, lehnte sich zurück an die Rückenlehne des Sessels und beobachtete die Reaktionen, welche in Toms Gesicht vor sich hin geschahen, als könnte er sie wie in einem Buch lesen. Wenn er dies konnte, musste er doch sehen, wie ungerecht es war! In welch schreckliche, grausame Situation Tom gebracht worden war.
Die Nacht war schon lange hereingebrochen; wütete außerhalb der Mauern dieser Akademie und doch fühlte Tom sie ebenfalls in seinem Inneren. Die Ungerechtigkeit ersetzte das Wasser und der Unglauben ersetzte die Hand, die ihn hinab drückte.
Desmond seufzte und mit gleichgültiger Nostalgie blickte er in das Feuer. »Nach der Rückkehr von Albus' Besuch in deinem Waisenhaus suchte er mich auf; nichts Ungewöhnliches, denn schließlich bin ich es, der die meisten Mittel für Waisen oder Kinder bereitstellt, die sich die Kosten der Akademie nicht leisten können. Als einer meiner ältesten Freunde vertraue ich auf seine Worte wie auf das meine, aber was er mir über dich berichtete... Ein kleiner Waisenjunge von zwölf Jahren, der mit einer solchen Wut zurückgelassen wurde und nur noch die Schatten der Welt betrachtete. Er sagte mir, ich solle dir nicht trauen, denn er spürte eine Dunkelheit in dir.... Den Hass, den—«
»Dumbledore lügt!«, zischte Tom dazwischen, richtete sich mit einem Satz auf und funkelte den Professor entzürnt an; fühlte Feuer seine Seele verschlingen. Er wollte den Worten nicht mehr lauschen, die ihm Unrecht taten. Er wollte es nicht hören oder würde dies auch nicht mehr tun. »Alles Lügen! Ein alter Mann, der Lügen als Wahrheiten verkauft, nur weil er Angst hat! Er hasste mich—«
Tom schaffte es nicht, seinen Satz zu beenden, da der alleinige Blick Desmonds, so bestimmt wie der eines Königs und so missbilligend wie dessen Berater, ihn dazu brachte, seinen abzuwenden. Seine Worte mögen verstummt sein, doch seine Wut tat es ihnen nicht gleich.
»Du bist mir wichtig, doch vergesse nicht, wo noch dein Platz in dieser Welt ist. Albus Dumbledore ist dein Professor, Tom, und du wirst ihm den Respekt erweisen, den er verdient. Ich bin dein Professor und du wirst mich nicht unterbrechen, um deinen eigenen, grundlosen Hass auszusprechen. Setzt dich wieder hin«, befahl Desmond ruhig und bestimmt.
Es war ein Befehl, der seinen gesamten Verstand versklavte und Tom sah ihn nicht mehr an, als er sich zurück auf den Sessel setzte.
»Dunkelheit und Licht sind eine Illusion, Tom. Alles Gute kann auch böse sein und alles Böse auch gut. Es gibt hunderte richtige Wege, so falsch sie auch erscheinen mögen, jedoch gibt es auch hunderte falsche Wege, die so richtig erscheinen. Ich vertraue darauf, dass du dich nicht blenden lässt und du nur noch sehr jung bist.«
»Woher weiß ich, dass es der richtige Weg ist, auf welchem ich mich befinde?«
»Wenn du leidest.«
TOM MARVOLO RIDDLE stand von dem Morgengrau umgeben, von dem Nebel ummantelt, auf der Wiese nördlich der Akademie und starrte auf den krummen Apfelbaum, der so einsam und alleine stand. Langsam, als wäre er eine Schlange, glitt sein Blick über die Äste, an denen die Stricke hingen und im Wind baumelten die Leichen.
Noch immer hörte er das leise Knacken der Genicke oder das lautlose Flehen nach Luft und Befreiung; wie eine Hymne summte es in seinem Ohr. Waren sie erst dann aus der Trance erwacht? Als sie bereits hingen?
Sieben. Es war etwas unbeschreibliches, magisches an der Zahl, so wunderbar vollkommen schien jede Tat mit ihr als Begleitung zu sein. Sieben Tugenden, sieben Lasten. Sieben Sakramente. Sieben Siegel, bevor die Offenbarung hereinbrach.
In der Bibel stand geschrieben, dass der Sündenfall auf Eva, eine habgierige Frau, die niemals mit dem zufrieden war, was sie besaß, und auf die Schlange Satan zurückzuführen war, doch schienen diese Behauptungen vorschnell gemacht worden zu sein.
Der wahre Grund des Falles war Gott selbst. Wie er schwieg und schwieg, strafte, wenn man erfuhr. Ungerecht war er, als er alle strafte für seine eigenen Fehler. Arroganz des falschen Göttlichen.
Tom rächte sich nun für die Ungerechtigkeit; nahm sich, anstatt dass von ihm genommen wurde. Auge um Auge. Blut für Blut. So hätte auch Eva sich rächen sollen; hätte Gott in Vergessenheit geraten lassen sollen.
Über die Wiese hinweg hörte er einen Schrei, so hoch und verletzlich, als würde ein Lamm geschlachtet werden, und der Ton der Schwäche brachte ihn dazu, über seine Schulter zu blicken. Er erkannte sie (oder vielleicht war sie nur noch ein es), ihr Kleid im Wind wehend.
Das tote, missgestaltete Mädchen fiel auf die Knie. Der Tau und Schmutz tränkte ihr Kleid, ließ sie noch etwas jämmerlicher wirken und Tom legte einen Finger auf seine Lippen, brachte sie zum Schweigen.
Und Stille war es nun, die ihn umfasste, als er sich wieder zu dem großen Apfelbaum umdrehte, an welchem die sieben Schüler hingen, die der Akademie als Vergeltung geraubt wurden. So ruhig war der Tag, so unheimlich mit dem Film der Gräue. Doch da stand sie.
Fernab im Nebel des Morgens erkannte er die Gestalt eines weiteren Mädchens, aber war diese keine der Gespenster seiner Vergangenheit; gänzlich unbekannt für seine Augen. Obwohl sie so weit entfernt stand, zwischen den Ästen des Baumes beinahe unterging, sah er das dunkle Haar; wie der Wind mit den Locken spielte.
Ihre Anwesenheit lenkte ihn von der Ungerechtigkeit der Akademie ab, zog all seine Aufmerksamkeit nur auf sie. Wieso rannte sie nicht? Tom trat einen Schritt näher und dann noch einen, bis er beinahe vor den baumelnden Leichen stand und das Mädchen besser für ihn zu erkennen war. Zehn Meter vor ihm, der Nebel sie beinahe verschluckend.
Ihr schwarzes Kleid zitterte und sie starrte ihm nur mit heimgesuchten Augen entgegen, als wäre sie nicht echt oder er ebenso nicht. Fürchtete sie sich nicht vor dem Tod? Sah sie ihn nicht, hinter ihm lauernd? Etwas in Tom spürte ein Ziehen.
Gedanken eines Narren suchten ihn heim; ein Gedanke, wie, wenn er ihr näher kommen würde, er ein hübsches Gesicht erblicken würde, was ihm mit der Gleichgültigkeit seines Herzens entgegenblicken würde.
Er glaubte, dass sie ein Teil von ihm war.
ALETHEA KASSÁNDRA DESMOND stand von dem Morgengrau umgeben, von dem Nebel ummantelt, auf der Wiese nördlich der Akademie und starrte auf den krummen Apfelbaum, der so einsam und alleine stand. Langsam, als wäre der Anblick ein Reh, welches sie nicht verschrecken wollte, glitt ihr Blick über die Äste an denen die Stricke hingen und zu warten schien, während Nebel sich beinahe wie Zuschauer um sie wickelte und auf eine verlorene Seele zu warten schien.
Fernab im Nebel des Morgens schien sie für einen kurzen Moment einen Jungen zu erkennen, doch war die schattenhafte Gestalt verschwunden, sobald sie ihre Augen ein weiteres Mal aufschlug.
»Makabrer, findest du nicht?«, fragte Edmund, dessen Existenz sie beinahe vergessen hatte, und Alethea zog an ihrer Zigarette; immer noch auf den Punkt starrend, an dem sie einen Jungen vermutet hatte. Edmunds Blick jedoch konnte sich einfach nicht von den Seilen abwenden, wie sie im Wind wehten. »Als würde die Akademie von einem wollen alles zu beenden.«
»Hast du schon einmal darüber nachgedacht?«, fragte Alethea leise und das Knistern der Glut ihrer Zigarette war paradoxerweise über dem Wehen des Windes zu vernehmen.
»Mich umzubringen?«
Sie summte zustimmend.
»Dies fragst du tatsächlich während der Prüfungszeit und nachdem einer meiner besten Freunde von einem Dämon besessen wurde und ich seitdem nichts mehr von ihr gehört habe? Ich habe dich für schlauer gehalten, Alethea«, wisperte Edmund Credge und sie drehte sich zu ihm, lächelte etwas.
»Wie ungeschickt von mir.« Das Lächeln erreichte ihre Augen nicht ganz. »Vor zehn Jahren wurden hier sieben Schüler erhängt. Es waren die einzigen Morde, die innerhalb der Akademie passiert sind, die auch im Propheten standen. Einer der Opfer war der Sohn des damaligen Ministers...«
Es dauerte einige Sekunden, bis Edmund antwortete, den Blick nun auf Alethea gerichtet. »Menschen sterben auf seltsamen Weißen an diesem Ort.«
»Ein paar Jahre zuvor wurden nur noch die Überreste eines Mädchens gefunden, die aussah, als wäre sie von einem Monster zerfleischt worden. Ihr Geist sah so grausam aus, dass man ihn weggesperrt hat und wenn man sagt, dass ein Geist so grausam aussieht, dass er weggesperrt werden musste, wie schlimm musste es dann wohl sein?«
Alethea dachte an Professor Binns, der seit ein paar Monaten schon nicht mehr unterrichtet, und wie angsteinflößend der Geist ausgesehen hatte, dessen Züge verunstaltet und starr gewesen waren, verzogen zu einer Fratze, die Alethea Gedanken nie vollkommen entkommen war.
»Lass uns zurückgehen, der Unterricht beginnt bald«, sagte Edmund nur und küsste Aletheas Wange, während diese noch zu dem Baum starrte. Er hatte ihre Hand umfasst und sie leicht mit sich gezogen, bevor sie wieder zu Verstand kam und ihren Blick löste; über die große Wiese zurück zu der hohen Mauer lief, die die Akademie umgab.
Alethea wusste nicht mehr genau, worüber sie und Edmund gesprochen haben als sie im Klassenzimmer ankamen und fragte sich, ob es so langweilig und unbedeutend gewesen war oder ob ihr Schock nur so tief in ihrer Seele verankert war, dass ihr Kopf sich nichts mehr merken wollte.
Während des gesamten Unterrichtes war es nichts anderes: ihre Antworten waren mechanisch, ohne große Denkkunst entstanden; abwesend sagte sie Delilah die Antworten vor, apathisch schrieb sie mit. Ihre gesamte Aufmerksamkeit galt ihrem Professor (Oh, sie löste kaum ihren Blick von dem Mann) und dem Wunsch, dass der Unterricht schneller vergehen sollte.
Professor Riddle sprach von Wesen, die die Welt einmal regierten oder wie Hexen ihre Magie damals benutzt haben; die Brille auf seiner Nase, während seine Schüler ihm zuhören, wie loyale Schafe.
Er beendete den Unterricht und Alethea ließ sich Zeit, um ihre Bücher zurück in ihre Tasche zu packen, bis nur noch Delilah und Edmund auf sie warteten; die nur widerwillig vorgingen, als Alethea den Kopf schüttelte. Ihr entging nicht der finstere Blick, den Edmund dem Professor zuwarf.
»Miss Desmond, Sie sollten sich beeilen. Ihr nächster Unterricht ist am anderen Ende des Schlosses«, teilte Professor Riddle ihr mit, ohne von den Arbeiten aufzusehen, die er am Ende der Stunde unangekündigt eingesammelt hatte; die Brille noch immer am Ende seiner Nase, während seine Stirn in Falten lag.
»Ich wollte noch etwas mit Ihnen besprechen, Sir.« Alethea faltete ihre Arme hinter ihrem Rücken und blickte ihm bereits entgegen, als er seinen Kopf hob und sie endlich ansah. Ihr Blick war geprägt von einer Mischung aus Neugier und Verwirrung und die Reaktion darauf spiegelte sich augenblicklich in seinem Gesicht wider. Wie er langsam Interesse entwickelte.
»Nur zu.«
Langsam schlenderte Alethea auf ihn zu, ihre Schritte so gespielt zögernd und unbestimmt. »Wie Sie sicherlich noch wissen, war ich vor einigen Tagen in der Bibliothek, in der verbotenen Abteilung, und ich las dort etwas recht Merkwürdiges über einen seltenen Zauber.«
Die zwei Menschen, die die Finsternis des jeweils anderen sahen, schauten einander an. So lange hatte sie mit sich gekämpft und sich gewünscht, die Erinnerungen aus ihrem Verstand zu löschen. Doch stand sie nun hier.
»Soweit ich verstand, nennt man ihn Horkruxe«, sagte sie und etwas veränderte sich in seinem Blick. Diese Dunkelheit, die ihr alles zeigte. »Während des Lesens bin ich auf diesen Begriff gestoßen und ich befürchte, ich habe ihn nicht recht verstanden, Sir.«
Professor Riddle richtete sich langsam auf; so langsam, dass sie fürchtete, was folgen würde. Es war die Langsamkeit eines Raubtieres, das lauerte und wartete, bis sein Opfer mit genug Angst gefüllt war, um zu rennen. »Was auch immer Sie dort lesen, Miss Desmond, es ist dunkel und gefährlich. Sehr dunkel.«
Alethea blinzelte mit einer gespielten Überraschung. »Ich— Verzeihen Sie mir, Sir... Ich habe mich nur gewundert und ich vertraue Ihnen in diesem Fall mehr als anderen Professoren, zumal Sie... Nun, ein Hexer wie Sie kennt bestimmt alle Gebiete der Magie. Also... Ich dachte, ich fragte Sie einfach...« Ihre Stimme spiegelte einen Hauch von Scham wider; ihr schmeichelnder Ton war so aufrichtig und nicht mit Sarkasmus getränkt.
»Ein Horkrux ist ein Gegenstand, in dem ein Mensch einen Teil seiner Seele sicher vor dem Tod eingeschlossen hat.«
Alethea kam ihm einen Schritt näher, ihre Hand ruhte nun auf seinem Schreibtisch und ihr Blick war getränkt von Neugier; beinahe zerfraß es ihr gesamtes Inneres. War er so grausam, wie sie glaubte? »Genau dies ist es, was ich nicht verstehe, Sir. Weshalb beschützt dies einen vor dem Tod?«
Professor Riddle legte das Stück Pergament, welches noch in seiner Hand lag, auf die Oberfläche des Schreibtisches und blickte zu ihr herunter. Ein Lächeln kroch langsam auf seine vollen Lippen.
»Die Seele einer Hexe ist nur erreichbar für den Tod, doch spaltet man nun einen Teil von ihr ab und sperrt sie mithilfe von Magie in ein Objekt, bleibt dieser Teil geschützt und bleibt für immer erdgebunden. Nur vollständige Dinge können in das Jenseits entkommen.« Er sah sie an, als wüsste er alles über ihre Gedanken. »Jedoch ist diese Form von Magie unnatürlich und verachtenswert.«
»Wie spaltet man seine Seele, Sir?«
»Durch den grausamsten Akt zu dem wir in der Lage sind: Mord. Der Tod zwingt dich in die Augen der Sterblichkeit zu schauen; du musst jemand anderen deine Furcht antun. Durch Mord spaltet man seine Seele und durch die Hilfe eines furchtbaren Rituales, dessen Inhalte ich niemals aussprechen werde, kann man sie in ein Objekt sperren und unantastbar sein.«
Alethea blinzelte und spannte ihre Schultern an; dachte über die Naivität dieser Menschen nach. Fürchtet man den Tod, weshalb brachte man ihn dann über andere? Waren sie alle so heuchlerisch? Fürchten die Sterblichkeit, doch feierten sie mit demselben Atemzug?
»Der Horcrux also. Man zerstört ihn und die Person ist wieder sterblich. Doch wie?«
Riddles Ausdruck veränderte sich nicht, doch waren es seine Augen, die in Sekunden einen anderen Ton annahmen. Es war subtil, beinahe nicht zu erkennen. Was zuvor nur das Interesse eines Professors war, der seine Schülerin dabei erwischte, wie sie sich nach verbotener Magie erkundigte, wechselte nun zu etwas anderem...
Etwas, das ihr übel werden ließ.
Hatte ihre Theorie am Ende doch bestand? Entschloss sich der Mann, der sich vor dem Tod fürchtete, ihm auf dieser barbarischen und grausamen Art und Weise zu trotzen? War er am Ende tatsächlich weniger als ein Mensch?
Seine Hand legte sich um ihre Kehle, war bereits an dem Schreibtisch vorbei und hinter ihr. Seine Arme legten sich um sie, beinahe wie die eines Liebhabers, während er ihre Kehle mit einem Briefmesser aufschnitt, um sie zum Schweigen zu bringen. Eine solche Gewalt in seinen Akt fließen ließ, dass die stumpfe Klinge ihre Haut trotzdem durchtrennte.
»Planen Sie etwa den Versuch, jemanden Unsterbliches umzubringen, Miss Desmond?«
»Es gibt keine Unsterblichkeit für uns Sterbliche, Sir. Jeder kann umgebracht werden.«
Tom Riddles Lippen verformten sich zu einem Lächeln, so wunderschön ungewohnt, und ihr Herz beruhigte sich sofort bei diesem Anblick. War er tatsächlich nur bewundernd? Er legte seine Hände auf dem Schreibtisch ab, blickte sie mit glühenden Augen an. »Das Objekt, welches als Hülle der Seele dient, muss zerstört werden bis zu dem Punkt, an dem man es nicht wieder reparieren kann.«
Alethea nickte langsam und blickte auf den Schreibtisch, um seinen Augen zu entkommen. Träge bemerkte sie den goldenen Ring an seinem Finger, wie der schwarze Stein vor Nichts glänzte. Doch fiel ihr Blick auch auf den Brieföffner neben seiner linken Hand, wie es für sie beide hörbar von ihm verlangte, ihre Kehle durchzuschneiden.
»Seien Sie gewarnt, Miss Desmond. Diese Art von Magie wird als die schlimmste angesehen, und schon das Sprechen darüber kann zum Tode führen. Schreckliche Dinge sind den Hexen und Zauberern widerfahren, die es gewagt haben, so etwas zu versuchen oder gar zu vollbringen. Noch leben wir in dem Glauben, dass die Unsterblichkeit den Göttern gehört.«
Alethea hob ihren Kopf und lächelte ihn an; so freundlich und unschuldig erschien sie in diesem kurzen Moment, obwohl sie beide wussten, dass er ihr Spiel durchschaut hatte. »Deswegen kam ich zu Ihnen, Professor. Sie sind nicht wie die anderen.«
AUTHORS NOTE. Zurück nach einem ganzen Jahr!!
⠀ ⠀ ⠀ Um die Verwirrung aufzulösen: Ja, der siebzehnjährige Tom hat Alethea gesehen (nachdem er ein anderes Mädchen gesehen hat... ob er schizophren ist oder es einfach an der Akademie liegt, überlasse ich euch) und ja, Alethea hat Tom gesehen.
⠀ ⠀ ⠀ Dies symbolisiert, dass Tom und Alethea "füreinander bestimmt" waren oder durch das Schicksal, die Moiren oder die Götter (was auch immer) miteinander verbunden wurden.
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