⠀ ⠀ ⠀ IX. we exist to weep. we exist to share our helplessness







DIE SCHLAFRÄUME DER Mädchen befanden sich unter dem Dach des gotischen Hauptschlosses, waren mit Schrägen verkleinert, während die Jungen den gesamten Platz ihres Raumes behalten konnten, da sie in einem der unteren Etagen untergebracht waren.

Es hatte in ihren sechs bisherigen Jahren eine persönliche Note bekommen, über die Jahre hatte sich nur verändert, dass Delilahs Bett und Schrank verschwunden waren, als sie im fünften Jahr ihr eigenes Zimmer bezogen hatte, und der Gedanke, dieses Zimmer in einem Jahr verlassen zu müssen, damit jemand neues einzog, fühle sich befremden an.

Es waren ihre Bilder, Zeichnungen und Recherchen, die die cremefarbenen Wände zierten; ihre Kräuter und Rosen, die von der Decke zum Austrocknen hingen; ihre Bücher lagen in Stapeln an ihrer Wand; ihre Tarotkarten, die von der letzten Lesung noch immer offen auf ihrer Kommode lagen.

Alethea zog ihre Beine wieder enger an ihren Körper, wickelte die Arme um ihre Knie und lehnte sich gegen die Wand, an der ihr Bett stand. Ihr Schlafraum war ihr einziges Zuhause gewesen, dass sie nach dem Tod ihres Vaters besessen hatte und es bald verlassen und endgültig in das alte Anwesen ziehen zu müssen, ließ ihre Kehle eng werden,

Sie lachte in den leeren Raum hinein, lachte über die Banalität ihrer Gedanken. Sie machte sich im Herbst schon Gedanken darüber, was im Sommer geschehen würde, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie überhaupt ihren Abschluss schaffte.

Ihre Augen schlossen sich. Wahrscheinlich sollte sie schlafen, in drei Stunden musste sie bereits wieder aufstehen, um in die Bibliothek zu gehen. Der Gedanke, dass nun noch die kurze Zeit zu schlafen sich nicht mehr lohnte, kam ihr und Alethea wog ab, ob sie sich vielleicht in einem Buch über Alchemie vergraben sollte.

Ihre Augen flogen jedoch auf und huschten zu der Tür, als jemand an dem dunklen Holz klopfte; verwirrt, da es weit nach Sperrstunde war und niemand sich mehr hinaus traute — und es eine unmögliche Uhrzeit war.

Ihre Füße berührten das kühle Parkett, als sie sich erhob und langsam ging sie zu der Tür, öffnete diese zögernd. Die Nachtwächter mussten in den unteren Etagen ihre Runden ziehen, die Abwesenheit der schwefelhaltigen Kälte verriet dies.

Doch niemand stand davor. Der Gang war leer und jede andere Tür war verschlossen; kein Mucks war zu vernehmen. Niemand schien wach, niemand schien geklopft zu haben und vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet — sie las einmal darüber, dass Schlaflosigkeit Halluzinationen hervorrufen könnte. Alethea überlegte zu rufen, aber wollte keine Geräusche machen und Dinge anlocken, die sie nicht mehr loslassen würden.

Als sie die Tür wieder schließen wollte, fiel ihr Blick auf einen dunklen Karton, der direkt vor ihr stand. Leise wartete er darauf, von ihr mitgenommen zu werden und da sie schnell wieder in ihr Zimmer verschwinden wollte und Neugier an ihr heftete, tat sie dies auch; beachtete nicht, wie dämlich diese Aktion war.

Der Karton lag schwer in ihren Händen und sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, geschützt in ihrem Zimmer stand, vernahm sie ein leises, zuvor nicht dagewesenes Schnurren. Ihre Augen weiteten sich und Alethea setzte den Karton auf ihrem Bett ab, schob den Deckel rasch davon.

Ihr mit goldenen Augen entgegenblickend entdeckte sie eine schwarze Katze, mit Fell so rein wie die Dunkelheit persönlich. Mit dem herablassenden und genervten Blick, den jede schwarze Katze besaß.

Anmutig erhob sie sich, versenkte ihre Krallen in dem samtigen Kissen, auf welchem sie sich platziert hatte, und Alethea konnte nichts anderes, als die Katze in ihre Arme zu heben.

»Wer bist du denn?«, fragte sie flüsternd und suchte vergebens nach einem Halsband. Sie krallte sich in ihr weißes Nachtkleid, doch kaum spürte Alethea den Schmerz, den sie verursachte, und sah stattdessen zurück in den Karton. Ein zusammengefalteter Zettel lag abwartend auf dem Kissen.

»Ist die Nachricht von deinem Herrchen?«, murmelte sie und genoss das weiche Fell für einen Moment, setzte sich mit der Katze in ihren Armen auf das Bett. Das Schnurren wurde laute, als Alethea die Stelle unter dem Kinn der Katze kraulte, die sie besonders zu mögen schien.

›Wir existieren, um zu weinen. Wir existieren, um unsere Hilflosigkeit zu teilen, mit einer Seele, die träumt wie die eigene.‹

Mehr stand nicht auf dem weißen Pergament geschrieben und verwirrt kraulte Alethea die Katze weiter, die sich nun auf ihrem Schoß platzierte und jeden so zärtliche Berührung genoss. »Du gehörst doch nicht etwa Dorian, oder?«, fragte sie leicht seufzend und erinnerte sich an die Unterhaltung zurück, die sie mit ihm vor wenigen Tagen gehabt hatte.

Hätte sie ihm doch nur nicht gesagt, dass eine Katze ihren Kummer lösen könnte. Natürlich waren Begleiter erlaubt, doch Alethea hatte noch nie einen besessen und wusste nicht, was zu beachten war. Zumal sie die Zauber für das Bindungsritual nicht kannte und sich sicher war, dass die meisten Hexen ein mystisches Wesen den sterblichen vorzogen.

Alethea blickte zu der Katze herunter, die ihr Herz wärmte und lächelte etwas über die untypische Zutraulichkeit, dieser Grund auf misstrauischen Tiere.

»Wir werden dein Herrchen finden.«, versprach sie, als die Katze von ihrem Schoß sprang und sich in dem Zimmer umsah; von ihrer Nase getrieben, auf die Kommode sprang und an den Kräuter roch.

Alethea beobachtete das Leben in ihrem Zimmer. So selten hatte sie einen anderen Besucher als Delilah oder die Einsamkeit, die schon lange ein Freund der Familie war.

Müde schob sie den Karton unter ihr Bett und legte sich zurück in die zahlreichen Kissen, beobachtete durch träge Augen, wie die Katze durch das Fenster in die Nacht schaute. Durch das schwache Mondlicht und die einsame Kerze auf ihrem Schreibtisch glänzte das samtige Fell.

Wie eine einzelne Katze das Leben von Alethea Eremitendasein beleben konnte.

»Willst du die Nacht bei mir bleiben? Ich fürchte, es ist für keinen von uns sicher, um diese Zeit das Zimmer zu verlassen.«, schlug sie vor und die Katze streckte sich, als wäre dies Antwort genug. Mit einem Handwinkel erlosch die Flamme und Alethea zog die Decke über ihren fröstelten Körper, doch wollte der Schlaf sich nicht zu ihr gesellen.

Obwohl sie einen ewigen Kreislauf der Müdigkeit durchmachte — müde einschlafen, müde aufwachen, müde leben, müde einschlafen, müde aufwachen, müde leben — fand sie nie die nötige Ruhe in ihrem Kopf, um diese Müdigkeit zu bekämpfen.

An manchen Tagen lenkte sie sich mit Okklumentik ab, doch war sie während des Trainings zu konzentriert, um zu schlafen, und sobald sie damit aufhörte, überfiel sie die Unruhe erneut.

Sie spürte, wie sich die Katze durch die Dunkelheit ihren Weg zu ihr auf das Bett bahnte, sich direkt neben Alethea zusammenrollte und ihren Kopf an ihr rieb, um auf sich aufmerksam zu machen. »Wir finden dein Zuhause.«, murmelte sie und kraulte das weiche Fell, bis sie fühlte, wie ihr Kopf sich beruhigte und sie einschlief.








DIE FOLGT EINE KATZE.«, merkte Delilah an und blickte auf das elegante Wesen, das mit erhobenem Kinn Alethea auf Schritt und Tritt den Weg in die Bibliothek und dann hinunter in das alte Heiligtum gefolgte war, das kaum noch so genannt wurde. »Wir hoffen, seinen Besitzer zu finden.«, antwortete sie und setzte sich neben ihre Freundin.

Der Kater folgte ihr, sprang zwischen die beiden ebenfalls auf die Bank.

Die große Halle war, wie viele vermuteten, einst das erste Gebäude gewesen, an das die restlichen Teile der Akademie angebaut worden waren. Eine Kathedrale, in welcher nun keine alten Götter mehr verehrt, sondern nur noch Schüler speisten oder Informationen verkündet wurden; Feste gefeiert, die gewiss als Blasphemie angesehen werden konnten.

»Wie kommst du zu ihm?«, fragte Edmund Credge, der vor ihr saß, und füllte ihre Tasse mit frisch gebrühten Kaffee. Reichte ihr diese, ohne großen Augenkontakt zu halten.

Er besaß eine kleine Ähnlichkeit mit Professor Riddle, war ihr einmal aufgefallen und vielleicht wäre er ein beliebter Mädchenschwarm, würde er sich nicht hinter kühlen Augen und ausdruckslosen Zügen verstecken; hinter Schweigen, das noch finaler war als Aletheas.

Dunkles Haar und noch dunklere Augen, rosige Lippen, aber seine Haut war nicht von Blut verlassen, wie die ihres Professors, und auch seine Züge waren weniger scharf und definiert. Ein seichtes Gemälde, was jedoch nicht weniger reich an ruhiger Schönheit war.

»Gestern stand ein Karton vor meiner Tür.« Alethea nahm sich eine Scheibe Schinken und rollte diesen zusammen, reichte sie dem Kater, der sie mit Freude entgegennahm. Edmund beobachtete die beiden, führte seinen schwarzen Kaffee zu seinem Mund. »Er ist süß.«, verkündigte er beiläufig und sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln; hielt vielleicht das erste Mal seit sieben Jahren Blickkontakt mit ihm, der mehr als nur ein Flüchtiger war.

Niemand schien von ihrer Geschichte verwirrt oder hinterfragte Dinge, alle akzeptierten nur, dass Dinge in den Mauern der Akademie passierten, die außerhalb als ungewöhnlich angesehen werden würden.

»Ich habe vermutet, dass er vielleicht Dorian gehört.«

Tylor Vilestorm, der neben Delilah saß und seinen Kopf auf dem Tisch liegen hatte, schnaubte noch immer im Halbschlaf gefangen. »Miss ›Ich weiß alles‹ scheint wohl nicht zu wissen, dass Dorian eine Katzenhaar Allergie hat. Eine schlimme, wenn ich anmerken darf.«, meinte er müde und hob seinen Kopf jedoch nicht. Von Dorian, der sonst wie ein Schatten Alethea oder Tylor folgte, keine Spur.

Ihre beste Freundin sah entzückt zu der Katze, die zwischen den beiden saß und ließ ihre Hand sanft durch das kurze Fell gleiten. »Hat er schon einen Namen?‹, fragte Edmund sie und Alethea blickte erneut zu dem Hexer, der sonst mehr schwieg als sprach.

Seine Stimme kam seiner Schönheit nur zu Gunsten. Tief und rau. Der britische Unterton, der von den meisten Hochgeborenen genutzt wurde, um ihren Stand zu unterstreichen, schien ihn jedoch nicht weniger bodenständig erscheinen zu lassen.

Alethea kannte seine Familiengeschichte. Eine Tragödie, wie die, die Dramen liebten. Niemals würde sie es ihm übel nehmen, nach diesem Schicksal zu verstummen.

»Nicht das ich wüsste, doch ich dachte, vielleicht würde Érebos passen.« Ihre Hand fand wieder den Kopf des Katers und sie kraulte ihn, während sie ihren Kaffee trank — es wunderte sie beinahe, wie perfekt er schenkte — und Edmund über ihre Tasse hinweg musterte.

Ihre Nase nun in einem der wöchentlichen Briefe von ihrer Geliebten vergraben, schlug Delilah mit freudiger Stimme vor: »Wenn du ihn behältst, kann er endlich die Mäuse fangen, die in den Wänden der Schlafräume leben.«

Es war Tyler, der zuerst etwas sagte; darauf, aus ihrer Welt und Ansichten zu zerstören. »Das sind Steinmauern, Haworth. Dicke Steinmauern. Dort leben keine Mäuse oder Ratten drinnen und vor allem nicht oben bei euch.«, murrte er und hob nun doch seinen Kopf, schob seine Bohnen gelangweilt auf dem Teller herum.

Delilah löste ihren Blick von den romantischen Zeilen und hob eine Augenbraue. »Ich höre sie aber. Jede verfickte Nacht. Es kann auch in Steinmauern Löcher geben.«

»Vielleicht bist du auch einfach nur verrückt. Oder vielleicht ist es irgendetwas anderes. Wer weiß, was in der Akademie alles lebt, nur keine Ratten!«

Alethea unterbrach den Streit, der sich entwickelte, indem sie noch etwas riskantes sagte. »Komisch, nicht wahr?« Nur ein Satz und die Augen der Lauscher der Unterhaltung fuhren zu Alethea, die eine weitere Schinken Rolle dem Kater zuwarf. »In diesen Gängen herrscht ein ständiges Gefühl von Leben. Ein Paradox, wenn man die zu Leblosigkeit verdammten Ländereien beachtet.«

Es wurde ruhig um sie herum, nur die Gespräche der anderen waren zu vernehmen; wie jeder über banale Dinge sprach, während Alethea genau das aussprach, das Aufmerksamkeit verdiente. Ihre Mitschüler tauschten Blicke, doch nicht weil sie etwas wussten, sondern weil sie verhindern wollten, etwas mit Worten zu erfahren.

Fehlende Worte sind des schweigenden Antwort.

»Ich gehe auf die Suche nach Érebos' Besitzer. Wir sehen uns beim Unterricht, Delilah.«, murmelte sie tonlos und hob den Kater in ihre Arme, ließ ihr Frühstück ungerührt und die Worte ungesagt.

Alethea besaß noch keinen Plan, wie genau sie es anstellen würde, den Besitzer von Érebos zu finden, weswegen ihr Weg sie in das große Studierzimmer führte, in dem das schwarze Brett hing. Der Zettel, dass sie einen schwarzen Kater gefunden hatte, hing nun in der Mitte, umgeben von Ankündigungen und Unwichtigem.

Niemand widmete dem schwarzen Brett je einen Blick.

»Soll ich dir etwas verraten?«, fragte sie und setzte Érebos ab, welche sich keinen Zentimeter bewegte, sondern an derselben Stelle sitzen blieb, als würde er tatsächlich auf ihre Worte warten. »Ich glaube nicht, dass du einen Besitzer hast, der in Hogwarts lebt. Wäre es so, wärst du bereits zu ihm gegangen.«

Die Katze blinzelte und ihr Schwanz schlug geschmeidig auf den dunklen Steinboden. Eine Bestätigung für ihre Vermutung. »Vielleicht warst du ein Geschenk, aber von wem ist nun die Frage.« Sie hockte sich vor Érebos, kraulte ihn unter seinem Kinn an seiner Lieblingsstelle. Seine entspannten Augen öffneten sich jedoch ruckartig und starrten an die Decke, als er eine Bewegung ausmachte.

Alethea sah über ihre Schulter und erblickte Professor Riddle auf dem Balkon, der den gesamten Saal umgab. Er schien sie noch nicht bemerkt zu haben, so versteckt zwischen den Tischen und zu beschäftigt war er mit Jude Parson — Ihr Jahrgang, doch war er in dem anderen Kurs; war befreundet mit ihrer Cousine Elenítsa — welcher mehr gefürchtet als beliebt war.

Parson war atemberaubend, machte der reinblütigen Schönheit seiner mütterlichen Familie allen Ehren. Er besaß mehr von ihr als von seinem Vater und vielleicht wurde er deswegen der inoffizielle Erbe der Malfoys genannt, denn was hatten die Parsons schon zu vererben, bis auf Schulden und eine verblühte Vergangenheit.

Sie verstand die Worte nicht, die sie wechselten, doch konnte die Haltung des Schülers gut lesen. Parson respektierte den Professor mehr als jeden anderen und doch schien er dem, was er sagte, nicht übereinzustimmen. Er lief etwas hinter ihm, redete und gestikulierte, doch Riddle kümmerte sich nicht darum, lief nur weiter.

Als Neffe des notorischen Abraxas Malfoy, der allzu oft mit Professor Riddle in Verbindung gebracht wurde — sei es durch Fotos in Jahrbüchern oder durch Berichte im Tagespropheten, in denen beide Namen auftauchten — schienen sich die beiden besser zu kennen, als es für Schüler und Lehrer üblich war.

Mit einem Mal blieb er stehen, drehte sich zu dem platinblonden Jungen um, der einen Schritt zurückwich. Riddle sagte etwas, dass Jude dazu brachte noch einen weiteren zurückzunehmen. Wenn es Angst war, die nun seinen Verstand flutete, ließ er sich nicht anmerken; nickte, bevor er sich umdrehte und verschwand.

Professor Riddle blieb weiterhin stehen, die Haltung weder angespannt noch entspannt. Apathisch. Alethea durchzuckte ein Schock, als er seinen Kopf zu ihr drehte und sie ansah; ihr zeigte, dass er die gesamte Zeit gewusst hatte, dass sie versteckt zwischen den Schreibtischen gesessen hatte.

»Sollten Sie sich nicht auf den Weg zu Ihrem nächsten Unterricht machen, Miss Desmond?«, fragte er und lehnte seine Arme auf dem steinernen Geländer des Balkons ab. Seine Stimme wurde durch den Schall zu ihr getragen und erzeugte ein Gefühl in ihrer Brust, das sie nicht in Worte fassen konnte.

Erstickte sie?

»Ich wollte noch etwas an das schwarze Brett hängen.«, antwortete sie wahrheitsgemäß und erhob sich. Érebos sprang auf einen der Schreibtische und sah ebenfalls zu Riddle hinauf, bewunderte ihn mit verengten Pupillen. »Nun beeilen Sie sich, Ihr Unterricht beginnt in wenigen Minuten und Ihr Weg ist lang.«

Es verwunderte sie nicht, dass er genau wusste, welchen Unterricht sie in wenigen Minuten hatte. Hatte sich damit abgefunden, dass er, wie sie, Dinge wusste, die er nicht wissen sollte.

»Haben Sie Parson auch gesagt, dass er zu seinem Unterricht gehen soll?«, rutschte es ihr heraus, doch sie spielte es mit dümmlicher Neugier ab. Er nickte ohne zu antworten und sagte dann: »Ihr Nachsitzen wurde auf den heutigen Abend verschoben. Ich dachte mir, dass Sie All Hallows' Eve anders verbringen wollen.«

Alethea bedankte sich und erdachte sich dazu, dass er der Auffassung war, dass sie gemeinsam mit ihren Freunden feiern würde. Vielleicht würde sie dies nun, anstatt den Tag der Toten mit ihm zu verbringen.

»Einen schönen Tag noch, Professor.«

Sie drehte sich um und ging, Érebos folgte ihr wie der treue Gefährte, der er bald sein würde, und sie spürte den Blick des Professors auf ihrem Nacken, während sie ihn hinter sich ließ.








ALETHEA SAH IHM IN die von langen, dunklen Wimpern umrahmten Augen und erkannte, dass sie nicht vollkommen schwarz waren. Aber das Braun war so dunkel und so unscheinbar, dass nichts anderes zu vermuten war.

Ein anderes Wort als makellos gab es nicht, um ihn zu beschreiben. Seine Schönheit war hier vergeudet, sie war nicht dazu gemacht, nur von Schülerinnen bewundert zu werden. Er gehört von der Geschichte erinnert; nicht in den nächsten Jahrzehnten in Vergessenheit zu geraten, weil Professoren ihr Erbe mit ins Grab nahmen.

»Perfekt«, lobte Riddle und sie schluckte nervös. Solch ein Kompliment von ihm benebelte ihren Geist, den sie zuvor geleert hatte. Sie hatte versucht, jeden Abend zu üben, ihrem Schattenselbst mit der Aufgabe betraut, in ihren Verstand einzudringen, während sie versuchte, den Angriff abzuwehren,

»Darf ich Sie etwas fragen? Worauf Sie dann nicht mit dem Schulmotto antworten.«, fügte sie schnell hinzu und Professor Riddle grinste, bevor er etwas Abstand zwischen sie brachte. »Verba absunt, responsum est silentium. Fehlende Worte sind des Schweigenden Antwort. Nun fragen Sie. Wenn ich eine Antwort kenne, werde ich Sie Ihnen geben.«

Sie beobachtete, wie er sich hinter seinen Schreibtisch setzte, und der phantomhafte Druck an der Stelle ihres Kinns, die er vorhin berührt hatte, lenkte sie für einen Moment ab.

»Wie ist es möglich, dass es hier Leben gibt? Die Ländereien von Hogwarts sind zur ewigen Leblosigkeit verflucht worden und doch... Der Efeu wickelt sich um die Gemäuer, Bäume wachsen hoch in den Himmel, das Gras ist frisch und Tiere leben weiter, obwohl sie davon essen. Man läuft durch die Korridore und die Blicke von Gemälden, die überall, aber nicht hier lebendig sein sollten, folgen einem. Alles fühlt sich so lebendig an, obwohl alles tot sein sollte. Wie ist das möglich, Sir?«

»Magie, Miss Desmond. Die Antwort ist so simpel, dass sie falsch klingt, doch es stimmt.«, erzählte er ihr eine Halbwahrheit und Alethea runzelte ihre Stirn, weil nichts totes Magie beherbergen darf. Kein Ort kann sie halten, wenn er niemals einen lebendigen Kern besessen hat.

»...Aber es ist nicht nur irgendeine Magie. Diese Magie wurde von niemand gerufen; sie dient niemanden, nur sich selbst.«, riet sie und Riddle schien ihre Hartnäckigkeit zu bewundern.

»Etwas, hat diesen Ort verflucht. Eine Macht, die wir niemals verstehen werden und vielleicht waren es die Götter, so wie Propheten es verkündet haben. Und etwas anderes hat sich diesen Fluch zu nutzen gemacht. Was glauben Sie ist der Grund, warum an solch einem Ort eine Schule gegründet wurde? An diesem leblosen Ort so viele Hexen und Hexer zu versammeln, um ihre Magie auszubilden?«

Ihre Züge entwichen ihr bei seinen Worten und es schien ihr, als hätte er Scheuklappen von ihren Augen genommen, die verhindert haben, dass sie alles erkannte. »Wir alle sind nichts anderes als Futter für eine Bestie. Wenn jemand einen Fuß in die Akademie setzt, wird sie ein Teil von ihm und er von ihr, weil sie seine Magie als ihre eigene nutzt. Wie sind nicht mehr als Kohle für einen Ofen. Aber wer— Wer würde...« Alethea verstummte und schluckte alles hinunter. »Was würde passieren, wenn die Schüler verschwinden? Wenn es keine Hexen mehr gibt, deren Magie angezapft werden kann?«

Professor Riddle zuckte leicht mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Er wusste viel mehr als er sagte; viel mehr Geheimnisse lauerten in diesem Gemäuer und auch wenn es dauern würde, würde Alethea sie alle lüften. »Ich vermute, dass die Akademie ihren Weg finden würde, so wie sie es immer schafft.«

»Deshalb ist der Efeu verwelkt, als Professor Dumbledore einen Schwächeanfall erlitten hat. Seine Magie ist verblasst und wurde der Akademie geraubt. Angesichts der Macht von Dumbledore ist dieser Verlust tragischer als der Verlust eines einzelnen Schülers.«

»Dumbledore ist schon lange nicht mehr die Person, die er einst war.«, meinte Riddle nur und sah sie nicht mehr an. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, doch sie schaffte es zu glätten, bevor er es bemerkte. »Natürlich sind Sie in diesem Moment der mächtigste Hexer, deshalb ist es eine Ehre, von Ihnen unterrichtet zu werden. Sie werden noch Großes leisten.«, schmeichelte sie ihm, doch stieß nur auf eine spöttische Reaktion.

Professor Riddle sah zu ihr, noch immer vor dem Schreibtisch stehend, die Arme hinter ihrem Rücken gefaltet. »Sie sind arrogant, wenn Sie glauben, dass ich auf solche Worte hereinfalle. Wenn Sie auch nur in die Nähe des Ehrgeizes Ihres Vaters kommen, dann sind Sie davon überzeugt, die mächtigste Hexe der Akademie zu sein.«

Sie sagte nichts mehr und wusste auch nicht, was sie hätte sagen sollen, um die Gedanken und Gefühle zusammenzufassen, die in ihr herrschten. Natürlich hatte er vollkommen recht. Alethea erkannte ihr Talent, wusste von ihrer einzigartigen Macht, und obwohl sie nicht glaubte, mächtiger als Riddle zu sein, kam sie ihm näher als jeder andere.

Riddle umfasste einen der sorgfältig sortierten Briefe auf seinem Schreibtisch und reichte ihn diesen. Das Siegel der Akademie verschloss ihn; ihr Name in geschwungener Schrift.

Unter seinen Blicken öffnete sie ihn rasch, zog das Papier hinaus und ließ ihre Augen über die Zeilen gleiten. Sie hatte bereits erahnt, um was es sich wandelte und ihre Vermutung wurde bestätigt. Die Bestätigung dafür, dass sie außerhalb der Ferien nach Griechenland reisen durfte, um das Grab ihrer Mutter zu besuchen.

Mit gespitzten Lippen faltete sie ihn zusammen und behielt ihn fest in ihrer Hand; zerknautschte ihn beinahe vollkommen. »Ich kannte Ihre Mutter.«, sagte Riddle und Aletheas Blick blieb starr auf das komische Chaos des Schreibtisches geheftet.

Sie traute sich nicht wirklich, es Chaos zu nennen, da nichts real wirkte. Es schien eher so, als wären die Dinge auf der Oberfläche mit Absicht so angeordnet worden, dass es als Chaos missverstanden werden könnten. Es war eine zu sortierte und ordentliche Unordnung.

»Vor oder nach dem Tod meines Vaters? Sie hat sich verändert, wissen Sie. Ich kann es ihr nicht einmal übel nehmen, dass sie zu einer von Hass und Kummer erfüllten Hülle geworden war. Sie hatte schließlich die Liebe ihres Lebens verloren.«

»Die Liebe macht Menschen kaputt.«

Mit trägem Blick lachte sie schnaubend. »Es ist der Verlust, der die Menschen kaputt macht. Nicht die Liebe. Nicht aufrichtige Liebe.« Alethea hob ihre Tasche von dem Boden auf und stopfte den Brief hinein. »Gute Nacht, Professor.«

Bevor sie eine Antwort bekam, war sie bereits aus dem Büro verschwunden.
























[ . . . ]    Edmund Credge my true love. Érebos ist kein gewöhnlicher Kater. Und bitte... fragt nicht, wie Alethea erfahren hat, dass Érebos ein Kater ist und keine Katze.
btw: hat jemand fragen zu der ganzen Hogwarts Geschichte? Ich weiß nicht, ob ich es etwas verwirrend erklärt habe.

words:   3,722k

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top