⠀ ⠀ ⠀ II. good is evil, all evil is good







»ERLAUBEN SIE MIR, DIES übersichtlicher zu erläutern. Gut und Böse sind gegeneinander kämpfende Mächte, die es seit Anbeginn der Schöpfung gibt. Das Faszinierende an ihnen ist jedoch nicht, dass sie die Quelle des Chaos sind, sondern ihre subjektive Natur. Da es keine allgemeingültige Definition gibt; keinen absoluten Standard, an dem man diese Konzepte messen könnte, wird die Wahrnehmung dieser gegensätzlichen Dingen eher zu einem Spiegelbild des Betrachters als zu einem objektiv bewertbaren Phänomenen.«, sprach Professor Riddle in den totschweigenden Kurs hinein, während die Worte ›Gut und Böse‹ in einer geschwungenen Schrift auf der schwarzen Tafel erschienen.

Er trug diese Stunde keinen seiner eleganten Umhänge, die nach Geld rochen und nach altem Adel aussahen; hatte sich nur für ein schlichtes, blütenweißes Hemd mit einer schwarzen Hose entschieden, als wollte er noch einmal ohne Mühe unterstreichen, dass er keine Extravaganz benötigte um Macht und Autorität auszustrahlen.

»Was der eine für böse erachtet, kann in den Augen eines anderen etwas Gutes sein. Nicht jedes Helfen ist gleich gut und nicht jede Lüge ist gleich etwas Böses.« Seine schwarzen Augen glitten durch den Sonnen gefluteten Raum und blieben eine Sekunde lang an Alethea hängen, bevor er sich an den braunhaarigen Jungen neben ihr wandte. »Mister Stone, überfordere ich Sie bereits oder warum heben Sie ihre Hand?«

Die Klasse kicherte zu Beifall, wie eine Publikum einem gelungenen Puppenspiel, und Riddle verschränkte seine Arme vor der Brust, lehnte sich mit dem Blick eines Diktators, der noch nicht seine wahren Absichten der Welt eröffnet hat, an seinen Schreibtisch.

»Nein, Professor. Nur... Was hat dies mit der Verteidigung gegen die Dunklen Mächte zu tun?«, fragte Killian Stone sichtlich verwirrt und Alethea runzelte ihre Stirn, weil er diese Offensichtlichkeit nicht verstand. Nie hatte sie den Störenfried als dumm angesehen; immer angenommen, dass er zwischen hohen Intelligenz und der ausreichenden balancierte, während er die Welt auf leichte Schulter nahm und die Lächerlichkeit akzeptierte.

»Eine gute Frage für den Einstieg. Und wie könnte ich Ihnen dies besser beantworten, als mit einem Gedankenspiel? Stellen Sie sich vor, Sie geraten in eine Situation, in der Sie einer Person gegenüberstehen, die vor Ihren Augen ein Verbrechen begangen hat. Zum Beispiel einen Mord. Was tun Sie?«

»Ich renne.«, kam es sofort von Stone und Riddle schmunzelte etwas. »Eine Reaktion, die ganz natürlich ist. Menschen vermeiden Gefahrensituationen aufgrund ihres Überlebensinstinkts und begegnen wir nun einem Menschen, der vor unseren Augen einen Mord begangen hat, denkt unserer Kopf sofort, dass er erneut dazu fähig ist. Uns ist nichts wichtiger, als unser eigenes Überleben.«

Die Klasse fing an seinen Lippen und selbst die Mädchen in der letzten Reihe, deren Unterhaltungen sich kaum dem Unterricht widmeten, schien ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Wahrscheinlich war er die Nacht, die sie alle verzaubert mit seinen Worten und seiner empyreischen Schönheit. Eine Nacht, die auch am Tage wandelte.

»Was glauben Sie, Mister Stone, war das Motiv des Mannes? Sagen Sie das Erste, was Ihnen in den Kopf kommt.« Alethea sah zu dem Jungen einen Tisch weiter; sein linkes Auge war mehr zusammengekniffen als das rechte in dem Moment des Nachdenkens. Stone überlegte einen Moment und sagte dann, mit einem verschmitzten Lächeln zu seinem besten Freund Edmund Credge, als würde dieser sein Motiv ebenso amüsant finden: »Er hat den Mann umgebracht, der mit seiner Frau geschlafen hat.«

Der junge Professor nickte langsam und blickte einen kurzen Moment hinauf zu der hohen, spitz zulaufende Decke, die mit Skeletten verschiedenster Kreaturen verziert war; bewunderte das Kunstwerk, ähnlich wie Alethea nur allzu oft.

Die Skelette in ihren majestätisch angeordneten Positionen konnten für das Auge des Unvorbereiteten grotesk oder unheimlich erscheinen, doch vor allem Schönen fürchtete man sich zuerst. Verging die Angst, erkannte man alleine die Kunst.

»Mord aus Eifersucht. Ein großer Bestandteil der romantischen Literatur. Nun, wer glaubt, dass das Handeln des Mannes unter die Kategorie Böse fällt?«, fragte der junge Professor seinen Kurs und zögernd hoben sich fast alle Hände. Nur vereinzelte Schüler entschlossen sich dagegen, rechtfertigten sich sofort im gedämpften Ton bei ihren Umsitzenden.

»Was wäre, wenn unser Täter den Mann zwar umbrachte, der mit seiner Frau geschlafen hat, doch dies ohne ihre Einwilligung geschehen war. Er hat die Vergewaltigung seiner Frau gerächt. Wer ist noch immer dafür, dass sein Handeln böse ist?«

Nun waren es wenige Arme, die sich hoben und Alethea erwischte sich dabei, wie auch ihre Hand unten blieb.

»Ich hoffe, Sie verstehen nun alle, dass die Welt nicht in Gut und Böse eingeteilt ist. Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern alles im Universum besteht aus Grautönen. Weshalb ich gestehen muss, dass ich den alten Namen des Faches ›Verteidigung gegen die dunklen Künste‹ verabscheut habe.

Es gibt gewiss dunkle Zweige dieser Kunst, deren Verteidigung es wert ist, erlernt zu werden. Es gibt Zauber, die das Herz eines jeden in diesem Raum zum Stillstand bringen können, oder Beschwörungen, die Kreaturen erschaffen, die seit der Zeit der Götter nicht mehr auf Erden gewandelt sind. Trotzdem ist nicht jeder Zauber böse, nicht jedes Ritual fordert ein Menschenleben.

Hexen haben aus den dunklen Künsten etwas Niederträchtiges gemacht und unterstellen ihr alles, was ihnen Angst macht oder Leiden zufügt. Ungeachtet, ob es tatsächlich Magie ist, die ihr angehört. In meinem fünften Jahr wurde dieses Fach zu ›Verteidigung gegen die dunklen Mächte‹ umbenannt, ausgegangen von dem damaligen Professor.«

Aletheas Herz sand bei der Erwähnung ein erdrückendes Gefühl durch ihren ganzen Körper und doch blieb die Wut nicht unbemerkt. Professor Riddle schien tatsächlich von den Dingen überzeugt zu sein, die er da von sich gab.

»Miss Tempest, nennen Sie mir doch bitte die Unterschiede zwischen den dunklen Mächten und dunklen Künsten.«

Das strohblonde Mädchen in der Reihe hinter Alether verspannte sich augenblicklich, doch Candence Tempest entkam ein Räuspern und sprach dann mit leichter Stimme, die selbst Alethea kaum erreichte. »Die dunklen Künste sind eine eigene Abzweigung der Magie mit... mit anderen Ressourcen und Quellen als die gewöhnliche. Während die dunklen Mächte all das beinhalten, was die Hexen als Böse betrachten. Bedrohungen. Meist Dinge, die verletzen.«

Professor Riddle dankte ihr mit einem Lächeln und Alethea bemerkte, wie sich ein roter Schatten auf die Wangen von Candence legte. Sie war schon immer ein schüchternes Mädchen in der Gegenwart von hübschen Männern gewesen und hörte den lüsternen Unterhaltungen ihrer Gleichaltrigen unerfahren zu. Nur zu oft hatte Alethea mitbekommen, wie Candence für ihre wenige Weiblichkeit einen abwertenden Blick zugeworfen bekam.

Die Lust war nach all den Jahrhunderten für manche Hexen noch immer ein bestehendes Gebot. Sie vergaßen, dass sie nun eine Todsünde war, seitdem sie sich alle von dem Teufel gelöst hatten.

Alethea drehte sich wieder nach vorne, begegnete den dunklen Augen des Professors sofort. »Miss Desmond, Sie haben etwas hinzuzufügen?« Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, als ihr bewusst wurde, dass sie ihre Hand in die Höhe gestreckt hatte, um ihm zu widersprechen.

Frische Kälte breitete sich in dem Klassenzimmer aus und das leise Geräusch des beginnenden Regens, der gegen die großen Fenster schlug, füllte die Ohren der Anwesenden. »Sie klingen, als würden Sie uns lieber in den dunklen Künsten unterrichten wollen, als in der Verteidigung gegen sie.«

Professor Riddle blieb gefasst, während der Kurs etwas unruhig wurde. Jedem war bewusst, dass er beinahe apodiktisch war und auf solche Worte eine Bestrafung folgte. »Miss Desmond, vor allem Sie sollten doch wissen, dass die dunklen Künste nicht mehr so kritisch angesehen werden, wie es früher der Fall war. Hexen entspringen der Urdunkelheit, die bis zum heutigen Tage unser Wesen formt. Ich werde meinen Schülern nicht die Furcht vor etwas lehren, das keine solche Emotion verdient hat.«

Alethea sah zu ihrem unberührten Professor und schaffte es, sich ein Schnauben zu unterbinden. Fünf Tage war es her gewesen, dass er sie wegen ihres Versuches, dunkle Magie zu kontrollieren, in einen Handel gedrängt hatte und nun verkündete er die Theorien eines verstorbenen Mannes. Sprach davon, dass die dunklen Künste nicht die abscheulichste und grausamste Macht im Universum waren. Ein Umstand, der Gefühle der Wut und Verwirrung in ihr erweckte.

Erneut wurde ihr bewusst, dass Riddle nur an ihrer Macht interessiert war und ihr Verstoß nur ein Mittel zum Zweck war.

»Ich befürchte, ich verstehe nicht, worauf Sie hinaus wollen, Sir. Den meisten von uns wurde bereits über achtzehn Jahren beigebracht, die dunklen Künste zu meiden und fürchten und Sie haben nun vor, Jahre dieses angelernten Wissens zu verwerfen und durch Ihre eigenen Weisheiten zu ersetzen?«, sagte sie mit einem ebenso kühlen Blick und spürte im nächsten Moment, wie jemand ihre Hand drückte.

»Nicht.«, flüsterte Delilah neben ihr, doch Alethea hörte nicht zu. Sie wollte nicht zuhören, obwohl sie wusste, dass sie anfangen sollte zu schweigen. Er war eine Gefahr; ließ den Untergang der Hexen klingen, als wäre es ein Geschenk.

»Ich will meine Schüler aufklären, Miss Desmond, und es sind gewiss nicht meine Weisheiten, die ich versuche in ihre Köpfe zu bekommen. Niemand besitzt Weisheiten. Diese Ansichten der dunklen Künste sind bereits seit über zwei Jahrzehnten im Gespräch, was Sie am besten wissen sollten.«

Aletheas Kehle schnürte sich zu und eine Gänsehaut breitete sich auf ihrer Haut aus, als er diesen simplen Satz aussprach, der eine große Bandbreite an Bedeutungen haben konnte, und vielleicht war sich nur sie der wahren Bedeutung bewusst. Ihr Herz zog sich zusammen, da es nichts mit ihrem Verstoß gegen die Schulregeln zu tun hatte.

»Sie unterrichten also basierend auf einer Theorie? Ist dies überhaupt erlaubt?«, fragte sie mit leicht erhobenem Kinn und Professor Riddle behielt eine gleichgültige Miene, obwohl er sie am liebsten angeschrien hätte. »Magie ist erschreckend wenig erforscht und die meisten unserer Ansätze sind Theorien. Wir leben in einer Welt, in der alles den Naturgesetzen folgt, bis auf Magie. Eine Ausnahme, die alle aufgestellten Regeln vollkommen ignoriert. Oder wissen Sie, wie genau Magie entstanden ist?«

»Nein, Professor. Doch ein so weiser Mann, wie Sie es sind, sollte es doch gewiss wissen.  Hexen wurden verfolgt und getötet zu der Zeit, in der wir die Dunklen Künste als unsere Natur betrachtet haben! Wollen Sie Ihre Schüler zurück in diese Zeit bringen? Wollen Sie uns alle brennen sehen, weil wir uns von dem Guten abgewandt haben?«, zischte sie beinahe und Delilahs Griff fühlte sich nun an, als würde er Aletheas Finger brechen können.

Professor Riddles Stimme war mit einem Mal noch kühler als der Lufthauch des Herbstes, der draußen sein Unwesen trieb und er zeigte erneut, wieso sie sich vor ihm fürchtete. »Mir gefällt Ihr Ton nicht, Miss Desmond.« Ein messerscharfer Blick von ihm und sie musste schlucken; musste ihre Hände in dem Stoff ihres Rockes vergraben, damit sie eine Beschäftigung fanden.

Ihr Herz raste, während ihre Schultern zitterten. Sie starrte den Mann an, der nichts zu wissen schien und seine Ahnungslosigkeit als Weisheit bezeichnete.

»Verzeihen Sie mir, Sir. Manche Menschen reagieren empfindlich auf die dunklen Künste. Meine Familie hat viel verloren, während den Verfolgungen.«, sagte sie starr, doch meinte kein Wort so. Ihr tat es nicht leid und sie wollte nicht seine Verzeihung. Solange sie nicht alleine mit ihm im Raum war, betäubte die Angst sie nicht und sie konnte sprechen, ohne an ihren Untergang denken zu müssen.

»Lehrbücher heraus. Miss Desmond haben Sie es nun zu verdanken, dass wir uns die restliche Stunde mit Theorie befassen und erst nächste Stunde mit dem Duellieren anfangen.«, sagte er an die Klasse gewandt, doch löste seinen Blick nicht von Alethea.

Die Klasse stöhnte und sie spürte düstere Blicke auf ihrem Nacken, aber sie kümmerte es nicht. Tom Riddle war ein Heuchler, der das Böse in sich trug und nun versuchte, dem Bösen die Schatten zu nehmen.








»ICH HABE IHNEN BEREITS gesagt, dass mir Ihre scharfe Zunge nicht gefällt.«, sagte Professor Riddle, als sie sich am Abend vor ihm auf den Stuhl Platz nahm. »Erwarten Sie stummes Schweigen, während Sie die wahnsinnigen Theorien meines Vaters in Ihren Unterricht einbinden?«

Heute wirkte sein Büro anders. Vielleicht lag es daran, dass es nicht nur Kerzen waren, die Licht spendeten, sondern auch eine kleine Lampe auf seinem Schreibtisch brannte.

»Für jemanden, der von den dunklen Künste Gebrauch gemacht hat, ohne die Intention jemandem zu schaden, sind Sie etwas zu vorlaut.«, sagte er und wahrscheinlich störte es ihn, dass nur sie die gravierenden Folgen sehen konnte.

»Die dunklen Künste sind aus gutem Grund verboten, denn auch wenn sie nicht alle in Ihre Definition des Bösen passen, sind sie noch immer dem Teuflischen näher als alles andere. Hexen gehören nicht der Dunkelheit an, nur weil wir in ihr gelebt haben!«

»Zu verliebt in Ihre Schwarz-Weiß Sicht, Miss Desmond? Muss bei Ihnen alles Böse oder Gut sein?«, fragte er und schien all die Nachteile zu ignorieren, die mit den Theorien und Glaubenssätzen ihres Vaters kamen.

Ihr Vater hatte nur zu oft davon gesprochen; Bücher geschrieben, die alles erklärten und die Welt beruhigen sollten. Nach ihm kamen Hexen aus der Dunkelheit und die dunklen Künste seien keine bösartigen Kräfte. Man verachtete sie nur Satans wegen, der ihnen diese Macht verliehen hatte. Zehntausende Hexen und Hexer waren von der Kirche auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, weil die Staubgeborenen den Teufel schon immer gefürchtet hatten und diejenige, die seine Gaben besaßen, als seine Anhänger ansehen.

Doch hatte er vergessen, was die dunklen Künste mit ihnen gemacht haben. Zu welchen Taten Hexen fähig waren, während sie dem Rauch der dunklen Macht verfallen waren. Eine Droge würde immer eine Droge bleiben; niemals zu etwas Guten werden.

»Sie reden nicht wie ein Professor reden sollte. Wenn Sie Ihre Stelle behalten wollen, sollten Sie vielleicht daran arbeiten. Es starben schon Fakultätsmitglieder, weil sie harmlosere Dinge gesagt haben.«, spottete sie mit höflichem Ton und wandte ihren Blick ab. Sie erwartete beinahe, dass er sie schlug.

»Mir hat es viel mehr gefallen, als Sie mit jedem Wort, das aus Ihrem Mund gekommen ist, geweint und gezittert haben. Angst steht Ihnen besser als Wut. Nun schauen Sie mich an und verhalten Sie sich nicht wie ein kleines eingeschnapptes Kind.«

Alethea machte es, weil sie musste.

»Was wissen Sie über Okklumentik?

»Ein Zweig der Geistesmagie, der dafür sorgt, dass die Gedanken gesichert sind vor Fremdeingriffen. Zum Beispiel durch Legilimentik.«, sagte sie die verzerrte Definition, die sie einmal in einem Buch gelesen hatte.

»Okklumentik ist das magische Talent, seine gesamten Emotionen und Gedanken von anderen abzuschirmen, ungeachtet ob sie Legilimentik beherrschen oder nicht. Es benötigt große Anstrengung und Disziplinen.«, verbesserte er.

»Und wieso benötige ich diese Definition?«

»Wir wollen Ihnen Kontrolle beibringen und diese kommt nicht nur, indem Sie Ihre Macht kennenlernen. Mit Okklumentik entsteht eine Ruhe in Ihnen, die wir für einen erfolgreichen Unterricht benötigen. Sie sind zu impulsiv.«

Alethea biss sich auf ihre Zunge. Sie wollte ihm nur noch wiedersprechen, des Wiedersprechen willens. Sie wusste natürlich, dass er recht hatte und ihr diese Geistesmagie helfen würde, aber sie wollte diese Lösung nicht von einem solchen grotesken Mann erfahren haben, obwohl sie selbst hätte draufkommen können.

»Es kann Jahre dauern, bis eine Hexe Okklumentik beherrscht. Solange haben wir keine Zeit.«, versuchte sie es und wusste nicht einmal, was genau sie versuchte. Sie verhielt sich wie eine andere Person, seit Riddle sie erwischt hatte, und sie hasste dies an sich.

»Dann lernen Sie es schneller als andere.« Er atmete langsam aus und auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, erkannte sie den Unterton seiner Worte. Er begann sie zu hassen und den Handel zu bereuen. Alethea antwortete nicht.

»Stehen Sie auf.«

Als sie zögernd aufstand und zu ihrem Professor aufblickte, wurde ihr erneut diese Aura bewusst und so unangenehm, wie sie war, so verlockend war sie zugleich. Sie wäre niemals in der Lage, es beschreiben zu können. Seine Aura war wie, als hätte sie ein Gedicht entdeckt, das die Gefühle in ihrem Inneren beschrieb, die sie niemals selbst in Worte hätte fassen können.

Sie war wie bittere Kälte; ein Schauer, der ihren Kopf betäubte und sie schwerelos werden ließ, bevor sie dem Tode verfiel.

»Ich möchte von Ihnen, dass Sie mir widerstehen. Ich möchte nur sehen, wie willensstark Sie sind, schaffen Sie das?«, fragte er sie und Alethea nickt mit blinzelnden Augen. Was meinte er mit widerstehen? Unanständige Gedanken einer jungen Frau schossen in ihren Kopf, doch sie unterband sie sofort, aus Angst er könnte sie alle hören.

»Vertrauen Sie mir?« Eine weitere Frage, auf welche sie die Antwort nicht kannte.

Es würde dem Absurden nahe kommen, würde sie es tun. Ihre eigene Magie warnte sie vor ihm und seiner Finsternis konnte sie nicht entkommen, so wenn sie auch nicht ausmachen konnte, ob dies nur Hirngespinste waren oder eine reale Gefahr.

Aber doch war sie hier, nicht wahr? Ist den Handel eingegangen.

»Nicht wirklich, Sir.«

»Schlaues Mädchen. Jemanden zu vertrauen ohne, dass diese Person etwas dafür gemacht hat wäre dämlich.« Ein Schmunzeln platzierte sich auf seinen Lippen und sie fragte sich ob er dies nur sagte, weil er die Ironie schön fand, dass die ganze Welt ihm zu vertrauen schien, ohne das er etwas dafür getan hat. »Doch fürchten Sie nicht, ich werde Ihnen nichts tun.«

Sein Finger lag unter ihrem Kinn, er hob ihren Kopf an und bevor sie es verhindern konnte, glitt der dunkle Zauber über seine vollen Lippen, wie das schönste aller Gedichte. »Imperio

Als würde sich eine Samtdecke um sie legen, wurde die Welt um sie herum ein etwas weniger wichtiger und ein etwas weniger überfordert. Fänden wickelten sich um ihren Verstand; versklavten ihn. Aber nichts davon fühlte sich schlimm an; tatsächlich war dieses Gefühl der vollkommenen Ruhe, eines der Schönsten, die sie in den letzten Zehn Jahren verspürt hatte.

»Ich möchte, dass Sie meine Fragen beantworten.« Die Worte waren so viel lauter in ihrem Kopf, hallten durch jede Zelle ihres Körpers und der Befehl verankerte sich, ohne dass sie genau wusste, wo; ohne, dass sie ihn lösen konnte.

»Wann wurden Sie geboren?«, fragte er und auch wenn Alethea es schaffte wenige Sekunden ruhig zu bleiben, verkrampfte sich ihr Inneres als sie es zu lange blieb und die Luft schnürte ihr ab, mit nur einem Ausweg: Beantworte ihm die Frage und vorbei ist das Leiden.

»Am 1. Januar 1937.«, flüsterte sie und starrte in seine  Augen. Keine Anstrengung war auf seinem Gesicht zu erkennen, während er sie unter diesen mächtigen und verbotenen Fluch stellte. Seine Finger unter ihrem Kinn waren sehr wichtig geworden für sie und die leichte Wärme war ein Kontrast zu der Kälte des Schlosses.

Sie wollte sich in diesem Gefühl verlieren; wollte nichts anderes mehr sein als dieses Gefühl. Seine Berührungen auf ihrer Haut und sein so verschlossener Blick.

»An welchem Tag ist Ihr Vater gestorben?«

Alethea fror gemeinsam mit der Verbindung ein. »Sie wissen es.«, hauchte sie unter Schmerzen, doch nicht von ihm zugefügt. Nein, er hatte ihr versprochen, sie nicht zu verletzen, und er tat, wie er gesagt hatte. Dieser Schmerz kam allein aus ihrem Herzen. »Ich möchte es aber von Ihnen erfahren. Beantworten Sie meine Frage.« Seine Stimme war nicht streng, doch sie musste gehorchen.

Stockend schüttelte sie den Kopf und sie versuchte, seinem Blick zu entkommen, doch jedes Mal, wenn sie ihren Kopf verdrehte, brachte er ihn wieder zu sich. Die Fäden um ihren Verstand wurden fester.

Immer enger wurden sie und Alethea wusste nicht, ob es Schmerz war, der sie langsam erstickte oder ob es nur sein Blick war.

Mit einem Mal hörte es auf und die Fäden rissen, brachten Alethea dazu wie eine Marionette auf die Knie zu fallen. Sie zitterte, verlassen von Kraft und traute sich nicht zu Riddle aufzusehen. »Warum haben Sie aufgehört?«, keuchte sie und erhob sich langsam. Ihre Knie knickten erneut ein, doch sie schaffte es, auf die Beine zu kommen. »Ich habe den Fluch weder abgewehrt, noch habe ich Ihnen geantwortet.«

»Ich wollte keine Antworten, sondern nur Ihre Willensstärke. Eine erstaunliche Reaktion auf solch eine simple Frage.«

»Die Gefühle eines Kindes seinem Vater gegenüber ist für Sie erstaunlich?«, fragte sie und konnte ihn nicht mehr ansehen. Sie wusste, dass sie schockierter sein sollte; er hatte den Imperius-Fluch bei ihr angewendet. Dafür konnte er nach Askaban kommen und seine Gewandtheit mit diesem Zauber spiegelte wieder, dass dies nicht das erste Mal war, dass er ihn benutzte.

»Ja, sind sie.«

Sie spürte seinen Blick auf sich, doch schaute lieber auf das Bücherregal. Mit einem Mal so interessiert an der Statue der silbernen Schlange. Das Büro besaß viele Schlangenelemente und erinnerte sie an die Krypta, in der Beschwörung unterrichtet wurde und dessen Säulen Schlangen darstellen, während Salazar Slytherin wie ein Gott über allem wachte.

Alethea glaubte zu weinen.

»Sie sind auf gar keinen Fall hoffnungslos und würden Sie Ihre Magie einsetzen, hätten Sie es womöglich geschafft. Es wird uns schneller—«

»Sind Sie tatsächlich so mächtig wie sie flüstern?«, unterbrach sie ihn aus einer Neugier heraus und ihre grauen Augen lösten sich von dem Bücherregal. »Die Akademie verändert sich mit jedem neuen Menschen, der es betritt. Sie werden ein Teil von ihm und es wird ein Teil von Ihnen. Es ist mächtiger, nun da Sie hier unterrichten.«

Es wird gefährlicher, fügte sie in Gedanken hinzu und erinnerte sich an den Vorfall am Anfang des Jahres. Noch immer hatte niemand ein Wort verloren über das Geschehen und Alethea fürchtete mit jedem weiteren Tag, dass sie verrückt war und sich alles nur eingebildet hatte.

Riddle blieb stumm und wartete, bis sie weitersprach.

»Es hat an Macht verloren, als Dumbledore krank geworden ist; es wird mit jedem weiteren Jahr düsterer und es vergisst, wie Schulleiter Dippet vergisst. Es war manchmal so verwirrt, dass es selbst vergessen hat, zu vergessen... bis... bis Sie kamen. Es erweckte wieder zum Leben, nur...«

»Nur wissen Sie nicht, ob es etwas Gutes ist.«, vervollständigte er ihren Gedanken und sie musste nicken, während eine Kälte sie erfasste, die ihre Hände vor Schmerz pochen ließ. »Das Schloss ist faszinierend, nicht wahr? Es ist zu Leblosigkeit verflucht worden, doch ist es so lebendig als wäre es dies nicht.«

»Also? Sind Sie es?«

»So mächtig, wie die Geister flüstern und der Staub keucht?« Er lächelte, als er den Spruch der Schüler sagte. Dieser Satz war einfacher, als das zu beschreiben, was tatsächlich passierte. »Vielleicht.«, sagte er und sah zu ihr hinunter.

»Eine vage Antwort, auf eine direkte Frage.«, murmelte Alethea, vor Kälte zitternd, und Professor Riddles Schmunzeln wurde größer, als er die Worte wiedererkannte. Der Lieblingssatz ihres Vaters und jedes Mal wenn sie ihn sagte, hörte sie seine Stimme und sah sein Lächeln.

»Ich würde vermuten, dass die Akademie sich die Menschen sucht, die ihren Hunger stillen können. Obwohl ich gegangen bin, hat es mich nie losgelassen. Es wird auch versuchen, Sie hier zu behalten. Wenn nicht als Professor, dann als ewig lebende Seele.«, sagte er und Alethea nickte etwas langsamer, weil er recht hatte.

Die Akademie versuchte sie bereits hierzubehalten. Briefe wurden an ihre Verwandten geschrieben, damit sie die Ferien alleine in Hogwarts verbrachte und es zerrte an ihrem Verstand, wenn sie daran dachte, dass sie bald gehen müsse.

Ihre Brust zitterte etwas, als erneute Erinnerungen sie überkamen. Sie hasste und liebte die Last der Erinnerung. Erinnerungen konnten sie zurück in alte Zeiten versetzen und machten sie als Mensch aus, doch alles vergangene machte sie unglücklich und entfremdete sie von der Person, die sie einst war.

»Vater wollte nicht, dass ich hierher komme. Er fürchtete, dass die Akademie alles tun würde, um mich zu behalten und das Leben, was ich ihr schenke. Er wollte nicht, dass ich so Ende wie er oder Dumbledore; an dieses Schloss gebunden bis zum Tode.«

Professor Riddle sah aus, als würde er es verstehen, doch auch wissen, dass dies aussichtslos gewesen wäre. »Die Akademie hätte ihren Weg gefunden. Sie findet ihn immer.«
























[ . . . ]    Tom. Tom. Tom. Tom. Tom.
Vergesst das Sternchen nicht<3

words:   3,900k

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