⠀ ⠀ ⠀ XVI. under the weeping willow
DIE ZIGARETTE WIPPTE beinahe schon vergessen zwischen ihren Lippen, wie ein kleines Kind, vergessen von seiner Mutter auf dem Spielplatz, während sie ihren Kopf zu der Musik hin und her wiegte, die das Orchester in ihrem Kopf passiv spielte. Ihre Augen für einen Moment geschlossen, in der Hoffnung, nun allem zu entkommen.
Alethea glaubte nicht einmal selbst ihren Verstand verstehen zu können.
Der Rauch drang in ihre Lungen ein wie ein Gedanke und gab ihr für die Sekunden, in denen ihr Inneres mit dem Rauch gefüllt war, das Gefühl endlich wieder entspannen zu können. Ihre Augen öffneten sich erneut und sie begegnete dem Chaos auf ihrem Schreibtisch, welches beim kreieren einen solchen Sinn ergeben hatte und sie nun überforderte.
Alethea klopfte die Asche ihrer Zigarette über der Untertasse ab, welche als Aschenbecher fungierte, und blickte auf das geöffnete Buch vor sich, versuchte in den Worten eine Bedeutung zu finden. Vielleicht war sie nur krank, konnte ihren Verstand deswegen nicht nutzen.
»Weißt du, worüber ich nachgedacht habe?«, fragte Alethea Érebos leise und wandte sich für wenige Sekunden von ihren Schularbeiten ab, ignorierte die Uhr, die bald vier schlug und das einhergehende Wissen, dass sie heute keinen Schlaf mehr bekommen würde.
Ihr Kater lag auf dem Fensterbrett ihres weit geöffneten Fenster vor ihrem Schreibtisch, blickte den Mond so voller Sehnsucht an, dass Alethea selbst nur beim Zusehen ein Ziehen in ihrem Inneren fühlte, bevor er sich zu ihr wandte. »Diese Versionen, die ich besitze... keine von ihnen zeigt mir die Zukunft, sondern eher...« Sie verstummte und blickte in die goldenen Augen ihres Katers; bewunderte, wie sein Fell im Kerzenschein glänzte. »Eher meine Gedanken, die ich in dieser Situation haben werde...«
Sie zog erneut an ihrer Zigarette und der Rauch wirbelte in einer Wolke durch das Fenster, verschwand in der Nacht, während Alethea ihre Augen erschöpft schloss. Sie kam nicht voran. Sie lief in einem Kreis und immer und immer wieder blickte sie auf dasselbe Bild, welches sich in die Hecken ihres Labyrinths geritzt hatte, immer und immer wieder davon überzeugt, dass es ein neues Bild war.
Es war, als wollte sie vergessen, dass sie das Bild bereits kannte. Wieso konnte sie nicht denken?
»Ich habe nichts in all den Büchern gefunden, die ich gelesen habe. Oder eher: Ich fand hunderte Dinge in Büchern und Legenden, aber schaffe es nicht, die Verbindungen zu ziehen...«, murrte sie leise und ließ ihren Kopf auf den Tisch fallen.
»Wir fassen zusammen: Wir haben eine Gruppe von maskierten Mördern, deren Motive unklar sind. Ich habe Visionen, deren Ursprung ich nicht kenne und die ich im Allgemeinen nicht verstehe. Ich habe einen Professor, der vielleicht gut oder doch böse ist. Ich habe quasi meine Seele an besagten Professor verkauft, damit er nichts über meine Magie preisgibt, über die ich nichts weiß. Und dazu kommen noch meine Herbstprüfungen, die jetzt im Winter stattfinden aufgrund der Geschehnisse, die angeblich nicht einmal stattgefunden haben.«
Érebos erhob und streckte sich, kam mit eleganten Schritten auf ihren Schreibtisch hinunter und legte seine Tatze auf Aletheas geöffnetes Notizbuch. Sie hob ihren Kopf erneut, blickte auf die Zeichnungen der erhängten Marionetten; des Dämonen in seiner Naturgestalt, der zwischen Bäumen und Ästen lauerte und Delilah...
Oh, ihre wunderschöne Delilah mit aufgerissenen Augen, die starrte, als würde der Teufel ihr gegenüber stehen. Alethea wurde den Gedanken nicht los, dass sie es war, die ihrer besten Freundin gegenüber stand.
»Dann haben wir noch Delilah... und Eleni...«, sagte Alethea mit zarter Stimme und Érebos streckte seine Vorderbeine aus, ließ sie nicht aus dem Blick. Wahrscheinlich hörte er ihr besser zu als irgendeine Seele in dieser Akademie. »Es werden noch schlimmere Dinge passieren und die Lösung steht genau vor mir, ich sehe sie nur noch nicht.«
Ein Blick auf die Uhr und sie packte ihre Notizen zusammen, streckte ihr Zigarettenetui gemeinsam mit ihrem goldenen Feuerzeug in die Tasche der schwarzen Strickjacke die ein Teil der Schuluniform war und verschloss ihr Fenster vor der Herbstkälte, die ihr gesamtes Zimmer bereits eingenommen hatte.
»Egal. Die nächsten zwei Wochen werden wir uns aber nur um meine Prüfungen kümmern. Danach machen wir uns Gedanken über das Restliche, wir können nichts anderes machen. Niemand wird mir ein Wort glauben, bis wir Beweise finden«, schloss sie fest und wusste nicht, was sie beweisen wollte oder von welchen Beweisen sie sprach.
Alethea hatte schon lange den Versuch aufgegeben etwas zu verstehen; konnte den Finger nicht auf die Bedrohung legen, deren Auswirkungen sie in jeder Ecke der Hogwarts Akademie für die verborgenen Künste spürte.
Ihr Kater folgte ihr, als sie auf die Tür zuging und all ihre wichtigen Unterlagen an ihre Brust drückte. »Heute ist Samstag, nicht wahr?« — Érebos nickte ihr zu und Alethea lehnte sich gegen die Tür, ihr Blick auf die Uhr gerichtet — »Dann lernen wir für Alchemie und Verteidigung gegen die Dunklen Mächte. Wir sollten wahrscheinlich in die Verbotene Abteilung...«
Der Stundenzeiger hielt auf der Vier — Alethea hatte sich die letzten Wochen angewöhnt keine Schulregeln mehr zu brechen, da die Professoren sie bereits wegen den Vorfällen im Blick hielten — und sie leerte die Viole mit dem Schlaftrunk den Delilah für sie kreiert hatte; öffnete die Tür mit Leichtigkeit.
»Sollen wir mir erst einen Kaffee holen oder nach der Bibliothek?«, fragte sie ihren treuen Begleiter, während sie die Wendeltreppe hinunterliefen und Érebos mauzte zufrieden, als würde er sich ebenfalls freuen in dem Alten Heiligtum einen Kaffee zu trinken, bevor sie sich bis zum Mittag in der Bibliothek versteckten. Die Abwesenheit des Schwefels in den Gängen war so angenehm, dass Alethea lächelte.
Die Akademie war noch im tiefen Schlaf, als Alethea und Érebos in der großen Hallen ankamen und sie sich von dem noch spärlichen Frühstück einen Kaffee und mehrere Rollen Schinken für Érebos nahm, selbst auf ein so frühes Frühstück verzichtete. Zu der Zeit war niemand mehr wach oder bereits und vor allem nicht an einem Samstagmorgen.
Nicht einmal ein Professor war im Alten Heiligtum anwesend; alleine waren Alethea und Érebos mit den verirrten Seelen. Es war ein Morgen, wie sie ihn immer hatten, seitdem sie Érebos in der Kiste vor ihrem Zimmer gefunden hatte und ein Morgen, den sie mehr liebte als jeden anderen. Ruhig und abwesend von anderen Menschen, die sie mit Schweigen verspotteten.
Alethea erzählte von ihren Plänen für den Tag und ihr Kater kommentierte sie mit Maunzen oder Fauchen, während sie das Akademie-Gebäude verließen und über den kaum beleuchteten Innenhof liefen, damit sie nicht den Umweg durch das Schloss nehmen mussten.
Ein beinahe mystischer Nebel umgarnte den Innenhof, welcher von den alten Gemäuern der Akademie eingekesselt war, der Alethea das Sehen in der Dunkelheit erschwerte. Als wäre der Nebel nur weitere Efeuranken, wickelte er sich gemeinsam mit dem Gewächs um die Säulen des Kreuzgangs und beinahe farblos wirkte der Hof.
Ihre Hand war bereits in ihrer Strickjacken-Tasche verschwunden, als sie die einsame Gestalt zwischen den Nebelschwaden erblickte, die unter den alten Ästen der großen, beinahe kahlen Trauerweide stand und in einem Gefängnis aus eigenen Gedanken eingeschlossen zu sein schien.
Perplex ihn hier zu sehen und nicht an seinem rituellen Platz zwischen den Dornenhecken des nördlichen Hinterausgang, der den traumhaften Ausblick auf die schweigenden Wälder darbot, wo er sonst früh am Morgen stand, blieb sie stehen und betrachtet ihn über die Meter hinweg.
Wann der Augenblick gewesen war, in dem sie begonnen hatte, sich seine Routine oder seine schattenhafte Silhouette einzuprägen, wusste Alethea nicht mehr. Vielleicht irgendwann zwischen den Momenten, in denen sie die Hände zu Fäusten ballte, wenn sie ihn sah, da es ungerecht war, was für ein Leben er führte, und den Momenten, in denen sie in der Dunkelheit ihres Zimmers saß und sich bewusst wurde, dass sie ihn nur hasste, weil sie so sein wollte wie er.
Professor Riddle war seitlich von ihr abgewandt und wären ihre Augen besser, könnte sie vielleicht bewundern, wie das Mondlicht jene Gesichtszüge nachzeichnete, die von einem Gott gemeißelt waren. Die gerade Nase, die ihre beinahe zu verspotten schien. Die hohen Wangenknochen. Die sanft geschwungenen Lippen.
Eine Zigarette glühte zwischen seinen Fingern und sein Blick war auf die Trauerweide gerichtet, als betrachte er zwischen den Zweigen den poetischsten Umstand der Welt, eine wunderschöne Maid, deren Leben an diesem Baum geendet hatte.
»Etwas früh, finden Sie nicht, Miss Desmond?«, ertönte seine raue Stimme über die Entfernung hinweg, die nicht mehr so groß war wie zuvor. Alethea presste sich die Bücher enger an ihre Brust, als sie bemerkte, dass sie ihm die gesamte Zeit näher gekommen war.
Sie fragte sich, ob er ihre Seele aufgrund des Ewigen Schwurs spüre und sie seine nur nicht spürte, da Dämonen keine besaßen.
Érebos huschte mit graziösen Schritten an ihr vorbei und auf Professor Riddle zu, als wäre ebenfalls ihr misstrauischer Kater das Netz gefallen, welches ihr Professor um die Akademie und deren Bewohner gesponnen hatte. Wehmütig beobachtete sie, wie Riddle sich hinhockte, um der Katze zur Begrüßung über das schwarze Fell zu fahren.
»Er mag Sie, Sir. Ein Umstand, den ich mir nicht erklären kann«, meinte Alethea kühl und beobachtete, wie Érebos jegliche Berührung Riddles genoss, als wäre es seine letzte. Dieser blickte auf und hob seine Augenbrauen aufgrund ihrer versteckten Beleidigung, zutiefst belustigt, anstatt bereits sich zu verteidigen. »Ich hatte nicht die Absicht, Sie zu beleidigen, Professor. Er mag nur nicht viele Menschen und vor allem keine Männer.«
Die mir etwas antun wollen, wollte sie noch hinzufügen, doch entschied sich für Schweigen. Am Ende hatte er Magie benutzt, in der Hoffnung, sie würde ihm vertrauen, wenn ihre Katze es auch tat.
Seine dunklen Augen blieben auf ihr und die Zigarette nun zwischen seinen Lippen, kam sie nicht drumherum zu bemerken, wie wunderschön er tatsächlich war und hasste sich im selben Moment dafür, so über ihn zu denken.
»Ohne Ihre so wunderbar formulierten Ablehnungen, Miss, kann ich es wahrlich keinen guten Morgen nennen. Aber ich muss Sie und Ihre banalen Schlussfolgerungen enttäuschen... Ich habe Ihren Kater nicht verzaubert, um seine Sympathie zu gewinnen; dafür wäre er viel zu klug. Wir verfolgen lediglich dasselbe Ziel«, bemerkte Riddle charmant als hätte er ihren gedanken gelauscht und vielleicht lag es am Morgen, dass Alethea den Londoner Dialekt besser hörte und sie wieder daran erinnerte, dass das Gemälde eines feinen Adelmannes, welches er errichtet hatte, ein Bild aus falschen Farben und Formen war. »Er will Sie ebenfalls nur beschützen.«
»Schockierend, wie viele Charakterzüge Sie doch mit meinem Kater teilen, Sir. Ich würde Ihre Persönlichkeit beinahe einfältig nennen, als wären Sie nur eine Kopie einer Kopie«, gab Alethea mit demselben falschen Charme von sich und zog nun endlich eine Zigarette aus ihrer Stickjackentasche, als sich der Professor in ihrem Blickwinkel wieder erhob.
Er lachte nicht, doch kam sie nicht darüber hinweg, zu schmunzeln, als sie die Zigarette zwischen ihre Lippen setzte. Ihr Blick traf sich für wenige Sekunden und beide wussten, wovon sie tatsächlich sprach; beide wussten auch, dass sie nichts davon wissen sollte, weil niemand davon wusste.
»Rauchen ist auf dem Gelände der Akademie verboten, eine sehr strenge Regel«, erinnerte er sie jedoch nur an Stelle einer Reaktion auf ihre Worte, bevor er sein Feuerzeug hervorholte und ihre Zigarette anzündete. Alethea legte sie zwischen zwei Finger und atmete aus, während sie mit der anderen Hand, die immer noch die Bücher an ihre Brust drückte, über die losen Seiten ihrer Notizen strich, um sich eine Beschäftigung zu verschaffen.
»Viele Dinge sind in vielen Kreisen verboten, Sir. Sie, zum Beispiel, sind Katholik und ich habe immer angenommen, dass Katholiken das Rauchen untersagt ist und wir ignorieren für einen Moment, dass Sie ein Hexer sind und damit alles was die Kirche hasst.«
»Sie irren sich, Miss Desmond. Im katholischen Glauben gibt es kein spezifisches Verbot des Rauchens. Die Kirche ermutigt uns lediglich, auf unsere Gesundheit zu achten und die Folgen unseres Handelns zu bedenken, aber sie erkennt die Komplexität der Bedürfnisse der Menschen an. Wie in allen Aspekten des Lebens geht es auch hier einzig und allein um Mäßigung«, erklärte er ihr, als wäre sie ein dummes Schulkind und setzte die Zigarette zwischen seine Lippen. »Das Sündhafte daran ist die Sucht. Die Völlerei, die Maßlosigkeit. Die Sucht ist die Verführung des Bösen, der ein Katholik nicht verfallen darf.« Mit jedem Wort brachte er Alethea etwas mehr zum Kichern und seine Augen glänzten beinahe in der Dunkelheit als Reaktion auf ihre Töne.
Sie wollte sich einreden, dass sie die Blasphemie an seiner Selbst so belustigend fand (wie er Worte predigte, wenn er das Übel war, vor welches er warnte), aber sie kannte die Wahrheit. Tief im Inneren wusste Alethea, dass sie nicht besser war als jede andere Seele in dieser Akademie. Dass auch sie seinen Worten über den falschen Gott lauschen würde wie eine treue Gläubige.
Das Richtige verblasste in seinem Antlitz.
»Ich wäre eine furchtbare Christin, glauben Sie nicht auch? Voll mit Sucht und Sünde«, bemerkte Alethea, als sich ihre Mundwinkel wieder geglättet haben und der Rauch in ihre Lunge drang wie ein liebliches Lied des Todes.
»Das sind wir alle in den Augen Gottes. Aber Sie sind meiner Frage ausgewichen. Warum sind Sie so früh wach?«, fragte Professor Riddle sie und sein Blick wandte sich von ihr ab und fand erneut die Trauerweide, als würde er noch immer zwischen den Ästen etwas erkennen.
»Noch wach. Ich habe für die Herbstprüfungen gelernt und ich sah keinen Sinn mehr darin zu schlafen.«
Missbilligend schüttelte Tom seinen Kopf, während sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl. Die fernen Laternen vermischten sich mit dem Mondlicht auf seinem Gesicht und erzeugten einen ätherischen Schimmer. »Sie lernen zu viel, obwohl Sie es nicht nötig haben.«
Die Worte hätten als Schmeichelei missverstanden werden können und obwohl Alethea sich des Gegenteils bewusst war, konnte sie nichts gegen das goldene Glücksgefühl tun, das das Blut in ihren Adern ersetzte. »Beleidigten Sie nicht noch vor wenigen Tagen meine Intelligenz, Sir? Und nun ein Kompliment aus Ihrem Mund?«
»Kein Kompliment, eher eine Feststellung.« Tom lächelte kühl und gleichgültig, beraubte sie all ihres Glücks. »Ihr Zustand sieht Ihnen nicht gleich. Etwas beschäftigt Sie, lenkt Sie ab. Sorgen Sie dafür, dass es verschwindet und Sie sich wieder konzentrieren können. In Ihrem jetzigen Zustand werden Sie dieses Jahr nicht bestehen.«
Alethea spürte, wie sich ihre Fingernägel in ihre Handflächen bohrten. »Trotz meines ›Zustandes‹ sind meine Noten einer der besten meines Jahrganges!«, zwischte sie wie ein gebissener Hund und biss sich auf ihre Wange, als sie merkte, wie unberechtigte Wut in ihr aufkam. Schließlich hatte er mit jedem seiner Wörter recht.
Tom betrachtete sie mit einem unergründlichen Blick. »Einer der Besten. Was könnten Sie alles erreichen, wenn Sie wieder klar denken könnten und sich nicht von banalen Dingen ablenken ließen. Wenn Sie im Unterricht wirklich aufpassen würden und nicht so gedankenverloren aus dem Fenster starren, sodass Sie die Nächte durcharbeiten müssten, um alles nachzuholen. Sie sagen, dass Sie intelligent sind, aber Sie zeigen es mir nicht. Sie haben ein Talent, für das andere töten würden, und doch vergeuden Sie es, Miss Desmond. Ich habe etwas in Ihnen gesehen, aber jeden Tag verschwindet es ein wenig mehr.«
Er hörte auf zu reden und Alethea schluckte, als sie spürte wie ein endloses Nichts sich in ihr ausbreiten und wie es mit seiner Gewalt um sich schluck; ihr Innerstes zum Bluten brachte, da sie Riddle nicht widersprechen konnte und gezwungen war nun ebenfalls durch seine Augen ihr Schicksal zu erkennen.
Alethea war nicht mehr die gescheite Tochter ihres Vaters, die würdig war, sein Erbe auf ihren Schultern zu tragen. Sie war nichts Besonderes mehr, und wenn sie nun in den Spiegel blickte, sah sie den Menschen, den sie damals verabscheut hatte. Alles Besondere an ihr war verschwunden und zurückblieb ein Niemand, der einmal ein Jemand gewesen war.
Zurückgeblieben war ein Idiot.
»Und was ist, wenn ich dieses Talent nicht haben will? Sie sagen es selbst: Ich bin nicht die richtige Person dafür. Das Talent ist an mir verschwendet.«, gestand sie leise und Riddle ließ seinen Blick über ihr Gesicht fahren, als würden ihm die sanften Sommersprossen auf ihrer Nase zum ersten Mal auffallen.
»Nichts ist an Sie verschwendet und Sie haben auch keine Wahl. Die Möglichkeit der Wahl ist eine Illusion. Was immer wir tun oder was immer uns auferlegt wird, wir sind nur Marionetten des Schicksals und tun, was es will«, erwiderte er beinahe gleichgültig, doch Alethea blinzelte verwirrt.
Ihr Kummer verschwand bei seiner untypischen Wortwahl. »Glauben Sie dies wirklich, Sir?«
»Oh Gott, nein. Doch ich nahm an, Sie würden etwas Zynisches vorziehen.« Tom hob die Mundwinkel zu einem Schmunzeln, welches auch tatsächlich seine Augen in einen verspielten Hauch tauchte, und streckte seine freie Hand nach ihr aus; brachte sie auch ohne Worte dazu, ihre Zigarette zwischen die Lippen zu setzen und ihm ihre Hand zu reichen.
»Denken Sie oft darüber nach, was ich bevorzugen würde, Professor?«, fragte sie ihn flüsternd und lächelte ihn durch ihre Wimpern hindurch an. Alethea schenkte ihm so einen entzückenden Blick, dass sie ihn leise Lachen hörte. So schnell sind sie zu ihrer gewöhnlichen — beinahe flirtenden — Haltung zurückgekehrt.
»Das würde dir gefallen, nicht wahr, Liebes?« Seine raue Stimme ließ ihr Herz für Sekunden flattern.
Alethea biss sich auf ihre Lippe, um ein breites Grinsen zu verstecken. »Vielleicht«
Die Zigarette zwischen den perfekt geschwungenen Lippen, fuhr er behutsam über die Stelle, an welcher der Dolch ihre Haut durchtrennt hatte, um mit dem Blut den ewigen Schwur zu leisten, und strich mit dem Daumen darüber, ließ die blasse Narbe verschwinden, deren Konturen sie immer wieder nachgezeichnet hatte.
»Zu hübsch, um Narben zu besitzen.«, flüsterte er über den Morgenwind hinweg und ein Liebhaber würde nun an dieser Stelle ihre Handinnenfläche küssen, ihr seine Zuneigung mit diesem Akt zeigen und etwas in ihr erhoffte sich, auch seine Lippen auf ihrer Haut zu spüren; zu spüren, wie er versuchte seine Zuneigung zu verdeutlichen.
Ihr Herz hämmerte in ihrem Brustkorb, als wollte es fliehen, und ein paar Sekunden lang sahen sie einander nur an, ehe Alethea ihren Blick auf die Trauerweide richtete, die seinen Blick in den letzten Minuten so gefangen gehalten hatte. Alethea erblickte nur die Schönheit.
Wie der Nebel sich um die Zweige wickelte, wie der Mond mit der Dunkelheit um einen Platz auf den Blättern kämpfte oder wie die Nacht wieder einmal bewies, dass nichts so schön war, als wenn sie herrschte. Sie verstand nun, warum Riddles Blick so fixiert gewesen war.
Mit einem leisen Räuspern durchbrach Alethea das Schweigen, das zwischen ihnen wie ein schwerer Schleier gehangen hatte. Alethea hob den Blick und fragte mit Unschuld in ihrer Stimme: »Könnten Sie mir zufällig die Genehmigung für die verbotene Abteilung unterschreiben?«
Riddle wandte sich ihr langsam zu, seine pechschwarzen Augen funkelten im schwachen Mondlicht, während er sie prüfend ansah. Nach einer endlos scheinenden Pause fragte er mit leiser, eindringlicher Stimme: »Was hätten Sie gemacht, wenn Sie nicht auf mich getroffen wären?«
Alethea lächelte nur, während Riddle seinen Kopf schüttelte und mit einem Buch als Unterlage den kleinen Zettel unterschrieb, den sie stets bei sich trug, immer nur darauf wartend in die Finger eines Professors zu gelangen (oder in die geschickten von Alethea, die nach dem Tod ihres Vater sich das Talent der Unterschriftenfälschung angeeignet hatte; in dem Namen ihrer Mutter unterschrieb, wenn diese ihre Gemächer nicht verließ, aber die sich auf dem Schreibtisch stapelnden Verträge nach Aufmerksamkeit schrieen.)
Die Weise, wie er unterschrieb und von einer solchen Neutralität erfasst war, erinnerte sie unwillkürlich an den Abend in dem Kerker. An Elenis Schreie und an das geisterhafte und falsche Gemälde, welches Tom neben dem Roten Kardinal ergeben hatte, »Glauben Sie an Gott, Professor?«, fragte Alethea ihn, sobald seine dunklen Augen in ihre blickten, als würde er dort eine neue Sprache finden, und sie glaubte, dies war der Blick eines Gelehrten, der keine Antworten mehr wusste.
Professor Riddle — gezeichnet durch Rätsel und verworrenen Bilder der einzelnen Momente seiner wahren Selbst — zog an seiner Zigarette und hob eine Augenbraue an, als hätte sie etwas Lächerliches gesagt und er versuchte, einen Sinn daraus zu machen. »An welchen? An unseren oder an den falschen?«
»›Unseren‹...? Ich würde Satan nicht als Gott bezeichnen.« Der Wind spielte mit ihrem geöffneten Locken und in der Ferne hörte sie wie Érebos durch die getrockneten Blätter lief, die den Boden der Trauerweide wie ein Federbett bedeckten.
»Ich bin beinahe beleidigt, dass Sie annehmen, ich würde von dem Teufel sprechen, Miss Desmond. Ich sprach von den Verstorbenen; die, die uns geformt haben sollen.« Die Worte drangen aus seinem Mund und eine Flut von Emotionen huschte über ihre Gestalt.
»Verzeiht mir, für meine Annahme.«, sagte sie mit einem sarkastischen Ton und verschränkte ihre Arme vor der Brust; hatte Tom Riddle nie für einen Mann der Mythologie gehalten und es fühlte sich beinahe falsch an, ihn nun davon sprechen zu hören.
Zwei Welten, die nicht kollidieren sollten, aber dazu ausgelegt waren.
Er lächelte, als wäre er mit Glück erfüllt, dass sie etwas nicht zu kennen schien. »Sind Sie etwa nicht vertraut mit ihnen? Zidum, der–«
»Zidum, der Gott der Toten. Beelia, die Göttin der Lebenden. Theaos, der Gott der Nacht. Ardona, sterbliche Wahrheit und Geliebte des Theaos. Ich kenne die Verstorbenen, doch niemand spricht mehr über sie. Ich nahm an ebenfalls Sie würden schweigen wählen.«
Die Verstorbenen waren so alt, dass jegliche Erinnerungen an sie verblasst und durch die neuen Götter ersetzt worden waren. Die griechischen, nordischen und selbst die slawischen Götter wurden mehr verehrt als die Verstorbenen. So lang sind die Tage der Verstorbenen her, dass selbst niemand mehr wusste, woher sie kamen oder wie sie verschwanden. Jede Geschichte war älter als selbst das alte Ägypten; jede Geschichte etwas verschwommener.
Die wahren Ursprünge der Magie lagen seit jeher im Verborgenen, ein Geheimnis, das die Zeit selbst nicht preisgab. Doch so lange es Staubgeborene auf dieser Erde gab, wandelten auch Hexen an ihrer Seite, ihre Wege waren untrennbar miteinander verwoben. Der erste Bericht über ihre Existenz fand sich in den antiken Erzählungen der Verstorbenen; in Geschichten, die in den flüsternden Winden der Ewigkeit weiterlebten.
»Du hast die erste Frau von Theaos vergessen, Rimera. Die Göttin der Sterne.«, fügte Riddle hinzu und das Lächeln, welches bei ihrer Antwort etwas beeindruckter geworden war, schien sich nun wieder zu einem Überheblichen zu wandeln; erfreut, etwas in ihrem Verstand zu ergänzen.
Rimera.... Theaos war die Nacht und die Finsternis, die Schönheit und die Lügen, wie er geboren worden war. Er ließ die Welt verfinstern und da erschien Rimera, seine Frau. Nur durch ihn sichtbar für die Sterblichen und nur durch sie war er nicht undurchdringbar.
»Es ist leicht sie zu vergessen, da sich niemand für sie interessierte. Ich habe mich immer gefragt wieso ein Gott sich in eine Sterbliche verlieben sollte, wenn er doch seinesgleichen wählen könnte. Theaos und Rimera waren füreinander geschaffen, wieso sollte er sich dann in eine Sterbliche verlieben? So zerbrechlich? So unwürdig? Ardona war nie so mächtig wie er und trotzdem verriet er Rimera um bei ihr zu sein.«
Alethea seufzte und beobachtete Érebos für einen kurzen Moment, wie er sich einen Gefallen daraus machte, eine Maus an ihrem Schwanz festzuhalten und sie immer wieder wenige Zentimeter laufen ließ, bevor er sie wieder einfing.
(Sie fragte sich, ob das Spiel zwischen ihr und Riddle ebenfalls einer Katze und einer Maus glich. Doch wer war Maus und wer die Katze?)
»Sie waren nicht füreinander gemacht. Rimera brauchte Theaos lediglich, er sie aber nicht.«, sagte Riddle und sprach über verstorbene Götter, als würde er sie kennen und sie nur zu oft an seiner Tür klopfen, um ihn für seine Sünden zu strafen. (War seine schwerste Sünde die Schönheit oder seine Grausamkeit?)
»Aber eine Sterbliche brauchte er?« Alethea blickte in den Himmel, wo die Sterne einsam schienen und während sie starrte, fühlte sie noch immer Professor Riddles Blick auf sich.
»Ich glaube nicht, dass er sie brauchen wollte. Ardona war schließlich eine Sterbliche. Aber nicht einmal Götter sind immun gegen die Krankheit, die alle Welt Liebe nennt. Er brauchte die Liebe. Die Menschheit, wie auch die Götter, sind auf der ewigen Suche nach ihr, der einzig wahren Qual. Sie sind Masochisten, die ihrem eigenen Untergang hinterherjagen.«, erklärte Professor Riddle und sie erkannte ihre eigene zynische Weltanschauung in seinen Worten wieder; fühlte ihren Verstand innehalten, da er befürchte, eine Kopie seines zu sein.
Alethea wandte sich mit geteilten Lippen wieder an den Hexer, Worte bereits auf ihrer Zunge, mit dem alleinigen Ziel, ihm zu widersprechen, und die Zigarette zwischen ihren Fingern war schon lange vergessen. »Die Menschheit sucht die Liebe, weil es ein natürliches Verlangen ist. Es ist kein masochistischer Charakterzug, sondern der Fluch der Einsamkeit. Sie ebenfalls suchen nach Liebe, um die Leere zu fühlen, nicht um Ihre eigene Seele zu verletzen.«
Er antwortete nicht direkt, schaute ihr nur in die Augen, während der Rauch seiner Zigarette zwischen ihnen zum Himmel hinauf kreiste und versuchte, etwas Höheres zu erreichen. Vielleicht den Kuss eines Gottes, die Wärme einer Aufgabe. Toms Blick veränderte sich zu einem Ausdruck, den sie nicht zuordnen konnte, den sie aber mit einer schmerzhaften Überraschung vergleichen würde.
»Wenn er sie liebte, wie Sie sagten, wieso hat er sie dann umgebracht?«, fragte sie ihn und verstand, was Menschen damit meinten, wenn sie sagten, sie würden in den Augen ihres Gegenüber ertrinken. Alethea fühlte ihre Kehle enger werden und ihren Verstand schwächer, während Tom zu ihr hinunterblickte und ebenfalls zu ertrinken schien.
Sie glaubte, verloren zu sein; Panik überkam sie, doch konnte sie sich nicht rühren.
Ein Augenblick später löste Professor Riddle sich aus ihrem Blick und blickte erneut zu der Trauerweide, zog an seiner Zigarette länger als gewöhnlich. »Er hielt es für notwendig... Im Tod war sie unsterblich. Im Tod würde sie ihn nie verlassen. Im Tod würde sie ihn niemals aufhalten können.«
Alethea erinnerte sich an all die Abende, an denen ihr Vater ihr die Geschichten erzählt hatte und fragte sich, ob Riddle sie ebenfalls von ihm gehört hatte. »Aber niemand ist im Tod unsterblich. Theaos war vielleicht ein Gott, aber Ardona war nur eine Sterbliche. Es waren die Erinnerungen von ihr, die ihn heimgesucht haben bis in alle Ewigkeit.«
Er schaute sie nicht mehr an (beinahe, als könnte er sie nicht mehr ansehen). »Die Überheblichkeit eines Mannes, der verliebt war und nicht wusste, wie man liebt. Theaos bereute es seine gesamte Existenz lang.«, sagte er mit gleichgültigen Worten.
Alethea dachte noch immer über seine Worte nach, als sie ihn unter der Trauerweide hatte stehen lassen und sich gemeinsam mit Érebos in der Tiefe der Verbotenen Abteilung vergraben hatte, versteckt vor Sonnenlicht und Menschen. Ihr einziger Begleiter, eine Laterne.
Madame Gossamer hatte sie nur mit einem misstrauischen Blick durch das Metalltor gelassen, das nur mit einem Schlüssel zu öffnen war. Argwohn hatte die alte Frau, die ihre Bibliothek hütete wie ein Drache seinen Schatz, bereits befallen, und jedes Mal, wenn Alethea das Tor erneut passierte, wurde sie zunehmend wütender, denn sie konnte nie beweisen, dass die Unterschriften gefälscht waren.
Anstatt sich über die bevorstehenden Prüfungen sorgen zu machen und ihre Notizen zu vervollständigen, hatte Alethea sich einige alte Bücher über die Verstorbenen Götter gesucht (alle verstaubt und handgeschrieben; so alt, dass Alethea fürchtete sie kaputt zu machen).
Beinahe drei Stunden waren vergangen und Alethea widmete sich allein ihrer Ablenkung; las über die Geschichte der Verstorbenen, die so tragisch und menschlich waren.
»Theaos war verdammt dazu sich in eine Sterbliche zu verlieben, wegen seines Vaters. Aber Zidum brachte seine Geliebte nie um.«, erzählte Alethea Érebos, der, seitdem sie Professor Riddle verlassen hatten, merkwürdig still und steif war. »Hier steht nur, dass er Ardona umbrachte, da sie danach ewig sei, und in dem anderen Buch, dass Rimera ihn aus dem Kummer heraus, dass er sie betrogen hat, reingelegt hat und ihn dazu brachte seine Geliebte umzubringen.«
Gähnend blätterte sie durch die alten Seiten und betrachtete eine der Zeichnungen, die die Geschichte unterschützen; so wunderschön war der Gott und die Frau, die er in seinen Armen hielt, als wäre sie sein Kostbarstes. »Theaos' Vater, Zidum und seine Hexe. Es gibt eine Legende, dass sie die erste war.«
Érebos erhob sich träge und kam mit sanften Schritten zu ihr, setzte sich neben sie, als würde er ebenfalls ins Buch hineinschauen. »Mein Vater erzählte mir die Liebesgeschichte gerne, weißt du? Wie sich ein Gott in die Kreation seiner Ehefrau verliebte und sich in der Nacht heimlich mit ihr traf, da er sie mehr liebte, als alles auf dieser Welt.«
Ihre Hand fand das schwarze Fell ihres Katers und verträumt kraulte sie ihn, ihre Augen nur auf die Zeichnung gerichtet. »Man sagte sich, dass der Gott der Toten den Verstand verlor nach dem Tod seiner Geliebten. Man kennt nicht einmal ihren Namen und doch war die Liebe groß genug, dass ein Gott sich die Sterblichkeit wünschte, damit er sich sein Leben für sie nehmen konnte...«
Sie erinnerte sich daran, wie sie als Kind so geliebt werden wollte. So sehr, dass die Möglichkeit auf Unsterblichkeit verblasste.
»Vater sagte immer die Hexe sei wegen Zidum gestorben, da die unsterbliche Liebe nur Kummer bringen konnte. Liebe sei sterblich und das Unnatürlichste auf dieser Welt sei, sie unsterblich zu machen. Aber ich glaube nicht, dass man einen Gott dafür strafen sollte, geliebt zu haben.«
Mit einem Seufzen stand Alethea auf und ließ Érebos zurück, der die Zeichnung noch immer fixiert hatte, und mit der festen Überzeugung, sich nun endlich mit den Prüfungsvorbereitungen zu beschäftigen, lief sie den dunklen Gang ein Stück weiter.
Kerzenlicht drang durch die schmalen Lücken der Bücherregale und Staub tanzte vor Aletheas Augen, als ein Schrei ihr entkam. Er hallte durch die verbotene Abteilung der Bibliothek und blieb ungehört von Lebenden. Der Schrei entkam ihr noch bevor sie wusste, was geschehen war und als ihre Augen die Bücher fanden, die auf dem Boden lagen, beruhigte sich ihr Herz wieder.
Fluchend kniete sie sich zu Boden, sammelte die herausgefallenen Schriften auf und wandte sich zu Érebos, der noch immer am Ende des engen Ganges auf dem Schreibtisch saß. »Warst du das oder die Akademie?«, fragte sie ihn, doch antwortete er ihr nicht. Sein Blick war seltsam müde und deswegen besorgt, vergaß sie die Bücher wieder an ihren rechtmäßigen Ort zurückzulegen und lief mit ihnen in der Hand zu ihrem Kater.
»Was ist denn, Érebos?«, hackte sie nach und streichelte seinen Kopf, lächelte etwas, als er sich in ihre Berührung hineinlehnte. »Ist es, weil du Professor Riddle vermisst? Wäre dies der Fall würde ich deine Intelligenz doch etwas anzweifeln.«
Er antwortete wieder nicht und Alethea fühlte sich gekränkt; fühlte Eifersucht in sich aufkommen. Sie sammelte die Bücher zusammen, die auf dem Schreibtisch verteilt waren, und lachte in sich hinein. »Tom Riddle. Ich verstehe nicht, wieso die Welt ihn zu dieser göttlichen Gestalt gemacht hat. Jeder kennt ihn, jeder bewundert ihn, aber er ist wie jeder andere. Wenn nicht sogar schwächer. Ein Mann, der sich vor dem Tod fürchtet.«
Der dunkle Gang umhüllte sie wieder und ihre Beine trugen dem leiser werdenden Geräusch ihres spöttischen Lachens hinterher. Ihre Finger fuhren über die verstaubten Regale, ihre Augen huschten über die Aufschriften der Bücher, die nur grausame und düstere Magie beherbergten.
Tom Marvolo Riddle... Der Klang des Namens auf ihrer Zunge so süß, dass sie es beinahe liebte ihn anzusprechen; ihn immer wieder von ihren Lippen perlen ließ, weil sie bald so süchtig nach dem Ton und Gefühl war, wie nach dem Rauch in ihren Lungen und der Leichtigkeit die folgte.
Marvolo... Bösartig. Feindselig. Ein Name eines grausamen Mannes würdig. Riddle... Wie die Rätsel, die er darstellte, so verworren war er in ihren Augen. Das Lächeln so aufrichtig, während Alethea den Tod als seinen Begleiter fühlte.
Tom jedoch bedeutet nichts Wichtiges. Nichts Besonderes. Ein Name den viele trugen und noch mehr tragen werden. Ein Name, der widerspiegelte, was auch immer er erreichte, er von nichts kam und am Ende nichts Besonderes war. Ein Name eines Staubgeborenen, denn genau das war er. Aus Dreck und Staub geboren.
Aber so sehr sie ihn verspotten wollte, begann Alethea ihn zu verstehen. Seine Ansichten standen so im Kontrast zu ihren und niemals wollte sie sich an demselben Punkt wiederfinden, aber sie verstand. Auch sie würde es fürchten zu sterben, wenn der beklemmende Gedanke sie heimsuchte, dass dasselbe Nichts sie erwarten würde, aus welchem sie gekommen war.
Auch Alethea würde streben den Tod zu vergessen; ihn zu etwas Unsichtbaren zu machen, damit sie nicht nachdenken musste über die Dunkelheit des Nichts (wie es auf sie wartete und wartete; lauerte hinter jeder Ecke bis es sie wieder sein eigen machen konnte). Wenn sie nur im Leben etwas war, würde sie kämpfen, um es zu behalten.
Was tat er?
Es vergingen beinahe zehn Minuten bis das letzte Buch, welches sie noch zurück an seine Stelle bringen musste, eines der drei war, die aus dem Bücherregal gefallen waren. Das in schwarze Leder gebundene Buch lag schwer und jedoch so leicht in ihren Fingern, dass sie es niemals zurücklegen wollte. Alethea sah die Aufschrift erst, als sie es zurückstellen wollte.
Geheimnisse der dunkelsten Kunst.
Ihr Herz klopfte und ihre Finger kribbelten, als sie über ihre Schulter zu Érebos Gestalt blickte; wie er nickte und in der Dunkelheit saß, als würde sie ihm gehören. Alethea verstand ihre Gefühle nicht, nur den Drang.
Das Buch öffnete sich in ihren Händen von alleine, blätterte durch Seiten und Seiten, bis es in der Mitte zum Halt kam und düstere Zeichnungen offenbarte; einen Text auf Latein, der nach ihrer Aufmerksamkeit schrie wie ein hungriges Kind.
Ihre Augen huschten über die Sätze, die Beschreibungen, die sie bald zu Boden zwangen. Auf den Knien, das Buch in ihren Händen, als wäre es das grausamste Gegenteil der heiligsten Schrift, las sie weiter und weiter.
Ihre Kehle schnürte sich zu, eine Schlange wandte sich in ihrem Innersten und verspeiste ihre Seele. Bald lag ihre Hand auf ihren Lippen und doch las sie weiter. Ihr Magen bedrängte ihren Körper mit dem Wunsch, sich zu übergeben in der Hoffnung, die Schlange würde verschwinden, und doch las sie nur weiter. Hass und Abscheu für die Menschheit befielen ihren Verstand und sie las und sie hasste.
Horkrux.
AUTHORS NOTE;
Damn, I am back. Es war sehr lange und dieses Kapitel ist unnötig lang. Bin jetzt mit der Schule fertig also wird für die nächsten zwei-drei Monate bis mein Studium anfängt (hoffentlich) mehr kommen.
⠀ ⠀ ⠀ ⠀ ⠀Das ganze Kapitel ist voll von einer Mythologie die ich selbst erfunden habe, als ich mal etwas jünger war und deswegen wird niemand irgendetwas verstehen, but anyway.
⠀ ⠀ ⠀ ⠀ ⠀Alethea ist außerdem gerade etwas spezieller (typisches hochbegabtes Kind, das plötzlich nicht mehr so perfekt ist) und es hat sich beinahe kriminell angefühlt Tom und sie so offensichtlich flirten zu lassen....
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