⠀ ⠀ ⠀ VI. the mother's solitude will be the daughter's solitude







ALETHEA ATMET LEISE AUS und ließ ihren Blick auf der Oberfläche des Sees ruhen, kümmerte sich nicht um die Kälte, die sich anstatt einer Decke eng um ihre Figur legte. Sie war an die Kälte gewöhnt, das Zittern ihres Innerstens und hatte angefangen, dieses Gefühl zu nutzen, sobald sie ihre Kindheit vermisste.

Ihre Mutter war eine kalte Frau gewesen. Und es war nicht ihr Charakter, nicht nur ihre eisigen Blicke, die alles waren, was sie nach dem Tod ihres Ehemannes zustande gebracht hatte, sondern ihre Haut.

Als Kind versuchte Alethea es sich mit dem Wetter zu erklären. Sie waren nach dem Tod ihres Vaters viel in dem Ferienhaus im hohen Norden Schottlands gewesen, wo die Temperaturen selbst im Sommer kaum hoch genug waren, um die Nacht ohne Decke zu verbringen.

Ihre Mutter hatte den Geruch von Feuer verabscheut; nie hat der Kamin Wärme gespendet.

Später hatte sie geglaubt, es würde an der Einsamkeit liegen, die ihre Mutter verspüren musste. Ihr Ehemann war ihr geraubt worden. Die eine Person, die ihr Herz verstanden hatte, ohne es selbst in seinem Körper haben zu müssen.

Die Einsamkeit musste auch ihr Äußeres ergriffen haben und die Umarmung der Einsamkeit war kalt.

Jede der seltenen Berührungen ihrer Mutter waren frostig gewesen und nun, wenn Alethea sie vermisste, war es angenehm für einen Moment so zu fühlen, als wäre sie noch da.

»Woran starb sie?«, fragte es über den Wind und Alethea griff in die Steine des Ufers, spielte mit ihnen zwischen ihren Fingern, während sie die Worte auf ihrer Zunge suchte. »Die Ärzte sagten, ihr Herz habe aufgehört zu schlagen. Einfach so, mitten in der Nacht. Doch ich glaube das nicht. Mutters Herz hatte viele Jahre davor schon aufgehört zu schlagen. Aber vielleicht hat ihr Körper dies bis zu ihrer letzten Stunde nicht bemerkt.«

»Hat es nie für dich geschlagen?«, fragte es weiter und nun warf Alethea die Steine in den See, beobachtete, wie das Wasser ihn verschluckte und mit in die Tiefe zog. »Ihr ging es die Wochen vor ihrem Tod schlecht. Eine Grippe, sagten alle. Ich habe mich um sie gekümmert, habe ihr die Medizin gegeben, die die Heiler aufschrieben und mich so um sie gesorgt, wie sie es nie für mich getan hat. Sie sagte nur, dass ich nicht ihre Tochter wäre und dass ihre Tochter — ihr wunderschönes Mädchen — mit ihrem Vater starb.«

»Du bist auch einsam.« Es legte ihr Innerstes nach außen, damit jeder es betrachten konnte und Alethea sah mehr von sich in diesem Moment, als in irgendeinem anderen. »Ich muss es nicht. Ich entscheide mich dazu, so wie meine Mutter sich dazu entschieden hat. Sie hatte mich, doch hat sich für die Einsamkeit entschieden. Am Ende bin ich doch ihre Tochter.«, sagte Alethea und lächelte, während sie ihre Beine enger an ihren Körper ran zog und ihren Kopf auf ihren Knien ablegte.

Ihr schwarzes Haar wehte um sie herum, lenkte sie kurz ab. Sie hatte Zöpfe immer gemocht, doch ohne ihr offenes Haar fehlte ihr der Schutz. Der Schutz, sich doch noch verstecken zu können.

»Meine Mutter und ich waren aus demselben Schmerz geschnitzt. Ich glaube nicht, dass sie mir all diese Dinge antun wollte. Sie hat mich einfach nur nicht mehr erkannt, doch um ehrlich zu sein: Ich erkenne mich selbst nicht. Jedes Mal wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich jemand anderen.«

Es reichte ihr einen weiteren Stein. Er war schön, beinahe komplett schwarz, nur kleine weiße Punkte zierten ihn. Alethea legte ihre Finger um ihn und langsam spürte sie, wie ihre Zähne zu klappern anfingen. »Ich hasse sie nicht für all das Leiden, das sie in meinem Herzen gesät hat... doch—doch ich wünschte, sie hätte mich einmal so aufrichtig geliebt, wie sie meinen Vater geliebt hat.«

Sie schloss ihre Augen und es verschwand, während Erinnerungen über sie flossen, wie Regen den Stoff ihrer Uniform durchtränkte und bis zu ihrem Mark drang, um gemeinsam mit der Kälte mehr Schaden anzurichten.








»SORGEN SIE EINFACH dafür, dass Ihre Freundin eine Jacke trägt, wenn sie sich das nächste Mal bei diesen Temperaturen dazu entscheidet am See zu sitzen.«, befahl Madam Danvers Delilah, die mit einem Grinsen die Tränke entgegennahm, die die Krankenschwester der Akademie ihr reichte.

Stumm beobachtete Alethea sie. Sie spürte nicht viel von der Erkältung, die sie die gesamte Nacht wachgehalten und dafür gesorgt hatte, dass Delilah sie noch vor dem Unterricht in den Krankenflügel gezerrt hatte. Wahrscheinlich betäubte Magie die Symptome oder es war nicht so schlimm, wie ihre Freundin schwor. 

Sie löste ihren Blick träge von der in Weiß gekleideten Frau, deren Umhang an die Nonnen aus einem Kloster angelehnt war, und schaute sich um. Der alte Arbeitsplatz ihrer Mutter war schön; das hohe  ließ das Architektur besessene Herz von Alethea etwas summen und die breiten Fenster ließen genügend Sonnenlicht hineinfallen.

»Jetzt huscht schnell zum Unterricht!«, befahl Madam Danvers etwas strenger und Aletheas Füße hatten sie bereits zu der großen Flügeltür getragen, noch bevor die Krankenschwester etwas gesagt hatte. Sie bedankte sich und ließ zu, dass Delilah sich bei ihr einhakte und die Tränke in ihrer Tasche verstauchte.

»Wenn du versucht hast dich umzubringen, war das ein langweiliger Versuch.«, meinte ihre Freundin ruhig und ging mit solch zielsicheren Schritten durch die Korridore wie kein anderer. Nur sie hatte es geschafft, das Muster zu erkennen, in dem sich die Gänge änderten — oder vielleicht gab es auch keins und deswegen schaffte Delilah es.

»Ich habe genug giftige Pflanzen in meinem Zimmer, um mich schmerzlos umzubringen. Glaub nicht, dass ich mich zu Tode frieren werde.« Aletheas Stimme war etwas kühler und Delilah stützte ihre Lippen nachdenklich. »Nicht dramatisch genug für dich. Du wärst eher diese Person, die ihre Taschen mit Steine füllt und sich dann selbst ertränkt.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob dies ein Kompliment oder eine Beleidigung sein soll...«

»Beides. Auf jeden Fall beides.«

Sie erreichten die Tür des Klassenzimmers und Magnus Surge — jener Junge, der es schaffte, mit jedem befreundet zu sein, ohne auch nur ein Merkmal von sich preiszugeben — hielt ihnen bereits die Tür auf. Sein langes braunes Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und die blauen Augen besaßen diese allgemeingültige Freundlichkeit.

Stumm beobachtete sie wie Delilah und er Worte wechselten bis ihre Wege sich trennten, da er weiter rechts als sie saß. Alethea wusste vieles, vor allem über die Schüler der Akademie, doch er war ein Dorn in ihren Rosen. Jemand ohne seine Individualität.

Gerade als Delilah und Alethea sich ebenfalls hinsetzten und sie erneut die Skelette an der Decke bewunderten, ging die Tür auf und Professor Riddle trat hinein. Eine Brille auf seiner Nase und zwei Schülerinnen, die ihm auf Schritt und Tritt folgen; Worte brabbelten, die er nur mit einem Lächeln kommentierte.

Die Brille stand ihm gut, obwohl er mit ihr etwas älter aussah.

»Thanatomantik. Wer kann mir sagen, was dies bedeutet?«, fragte er, sobald er den Unterricht mit kaum besonderen Worten begonnen hatte und Alethea wollte sich melden. Seine Augen fielen auf sie und es war nicht zu übersehen, dass auch er wollte, dass sie sich meldete und ihm antwortete.

Doch etwas in ihr weigerte sich. Es waren nicht nur die Kopfschmerzen des Schlafmangels, das Vibrieren ihrer unterdrückten Erkältung, es war vor allem die Angst, etwas Falsches von sich zu geben. Mit einem Mal war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie alle Begriffe richtig verstanden hatte oder ob irgendwo in ihrem Kopf ein Denkfehler entstanden war.

Sie senkte ihren Kopf und Riddle nahm eine andere Schülerin dran. Zara Purgatory. Einer der Schülerinnen, die ihre Seele hatte verkaufen wollen, damit Riddle sie ansah, wie er eine Geliebte ansehen würde.

Eine krankhafte Obsession hatte sich in ihrem Kopf niedergelassen und sie wusste alles, was mit ihm zu tun hatte und obwohl Alethea sie bevor diesem Jahr noch nie in der Bibliothek angetroffen hatte, traf sie sie nun jeden Abend; lernend für den Unterricht von Riddle.

»Die Lehre des Todes. Benannt nach dem griechischen Todesgott Thanatos.«, wiederholte sie die Worte, die Alethea auch in ihrem Kopf aufgesagt hatte. »Wieso ist die Formulierung ›Lehre des Jenseits‹ unkorrekt?«, fragte Riddle, und Zara lächelte, weil sie die Antwort kannte.

Sie hatte ebenfalls die Studienarbeit von ihm gelesen.

»Da das Jenseits nur einem der drei Kreis angehört. In ihm entkommen die verstorbenen Seelen. Die Lehre des Jenseits wäre nur die Leere eines Kreises und nicht des vollkommenen Todes.«

»Fast perfekt, Miss Purgatory. Nun ich befürchte, nicht jeder Anwesende weiß, was Sie mit den drei Kreisen meinen.« Er lächelte und Alethea musste ebenfalls lächeln, spürte sofort den Blick von Delilah auf sich, doch wagte es nicht ihren Blick von dem Professor abzuwenden.

»Die Lehre des Todes, Thanatomantik, beschäftigt sich mit dem, was mit einer Hexe nach ihrem Ableben passiert. Die Kreise stellen die drei Möglichkeiten dar, die das Schicksal für uns alle errichtet hat. Der erste und am meisten vorkommende Kreis ist ›Der Kreis der Entkommenen‹

Auf der schwarzen Tafel erschien ein Kreis, in welcher Mitte ›Entkommene‹ stand. Riddle setzte sich seine Brille ab, klappte sie zusammen und legte sie auf den Schreibtisch, an dem er lehnte, bevor er seine Arme vor der Brust verschränkte.

Alethea hörte Zara und ihre Freundinnen hinter ihr kichern, als sein weißes Hemd fein seinen guten Körperbau hervorhob.

»Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie alle etwas anderes werden als eine entkommene Seele, ist sehr gering. Die Entkommenen sterben und finden ihren Weg in das Jenseits. Wir wissen nicht genau, wo es ist oder wie lange man in ihm bleibt; ob es etwas wie eine Hölle oder eine Hölle auf sie wartet, wir wissen nur, dass die Entkommenen endgültig verschwinden.

Der zweite Kreis: ›Der Kreis der Verirrten‹

Ohne dass er die Kreide anhob, wurde ein zweiter Kreis auf die Tafel gemalt, der sich etwas mit dem ersten überlappte und in das Wort ›Verirrte‹ folgte. Aletheas Auge zuckte und sie schluckte.

Jemand umfasste ihre Hand eng und sicher; behielt sie in diesem Raum und als sie zu der Person sah, lächelte Delilah sie bereits warm an.

»Verirrte Seelen haben den Weg in das Jenseits nicht gefunden und sind gestaltlos gefangen zwischen den Welten. Sie sind weniger als ein Geist und doch mehr als nichts. Es sind keine Fragmente des Verstandes einer Person, doch auch nicht die vollkommene Komplexität. Verirrte Seelen haben einen Fuß noch in der Tür des Lebens; sie können Dinge manipulieren und Lebende in den Wahnsinn treiben. Sie sind der Erzeuger, jener Dinge, die in der Literatur Geistern zugesprochen werden. Spuckt es in einem Haus, sind es wahrscheinlich nur verirrte Seelen, die in ihrer Einsamkeit verrückt geworden sind.«

Alethea bekam keine Luft, doch sie musste weiteratmen, sie zwang sich dazu. Es war kindisch, was sie nun tat. Mutter würde es hassen.

»Der dritte und letzte Kreis.« Seine Augen gingen zu Alethea und ihr Mund öffnete sich, ohne dass er sie aufrufen musste. »Der Kreis der Verlorenen. Besser bekannt als Geister.«, antwortete sie und Professor Riddle nickte langsam. »Erzählen Sie mir mehr.«

»Geister wollen es nicht wahrhaben, dass sie gestorben sind oder sie wollen es einfach nur nicht und klammern sich an ihr Leben. Es gibt verschiedene Formen eines Geistes, doch sie haben alle dasselbe Schicksal vor sich. Irgendwann erinnert sich der Tod daran, dass sie nicht hierher gehören. Es kann Jahre dauern, Jahrtausende, doch es passiert irgendwann. Die zuvor intakte Hülle vergeht langsam. Sie verlieren Farbe und ihre Züge. Ihre Augen treten hervor und sie können nur noch starren. Sie verlieren sich selbst und doch werden sie niemals entkommen. Sie sind verloren, da sie niemals sterben.«, hauchte sie die letzten Worte und die Klasse war still.

Jeder wurde sich des grausamen Schicksal bewusst; dem ewigen Leiden. Ob sich einige fragten, was mit den Geistern passierte, wenn die Welt unterging? Ob sie weiter existieren würden, obwohl es nichts mehr gab? Einsam und allein, während ihr Selbst nichts mehr ist, an dem sie sich festhalten konnten?

Geister waren alleine, konnten ihres Gleiches nicht immer sehen und auch die Menschen vergaßen irgendwann ihre Existenz. Einige Geister vergaßen selbst, dass sie noch existierten.

Auf der Tafel erschien zögernd der dritte Kreis, überschnitt sich nun mit den beiden anderen. ›Verlorene‹. Verloren, weil nichts sie retten konnte vor dem Schicksal. Verloren, weil es nichts Endlicheres gab, als das Schicksal eines Geistes.

»Natürlich dreht sich die Thanatomantik auf keinen Fall nur um die drei Kreise, deswegen möchte ich, dass Ihr das Buch auf Seite—«

»Ist es wahr, dass Sie ein Nekromant sind?«, platzte es aus einem Schüler raus und jeder Blick huschte zügig zu ihm. Asher Hartford saß mit neugierigem Blick in der letzten Reihe und sah aus, als würde er auf eine Antwort bestehen.

Professor Riddle verzog keine Miene und ließ sich nicht die Bedeutsamkeit des Wortes  ›Nekromant‹ anmerken. »Normalerweise meldet man sich in meinem Unterricht.«

»Entschuldigung, Sir. Meine Großmutter war es, die ihre UTZ bewertet hatte und all die Jahre hat sie nicht aufgehört, Euch einen Nekromanten zu nennen. Der Prophet schreibt oft über Ihre Talente und niemand in diesem raum wird leugnen, dass Sie der mächtigste Hexer der Akademie sind nach Albus Dumbledore.«

Dort war es. Alethea starrte auf ihren Professor, während sie es erneut sah. Es war eine minimale Veränderung in seinem Blick, die sie jedes Mal beobachtete, wenn in seiner Gegenwart von Professor Dumbledore gesprochen wurde. Jedes Mal sah er aus, als wäre er zu grausamen in der Lage.

»Elowen Hartford, nehme ich an. Ihre Großmutter ist eine intelligente Person und sollte wissen, dass die Nekromantie eine reine Theorie ist.«

Aletheas Arm streckte sich aus und Riddle nickte nur. »Es ist keine Theorie. Es ist möglich, nur hat es niemand mehr geschafft. In den Jahren der Götter war Nekromantie keine Seltenheit; in jeder Heiligen Schrift steht das Gleiche geschrieben.«

»Ist dies nicht nur eine weitere Definition einer Theorie, Miss Desmond? Wenn die Welt annimmt, dass es funktioniert, aber niemand es beweisen konnte? In den alten Schriften stehen viele Dinge, die fernab der Realität sind. In der Nekromantie geht es nicht allein darum, mit verirrten Seelen zu kommunizieren, sondern auch darum, sie zu lenken. Sie in eine der beiden Türen zu drängen, sei es die Tür der Lebenden oder der des Jenseits.«

Alethea hob ihr Kinn etwas, atmete tief ein. »Es gibt Hexen, die mit ihnen kommunizieren können. Sie ziehen Energie aus ihren Ahnen. Von da an bis zu der Erweckung ist es nicht weit. Ein Mann mit Ihrem Talent und Ihrer Macht... Wieso sollten Sie es nicht schaffen? Und wenn Sie es nicht schaffen eine entkommene oder eine verlorene Seele wieder ins Leben zu rufen: eine Verirrte ist dem Leben so nah. Sie braucht nur jemanden, der sie lenkt.«

Der Professor antwortete nicht sofort, sah sie nur schweigend an. »Der Tod ist endgültig. Du kannst versuchen ihm zu entkommen, doch hat er einmal seine Hand um dich gelegt, bist du ein Teil dieser Endgültigkeit. Öffnen Sie jetzt das Buch auf Seite 127 und lesen Sie die Erklärungen der Thanatomantik durch.«








DAS MÄDCHEN STAND IN dem Türrahmen, an dem einst ihre Größenfortschritte mit weißen Strichen markiert worden waren, und starrte auf die Scherben ihres vergangenen Lebens, auf das Blut an den Händen ihrer Mutter.

»Ich war es nicht—«

»HÖR AUF!«, schnitt die hochgewachsene Frau ihre Tochter ab, ihre Stimme nicht mehr die einer liebenden Mutter, sondern einer verzweifelten Witwe, ohne Verstand und Zukunft, ohne Hoffnung im Herzen oder Liebe auf den Lippen.

Das Kind zuckte zusammen, ließ aus Angst heraus das Rabenkuscheltier fallen. Es fiel in die Scherben, war nun eine weitere verlorene Erinnerung. »Nenn mich nicht Mutter. Du bist nicht mein Kind, nur ein Monster!«

Erstickende Wehklage drangen aus der Kehle der Frau und das Herz des kleinen Mädchens brach. Sie war ein Kind, sie verstand die Bedeutungen dieser Worte nicht und wollte zu ihrer Mutter; wollte ihre Tränen trocknen.

Doch bevor sie durch die blutenden Scherben der Bilderrahmen treten konnte, fasste die Frau einen Entschluss, löste ihren Blick von ihrem blutenden Kleid und sah es an. Sie lief durch die Scherben zu ihr, färbte das Parkett mit ihrem Blut und das Mädchen stieß einen schrillen Schrei aus, als ihr Arm fest umfasst wurde.

»Loslassen! Loslassen!«, jammerte es, doch die Frau hörte nicht. Tränen liefen über ihr vor Wut und Kummer verzogenes Gesicht und das Mädchen fürchtete, dass ihr Arm erneut brechen würde. Erinnerungen an das erste Mal schossen durch ihren Kopf. Damals hatte Mutter noch nicht geweint.

Das kleine Mädchen stolperte über ihre eigenen Füße; Tränen der Schmerzen verschleierten ihre Sicht, während sie versuchte, sich gegen ihre Mutter zur Wehr zu setzen. Zu schwach war es, musste zulassen, wie sie es durch die Gänge des Anwesens zog; die Treppen hinunter in die Gewölbe, in die sie niemals durfte.

Mit jedem weiteren Schritt wurde das Flehen des Kindes lauter und verzweifelter, weil sie nicht in die Finsternis wollte, vor der sie sich fürchtete, aber die Frau würde nicht hören und obwohl das Mädchen dies nun auch verstand, konnte es nicht aufhören.

Sie zerrte sie die Treppe hinunter und als das Mädchen sich weigerte weiter zu laufen, schlief sie das schreiende Kind hinter sich her, kümmerte sich nicht, wie ihre zarte Haut aufriss und ihr Herz in solch kleine Stücken brach, die kein Licht wiederfinden würde.

Die Frau mit dem schwarz-grauem Haar empfand keine Reue, nur Hass und Trauer, als sie an der dunklen Tür ankamen mit dem einzigen silbernen Knauf im gesamten Anwesen. Blaue Flecke hatten sich an dem Arm des Mädchens gebildet, doch auch dies regte keine Mütterlichkeit in ihr.

Nein, sie begann es noch mehr zu hassen, weil es wagte, sich wie ein Mensch zu verhalten.

»Ich lass dich erst heraus, wenn du mir meine Tochter wiedergibst!«, schwor sie vor dem heiligen Gericht und schubste das Mädchen in den kahlen Raum hinein, verschloss die Tür, ohne die Absicht, sie jemals wieder zu öffnen.
























[ . . . ]    Sternchen nicht vergessen<3

words:   2,940k

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