#49 Appearances are deceiving

"Hören Sie auf Ihren Schmerz betäuben zu wollen, das bringt weder Ihnen etwas, noch-"
"Ich mache, was ich will und Sie werden mir nichts vorschreiben, auch wenn Ihr Titel aussagt, dass Sie Menschen helfen."
"Warum sind Sie hier?"
"Was soll die Frage?"
"Wenn Sie keinen meiner Ratschläge annehmen, warum kommen Sie dann jede Woche hierher? Und warum sprechen Sie so mit mir?"
"Sie greifen in mein Leben ein!"
"Das ist meine Aufgabe."

____________________

Pov Jungkook

"Jimin-Hyung! Warte kurz."

Ich hatte den ganzen Nachmittag damit verbracht, auf Jimin zu warten, sodass ich beim Klang seiner Schlüssel am anderen Ende des Flures die eigene Tür aufgerissen hatte, als würde es um Leben und Tod gehen. Der Ältere zeigte sich sichtlich überrascht, zuckte kurz, als er seinen Namen hörte und sah dann erschrocken zu mir.

"Ist etwas passiert?", fragte er besorgt, während ich auf ihn zu kam. "Ich hoffe nicht, aber kann ich mit dir reden?" Er beantwortete meine Frage, indem er mich hinein bat und mich durchgängig mit forschendem Blick durchbohrte, während er Zuhause ankam. Ich setzte mich währenddessen auf sein Sofa und wartete, bis er sich neben mich setzte. "Schieß los", forderte er mich auf, als er saß.

"Hast du schon mit Tae geredet?", fragte ich zunächst. "Naja", begann Jimin, "wohl nicht auf die beste Weise, aber geredet haben wir beide." Er kratzte sich am Hinterkopf, als wäre es ihm unangenehm. "Wie meinst du das?"
"Gestern Nacht... Yoongi und ich wollten etwas versuchen, aber es hat nicht funktioniert und ich habe gepanickt und bin nach draußen gerannt, wo ich Tae getroffen habe. Ich war nicht in der besten Verfassung und habe auf seine Frage, ob alles gut sei, nur schnippisch geantwortet und habe eventuell angedeutet, dass er lieber mit dir reden solle, als seine Zeit mit mir zu verschwenden, worauf er meinte, es gäbe in jeder Beziehung einen miserablen Teil."

"Meinst du, er meint damit mich?" Nichts anderes würde Sinn machen kombiniert mit der Vermutung, mit der ich zuerst zu Jimin gekommen war. Dieser schüttelte den Kopf und schaute mich entlschossen an. "Was soll an dir denn miserabel sein? Bist du nicht der, der immer Kontakt sucht und versucht, ihm Liebe zu zeigen?"
"Schon, aber was, wenn das... nicht genug ist? Oder nicht das, was er möchte, zumindest nicht von mir?", stellte ich in den Raum und ließ mich seufzend in das Polster der Couch fallen. Lange würde ich diese Tortur nicht mehr mitmachen. "Jungkook, was soll das heißen?", er sprach eindrücklich, mir klar machend, dass ich aufpassen sollte, welche Wortwahl ich traf. "Kurz nachdem er gestern Nacht nach Hause gekommen ist, hat sein Handy geklingelt und ich habe es ihm angegeben, weil er es nicht bemerkt hat. Darauf hat er es mir aus der Hand gerissen und ist in einen anderen Raum gegangen, um zu telefonieren. Auf meine Fragen, wer es war, hat er nicht geantwortet."
"Du meinst doch nicht..."
"Hyung, ich habe das Gefühl - und es mag nur ein Gefühl sein - dass Taehyung jemand anderen trifft."

Diese Worte waren wie eine Bombe und ihr Zünder war der Sauerstoff, der sie beim Aussprechen hochgehen ließ, mit einem Schaden, der einen unwiderruflichen Krater in das Gedächtnis des Hörers schlug.

"Das klingt absurd", äußerte der Ältere neben mir, "aber vielleicht... ich meine, es wäre eine Erklärung."
"Ich kann es mir nicht anders erklären."
"Aber das würde er niemals tun. Warum würde er jemand anderen treffen, wenn er dich liebt?"
"Vielleicht tut er das gar nicht... mehr."
"Vielleicht sagte er deswegen, es gäbe immer einen miserablen Teil."
"Das frühe Aufbrechen, die Überstunden, das Abweisen von mir... vielleicht will er mich gar nicht mehr."
"Yoongi meinte, er wäre stiller geworden, vielleicht ist er bei jemand anderem lauter."
"Das will ich mir nicht vorstellen, Hyung." Ich sah ihn mit großen Augen an, wie ein Kind, dessen Albtraum soeben wahr geworden war. "Das solltest du auch nicht." Jimins Hand legte sich auf meine Schulter und tätschelte sie sorgsam."Wir können nichts mit voller Sicherheit sagen, also verharr dich nicht auf diesem Gedanken."

"Aber was, wenn es tatsächlich stimmt?", stieß ich etwas lauter aus. "Was, wenn er jemanden getroffen hat, der ihm den Kopf verdreht hat? Und weil er kein anderes Zuhause hat, versucht er, so wenig Zeit wie möglich hier zu verbringen." Ich hielt mir den Kopf mit beiden Händen, als würde er jede Sekunde explodieren. "Er war sich schon damals so unsicher mit seiner Liebe. Was, wenn die letzten Monate nur eine reinste Lüge waren?" Jimin sah mich ratlos an. Er wollte es nicht glauben, konnte aber nicht anders. "Ich hoffe nicht", war das einzige, was er heraus brachte. "Du musst mit ihm reden."
"Wie denn, wenn er mich ignoriert?"
"Er ignoriert dich sicherlich nicht."
"Wenn ignorieren heißt, nicht mit jemandem zu reden und so zu tun, als wäre er nicht existent, dann ja, er ignoriert mich", bellte ich angegriffen. Jimin wich zurück, als hätten ihn meine Worte auch körperlich getroffen. "Gestern Abend und heute Morgen hat er mich nicht mal mehr beachtet. Als wäre ich unsichtbar oder es nicht wert, beachtet zu werden", sagte ich niedergeschlagen.
"Du weißt, dass das nicht stimmt", machte mir Jimin klar, "Wer dich für jemand anderen verlassen würde, hat sowieso nicht den entsprechenden Anspruch, um dich zu verdienen."

Es fühlte sich an, als würden mehrere Hände an meinem Herzen reißen, mehrere Möglichkeiten, die mich jeweils auf ihre Weise umbringen konnten. Taehyung war mehr als mein bester und fester Freund. Er war die erste Person, die ich glücklich sehen wollte und sein Lächeln war das schönste auf dieser gesamten Erde. Es schmerzte so sehr, dass ich nicht wusste, wann ich es zuletzt gesehen hatte und es zeriss mich, dass er es womöglich jemand anderem schenkte, während wir gerade sprachen.

"Hey, brauchst du eine Umarmung?", fragte Jimin einfühlsam und tippte meine Schulter an, da er sah, dass sich Tränen in meinen Augen sammelten. Ich sagte nichts, doch Jimin zog mich trotzdem in seine Arme. "Ich will von ihm umarmt werden", verließ meine Lippen, welche zu zittern begannen. "Was, wenn er gerade einen anderen umarmt? Ich will nicht ersetzt werden, Hyung, was habe ich falsch gemacht?"
"Nichts hast du falsch gemacht, Jungkook, du hast ihm alles angeboten, es ist seine Schuld, wenn er nichts nimmt." Seine Hand fuhr in rotierenden Bewegungen über meinen Rücken. "Außerdem ist noch nichts bewiesen."
"Und wenn doch?"
"Dann liegt die Schuld ganz bei ihm." Jimin gab mir Halt. Durch ihn fühlte ich mich nicht allein. Wäre ich allein gewesen, wäre mein Kopf wohl irgendwann wirklich explodiert, bei all den Gedanken, die ich mir machte. Er konnte mir nicht helfen, das Problem aus der Welt zu schaffen, aber er stand an meiner Seite und würde mich nicht mir selbst überlassen.

"Soll ich noch einmal versuchen, mit ihm zu reden?", fragte er, während wir uns lösten, "Dann natürlich in einem anderen Ton."
"Lass mich es zuerst versuchen", meinte ich, "ich werde versuchen, zu ihm durchzudringen und wenn ich es nicht hinbekomme..."
"Dann versuchen wir es, es ist noch nichts verloren, Kookie." Ich holte Luft. Ich wollte ihn nicht verlieren, das war meine größte Sorge. Es mochte sein, dass ich nicht perfekt für ihn war und er nach anderen suchen würde, allein weil ich nicht genug war. Aber würde er diese Verbindung in jemand anderem finden können? Die Erinnerungen, die wir miteinander teilten, würde niemand übertreffen können. Wir hatten eine Geschichte, die niemand je überschreiben können würde. Ich hatte gedacht, wir wären unzertrennlich. Ich hatte gedacht, wir teilten ein Zuhause. Warum flüchtete er vor seiner einmal einstigen Zuflucht?

"Sollen wir den Abend miteinander verbringen?", Jimin holte mich aus meinen Gedanken, "Wir können einen Film schauen, wenn du möchtest." Ich nickte traurig. Womöglich war es das Richtige, jetzt etwas Ablenkung zu erfahren. "Mein Freund kommt sowieso nicht vor elf nach Hause", fügte ich enttäuscht hinzu und Jimin stupste mich mit dem Ellenbogen an. "Seine Schuld, wenn er den Spaß verpasst, seine Zeit mit dem besten Freund der Welt zu verbringen." Jimin grinste. "Wie kitschig", nörgelte ich lachend. Aber war ich das wirklich? War ich wirklich ein bester Freund, wenn ich erst jetzt bemerkte, was hinter Taehyungs Verhalten steckte?

"Hast du noch Eis da?", fragte ich und rappelte mich auf, nachdem ich mir durchs Gesicht und durch die Haare gefahren war. "Natürlich, ist im Tiefkühlfach", antwortete Jimin. "Bevor wir anfangen, rufe ich kurz noch Yoongi an. Ich habe den ganzen Tag noch nichts von ihm gehört", sagte er noch und war direkt danach am Handy. Ich zuckte mit den Schultern und machte mich auf den Weg in die Küche. "Pass auf, sonst bist du bald der einzige, der sich von euch beiden meldet", murmelte ich.
Als ich wieder zurück kam, schmollte Jimin und wählte erneut die Nummer seines Freundes. "Er geht nicht ran."
"Vielleicht ist Tae ja bei ihm", bemerkte ich halbherzig.
"Ach, halt die Klappe", winkte er mich halb-ernst ab. "Hey, wie geht es dir?", sprach er dann in den Hörer. Ich vergrub mich in der Decke, die Jimin immer auf der Couch liegen hatte und machte mich an das Eis, während ich ihn beobachtete, als würde ich an seiner Mimik ablesen können, was Yoongi am anderen Ende von sich gab.

"Warum redest du so? Hyung... Yoongi, bist du betrunken?" Ich hob eine Augenbraue. Jimins Gesicht verzog sich zu einem enttäuschten Ausdruck. "Warum hast du getrunken? Was war der Anlass? ... Natürlich brauchst du einen Anlass." Seine Gesichtszüge erweichten. "Ich vermisse dich auch... ja, wirklich, aber das ist doch kein Grund." Dann wandte mir Jimin den Rücken zu. "Bitte? Was hast du gemacht? ... Nein, es ist nicht egal. Ich möchte, dass du mit mir redest... Okay, aber- Yoongi?" Er ließ den Kopf hängen, bevor er sich zu mir drehte. Er hielt eine Weile inne, in der ich mich nicht bewegte. Das Gespräch war kurz, hektisch und offensichtlich
nicht wie geplant abgelaufen und ich wollte nichts noch schlimmer machen.

Doch dann holte Jimin aus und warf sein Telefon mit voller Wucht auf die Couch. Auf anderem Material wäre es womöglich zersprungen. "Woah, alles in Ordnung zwischen euch beiden?", traute ich mich dann zu fragen. Jimin starrte in die Leere, bis seine Augen langsam, aber sicher begannen, glasiger zu werden. Er versuchte sichtlich, seine Tränen zurückzuhalten. "Männer sind so..."
"Ich weiß", schnitt ich ihn ab, "aber wir sind auch welche."
"Ein Grund, warum ich mich so sehr hasse", sagte er auf eine selbstironische Weise. "Ich rufe ihn an, um mich nach ihm zu erkundigen, ich mache mir vielleicht Sorgen und was macht er? Er betrinkt sich bei der ersten Gelegenheit, sagt mir, er vermisst mich und dass er immer dieselben Fehler macht, will mir dann aber nicht sagen, worüber er redet und legt auf. Warum?" Jimin setzte sich zu mir. "Ich verstehe ihn nicht. Ich will es besser machen als damals, aber er... er lässt mich nicht. Und heute hält mir mein Therapeut einen Vortrag über Himmel und Hölle und sagt mir, dass Yoongi unglücklich ist und dass ich nicht blind sein soll, aber was soll ich tun, wenn er mich davon abhält, etwas zu sehen?"

"Beziehungen sind kompliziert", sagte ich ratlos und reichte ihm als Trost die Eispackung. Jimin schniefte. "Ich möchte einfach aufhören, jeden Abend wegen ihm zu weinen. Er ist wieder da, aber trotzdem hört es nicht auf."
"Wir stehen das durch", versicherte ich ihm, unwissend, was die Zukunft noch für uns bereithielt, nur hoffend, dass sich bald etwas veränderte.

But what should I do when he doesn't allow me to see?

______________________

[Dankeschön fürs Kommentieren und Voten]

hallu
ich hoffe ihr hattet ein schönes Wochenende~
Habt ihr irgendwelche Theorien zum weiteren Verlauf? Es wird langweilig, wenn sonst niemand welche äußert
Wir sind schon fast bei 50 Kapiteln... tf, die story wird locker über 80

Ich wünsche euch einen guten Start in eine hoffentlich schmerzlose und (so gut es geht) stressfreie Woche ♡
Danke, dass ihr mir Licht spendet

{120519}

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top