⠀ ⠀ ⠀ III. behead the hydra and two shall grow anew
»FÜR DEINE SCHLAFPROBLEME.«, kam es von Delilah und in Aletheas Augenwinkel erkannte sie, wie ihre Freundin in ihre Tasche griff und eine Handvoll gläserner Phiolen hinaus holte. Das gebrochene Schweigen fiel zu Boden, während sie überrascht musterte, wie das trübe Morgenlicht, das durch die Maßwerkfenster in die Korridore fiel, die Flüssigkeit golden glänzen ließ und im Fernen für das reinste Sonnenlicht gehalten werden konnte.
»Ich habe sie probiert, damit ich dich nicht vergifte. Sie wirken und haben mich nicht umgebracht. Einschlafen wie ein Baby in der Flasche, Rezept von meiner Großmutter.« Ein stolzes Lächeln legte sich um ihre Lippen, als die Phiolen wieder in einem samtigen Beutel verschwanden.
Unvorbereitet nahm Alethea ihn entgegen; ihr Mund offen, da sich keine ausreichenden Worte auf ihrer Zunge bilden konnten. »Ich—«, begann sie ihr Stammeln und Delilah schüttelte nur ihren Kopf. »Kein Dank von Nöten, es war kein Selbstloser Akt. Dein Schlafmangel ruft sehr schlechte — ja, beinah fürchterliche — Charakterzüge bei dir hervor und ich ziehe es vor in meinem jungen Alter noch keine grauen Haare zu bekommen.«, sagte Delilah und hackte sich bei Alethea ein, nachdem sie durch ihr goldenes Haar gefahren ist.
Weder widersprach sie, noch bestätigte sie die Worte ihrer einzigen Freundin. Delilah hatte natürlich recht und Alethea konnte ihr nicht für ihre leichte Provokationen böse sein, da es sie selbst anstrengte. Eine für sie untypische Gereiztheit war nun ihr engster Gefährte und jedes Mal wenn sie einen zu scharfen Satz sagte und der dunkle Mann auf ihrer Schulter applaudierte, erfüllte es Alethea mit Reue, die er versuchte zu ersticken.
»Trotzdem danke.«
Anstatt ihr ein Lächeln zu schenken; ihre Dankbarkeit nicht nur mit Worten deutlich zu machen, kaute Alethea an der aufgerissenen Haut ihrer Lippen herum. Kurz dachte sie an den dunklen Lippenstift, der nun ruiniert war und ließ ein paar Strähnen ihres dunklen Haares in ihr Gesicht fallen, um sich hinter ihm zu verstecken.
Delilah bemerkte den leichten inneren Umschwung ihrer Freundin, die begann, sich in ihren Gedanken zu verirren, und führte sie weiter durch die Korridore, während sie ein Thema zur Ablenkung suchte.
»Hast du schon gehört, dass Dippet die Ersetzung von Binns nun offiziell gemacht hat?«, begann sie die Gerüchte zu wiederholen, die die Schüler am Leben halten zu schien. Nichts Wichtiges, nichts wirklich Interessantes, doch eine Ablenkung. Und alle brauchten an dieser Akademie eine Ablenkung.
Alethea stieß ein zufriedenes Seufzen aus und schulte ihre Ledertasche erneut, als diese versuchte, ihr zu entkommen.
Es wurde Zeit, dass der Schulleiter aktiv wurde und den Professor endlich ersetzen ließ, dem Horrorspiel ein Ende bereitete. Die schleichende Totenstarre hatte beinahe seinen gesamten Körper eingenommen und sein Gesicht in eine verzerrte, gelähmte Maske gewandelt, die ihn mit jedem Tag etwas weniger menschlich erschienen ließ.
Bald würde er auch seine letzten menschlichen Züge verlieren, an die er sich so fest geklammert hatte; zu einer namen- und gesichtslosen Leiche werden, ohne Geschichte und Erinnerungen. In den ersten Jahren ihrer Akademiezeit, hatten sie Albträume über ihn heimgesucht und die Angst, eines Tages demselben Schicksal zu erliegen, sie wie ein Schatten verfolgt.
Ihre Obsession mit dem Tod war auf den toten Professor zurückzuführen. Beinahe freute sie sich irgendwann dem wahren Ende gegenüberzustehen und wollte niemals länger leben, als die Moiren für sie vorgesehen haben.
Alethea war verliebt in den Tod und akzeptierte die Sterblichkeit, damit sie nach dem letzten Schlagen ihres Herzen keinen Platz für Verwirrung besaß und so in das Jenseits entkam. Sie liebe es zum Sterben verdammt zu sein; liebte, dass jeder Moment ihr letzer sein könnte und die Schönheit niemals schöner ist, als in jenem Moment.
»Wer wird seinen Unterricht übernehmen?«, überlegte sie laut und fragte sich, warum Dippet ihn nicht bereits zu Beginn des neuen Schuljahres ausgetauscht hatte; erst nach den ersten Wochen darüber nachdachte. »Sie vermuten Dumbledore und ich hoffe wirklich, dass er noch vor den Herbstprüfungen anfängt zu unterrichten. Ich darf wirklich nicht durchfallen und mit Binns werde ich es.«
»Dumbledore?«, wiederholte Alethea etwas misstrauisch gegenüber dem Fakt, ob diese Information auch wirklich die Wahrheit war und nicht nur von etwas erfunden, um Zeit zu vertreiben oder erlogene Hoffnungen. »Sie wollen einem kranken Mann noch mehr Unterricht aufbürden?«
Delilah zuckte nur mit ihren Schultern und zog die großen Eichentüren zum Klassenzimmer auf. »Mutter sagt immer, er sei nicht wirklich krank und dieses Jahr hat er mit seinen Kursen nur wenig zu tun. Alchemie für Fortgeschrittene ist nur für den siebten Jahrgang und Lehre der Staubgeborenen haben kaum ein Dutzend Schüler gewählt. Alle Jahre müssen sogar zusammengelegt werden, um Einzelunterricht aus dem Weg zu gehen.«
Die Freundinnen setzten sich in die zweite Reihe des Raumes; auf den Platz, den sie sich im ersten Jahr ausgesucht und niemals gewechselt hatten. »Von über zweihundert Schülern, haben kaum ein Dutzend den Kurs gewählt?«
Ihr Buch auf das dunkle Holz legend, hörte sie die Stimme von Killian Stone. »Redet ihr über Mugglelehre?« Der Störenfried ihres Kurses grinste, als er den umgangssprachlichen — und meist negativ angesehen — Namen für die Staubgeborenen benutzte, lehnte gegen seinen Tisch und schaute über seine Schulter hinweg zu Professor Rosewood.
Doch die rothaarige Professorin unterhielt sich mit einer Schülerin, was Killian dazu brachte, zu sprechen. »Es wundert mich nicht, dass Haworth nichts davon weiß, da sie ein hinter dem Mond lebende Waldhexe ist, aber ich habe erwartet, dass du es wenigstens weißt, Desmond.«
In seinen Augen war nur eine Mauer aus Spott zu erkennen, während sein Grinsen darauf hindeutet, dass er die Überlegenheit genoss. Doch ein Blick auf seine leicht verkrampften Hände legten mehr seiner Karten offen. Etwas stimmte nicht.
»Müssen wir dir jetzt eine Galleone zahlen, damit du mit der Sprache rausrückst?«, fragte Delilah genervt und setzte sich ebenfalls hin. Ihre leicht kaputte Tasche blieb auf dem Tisch liegen und sie kramte in ihr, während sie geteilte Aufmerksamkeit dem Jungen schenkte.
»Etwas geschieht mit der magischen Welt. Der Krieg mag vorbei sein, aber die Bedrohung verschwindet nicht. Der Hydra wurde nur ein Kopf abgeschlagen und wir werden noch dabei zu sehen, wie ihr zwei neue wachsen. Nehmt euch in Acht: Der Erbe wird auferstehen.«
Stone lag noch etwas auf der Zunge, aber als Professor Rosewoods Stimme durch den Raum hallte und der Unterricht begann, verstummte er vollkommen. »Was meinst du damit?«, fragte Delilah angespannt flüsternd, doch Killian begann sie zu ignorieren.
Die goldene Hexe wandte sich an Alethea, die Augenbrauen verzogen und die Lippen vor Verärgerung gespitzt. »Du musst doch bestimmt im Propheten etwas darüber gelesen haben. Oder etwas von irgendjemand gehört haben, schließlich weißt du sonst immer alles.«, versuchte sie etwas verzweifelt mehr zu erfahren und Alethea beobachtete, wie Delilah daran scheiterte, ihre gleichgültige Miene wiederzuerlangen.
»Wenn du wissen möchtest, was in der Welt geschieht, solltest du vielleicht wieder anfangen—«
»Die Medien sind voller Lügen!«, unterbrach Delilah schnappend und schob ihre Tasche unsanft vom Tisch. Etwas polterte und Alethea nahm an, dass etwas zersprungen war, doch Delilah kümmerte sich nicht darum. »Ich lasse nicht zu, dass so etwas Teuflisches meinen Verstand verpestet. Der Tagesprophet ist nicht mehr das, was er einmal war. Seit dem Krieg ist der nur noch Propaganda für den neuen Minister.«
In ihrem dritten Schuljahr hatte ihre Freundin angefangen, jegliche Zeitung abzulehnen. Seither glaubte sie nichts, was sie nicht mit ihren eigenen Augen gesehen hat oder durch die eines Vertrauten; glaubte nur noch dem Geflüster der Akademie. Alethea hatte diesen abrupten Wandel nie hinterfragt und einfach akzeptiert, dass es wahrscheinlich einen guten Grund gab.
Schließlich hatte Alethea an ihrem eigenen Leib erfahren, dass jede Zeitung Lügen verbreiten konnte.
DER JUNGE FLOG MIT EINEM schrillen Schrei nach hinten; wurde im letzten Moment von einer unsichtbaren Hand aufgehalten und glitt vorsichtig wieder zu Boden. Ein kollektives Einatmen zog sich durch die Schüler, während sich ihre Aufmerksamkeit dem anderen Hexer widmete, der mit keuchendem Atem am Fuße der Weide stand.
Nur Alethea hielt ihre Augen auf den Professor gerichtet.
Niemand schien die simple, aber durchaus mächtige Magie zu bemerken, die James Paige vor einem schlimmeren Schicksal gerettet hatte. Groteske Bilder erschienen in ihrem Kopf gegen die sie nicht machen konnte. Paiges Gedärme, die von den spitzen Ästen des Baumes herab hingen; seine leblosen Augen, die ihr entgegen starrten, während seine Seele sich den anderen anschloss.
Alethea blickte zu Riddle, dem keine Mühe anzuerkennen war, während er seinen Schüler beobachtete und bewertete. Er schien jeden Schritt, jede nur so kleine Bewegung von Dorian Lament zu analysieren, als würde er nach Fehlern suchen, die jedoch aus blieben.
Nur zu gerne würde sie Riddle bei einem Duell zusehen.
Dorian wurde ein Applaus zu teilen, der tiefer in den Wald hallte, in dem ihre Unterrichtsstunde abgehalten wurde, und er erwachte mit einem stolzen Grinsen aus der Trance der Konzentration.
Später als die anderen klatschte auch sie. Sie wusste schon immer, welch ein bemerkenswertes Talent er für die beinahe ausgestorbene Kunst des Duellierens besaß. Schon damals hatte er sich für diese alte Form der Magie interessiert, davon gesprochen, wie er für das Gute kämpfen würde, wenn er einmal seinen Abschluss besaß.
»Es ist keine Debatte nötig, um den Gewinner auszuwählen. Mister Lament, aufgrund Ihres hervorragenden Sieges, können Sie sich einen neuen Partner aussuchen.«, teilte Professor Riddle mit und als sein Blick kaum bemerkbar Alethea streifte, bemerkte sie, dass ihr Starren nicht unbemerkt an ihm vorbeigegangen war.
Sie hatte sich vorgenommen, ihn nicht mehr so anzuschauen. Die Sünde der Neugier endlich abzulegen, doch schaffte sie es nie.
Dorian strich sich sein blondes Haar aus dem Gesicht und ein verspieltes Grinsen platzierte sich auf seinen rosigen Lippen. Sein Atem keuchend und seine Augen glänzend, wie Alethea es von ihm gewohnt war.
»Desmond? Es ist lange her, dass wir miteinander duelliert haben.«
Ein Schock erfasste sie, als er ihren Namen sagte und sofort schüttelte sie den Kopf vor den Augen ihrer Mitschüler. Sich vor Riddle zu blamieren, war das Letzte, was sie wollte. Noch nie war ihre Stärke die Offensive gewesen.
Der Herbstwind zischte um ihre in dem dünnen Wintermantel verpackte Figur, schien sie einen Schritt näher an das Oval zu drängen, das mit weißer Kreide auf den Waldboden gemalt wurde. Ein Schutzkreis, um die Zuschauer vor den Kämpfern zu retten.
»Miss Desmond ist eine hervorragende Wahl.« Riddle schmunzelte und nachdem sie ihren Mantel Delilah reichte, bahnte sie sich mit verzogenen Lippen widerwillig zwischen den Schülern hindurch, die sich eng aneinander drängten, um den Duellen beizuwohnen.
Es war nicht nur ihr Kurs, nicht nur die Gesichter, die sie seit ihrem ersten Jahr jeden Tag sah, sondern auch der andere. Es war ungewöhnlich, dass die zwei Kurse gemischt wurden und über die Jahrhunderte dieses getrennten Unterrichtes hatte sich eine Rivalität zwischen den zwei Kursen, in den jeder Jahrgang aufgeteilt war, entwickelt.
»Werfe mich herum wie eine Puppe und ich werde dein schlimmster Albtraum, Lament.«, murmelte sie ihrem Mitschüler zu, als sie in die Abgrenzung trat und spürte, wie der Schutzzauber sie umhüllte, wie eine mütterliche Wärme.
Ihre Wangen brannten nicht nur vor Kälte, als sie sein Lächeln wiedererkannte. Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit tauchten in verschwommenen Bildern in ihrem Kopf auf; vergangene Berührungen fühlten sich kurz wie die Gegenwart an. »Keine Sorge, ich werde sanft sein.«, antwortete er und ging einen Schritt zurück.
Das Mittagslicht fiel durch den Nebel, der sich um die kahlenden Bäume legte, direkt auf den Jungen, der ihr ihre Unschuld genommen hatte, und sein blondes Haar erschien wie aus Gold gesponnen. »Das sagst du immer.«
Sie fixierte ihn mit einem misstrauischen Blick und er verbeugte sich vor ihr, während seine blauen Augen die ihre nicht verließen. Ein spöttisches Lachen entkam ihrer Kehle und sie ging ebenfalls Schritte zurück, während sie in ihrem Augenwinkel sah, wie Riddles Aufmerksamkeit nun ihr gewidmet war.
Natürlich, sagte ihre Stimme, er wollte wissen, wie sich ihre Magie auf so eine Situation auswirken wird.
»Der stumme Freak hat keine Chance gegen Lament; ich habe schon Schweine gesehen, die sich besser verteidigen konnten.«, filterte Alethea die gehässige Stimme von Dolores Camargo — Eliteschülerin aus dem anderen Kurs, mit einer gefährlichen Intelligenz — aus dem Meer von weiteren heraus.
Alethea versuchte sie zu ignorieren und schüttelte ihren Kopf, als sie Delilah in der Menge erkannte. Ihre Freundin straffte ihre Schultern, verlor sich in Wut und schien zu überlegen, ob sie Camargo einen Fluch auf den Hals jagen konnte.
»Alles ist erlaubt, doch wenn Sie vor haben sich umzubringen, lassen Sie es wie ein Unfall aussehen.«, sagte Riddle und trat einen Schritt nach hinten. »Halten Sie sich bitte etwas zurück.«, fügte er noch hinzu und Dorian nickte mit einem Grinsen. »Ich würde ihr doch niemals ein Haar krümmen.«
»Ich habe nicht mit Ihnen gesprochen, Mister Lament. Drei—Zwei—Eins!«
Wenige Herzschläge vor Dorian sprach Alethea ihren Zauber, der sich zu spät daran erinnerte, dass dies noch immer ein Gefecht war und nicht die Gespiele zwischen zwei alten Liebenden. Der schimmernde Zauber verfehlte sein Ziel nur knapp, zischte an seiner Seite vorbei und hinter ihm zersprang ein Stück der Rinde des alten Baumes.
Neugieriges Getuschel und Geflüster schlich sich durch die Schüler und Riddle blickte perplex auf die Stelle, an der ihr Fluch seinen Schutzwall durchbrochen hatte. Von der Zeit verlassen, konnte sie sich keine weiteren Gedanken über den Baum machen, von dem alle Raben durch den harten Aufschlag geflogen waren, als Dorian weitere geschickte Zauber in ihre Richtung schickte.
Von ihrem Vater früh in Magie unterrichtet, wurde ihr beigebracht, kein Element für sich zu beanspruchen und zu eigen machen; niemals jeden Angriff mit demselben Muster zu tätigen. Dorian aber machte alle Fehler, die ihr Vater ihr ausgetrieben hatte. Er bevorzugt den Wind. Lenkte damit ab, während er heimtückische Flüche als wahren Angriff nutzte.
Überfordert blockierte sie seine Angriffe; schluckte, als sie begann, alle Zauber zu vergessen, die sie gelernt hatte.
»Bist du nervös, Ale?«, fragte Dorian keuchend und wich einem schlampigen Fluch von ihr aus. Ihre Magie surrte leise, doch tat sich keine Last um ihr zu helfen. »Ich will dir nicht wehtun.«, antwortete sie und auch wenn sie es schaffte einem auszuweichen, wurde sie im nächsten Moment von einem weiteren Fluch in die Knie gezwungen; Schwindel übernahm ihren Verstand.
Ihre Hand fuhr von alleine an ihre Schläfe, während sie einen leisen Schrei ausstieß und ihre andere Hand in dem Waldboden vergrub. Wellen des Schmerzes rollten über sie, war so verzehrend, dass sie fast darin ertrank und sich ihre Welt in ein schwarzes Leichentuch hüllte.
»Klingt verdächtig nach einer Lüge.« Sein verspieltes Lachen hallte in ihren Ohren und würde sie ihn nicht wirklich mögen, würde ihr Blut in Wallungen geraten und Dinge passieren, die sie nicht mehr kontrollieren konnte. Doch er hielt sich noch immer zurück. Er tat dies, weil er wusste, dass Duellieren keine ihrer Stärken war und er ebenfalls noch von Gefühlen für sie geschwächt war.
»Mister Lament, verschieben Sie ihr Flirten auf nach meinem Unterricht.«, ertönte die Stimme von Professor Riddle, als Alethea sich wieder aufrichtete. Ihr Kopf drehte sich, aber sie spürte, wie langsam ihre Macht die vorgespielte Bedrohung als wirklich missverstand.
Sie hob ihre Hände und in mechanischen, eingeprägten Bewegungen wiederholte sie die Flüche der Stimme, angetrieben von einer Kraft weit entfernt von den alten Göttern. Die groben und wilden Flüche, die sie ausstieß, durchbrach mühelos Dorian Schutzzauber und trafen ihn in seiner Brust.
Alethea verspürte keine Reue, kein Mitleid für ihren gefallenen Freund. Vielmehr fühlte sie nichts anderes als ein Gefühl von süßer Überlegenheit.
Er stolperte zurück, fasste sich a seine Kehle und die Schatten, die die große Trauerweide hinter ihm warf, krochen sie abgehackt wie wiederauferstandene Tote über die bunten Blätter auf ihn zu. Seine glühenden Augen trafen sie und er ging auf die Knie; war den Schatten unterlegen, die sich um seine Glieder wickelten und ihn zu Boden zwangen.
Gerade in dem Moment, in dem seine Augen glasig wurden und vielleicht schon der Tod hinter ihm erkennen zu war, unterbrach Riddle das Duell.
»Das sollte reichen, bevor Sie noch mehr Bäume zerstören, die älter als ihre gesamte Blutlinie sind.«, gab er unbeeindruckt von sich, doch ein Blick auf ihn verriet ihr, dass Anspannung in seinem Gesicht zu sehen war. Er konnte es nicht einmal mehr verbergen.
Dorian brach auf Händen und Knien zusammen, als sich die Schatten wieder zurückzogen und doch sah er aus, als würde er widersprechen wollen, um den Kampf bis zur letzten Sekunde weiterzuführen.
Nun überkam Reue sie doch und sie verließ ihre Position, um zu ihm zu huschen. Alethea kniete sich vor ihn auf den blätterbesäten Waldboden und legte ihre Hände auf seiner Schulter ab, während sie vorsichtig die nötigen Zauber murmelte, um ihn vor einem fürchterlichen Ende zu bewahren.
»Du bist stärker geworden.«, säuselte er, als er seinen Kopf hob und sie mit seinen bewundernden Augen betrachtete. Sie unterband sich ihm zu widersprechen und half ihm nur auf. Ihre Macht hat sich nie verändert, doch ihr Wille sie preiszugeben.
Der leise Gedanke verließ sie nicht, dass sie dies einzig und alleine gemacht hatte, um Riddle zu beeindrucken. Um seinen beurteilten Blicken gerecht zu werden.
»Ich wollte die nächsten Tage nach Hogsmeade gehen und...« Dorian stand mit ihrer Hilfe auf und las lose Blätter von seinem Mantel, während sie gemeinsam den Kampfkreis verließen. »Und ich dachte mir, wir könnten zusammen...« Er unterbrach sich erneut, in dem er auf seine Lippe biss.
Das Extrovertierte war nur ein Schein, auf den so viele hereinfallen. Dorian war an manchen Tagen so unbeholfen wie sie; einer der Gründe, warum sie sich so wohl in seiner Nähe gefühlt hatte.
»Ich würde liebend gerne mit dir nach Hogsmeade gehen, Dorian. Es ist lange her, dass wir zuletzt etwas gemeinsam gemacht haben und ich benötige tatsächlich noch einige Dinge.«, kam sie ihm entgegen und lächelte ihn verlegen an.
Erleichtert atmete Dorian aus; ließ die Luft gehen, die er vor Unsicherheit Jahrhunderte in sich eingeschlossen hatte. »Es tut mir wirklich leid. Ich wusste, dass es eine schwere Zeit für dich war und ich hätte dich unterstützen sollen, anstatt dir—«
»Dich traf keine Schuld. Bitte, mach dir keine Vorwürfe deswegen.«
Er nickte schnell und das Grübchen wurde sichtbar, welches sie damals nur zu oft geküsst hatte. Erneut öffnete sich sein Mund, bereit etwas weiteres zu sagen — vielleicht eine Erklärung, warum er sich von ihr ferngehalten hatte — doch richteten sich seine Augen auf etwas hinter ihr.
Noch bevor sie sich umdrehen konnte, stieg ihr der blumige Geruch des Parfüms in die Nase und ein Arm legte sich um ihre Schulter, der sie enger an sich zog. »Ein beeindruckendes Duell. Du hast es dieser Dolores Camargo gezeigt, die Schlampe ist beinahe aus den Schuhen gefallen.«, grinste Delilah und Dorian stimmte ihr zu, bevor er sich entschuldigte und wieder zu seinen Freunden ging.
Sie beobachtete, wie er verschwand, bevor sie ihr Gesicht verzog. »Verzeih, ich musste diesem Trauerspiel ein Ende bereiten. Es war nicht mit anzusehen.«, meinte sie theatralisch, als Dorian außer Hörweite war. Betroffen hoben sich Aletheas Augenbrauen. »Es war nicht nur ein Hieb gegen dich, sondern auch gegen ihn. Ihr beide habt die sexuelle Wirkung einer Krähe, die die Gedärme einer toten Ratte frisst.«
»Nicht jeder kann so ein Charmeur sein und mit seiner Extrovertierten Seite herum prallen.«
»Das war nicht der Grund, warum es wirklich grausam mit anzusehen war. Aber du solltest dich wirklich wieder mit ihm treffen. Dein Leben ist traurig. Du wachst auf, lernst, bis die Sonne aufgeht, lässt meist das Frühstück ausfallen, gehst zum Unterricht, isst Mittag, wieder Unterricht, du lernst, bis es Abendessen gibt und dann schläfst du — behauptest du zumindest, ich bin mir da nicht so sicher. An manchen Tagen sprichst du noch mit mir, aber mehr machst du in deinem Leben nicht. Ist dir nicht langweilig?«
Einfache Worte fassten ihr gesamtes Leben zusammen; ihre Essenz des Lebens und sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Alethea dachte an ihre privaten Unterrichtsstunden mit Professor Riddle und wie diese Abwechslung in ihr ewigen Kreislauf brachten, doch änderte sich nichts daran, dass sie niemanden hatte außer Delilah.
»Ich zeichne auch.«, sagte sie stattdessen und Delilah verdrehte ihre Augen genervt. »Tust du oder meinst du damit das Gekrakel im Unterricht, wenn du wieder denkst, jeder beobachtet dich? Ich will damit nur sagen, dass du jemanden in deinem Leben brauchst. Ein Gesicht, welches nicht mein verflucht heißes ist. Du brauchst jemand anderen.«
»Versuchst du mir gerade einzureden, dass mein Leben durch einen Mann besser wird?«
»Bei der heiligsten Mutter: Nein! Ein Mann kann nur für sexuelle Befriedigung sorgen und in den meisten Fällen nicht einmal das. Lament ist aber okay, würde ich sagen. Er kann deine magische Forte nehmen und so lange seinen Schlüssel herumdrehen, bis du endlich an etwas anderes denkst, als nur an Erfolg oder... An was auch immer du denkst den gesamten Tag.«
Sie konnte nur wortlos dastehen. Während Alethea in einem einsamen konservativen Haushalt ihrer Mutter aufgewachsen war, weit entfernt von vulgärer Sprache oder ausschweifenden Begierden, sammte Delilah aus dem kleinen Dorf Hogsmeade aus einer von Hexen geformter Gemeinde, die abseits der Prüderie lebten und die unzüchtigen Ansichten der alten, heidnischen Götter folgten.
»Du brauchst Sex. Harten Sex. Am besten so hart, dass der Stock aus deinem Arsch rutscht. Guten. Alten. Harten. Sex.«, sagte Delilah etwas zu laut und nun waren es nicht nur die neugierigen Augen der Umstehenden, die sich auf sie richteten, sondern auch Professor Riddle blickte seine beiden Schülerinnen irritiert an, während das nächste Duell beendet wurde.
Sekunden vergingen, bevor Delilah aufhörte zu reden und ebenfalls den Blick von Riddle bemerkte. »Ich bezweifle, dass dies Unterrichtsrelevant ist.«, sagte er und schickte die beiden Duellanten wieder aus dem Kreis hinaus. Ein Wirbelwind aus Blättern türmte sich hinter ihm auf und eine Locke seines mitternachtsscharzen Haares fiel ihm auf die Stirn.
»Doch, doch. Natürlich, Sir!«, antwortete Delilah sofort überzeugt und deutete mit ihrer Hand auf den Professor. »Wir sprachen über Sie. Also— Nicht, dass Sie Sex brauchen. Ich meine, Sie haben bestimmt viel harten Sex, mit— Ich... Ich sollte aufhören zu reden, nicht wahr?«
Delilah grinste überfordert und alleine Riddles verstörter Blick brachte Aletheas Gesicht zum Brennen. Ihre Hände presste sie auf ihren Mund; wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte.
»Ja, das sollten Sie.«
Die Augen des Kurses lagen auf ihrer besten Freundin, die von der Blamage kaum berührt wurde. Als würde diese Aufmerksamkeit sie nur noch mehr anspornen, Worte aus ihrem Mund hinaus poltern zu lassen, die in keinen Unterricht gehörten.
Alethea wollte sterben.
»Miss Haworth, Sie sind sich bewusst, dass Sie nun eine Verwarnung bekommen?«, fragte Riddle und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Steht es denn überhaupt in den Regeln, dass man nicht über das Sexleben seines Professors sprechen darf? Dürfen Sie mir deswegen eine Verwarnung geben? Sex ist doch etwas ganz natürliches. Wir alle sind erwachsen und haben Sex!«
Delilah war zu selbstbewusst und es fehlte ihr an Unsicherheit. Es würde sie irgendwann umbringen.
»Versuchen Sie so oft wie möglich das Wort ›Sex‹ zu sagen?«, fragte er und das Wort nun von ihm zu hören, ließ Aletheas rotes Gesicht noch etwas mehr glühen. Warum war seine Stimme so? Warum klang dieses Wort auf seinen Lippen, wie die himmlischste Sünde?
»Ich finde, Sex sollte normalisiert werden.«
Riddle stöhnte leise und fasste sich an seine Schläfe. Die Klasse war teilweise still, doch einige kicherten oder flüsterten. Die Aufmerksamkeit schien Delilah auf die höchsten Wolken schicken zu müssen.
»Sie bekommen diese Verwarnung nicht, aufgrund von dem über was Sie in meinem Unterricht sprechen, sondern, dass Sie es überhaupt machen und damit stören.«
»Das klingt logischer. Sie sind zu jung, um prüde zu sein. Sie sind in der Blüte Ihres Lebens und haben bestimmt auch Sex.« Sie hörte nicht mehr auf zu reden und nun war der ganze Kurs nur noch von dem Gespräch fasziniert.
»Noch jemand, der über mein Sexleben sprechen möchte?«, fragte er offensichtlich ironisch in den Kurs und mehrere Hände flogen in die Höhe. Meist waren es Mädchen, die jedes Mal, wenn er den Raum betrat, ihre Friseur richteten, doch Alethea erkannte auch einige ihrer männlichen Mitschüler.
»Wie stark haben Sie Ihren Kopf angeschlagen, sodass Sie nicht mehr in der Lage sind, Ironie zu erkennen?« Kühl, beinahe schneidend, sah er zu dem Kurs und langsam sanken die Hände. »Miss Haworth, Verwarnung. Und nun verschwinden Sie alle zurück in die Akademie.«
Delilahs Wangen zierte ein roter Ton, doch ihres Blickes nach lag dies alleine an der Kälte und nichts war ihr unangenehm. Nein, es hat eher gewirkt, als hätte sie nur so überfordert getan, um noch mehr über Riddle herauszubekommen. Als wäre alles nur ein kleines Spiel für sie gewesen.
Etwas wünschte sich in Alethea, dass sie damit Erfolg gehabt hätte.
»Miss Desmond, kommen Sie noch einmal zu mir?«, ertönte Riddles Stimme, als die meisten bereits durch die Bäume hinauf zum Schloss liefen und sie gerade mit Delilah ihren Mitschülern folgen wollten.
»Geht schon einmal.«, murmelte sie Delilah zu, die mit einem Lächeln Dorian auflauerte und ihren Arm um ihn legte, ihn behandelte wie einen jahrelangen Freund.
Leicht fröstelnd zog Alethea ihren Mantel enger um ihre schlanke Gestalt, während sie sich auf den Weg zu Riddle machte, der mit einer unbekümmerten Handbewegung die Schutzwälle niederriss.
»Wieso wollen Sie mich sprechen, Professor?«, fragte sie und er wartete, bis die letzte Person zwischen den Bäumen verschwunden war; sie alleine in dem düsteren Wald waren. Angegraute Blätter fielen von den Ästen herab und wäre Riddle nicht neben ihr, hätte Alethea es sich zweimal überlegt, ob sie sich weiterhin in diesem Wald aufhalten sollte. Selbst bei Tageslicht, wenn es ein sicherer Ort sein sollte.
»Der Baum.«
Ihre Augen huschten zu ihm. Makellos ragte er in den Himmel, größer und älter als seine umstehenden Nachbarn, die verzweifelt ihre Äste in die Lüfte ragten, um ebenfalls Sonne abzubekommen. »Ich wollte ihn natürlich nicht beschädigen, Sir. Ich ehre die Wälder.«
»Ich will Sie dafür nicht bestrafen, Miss Desmond. Es ist nur etwas faszinierend, dass Sie, ohne es zu wollen, geschafft haben meinen Schutzzauber zu durchbrechen.« Riddle schaute sie interessiert an, als würde er etwas sehen, das er verstehen wollte. Als wäre sie nur ein Rätsel für ihn zu lösen.
»Sie sollten Ihre Komplimente eher an Dorian richten. Er war es, der mich zuerst auf die Knie gezwungen hat.«, sagte sie und biss sich auf ihre Lippe, als Riddle langsam nickte. »Sie sind aber wieder aufgestanden und er nicht.«
»Erhoffen Sie sich, dass ich mich besser in Ihrem Unterricht benehme, wenn Sie mir Komplimente geben?«, hinterfragte sie leicht durchschauend. »Ich erhoffe mir jeglich, dass Sie Miss Haworth dazu überreden, nie wieder über mein Sexleben zu sprechen.«
Alethea lachte leise, war an den Humor ihres Professors nicht gewöhnt. »Ich befürchte, dass Delilah nicht Ihre größte Sorge sein sollte. Sie sind ein allgemein recht beliebtes Thema in Hogwarts. Ihn gilt nicht nur Geflüster, sondern auch die Aufmerksamkeit der meisten Mädchen und einigen Jungs.«
Riddle nickte zur Akademie und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zwischen den hohen Bäumen zurück zur Akademie. »Ich hätte also doch etwas besorgt sein sollen, als ich eine Gruppe Schülerinnen mit meinem Jahrbuch in den Händen erwischt habe.«
Raben flogen über sie hinweg und Alethea bewunderte die majestätischen Tiere, die während des Herbstes die Ländereien von Hogwarts beherrschten. »Die Möglichkeiten der Zeitvertreibung hier sind begrenzt und dies kann schnell für Langeweile sorgen. Alles über Ihre rätselhafte Vergangenheit herauszubekommen, ist eine Abwechslung, die gerne aufgegriffen wird.«
Riddle sah sie nicht an, doch sie sah, wie sich seine vollen Lippen zu einem Schmunzeln verformten. »Rätselhaft? Sie lassen es klingen, als hätten Sie sich ebenfalls mit ihr beschäftigt.«
Röte legte sich auf ihre Wangen. »Nein, ich... Ich habe eine Ihrer Studienarbeiten über die Theorien der Thanatomantik gelesen.«, umging sie seine Vermutung und lächelte etwas.
Natürlich hatte sie ebenfalls versucht etwas über ihn hinaus zu bekommen, doch dies lag alleine daran, dass sie den Geschmack des Verderbens nicht loswurde, der auf ihrer Zunge lag, seitdem er begonnen hat, in der Akademie zu unterrichten.
Sie hatte sich erhofft, in der Vergangenheit Antworten für die Gegenwart zu finden.
Trotz ihres Unbehagens konnte sie ihre Bewunderung nicht verbergen. Alethea wandte sich an Riddle und sagte: »Sie sprachen über dieses Thema, als ob Sie alles darüber wüssten, als ob Sie ein Wissen besäßen, das kein anderer Mensch auf dieser Erde hat. Ihr Geschick im Umgang mit der Sprache ist unglaublich.«
»Erhoffen Sie sich, dass ich Sie in meinem Unterricht bevorzuge, wenn Sie mir Komplimente geben?«, wiederholte er ihre Worte und Alethea bekam keine Luft mehr, weil er vollkommen anders wirkte. Er war weniger angespannt oder ernst. Nicht mehr dieser unantastbare Mann, der auf sie herunterblickte.
»Keine Hintergedanken, nur ein Lob.«
Alethea hatte in ihrem Leben viele Studienarbeiten gelesen. Hatte aufgrund ihres Vaters mit ihnen Lesen gelernt und doch war die Arbeit von Professor Riddle die Fesselndste, die sie jemals gelesen hatte. Ebenso wie alles andere an ihm. Er war ein einziges Rätsel, zu perfekt um wahr zu sein.
»Wie das Schicksal es will, werden wir uns in den nächsten Unterrichtsstunden mit der Thanatomantik beschäftigen. Da Sie bereits meine Studienarbeit gelesen haben, erwarte ich von Ihnen eine intensive Mitarbeit.«
»Ich werde aber sehr kritisch sein.«, meinte sie mit einem leichten Lächeln und sah zu ihrem Professor hoch. Er schmunzelte etwas. »Ich würde nichts anderes von Ihnen erwarten.«
[ . . . ] Ich schiebe die grottige Qualität auf meinen schweren Schmerzmittel Missbrauch *fängt an zu tanzen*
Vergesst das Sternchen nicht<3
words: 4,820k
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top