⠀ ⠀ ⠀ X. the agony of being desired
ALS KIND HATTE ALETHEA All Hallows' Eve geliebt. Die Nacht der Toten und Verdammten; die eine Nacht im Jahr, in der man nicht die Talente eines Nekromanten besitzen muss, um mit den Verstorbenen in Kontakt zu treten.
Verkleidet und von der Tradition der Staubgeborenen mehr beeinflusst als von denen ihrer Vorfahren, hatte sie mit ihrer Familie die schaurige Atmosphäre genossen, mit der sich das Anwesen der Desmonds umhüllt hatte.
Es änderte sich, als sie ihren Vater verlor und fürchteten musste, von seiner Seele heimgesucht zu werden. Ihr verlorenes Interesse wurde zu einer phobischen Angst, als ihre Mutter ihm in den Tod folgte.
Nun war es nicht mehr das Bangen eines Kindes, das Schatten als Kreaturen aus Märchen missverstand. Es war die Angst einer fast erwachsenen Frau geworden, die sich nicht mehr traute, in Spiegelungen zu blicken; aus Furcht, die Geschichten, deren Wahrhaftigkeit sie niemals versucht hatte, zu beweisen, würden sich verwirklichen.
Niemand konnte sich dem Flüstern verschließen, dass an All Hallows' Eve die verirrten Seelen etwas zurückerlangten, was der Tod ihnen geraubt hatte, und dass sie wieder dem Menschen glichen, der sie einst gewesen waren.
Jeden einunddreißigsten Oktober seit ihrem zwölften Lebensjahr verbrachte Alethea nun mit Delilah und ihrer Familie. Sie tanzten die Nacht durch und brachten Opfer ihren Ahnen dar; zelebrierten Samhain, wie die Heiden es seit Jahrhunderten machten.
Wie jedes Jahr fand sie sich in einem abgelegenen Teil der Akademie wieder, näher am Dorf Hogsmeade, und blickte von einem umgestürzten Baumstamm in die großen Flammen.
»Du siehst anders aus.«, meinte Edmund mit einem Grinsen und setzte sich neben Alethea; beobachtete mit ihr eine Weile seine Freunde, die um das Feuer tanzten und ihr Leben genossen. Musik ertönte von den verzauberten Instrumenten und selten sah man die Schüler der Akademie so frei und unbekümmert.
Der Schatten der unsichtbaren Kontrolle war von ihnen gefallen und abseits der Dunkelheit der Gemäuer lebten sie ein anderes Leben. Ob sie nun all die grausamen Dinge ansprechen würden, die sonst nur Schweigen ernteten?
»Mit Delilah befreundet zu sein bedeutete, sich zu solchen Festen ankleiden zu lassen und die komplette Kontrolle ihr zu überlassen.«, antwortete sie ergebenst und sah an sich herunter. Das schwarze Kleid war freizügiger als sie es für gewöhnlich trug und auch der Style war fern von dem, was sie in ihrer Freizeit trug.
Der Stoff beinahe durchsichtig, die goldenen Akzente an den falschen Stellen. Tatsächlich sah sie aus, wie es von einer Wicca erwartet wurde. Nur vor dem traditionellen Make-up konnte sie sich jedes Jahr drücken.
»Und wieso bist du noch nicht betrunken und tanzt mit den Frauen die bösen Geister davon?«, fragte sie und zog an der Zigarette, die zwischen ihren Fingern verweilte. Edmund, der das Glück hatte, in seinen neutralen schwarzen Klamotten zu bleiben, grinste etwas. »Killian hat es damit begründet, dass ich eine Spaßbremse bin.«
»Delilah sagte zu mir dasselbe. Sie war ganz erzürnt, als ihr sagte, dass ich mein Höschen nicht ins Feuer werfen würde, um damit Fruchtbarkeit zu erlangen.«, kicherte sie und beobachtete das Flimmern ihrer Zigarette aufmerksam, um nicht in ihren Gedanken über all die unanständigen Traditionen dieses Tages zu versinken.
Edmund atmete schockiert die Luft ein, bei ihrer Beichte, und war ihr einen zutiefst entsetzten Blick zu. Flammen tanzten in seinen Augen, während sein Äußeres so verführerisch war wie der schönste Schmerz, nachdem sie sich so oft sehnte.
Seine Stimme war rau, während er sie so intensiv musterte, wie noch nie ein Mensch in ihrem Leben. »Du wirst also nicht nackt ums Feuer tanzen und die Götter nach Fruchtbarkeit anflehen? Danach, dass deine Vergehen, dich heute Nacht nicht holen kommen?«
Alethea begann unter seinem Blick nervös zu werden, doch ihr kam schon lange nicht mehr der Gedanke daran, sich abzuwenden und mit unbedeuteten Worten die Konversation in eine andere Richtung zu lenken.
»Meine Sünden sind mir heute nicht näher als an anderen Tagen. Wieso heute flehen, wenn ich es an anderen auch nicht mache?« Ein Stück kam sie ihm näher, grinste ihm zu und seine Augen huschten zu ihren dunklen Lippen, woraufhin sie nun doch zum Feuer sehen musste.
Delilah und die anderen Hexen tanzten wie Nymphen, während Blicke sie huldigten. Die Freiheit in jeder Bewegung materialisierte sich so unzüchtig, dass Aletheas Mutter vor Empörung umgefallen wäre.
»Ich finde es schön, dass es Traditionen gibt, die älter sind und noch viel länger existieren werden als wir. Sehen wir es so, sind wir nichts weiter als ein Blinzeln für die Zeit. Niemand wird sich lang genug an uns erinnern; irgendwann stirbt der Letzte, der unseren Namen kannte. Wo ist außerdem dein Kater?«
Alethea fing an laut zu lachen und blickte zu dem sonst so ruhigen Hexer, der nun eine von den herumstehenden Flaschen des Alkohols nahm. »Érebos schläft in meinem Zimmer... Kann es sein, dass du etwas von dem Kraut geraucht hast, dass Killian die ganze Zeit so anpreist?«, fragte sie ihn verschmitzt und Edmund verzog sein Gesicht bedauernd.
»Gebe ich bereits nur noch Unsinn von mir?«
»Oh nein, doch... Du hast noch nie so viel gesprochen wie heute.«
»Ich spreche nur nicht gerne in der Gegenwart von Menschen, die ich nicht mag. Außerdem sprichst du ebenfalls sehr wenig, Desmond. Um ehrlich zu sein, habe ich dich noch nie sprechen hören, wenn Delilah nicht an deiner Seite war.«
Er setzte die Flasche siegessicher an seine vollen Lippen und irgendetwas daran, wie er den bitteren Alkohol trank, als wäre es Wasser, machte sie wuschelig. Alethea beobachtete ihn, zog das Nikotin wieder in ihre Lunge, bevor sie ebenfalls einen Schluck nahm.
Sie unterhielten sich eine Weile und als Alethea ihre vierte Zigarette der Nacht aufgeraucht hatte und zwei Flaschen des Alkohols geleert waren; erhob sie sich. Auf ihren Beinen fester, als für eine Frau ihres Gewichts und der Menge des getrunkenen Alkohols in ihrem Blut zu erwarten war, schaute Edmund zu ihr hoch.
Er umfasste die Flasche in seiner Hand so fest, dass seine Knöchel weiß wurden, als musste er sich davon abhalten, sie zu berühren. Mit vernebelten Blick sah er auf und vielleicht würde sie nichts sagen, wenn er ihre Hüfte umfassen und sie zu sich ziehen würde, bis sie sich zwischen seinen Beinen befand.
»Entschuldige mich, ich werde nun in mein Zimmer gehen, bevor sich alle ausziehen und die Dinge treiben, die junge Hexer und Hexen so machen, wenn die Professoren weg sind und niemand die Anstandsdame spielt.«
Sie warfen einen Blick auf die tanzenden Schüler; auf Delilah, die nun an Tylor Vilestorms Lippen hing und sich an ihn schmiegte, wobei es ihr eigentlich gleich war, wer gerade bei ihr war. Alethea musste ihre Hand auf ihren Mund drücken, um nicht loszulachen und als Edmund sich ebenfalls hinstellte; sie mit einem Kopf überragte, biss sie sich auf ihre Lippen.
»Ich gehe lieber auch.«
Es waren angenehme Minuten, die sie verbrachten durch den Wald zurück in die Akademie zu irren, sich danach ewig in den Gängen zu verlaufen und Alethea erkannte, wie sehr sie den Jungen mochte.
Er war nicht aufdringlich; konnte Schweigen ertragen ohne sie mit Worten zu füllen und nutzte auch nicht ihren benebelten Zustand und ihr hauchdünnes Kleid aus, wie es nur zu viele Männer machten. Trotzdem erkannte sie in seinen Augen, sobald sie sprach und mit verdeckten Bedeutungen flirtete, dass er keinesfalls ein anständiger Gentleman war.
Vielleicht reizte es sie deswegen. Es war nichts Unbekanntes; nichts Schockierendes, dass Frauen sich eher zu jemandem Unanständigen angezogen fühlten.
Sie sprachen über die Schule, aber nicht über die Dinge, die tatsächlich angesprochen werden mussten, wie der Unfall mit Nerissa Harmony. Auch Dorians Name fiel und Edmund beschrieb die Blicke, die er ihnen die gesamte Zeit zugeworfen hatte. Er sagte, dass in Dorian Laments Gesicht nicht die Eifersucht eines Liebenden geschrieben stand, sondern der Kummer eines Unerwiderten.
»Ich habe nicht viel mit ihm zu tun, doch selbst ich bemerkte, wie unsterblich er in dich verliebt ist.«, verkündete er, als sie endlich die richtige Treppe gefunden haben und den dunklen Korridor mit zu wenig Vorsicht durchstreiften.
»Ich habe so eine Ausstrahlung auf Männer musst du wissen. Vielleicht ist es meine soziopathische Seite oder meine konsequente Ablehnung.«, kicherte sie verspielt und Edmund umfasste ihre Taille, als sie fast gefallen wäre. Ihre Brust hob sich schnell, während jedoch keine Luft ihre Lungen fühlte und sie blickte zu ihm hoch, fühlte sich tatsächlich frei.
Edmund sah zu ihr herunter und seine Berührungen verbrannten ihre Haut. »Oh, ich spüre diese Ausstrahlung auch, Alethea. Ich kann kaum atmen in deiner Nähe und ersticke vollkommen, wenn ich nicht bei dir bin.«
Mit erwärmten Wangen stellte sie sich wieder gerade hin und richtete ihr dunkles Haar, fühlte sich komplett durcheinander.
»Hier trennen sich unsere Wege. Mister Credge.« Alethea macht einen Knicks, sobald er seine Hände von ihrer Taille genommen hatte und Edmund verbeugte sich ebenfalls mit einem Lächeln. »Miss Desmond, eine Ehre war es mir, mit Ihnen meinen Nacht zu verbringen.«
»Eine Ehre? Wie könnt Ihr es nur wagen? Freude bei Nacht ist Teufels Werk!«, meinte Alethea entsetzt und entlockte ihm noch ein raues Lachen; musterte, wie sich seine Augen etwas schlossen. »Wir sind Hexen. Wir sollten Satan heiligen.«
»Stimmt.«, sagte Alethea und nickte, bis ihr Kopf noch mehr drehte. »Wir sollten mindestens eine unschuldige Seele opfern. Wir sind es unseren verbrannten Ahnen schuldig!«
Ihr lautes Lachen hallte durch den Korridor, bis er seine Finger auf seine grinsenden Lippen presste, um ihr Schweigen zu deuten. Auf keinen Fall wollten sie etwas Schlafendes wecken oder die Nachtwächter zu ihnen locken.
»Wir sehen uns, Edmund.«
»Natürlich doch, ich muss doch atmen und das kann ich nur in deiner Nähe.«
Sie grinste noch immer, als sie den anderen Gang nahm, der zu der Wendeltreppe der Mädchenschlafräume führte. Ihr Kopf drehte sich leicht aufgrund der Kräuter, die im Feuer verbrannt, dem Wein, der in Kelchen herumgereicht worden war und dem Whisky, den sie und Edmund getrunken hatte.
All Hallows' Eve wurde in Hogwarts meist von den heidnischen Traditionen überschattet, die in den schottischen Hochlands verbreitet waren, doch feierten alle Schüler mit ihren verschiedenen Kulturen dieses Fest anders.
Alethea wusste, dass sich ihre Cousine Elenítsa mit ihren Freunden meist betrank und alte Rituale ausführten, die nur in dieser Nacht möglich waren. Die Jüngeren verkleideten sich manchmal, wandelten durch die Gänge in Gestalten von jemand anderem.
Ihr Kurs verbrachte seine Zeit vor dem Feuer. Niemals würde Alethea sich trauen, ebenfalls zu tanzen und sich ihrer Kleidung mit jeder Stunde etwas mehr zu entlegen, doch war es ein Spaß für sie dabei zuzusehen und am nächsten Morgen Bericht den Verwirrten abzugeben.
Plötzlich aber erstarb ihr Lächeln und die guten Erinnerungen mit ihm.
Mit einem Mal war alles weg, ein Loch wurde in ihre Brust gerissen und sie bekam das Gefühl, dass dies schon immer so war und immer so bleiben wird. Ein Zittern huschte durch ihren Körper; Kälte umfasste ihre Glieder und brachte sie dazu, ihre Bewegungen einzustellen.
Ihr Instinkt riet ihr, sich umzudrehen, um den Ursprung ihres plötzlichen Wandels zu entdecken, doch waren ihre Knochen steif und die Angst kroch durch ihr Herz, ließ es rasen und laut in ihrem Ohr schlagen.
Ihr Blick fixierte die Steinfliesen zu ihren Füßen und die Welt außerhalb von diesen wenigen Metern, die ihr Sichtfeld ihr eröffnete, verschwamm — verloren an Form und Farbe. Kein Ton; kein Schrei, kein leises Geräusch ihres Atems traute sich über ihre Lippen, während kalter Schweiß ihren Rücken herunterlief.
Sie kannte andere, schwächere Variationen dieser Angst, hatte sie jedes Mal empfunden, wenn eine verirrte Seele in ihrer Nähe war, doch war es nun anders.
Mehr. Intensiver. Allumfassender.
Es schnürte ihre Kehle ab, brachte sie dazu am ganzen Leib zu zittern und Alethea wollte nur schreien und sich zusammenrollen, bis jemand ihr zu Hilfe kam. Ein Licht würde ihr reichen. Wäre sie nicht nur von dem vollen Mond abhängig, könnte sie ihren Augen in der Dunkelheit besser trauen.
Sie wollte rennen. Rennen. Rennen. Rennen. Etwas fror ihre Füße zu Boden.
Ihr Blick hob sich und sie starrte in die Reflexion des großen Fensters vor ihr. Ihr dunkles Haar ging gemeinsam mit ihrem schwarzen Kleid unter, nur ihre Haut konnte sie wahrnehmen; ihre großen Augen und den groben Gang hinter ihr.
Ein Schauer folgte der Angst, umfasste sie vollkommen, als ihre Augen die Person fokussierten, die hinter ihr stand. Die eine Person, die sie unter hundert Menschen wiedererkennen würde, obwohl es so lange her war, dass sie Angesicht zu Angesicht mit ihm stand.
Aber sah er nicht aus wie in ihrer goldenen Erinnerung; so wie sie glaubte, er habe einmal ausgesehen. Ihre Knie wollten nachgeben, der Reiz sich zu übergeben schien all ihre Sinne zu betäuben.
Sein Genick war noch immer gebrochen; Blut zierte seine Kleidung und Fäulnis raubte ihm die Züge. Die einzige Schönheit war mit seinem Leben geflohen und ließ ihn als hässliche Ungestalt zurück.
Ihrer Kehle entwich ein Schrei aus purer Angst, als die Gestalt näher kam und ihre Hände nach ihr ausstreckte, als wollte er sie packen und hinfortziehen; den Hades zu ihrem neuen Gefängnis machen.
Alethea hörte das Klirren, noch bevor sie sah wie die Fenster zersprangen und Blitze am Himmel ihr Ungetüm trieben. Hörte es in ihren Ohren Donnern und Krachen, während alles zerbrach.
Doch für sie war sie bereits tot. In ihrem Kopf hatte ihr Herz bereits aufgehört zu schlagen und die Gestalt hatte ihre Seele im festen Griff.
Ihre Sünden holten sie ein.
Sie schrie und die Welt schrie mit ihr. Die Dunkelheit der Ewigkeit umgab sie, der Sturm draußen spielte keine Rolle, denn kein Blitz würde es schaffen, durch die Finsternis zu dringen. Alethea war überzeugt, dass sie tot war und dachte nicht mehr daran, ruhig zu sein.
Sie schrie lauter; ließ ihre eigenen Ohren bluten und hoffte, damit zu entkommen.
Das Präsens wurde stärker und stärker; raubte ihr den Atem.
Etwas packte ihre Hüfte und schon spürte sie die kalte Mauer in ihrem Rücken, die große Hand auf ihrem Mund, die versuchte, ihren Schrei zu dämpfen. Aber sie starb und würde nicht schweigend gehen. Sie brauchte nicht mehr zu schweigen, da niemand sie hören würde.
»Alethea, beruhig dich!«, zischte eine finstere Stimme, die eine ganz neue Angst in ihr entfachte und doch verstummten ihre Schreie, während ihr Verstand zu einem Instrument wurde, das er nach belieben spielen konnte.
Sobald ihre Stimmbänder stoppten, überfiel Schmerz ihre Sinne und Tränen ertränkten ihr Herz.
Ihre flanellgrauen Augen — sie hatte nicht gewusst, dass ihre Augen geschlossen waren — öffneten sich und blickten in die Schwarzen, in denen sie ihren Untergang erkannte. War er der Tod persönlich, der sie nun holte? Sie in die Hölle verbannen, als hätte sie mehr Sünden begangen als der Teufel selbst?
Inmitten ihrer unendlichen Qual sah sie ihn. Alles schmerzte, Gewichte lagen auf ihrer Lunge, die sich langsam mit Wasser zu füllen schien.
Professor Riddle legte seine Finger auf seine Lippen, signalisierte ihr, dass sie ruhig bleiben sollte, doch ihre kalte Hand umfasste sein Handgelenk und sie klammerte sich an ihn. Alethea zitterte unter seinen Berührungen, doch konnte dem Bann seines Blickes nicht entkommen.
Schwärze breitete sich an den Rändern ihres Sichtfeldes aus und sie konnte nicht bestimmen, woher der Schmerz kam, der ihr solch ein Leiden bereitete. Jeder Herzschlag war schwächer als sein vorhergehender, doch so laut in ihren Ohren, dass ihr Verstand mit jeder Sekunde weiter zermürbt wurde.
Riddle bemerkte, wie wenig der zu ihr durchdringen konnte; legte ihren Arm um seinen Nacken und schob seinen Arm unter ihre Beine, hob sie in seine Arme, während ihr Kopf leichter wurde und sie glaubte erneut von dem Tod geküsst zu werden.
So viel passierte in ihr, dass ihr Verstand aufgab. Er gab auf zu verstehen; zu viel Angst und Schmerz, zu viel Panik überflutete Alethea und drückte sie unter die Wasseroberfläche der Qualen, um sie nurweiter ertrinken zu lassen.
»Atme.«, flüsterte seine Stimme sanft und so bestimmt, dass sie ihren Verstand weckte, doch ihr Blick hatte seine Lippen fixiert, während sie sich gegen seine Schulter lehnte und kämpfte, ihre Augen offen zu halten. Sie haben sich nicht bewegt.
Du wirst sterben, schwor ihre eigene Stimme und Alethea nickte, konnte nur mit klopfenden Herzen Professor Riddle anstarren und ersticken. Du wirst sterben, so bist du noch nicht tot.
Ihre Augen flatterten für einen Moment zu und im nächsten öffnete er eine Tür, trat in den Raum, während Lichter zum Leben erwachten und die Finsternis vertrieben. Er setzte sie auf der Kante seines Schreibtisches ab, umfasste ihr Gesicht mit seinen Händen und brachte sie dazu, ihn anzusehen.
Seine Berührungen waren zu sanft; zu real, als dass sie verstehen konnte, was geschah. »Ich werde nun das Delirium lösen, doch du musst atmen.«, befahl er und sie nickte, ohne zu verstehen. Sie nickte, weil sie nicht hier sterben wollte.
Er murmelte etwas und sie glaubte, sie sei nun in der Hölle angekommen. Eine Decke löste sich von ihrem Verstand und den Schmerz, den sie bis jetzt empfunden und der ihr alles geraubt hatte, für das es sich gelohnt hatte, weiter zu atmen, war nur ein Windhauch im Vergleich zu dem, den sie nun verspürte.
Auch wenn sich ein Monster in ihr Inneres gefressen hatte; ihre Lunge sich mit Blut zu füllen schien und ihre Haut brannte, perlte kein Laut über ihre Lippen. Alethea hatte alleine das Blut fixiert, das das weiße Hemd ihres Professors zierte.
»Er war— Er war...« Ihre Stimme brach und Riddle löste zögernd seine Hände von ihrem Gesicht, blickte an ihrer Gestalt herunter. »Wer?«, fragte er mit ruhiger Stimme und ihr Blick senkte sich ebenfalls langsam.
Ein unterdrückter Laut entkam ihr und nun wusste sie, warum sie die Ohnmacht umarmen wollte. Blut überströmte ihre Haut, färbte jeden Zentimeter ihres Körpers, der nicht von dem schwarzen Gewand verdeckt war. Langsam sickerte es aus den Wunden, die sie bedeckten.
Sie wollte bis drei zählen, flehen, dass dann endlich der Tod sie dann endlich erlöste, aber da hörte der Schmerz bereits auf; vibrierte nur noch als eingefressene Erinnerung in ihrem Kopf. Alethea blickte nur noch auf das Blut und die Scherben, die aus ihrer Haut reckten.
Nur Blut und ihre eigene Sterblichkeit, die ebenfalls ihren Professor bedeckte.
»Schau mich an.« Riddle umfasste ihr Kinn und löste ihren Blick von all dem Blut. Sie sah zu ihm hoch, zu den wirren Locken in seiner Stirn und fragte sich, wann ihr Körper aufgrund des Blutverlustes nachgeben würde. »Werde ich sterben?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
»Nein, Alethea.«
»Ich will nicht so sterben. Ich will nicht an diesem Ort sterben.« Tränen stiegen in ihre Augen und sie erstickte erneut. »Ich will mich nicht verirren, ich will nicht zu einem Monster werden. Ich will nicht ewig sein. Ich—« Sein Daum strich über ihre Haut und mit seiner anderen Hand nahm er ihre Hand.
Sein Blick war durchdringend, schien sich durch all ihre Mauern zu fressen und sie komplett in Besitz zu nehmen. Tom Riddle war alles, was es benötigte, um sie zu beruhigen.
»Du wirst nicht sterben.«
Sie wollte ihren Blick erneut senken, als ein Brennen durch ihren Körper zuckte, doch der Professor schüttelte seinen Kopf und sie ließ es. Kopfschmerzen gesellten sich zu ihrem tauben Zustand. Alethea spürte kaum, wie Magie die Scherben aus ihrer Haut zog.
»Du hast verirrte Seelen gesehen; erzähl mir davon.«, befahl Riddle zaghaft, während er mit der Leichtigkeit einer Gottheit ihren Arm zu heilen begann und eine Magie vollbrachte, die allein den Heilern vorbehalten sein sollte. »Die Fenster, sie sind—«
»Die verirren Seelen.«, erinnerte er sie und Alethea nickte, versuchte den plötzlichen Erinnerungen zu entkommen. Es war schummrig, kaum konnte sie klare Bilder erkennen und noch immer pochte ihr Kopf, wie von jemandem zertrümmert.
»Ich sah... meinen Vater. Er wollte mich holen. Ich hatte Angst, weil er aussah... Er sah aus wie als sie ihn gefunden habe. Es wurden mehr Seelen als ich anfing zu schreien.«
Riddle summte leise und seine Finger strichen so zärtlich über ihre blutleere Haut, während er sie heilte und sie von den Scherben des Fensters befreite, das sie zum Explodieren gebracht hatte. »Dein Blut und deine Schreie lockten sie an. Sie vermissen das Leben und suchen danach. Ich hoffe du weisst, dass es nicht dein Vater war, den du gesehen hast.«
Ihre Augen trafen sich und sie musste schlucken, weil der Schmerz einen Moment unwichtig wurde. »Aber... Die Chance—«
»Vertrauen Sie meinen Worten: Ihr Vater ist weder ein Geist noch eine verirrte Seele. Er hat keine Möglichkeit zurückzukommen.« Seine Finger strichen weiter nach oben und er stockte für einen Moment, schaute sie an und fragte leise nach Erlaubnis.
Erst jetzt fiel ihr wieder ein, in welch einem freizügigen Kleid sie vor ihm saß; mit Blut bedeckt und von Vergehen verführt.
Alethea nickte und wandte ihren Blick ab, als er vorsichtig die Träger ihres Kleides etwas herunter schob, um den Schnitt an ihrer Schulter zu heilen. Er war ihr so nah, dass sie den Duft seines Parfüms wahrnahm, als wäre es ihr eigener und Wellen der Aufregung, ihr Herz wieder zum Schlagen überredeten.
Ihren Puls in ihren Fingerspitzen fühlend, konnte sie nur noch seine Berührungen wahrnehmen und vergaß den Schmerz.
»Aber ich bin nicht verrückt. Ich sah ihn.«, versuchte sie zu flüstern, doch Tränen verschleierten ihre Sicht. Professor Riddle sah sie für einen kurzen Moment an, bevor er sich ihrem anderen Arm widmete, den weniger Wunden bedeckten. »Und ich glaube Ihnen, doch es war nicht Ihr Vater. Es war einfach nur das, was Sie am meisten fürchten. Eine alte, trickreiche Seele, die mehr einem Dämon gleicht als einem verstorbenen Menschen. Sie sind in der heutigen Nacht stärker.«
»Wen haben Sie gesehen?«
Seine Finger stockten etwas, doch nach wenigen Sekunden war das Gemisch der Emotionen von seinem Gesicht gewichen. Er umfasste sanft ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zur Seite, heilte einen Schnitt an ihrer Schläfe, den sie nicht einmal bemerkt hatte.
»Haben Sie sonst noch irgendwo Schmerzen?«, fragte er leise, anstatt ihr zu antworten, und Alethea wurde sich bewusst, wie unanständig all dies war. Sie presste ihre Beine fester zusammen und versuchte nicht rot zu werden, als seine Hand aus Versehen ihren Oberschenkel streifte.
Es brauchte wenige Atemzüge, bevor sie sich wieder daran erinnerte, dass er sie etwas gefragt hatte und als sie ihn wieder ansah, umfasste sie die Kante des Schreibtisches fest. »Mein Bein.«, wisperte sie leise und konnte nun nichts mehr gegen die Röte machen.
»Darf ich?«, fragte er murmelnd und als sie nickte, sank er vor ihr auf die Knie. Alethea blickte zu ihm herunter, zu der falschen Nacht, die mit ihrer Schönheit raubte und stahl; versuchte sich daran zu erinnern, dass sie niemals ihre Vorsicht in seiner Nähe vergessen durfte.
Aber wie sollte sie bei Verstand bleiben, wenn seine Hände ihr Bein umfassten, damit sie aufhörten zu zittern und den Schnitt an der Außenseite von ihrem Knie heilte, und dabei aussah, als wäre er der Gott, auf dessen Rückkehr die Hexen warteten.
Seine große Hand legte sich unter ihre Waden und der Gedanke, wie sie höher rutschte, das Kleid beiseite schoben und das geschah, dass sie in ihren Träumen heimsuchte, brachte ihre Augen dazu, sich zu schließen.
Er berührte sie auf eine Weise, wie kein Professor es machen sollte und war sich dessen bewusst. Es fehlte die Distanz, die eine Krankenschwester besaß; es fehlte die Anonymität. Professor Riddle war all das, was ein Professor nicht sein sollte.
Er war ein Wolf im Schafspelz und sobald die Nacht hereinbrach, würde er sie alle verschlingen; solange fressen bis sein Hunger vergangen oder seine Mordlust gestillt war. Sie wusste es. Sie spürte es und doch war ihre Angst nicht mehr dieselbe, wie vor zwei Monaten noch.
Ihr entkam ein Wimmern und sie presste ihre Augen fester zusammen, als eine erneute Welle des Schmerzes sie überkam. »Sie sind sehr tapfer, Miss Desmond.«
»Die Schmerzen nun sind zu ertragen.«
Alethea stieß ein Japsen aus, als Riddle sie ein Stück auf der Tischplatte nach vorne zog. Die besorgte, jedoch grobe Weisen seines Griffes nahm ihr die Logik. Eine solche Reaktion, die sie bis in ihre Knochen spürte, auf so etwas Simples, war nichts, was sie bei jedem Mann hatte.
Das Zittern ihrer Beine konnte nun nicht einmal von seinem Griff unterbunden werden, als er sanft ihr Kleid hochschob. Ihr Inneres fing Feuer und verkrampfte sich, doch Enttäuschung ersetzte die aufkommenden Gefühle, als er nur einen weiteren Scherbenschnitt heilte.
»Vielleicht ist dies der falsche Moment, um Ihnen ein Kompliment zu geben, doch es benötigt eine große Macht, um etwas in der Akademie zu zerstören.«, hauchte er leicht abwesend und seine Hand verweilte einen Moment länger an ihrem Oberschenkel als nötig.
Sie holte Luft und hob ihr Kinn, fixierte sein interessantes Bücherregal. »Was ein Glück ich doch habe, in der Lage zu sein, Fenster zum Explodieren zu bringen und Scherben meine Haut küssen zu lasse.«
Riddle lachte leise und sie sah ihn erst wieder an, als er sich erhob und seine Augen über ihre Gestalt gleiten ließ, um nach mehr Wunden zu suchen. Mit einer eleganten Handbewegung ließ er das Blut verschwinden und raubte ihr das Abbild ihrer Sterblichkeit.
»Sie hätten mich auch in den Krankenflügel bringen können.«, merkte sie leise an und Riddle trat einen Schritt zurück, als ihm ebenfalls auffiel, wie nah er ihr gewesen war.
»Sie hätten zu dieser Zeit in Ihrem Zimmer sein sollen. Ich habe Ihnen eine Abmahnung erspart. Gern geschehen, Miss Desmond.«
»Sie— ...Ich danke Ihnen, Professor. Für alles.« Sie senkte ihren Blick auf ihre Hände, auf die Tropfen ihres Blutes, die das Parkett beschmutzten. Sollte sie sich entschuldigen? Anstatt dies zu tun, lenkte sie mit einem anderen ihrer Gedanken ab: »Ist die Heilkunst Ihre besondere Gabe? Sie sagten an dem Abend des Handels, dass Sie auch eine besitzen und mich deswegen verstehen können.«
Überrascht, dass sie sich noch daran erinnerte, blinzelte er. Sein Hemd war noch immer blutig und Riddle sah endlich so aus, wie sie ihn sah. Böse. Böse. Böse. Böse. »Nein, das ist ein Talent, das ich mir über Jahre angeeignet habe.«
»Um ehrlich zu sein, hätte ich Sie nicht für jemanden gehalten, der die Heilkunst praktiziert.« Durch ihre Wimpern hindurch blickte sie ihn an, unbewusst mit dem Ausdruck, den viele als teuflisch beschrieben.
Leiser Stolz machte sich in ihr breit, als sie das leichte Flackern in seinem Gesicht bemerkte. Das leichte Nachlassen der Konzentration.
Leise räusperte sich Riddle. »Ich nehme nicht gerne Hilfe an, doch wenn man durch die Welt reist, verletzt man sich des Öfteren.«
Alethea biss sich auf die Lippe und schien sich auf alles zu konzentrieren, nur nicht auf den Druck seiner Finger, den sie noch immer auf ihrer Haut spürte. »Ein interessanter Grund.« Sie lächelte leicht, doch er erwiderte es nicht; schien ebenfalls in Gedanken zu verschwinden. »Ich sollte Sie in Ihr Zimmer bringen. Es ist nicht—«
Professor Riddle stoppte, als etwas an der Tür kratzte. Die Verruchten blickten zu dem Geräusch; Alethea versuchte, ihr wildes Haar etwas zu richten, als Riddle die Tür öffnete. Doch es war kein Monster, darauf wartend, die Anwesenden zu verschlingen, und auch kein anderer Professor, der alles missinterpretieren würde.
Es war Érebos.
Mit dem angehobenen Blick schritt der Kater an Riddle vorbei und sprang neben Alethea auf den Schreibtisch, schnurrte, als er sich an ihr rieb. »Was machst du denn hier?«, fragte sie ihren Wegbegleiter und kraulte ihn unter seinem Kinn.
Er musste sie vermisst oder ihre zu lange Abwesenheit mitbekommen haben, weswegen er sie suchen gegangen ist. Zu intelligent, um nur eine Katze zu sein, murmelte sie sich zu und kraulte ihn weiter.
Seine Augen schlossen sich aber nicht; fixierten weiterhin den Professor, der ebenfalls der Katze einen misstrauischen Blick zuwarf. Alethea beobachtete stumm dem Blickgefecht zu, bevor Riddles Worte sie weckten.
»Solang die Katze bei Ihnen ist, wird Ihnen nichts geschehen. Gehen Sie nun schlafen.«
Érebos sprang von dem Schreibtisch herunter, als hätte er jedes Wort verstanden und blieb an der Schwelle der noch offenen Tür stehen, um auf Alethea zu warten. Sein schwarzes Fell glänzte im Kerzenlicht des Raumes.
»Gute Nacht.«, murmelte sie dem Professor zu und rutschte vorsichtig von der Schreibtischplatte. Riddles Hand zuckte, als wollte er ihr helfen, doch als er sah, wie sie stand, entschied er sich dagegen.
»Viel Glück für Ihre Reise.«, waren seine letzten Worte, bevor Alethea dem Kater in die Dunkelheit folgte und sich sicher fühlte, weil Professor Riddle gesagt hatte, dass sie es an Érebos Seite war.
Sie schlief die Nacht nicht, warf sich von einer Seite zu der anderen, während sie nur an ihren Professor denken konnte.
[ . . . ] Tom ist so süß. Diese Szene aus seiner Sicht wäre beinahe kriminell gewesen, denn mein Loverboy ist heiß auf unsere liebe Alethea. (Spoiler...?)
words: 4,750k
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