⠀ ⠀ ⠀ VII. the oracle of delphi







SIE IST EINE HURE.«, UNTERBRACH Tylor Vilestorm Dorian, welcher mit freundlichen und schwammigen Worten versucht hatte, die neue Ehefrau von Lord Vilestorm zu beschreiben. »Eine kleine Hure, die meinen Vater mit ihrer Jugend und Schönheit in den Wahnsinn treibt; sie tanzt mit ihren Dämonen und verführt ihn mit dreckigen Tricks. Alte Männer lassen sich nur von ihren Schwänzen führen und mein Vater ist der Schlimmste von ihn allen.«

Dorian blieb einen Moment still, kaute auf seiner Zunge herum und wusste, wie Recht sein enger Freund mit jedem seiner bitteren Worte hatte. Der einzige Sohn der Vilestorms, eine Familie, die während des Krieges hohes Ansehen genossen hatte, war seit der erneuten Heirat seines Vaters ein noch zynischer Mensch geworden.

»Sie ist wunderschön.«, sagte Elenítsa Onási neben Dorian und sah einen Moment von ihrem Buch auf. Ihr blondes Haar war in einen lockeren Zopf gebunden, die blassen, charakteristischen Augen ihrer Familie richteten sich beinahe urteilend auf Tylor, während ihre schönen Gesichtszüge keine Anzeichen von Kritik aufwiesen.

»Und eine Hure.«

Delilah schnaubte entrüstet und richtete sich auf ihrem Stuhl auf. »In deinen Augen sind alle Hexen Huren. Die Huren des Teufels, die seinen Schwanz reiten, bis sie wund sind und ihre Lust in die Wälder schreien.«

»Historisch gesehen besitze ich ja mit dieser Aussage auch recht. Hexen sind die Huren der Dämonen.«, sagte Tylor und beugte sich über den Tisch, während die Augen jedes Anwesenden auf Delilahs und seinem Wortgefecht gerichtet waren. »Und Hexer nichts weiter als unsere Sklaven. Ihr solltet nicht einmal Magie besitzen, nur ein Irrtum des falschen Gottes.«, flüsterte Delilah, die Ansichten, die sie niemals vertreten hatte.

»Trotzdem seid ihr—«

»Hört auf.«, unterbrach Elenítsa die beiden zischend und die zwei Schüler machten, was sie verlangte. Ihre Cousine zweiten Grades, mit der Alethea trotz ihrer Verwandtschaft kaum Worte tauschte, schaute erst wieder in ihr Buch, sobald Delilah und Tylor sich gesetzt hatten.

Elenítsa war nicht die einzige aus dem anderen Kurs, Jane Vance und Esmeralda Covett saßen ebenfalls mit an dem Tisch, bereit ihre Gedanken auszutauschen. Tylor ließ seinen Blick immer wieder über die dunkle Haut von Vance gleiten, doch sagte nichts.

Sie hatte nie verstanden, warum Dorian mit Tylor befreundet war; beide so verschieden wie Tag und Nacht.

Es entstand ein Schweigen zwischen den Mitschülern, der zwei Kurse, die sich in einem der alten Studierzimmer versammelt hatten, um gemeinsam über das Buch zu sprechen, welches Professor Riddle ihnen als Hausaufgabe aufgegeben hatte.

Die kühle Luft, durchdrungen von dem Duft des veralteten Gesteins, erfüllte den viktorianischen Raum, der sich in einem der jüngeren Teile der Frankenstein Burg befand, in der so viele, gegensätzlichen Zeitepochen der Architektur aufeinander trafen.

Dorian war der Erste, der wieder von den alten Seiten des Buches aufschaute und sie erkannte die Sorge in seinem Blick, während seine Gedanken sich alleine um den Unterricht drehen sollten. Die Notizen am Rande der Seiten waren spärlich und enthaltenen nicht die Informationen, die relevant waren.

Die Spieluhr klappte erneut auf und Alethea lächelte, als die Musik durch den Raum säuselte.

»Erklärt mir jemand, warum wir den Hexenhammer lesen müssen?«, fragte Delilah leicht gereizt in die Runde und spitzte ihre Lippen missbilligend, als sie das Buch laut zwischen ihren Händen zusammenklappen ließ. »Professor Riddles wollte es so.«, antwortete Jane Vance und erntete ein Augenverdrehen von Delilah.

»Wir sollen die Beweggründe der Hexenjagd verstehen. Deswegen würde ich euch allen raten, auch auf die ethischen Aspekte des Buches einzugehen und Notizen darüber zu machen, wie der Autor die Angst der Menschen geschürt hat.«, antwortet Elenítsa etwas ausführlicher und Alethea unterdrückte sich einen Kommentar.

»Ich weigere mich schlicht weg. Ich sehe keinen Sinn darin ein dickes Buch über religiösen Fanatismus zu lesen, das sich nur darum dreht, welch Huren Frauen doch sein und wie teuflisch jede Magie ist. Muggle, die an den falschen Gott glauben, sind Idioten.«, spottete Delilah, doch Alethea wusste, dass ihre Freundin das Buch bereits in ihrem ersten Jahr gelesen hatte.

Esmeralda Covett blinzelte überrascht, als die Beleidigung der Staubgeborenen über ihre Lippen fiel.

»Keine Sorge, du wirst diese Ratten nicht mehr länger ertragen müssen. In ein paar Jahren beginnen sie einen weiteren Krieg und löschen sich allesamt aus.«, lachte Tylor Vilestorm grausig, während nur Elenítsa die Realität hinter seinen Vorstellungen erkannte. »Wir werden alle mit ihnen sterben.«

»Wie schön! Es brauchte weniger als fünf Minuten, bis die Unterhaltung auf den Tod gekommen ist.« Delilah warf mit falscher Motivation ihre Arme in die Lüfte und verschränkte ihre Hände ineinander. »Wenn wir schon darüber reden, dann lasst uns über die wahren Gefahren sprechen.«

»Muggle sind eine wahre Gefahr. Weißt du wie viele Menschen ihre wertlosen, idiotischen Kriege das Leben gekostet haben? Wie viele Hexen starben?«, fuhr Tylor sie an und ihre blonde Freundin winkte nur ab. »Es sind nicht nur die Staubgeborenen die Krieg führen. Es liegt an der gesamten Menschheit. Hexer oder Staubgeborene, es gibt keinen Unterschied. Wir alle lieben den Krieg und es wird immer Krieg geben, solange wir existieren.«, präsentierte sie ihre Weisheiten mit einem unfreundlichen Lächeln.

»Sind dies Ansichten, die ihr in eurer Sekte gelernt bekommt?«, fragte Dorian und wich knapp dem dicken Buch aus, welches Delilah in jenem Moment auf ihn warf, in dem sich sein Mund wieder geschlossen hatte.

»Ein Hexenzirkel ist keine Sekte, Dorian. Doch du bist zu dumm, um dies zu wissen.«, fauchte sie und Alethea öffnete erneut ihre Spieluhr, um zu beobachten, wie die schleierhafte Frau sich um sich selbst drehte; ihre Hand in die Höhe gestreckt, als würde ihr Tanzpartner für Aletheas Augen verborgen sein.

»Was hast du mit dieser Spieluhr? Es nervt langsam.«, kommentierte Tylor ihre himmlische Melodie und sie ließ die Schatulle zuschnappen, blickte mit kühlen Blick zu ihrem zynischen Klassenkameraden, dessen Familie noch immer versuchte Grindelwald aus den Fängen der Deutschen zu bekommen.

»Lass sie doch, Ty. Die Melodie ist schön und du bist eh nur hier, um dich mit Haworth zu streiten.«, unterbrach Dorian den Blickkontakt und sein Freund verzog vor Verwirrung das Gesicht.

Es glättete sich aber wieder, als er zwischen Alethea und Dorian hin und her sah; eins und eins zusammenzählen konnte. »Ihr schlaft also wieder miteinander?«, erkundigte sich nun Elenítsa interessiert und ebenfalls die anderen schauten über den Rand ihres Buches hinweg.

»Nein, tun wir nicht, Onási. Wir sind nur Freunde.« Dorians Antwort kam noch bevor Aletheas und der genervte Ton ließ sie sich fragen, ob er erwartete, dass sie wieder miteinander schliefen.

Damals hatte es ihr gut getan und ebenfalls ihm. Während seine Liebe für sie mit jedem Kuss gewachsen war und er weiter in den Kaninchenbau der Obsession gefallen war, hatte Alethea Ruhe in ihrem Kopf besessen.

»Natürlich. Freunde. Enge Freunde. Freunde, die einander—Verflucht! « Tylor schrie auf, als Dorian mit einer impulsiven Bewegung nun den Hexenhammer, den Delilah zuvor auf ihn geschleudert hatte, auf seinen Freund schoss.

Doch das Buch verfehlte ihn um wenige Zentimeter und flog weiter, landete direkt in der Hand des kaum erfreuten Professors.

Schockiert breitete sich eine Stille bei den Schülern aus, als sie allesamt zu Riddle blickten, der das Buch mit schnellen Reflexen gefangen hatte. »Erklären Sie sich, Mister Lament.«, befahl er und Alethea sah zu ihm, hörte währenddessen der Melodie weiter zu.

»Ich—Verzeihen Sie mir, Sir.«, stammelte Dorian, dessen Wangen sich rosig verfärbten, als er hilfesuchend in die Runde blickte.

»Sie sollten das Buch lesen und nicht werfen. Ich hatte gehofft, Sie würden diese Simplizität trotz Ihres Hangs zu Brutalität verstehen.« Riddle lächelte kühl und Alethea merkte, wie Elenítsa sich etwas aufrechter setzte.

Alethea wusste nicht, wie die Meinung ihrer Cousine des Professors gegenüber war, da sie keinen Unterricht gemeinsam hatten, doch der Veränderung ihrer Haltung und ihrem Charakter nach, schien Elenítsa mehr in ihm zu sehen als nur einen öden Professor.

Ihre Cousine zweiten Grades glich dem Abbild der Perfektion. Eine Erbin, von der die Familie ihrer Mutter geträumt hatte. Doch war sich Alethea bewusst, dass Eleni trotz der Schönheit eines guten Herzens eine dunkle Seite besaß; eine Besessenheit von der Idee des Todes, die so asymmetrisch zu Aletheas war.

»Guten Morgen, Professor.«, lächelte Elenítsa und Alethea klappte die Schatulle erneut auf, als auch Riddle sie anlächelte. »Morgen, Eleni. Jedenfalls bewirfst du mich nicht mit einem Buch.«

Überrascht hob Alethea ihren Kopf. Hatte er sie tatsächlich bei dem Spitznamen genannt, den so wenige in den Mund nahmen? Ihre Luft blieb in ihrer Lunge hängen, als Riddle sie ansah, ganz so, als hätte er sein Gesicht in ihren Gedanken gesehen.

»Miss Desmond, Schulleiter Dippet verlangt nach Ihnen, der eigentliche Grund, warum ich hierher gekommen bin. Sie sagten, Sie wären hier.«, richtete er sich nun an sie, doch ihre Gedanken waren noch immer bei ihm und Elenítsa.

Ihre Cousine war eine nette Person, die sich in der Schule einbrachte und mit keinem Menschen Schreit suchte. Sie besaß eine feste Freundesgruppe, die vor allem seit dem neuen Schuljahr kaum zu trennen war. Hatten sie alle am Ende etwas mit Riddle zu tun? Schon immer ging eine grausige Aura von der Freundesgruppe aus.

»Natürlich, Sir.« Sie räumte ihr Buch und Notizen, gemeinsam mit ihrer Spieluhr in ihre Tasche, schulterte diese und stand von dem großen Holztisch auf. Dorian schenkte ihr ein Lächeln, noch immer rote Wangen und die anderen nur ein Nicken.

»Wissen Sie aus welchem Grund der Schulleiter meine Anwesenheit erwünscht?«, fragte sie, als sie Riddle durch die verborgene Tür in den Korridor folgte. »Ich nehme an, es hat etwas mit Ihrem kürzlichen Ausflug nach Malleus Maleficarum zu tun. Ich warnte Sie bereits, dass es nicht gerne gesehen wird, wenn ein Schüler sich in diesen Laden begibt.«

Alethea zog ihre Augenbrauen zusammen und beschleunigte ihre Schritte, als der Professor eine Abbiegung nahm und eine steinerne Wendeltreppe hinaufstieg, die sie in den fast sieben Jahren ihres Schulaufenthalts noch nie entdeckt hatte.

»Aber es ist nicht verboten! Er darf mich nicht deswegen zu sich bestellen!«, beschwerte sie sich und folgte ihm rasant, ließ ihre Hand über die kalte Wand fahren, als wäre dies ein Tick, den sie nicht kontrollieren konnte.

Sie spürte die Rillen der aufeinander gesetzten Steine unter ihren Berührungen und blieb stehen, als sie den Korridor erkannte, in welchem sie sich nun befanden. Sie fragte sich nicht, wie sie hierher gelangen waren, obwohl das Studierzimmer sich in einem komplett anderen Teil des Schlosses befand — Hogwarts war nicht zu begreifen und wählte nur zu gerne seinen eigenen Wege — sondern warum sie hier waren.

»Ist sein Büro nicht im östlichen Teil?«, fragte sie, als sie ihm nun doch zögernd folgte. Riddle ging den Gang hinter und Alethea folgte ihm wie eine dumme Taube. Je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto mehr begann sie die Gefahr zu vergessen.

»Ich benötige nur etwas aus meinem.«, sagte er und öffnete die Tür zu seinem Büro, hielt sie für sie offen. Alethea schluckte und trat hinein. Ihr Herz raste und eine dunkle Ahnung wurde in ihr wach. Er hatte nie vorgehabt, sie zu dem Schulleiter zu bringen.

Sie ging einen weiteren Schritt in das unbeleuchtete Zimmer und drehte sich dann wieder zu der Tür herum, doch Riddle hatte diese bereits wieder geschlossen. Mit ihrem Herzschlag surrend in den Ohren schaute sie zu dem Mann, der die einzige Fluchtmöglichkeit mit seinem Körper blockierte.

»Schauen Sie nicht wie ein verängstigtes Schaf. Ich werde Sie schon nicht umbringen.«

Alethea wich zurück und mit einem Mal wurde sie sich der Angst bewusst, die die letzten Wochen geschlummert hatte. Gemeinsam mit Menschen um sich herum ergriff sie der Leichtsinn, aber hier, eingeschlossen mit ihm, wurden Gedanken in ihrem Kopf wach, die einst irrelevant waren.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte sie starr und der Professor trat näher zu ihr. Sie stolperte zurück und hielt sich an dem Schreibtisch fest, bevor sie das Gleichgewicht verlieren konnte. Gefangen mit dem Tisch in ihrem Rücken und dem Professor vor ihr, fuhr ihre Hand zu ihrer Tasche, die ihr just in diesem Moment weggerissen wurde.

Die Magie, die sich um das schwarze Leder gewickelt hatte, zog sie direkt in die gierigen Hände Riddles, der diese öffnete und unter ihren empörten Schreien die Spieluhr hinaus holte. Das dunkle Holz erglänzte, als sich die blutroten Kerzen entzündeten, die auf seinem Kamin standen, und seine Augen huschten fasziniert über die Büchse.

»Es ist beinahe erstaunlich, wie anfällig Sie für die dunklen Mächte sind, Miss Desmond. Wie eine Motte dem Licht zugetan ist, verlieren Sie sich ebenfalls in einem Meer der Sucht.«, erklärte er und sie wollte nicht verstehen, was er meinte.

Es fiel ihr auf, dass sie Kopfschmerzen hatte und sie erwischte sich dabei, wie sie versuchte es auf die Grausamkeit der Magie ihres Professors zu schieben, doch lag es alleine daran, dass sie aufgehört hatte zu atmen, in dem Moment, in dem er sie beraubt hatte.

»Geben Sie es mir wieder!«, verlangte sie und langsam wurde ihre Angst von türigem Zorn verdrängt. Trotz allem rührte sich Alethea nicht, hatte mit ihren beiden Händen nun die Kante des Holzes fest umklammert.

Professor Riddle sah mit einem Schmunzeln zu ihr herunter und tatsächlich sah er in seiner Schönheit ganz entzückt von ihren Worten aus. »Das kleine Ding hat Sie vollkommen im Griff. Faszinierend.«

Er öffnete die Schatulle und die himmlische Musik durchdrang ihren Verstand, schaffte es, ihren Puls zu senken und ihre Augen schlossen sich etwas, während Wellen des kompletten Friedens sie in den Schlaf sangen.

Ihre Augen öffneten sich blinzelnd, als ihrem Kopf bewusst wurde, dass die Schwere in ihren Händen fehlte und sie fixierte ihren Professor wieder feindselig, ging ein Schritt auf den Mann zu, der von ihrer Wut unbeeindruckt blieb. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Geben Sie mir meine Spieluhr zurück!«

»Die Schuld liegt bei mir. Ich hätte es bereits in dem Geschäft merken sollen. Die Art, wie Sie sie versteckt haben, aus Angst, ich könnte sie Ihnen wegnehmen.«, verkündete er weiter seine bedeutungslosen Worte und sie starrte auf ihre Spieluhr.

Ihres. Ihres. Ihres.

»Sie sind völlig besessen, Miss Desmond, und Sie können von Glück reden, dass ich es so schnell bemerkt habe. Wir wollen gar nicht daran denken, was mit Ihnen geschehen wäre, wenn Sie weiterhin unter dem Einfluss stehen würden.«

Wahnsinnige Worte strömten aus dem Mund eines Wahnsinnigen, der die Welt ihres Lichts berauben wollte, um eine Dunkelheit zu schaffen, in der seine Seele das hellste war.

»Sie sind doch verrückt! Nun geben Sie mir sie wieder!«, verlangte sie zischend, doch kam ihm nicht noch näher. Auch wenn ihr Zorn die Vernunft in Flammen setzte, würde sie nicht in die Nähe des Monsters gehen, der ihr ihre Spieluhr geraubt hatte.

Sie hatte den anderen Grund, warum sie sich fürchten sollte vergessen.

»Miss Desmond, Sie sind den dunklen Mächten vollkommen verfallen, ohne Sie jemals angewendet zu haben.« Riddle grinste mit Bewunderung und Alethea wollte, dass er damit aufhörte. Er gab nur Lügen und Verwirrung von sich.

»Wäre ich dies so, wäre ich auch Ihnen verfallen, Sir.«, gab sie zu und Riddle neigte den Kopf, überrascht von ihren Worten. »Sie sind böse und Ihre Macht ist grausam. Dunkelheit ist neben Euch pures Licht. Wäre ich so anfällig für die dunklen Mächte, wie Sie behaupten, würde es mir nicht grauen von Ihnen.«

Ihr wunderschöner Professor hob eine Augenbraue und sein Blick wurde spitzer, schnürte ihre Kehle ab und ließ sie zurückweichen, bis sie wieder die Tischkante in ihrem Rücken spürte. »Haben Sie etwa Angst vor Ihrem Professor, Miss Desmond?«

Alethea hob ihr Kinn, wollte nicht schwach unter seinem Blick erscheinen. »Natürlich. Nur die, die nicht bei Verstand sind, tun es mir nicht gleich. Sie ist grausam und nicht nur Ihre Magie ist es, vor der wir uns alle fürchten sollten. Ihre Worte sind mindestens genauso gefährlich.«, hauchte sie zittrig vor Zorn und fixierte erneut ihre Spieluhr.

Riddle schnalzte mit der Zunge und schüttelte seinen Kopf missbilligend. »Ich muss leider an Ihren Worten zweifeln, Miss Desmond. Vielleicht fürchten Sie sich etwas, doch die Angst ist kaum nennenswert. Sie sind zu intelligent, um sich so lange an solch einer Banalität festzuhalten.«

»Geben Sie mir meine Spieluhr wieder. Sie gehört mir!«, zischte sie nur, hatte kaum die Worte verstanden, die ihr Professor von sich gegeben hatte.

»Dann holen Sie sich es zurück.« Er streckte die Hand mit der Schatulle aus und hielt sie vor sich hin; Alethea musste nur nach ihr greifen. Das Verlangen drängte sie dazu, es zu versuchen, aber sie weigerte sich. Alles klang nach einer Falle.

In jenem Moment verrutschte der Ärmel seines Hemdes und legte die schwarze Tinte auf seiner blassen Haut frei; kaum genug, um das Muster zu erkennen. Kurz war sie von blinder Neugier abgelenkt.

»Nun?«, erkundigte er sich noch einmal und als würden seine Worte ihre Starre beenden, ging Alethea einen hastigen Schritt nach vorne; wollte nach ihrer Spieluhr greifen. Doch bevor ihre Fingerspitzen das kühle Holz erreichen konnten, umfasste seine freie Hand ihr Handgelenk und ihre Augen huschten zu seinem Gesicht. Ihr Puls schlug gegen seine Finger.

»Benutzen Sie Ihre Magie.«, verlangte er herrisch und erneut flammte ein mulmiges Gefühl in ihrem Inneren auf. Als würde seine Berührung hundert kleine Messer in ihre Haut dringen lassen und heißes Blut über ihren Körper tropfen lassen.

Bevor sie wusste, was sie da tat, streckte sich Aletheas freie Hand nach seiner aus, die noch immer ihr Handgelenk umschlossen hielt und Energie begann, in einem heftigen Strom durch den Raum zu pulsieren. Als die intensiven Kräfte ihre Sinne verzehrten, verdunkelte sich die Welt um sie herum und ihr Verstand stürzte sich in einem Abgrund aus Schwärze.

Vollkommene Leere. Unbegreifliche Dunkelheit, nur unterbrochen von plötzlichem Licht, das ihren Geist benebelte und Bilder in ihrem Geist zu erkennen ließ.

Ein kleiner Junge mit rabenschwarzem Haar und den Augen eines Dämons, der Körper eines leblosen Mannes vor seinen Füßen; Blut verfärbte die Wände in einem dunklen Rotton.

Alethea, die durch die Wälder rannte; die Augen aufgerissen, als würde der Teufel selbst ihr mit Schritt und Tritt verfolgen. Blutige Herzen, die vor den Augen der Welt verschwinden.

Professor Riddle stand regungslos inmitten eines Teiches; seine Hände zitternd und seine Sachen von Wasser durchtränkt.

Ein Monster... wartend in der Finsternis. Die Kreatur des Schattens lauerte, bereit, Zerstörung und Tod auf die Welt der Sterblichen loszulassen, die vor seinen Augen brannte.

Alethea tauchte keuchend wieder in dem realen Büro auf; wich von Riddle zurück, bis sie gegen das Bücherregal stieß und neben ihr fiel die Glasglocke zu Boden; die Scherben und das Skelett, das in ihr aufbewahrt wurde, verteilten sich auf dem dunklen Holzboden.

Seine schwarzen Augen lagen auf ihrer verängstigten Gestalt und sie wusste sofort, dass er alles gesehen hatte, was auch ihren Verstand heimgesucht hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Spieluhr wieder in ihren Händen lag.

Sie sagten für einen Moment nichts und Alethea zerbrach unter ihren Kopfschmerzen. Der Anstand verlangte von ihr, sich für die zerstörte Glasglocke zu entschuldigen, doch schaffte sie es nicht, ihre Lippen zu teilen.

Der Professor erwachte als erster aus der Trance und ging hinüber zu seinem Schreibtisch. Er stützte seine Arme ab und starrte für einen Moment auf die geöffneten Bücher, bevor er sich wieder an sie wandte. Die Wolken gaben die Sonne frei und ihre Strahlen fielen durch das bunte Glas des großen Maßwerkfensters.

»Ist so etwas schon einmal passiert?«, fragte er sie und Alethea schüttelte ihren Kopf nur leicht, um die Kopfschmerzen nicht zu verschlimmern. »Hatten Sie schon einmal eine Vision? Hatten Sie ein Satz in Ihrem Kopf, Zahlen oder Symbole, die Ihnen etwas mitgeteilt haben?«

Sie schüttelte erneut ihren Kopf, starrte nun auf die Scherben zu ihren Füßen. Ihre hohen, schwarzen Schuhe standen in einem Meer aus Zerstörung. »Hatten Sie Träume, die sich bewahrheitet haben?«

»Ich träume nur von der Vergangenheit.« Und von Ihnen, fügte sie in Gedanken hinzu, doch schämte sich sofort.

»Haben Sie eine Ahnung, was diese Visionen bedeuten?«, fragte er weiter und setzte sich auf seinen edlen Schreibtischstuhl, seinen Blick aufmerksam. Bereit zu handeln. Was auch immer die Visionen bedeuten, er wusste etwas, das sie nicht erfahren sollte.

Sie verschleierte ihr Verständnis hinter naiver Ahnungslosigkeit, um Schlimmeres zu verhindern. »Nein, Professor.«

Riddle nickte abwesend in Gedanken und seine Finger tippten auf die Lehne seines Stuhles, während er zu ihr herüber sah. »Sie kommen aus Griechenland, wenn ich mich recht erinnere?« Der Themenwechsel verwirrte sie zutiefst, doch nickte Alethea. »Meine Mutter.«

»Was war ihr Mädchenname?«

Er wusste es bereits. Er wusste wahrscheinlich alles über sie; jedes kleine Geheimnis, das sie versuchte versteckt in der Gruft ihres Herzens zu halten.

»Galanis, Sir.«

»Dies erklärt es vielleicht bereits. Die Galanis' sprechen nur zu gerne davon, dass sie Nachfahren des großen Seher Mopsos sind und Apollo selbst seine Hände über ihr Blut gelegt hatte.«

Aletheas Herz beruhigte sich etwas und die Spieluhr in ihren Händen sorgte dafür, dass sie auch nicht mehr das Bedürfnis besaß zu schreien, bis ihre Kehle rau war. Sie ließ ihr Haar in ihr Gesicht fallen, verbarg ihren Schock. »Es wurde noch nie ein Seher in meine Familie geboren.«

Sie spürte Riddles Blick auf sich, als würde dieser alle Geheimnisse lüften. »Vielleicht wurden Sie von Apollo ausgewählt, um die Wahrheit zu sehen und zu überbringen? Schließlich ist Ihr Zweitname Kassándra.«

Mit zögernden Schritten durch die Scherben und Knochen, bis sie an der Tür angelangt war. »Die Götter sind tot, Professor. Niemand hat mich ausgewählt.«
























[ . . . ] Die Charaktere die in diesem Kapitel vorgekommen sind, sind wichtig. Elenítsa "Eleni" wird noch eine große Rolle spielen, genau wie Esmeralda Covett.

words: 3,520k

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