#10 Talking to the moon

"I know you're somewhere out there
Somewhere far away
I want you back, I want you back
My neighbors think I'm crazy
But they don't understand
You're all I have, You're all I have
At night when the stars light up my room
I sit by myself...
Talking to the moon
Trying to get to you
In hopes you're on the other side, talking to me too
Or am I a fool
Who sits alone
Talking to the moon?"
- Talking to the Moon (Bruno Mars)

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Pov Jimin

Während ich die Treppen zu meiner Wohnung hinauf lief, überlegte ich, ob ich wirklich noch bei Jin vorbeischauen sollte. Wir hatten nicht mal sechs Uhr, es würde bald Abendessen geben. Aber ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihm Auskunft darüber geben wollte, wo ich gewesen und was alles passiert war. Zum Abendessen würde ich dennoch erscheinen. Jin kochte fast jeden Abend, da er von uns fünf offensichtlich der Beste auf diesem Gebiet war. Was ein Wunder, er war Koch von Beruf. Das war auch der Grund, weswegen er oftmals seltenere und teuere Zutaten mit nach Hause brachte. Offiziell war Sonntag der Tag, an dem wir alle zusammen zu Abend aßen, weil die wenigsten von uns Sonntags arbeiteten. Demnach konnte und wollte ich mich nicht vor der Begegnung mit den anderen drücken, jetzt zu fehlen, würde nur noch mehr auffallen. Aufgrund dessen machte ich mich eine halbe Stunde später auf den kurzen zur Wohnung der älteren.

Jins Augen strahlten, als er mich sah und seine Lippen formten augenblicklich ein erleichtertes Lächeln. Er war glücklich mich zu sehen. "Komm rein", sagte er freundlich und trat zur Seite. Wie erwartet, war Jin schon bei der Vorbereitung des Essens, weswegen es im ganzen Raum nach gebratenen Zutaten roch. Namjoon musste im Wohnzimmer sitzen und sich die Nachrichten anschauen, das tat er immer um diese zeit.
"Erzähl doch mal! Wie war es bei Soomin?", fragte Jin, als ich ihm in die Küche folgte. "Ganz gut", gab ich an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, ich wusste ja selbst nicht, wie ich mich dabei gefühlt hatte. Natürlich hatte ich mich wohl gefühlt, anders hätte ich wohl kaum dort schlafen können. Andererseits gab es Momente, in denen ich lieber hätte verschwinden wollen und das machte mich unsicher.

"Wie gesprächig du heute wieder bist." Jin lachte leise. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, fast schon als würde ich defensiv handeln und mich vor weiteren Fragen schütze wollen. "Tut mir leid, es ist nur, dass nichts erwähnenswertes passiert ist." Jedenfalls hatte alles dieser Art mit vergessenen, fast schon verbannten und verbotenen Personen zu tun, auf die niemand hier gut zu sprechen war. Würde ich auch nur den Namen erwähnen, würde man mich mit düsteren Blicken betrachten und sich gleichzeitig schon wieder überlegen, wie man diese Gedanken aus meinem Kopf bekommen konnte. Es gab keine Chance, normal darüber zu reden. Sie alle wollten, dass ich meine Vergangenheit hinter mir ließ und erwarteten, dass ich darüber vergaß. Aber dass ich nicht drüber sprach, hieß nicht, dass es keinen Platz in meinen Gedanken hatte.

"Warst aber lange bei ihr, nicht wahr?" Jin schaute auf seine Armbanduhr. "Knapp vierundzwanzig Stunden." Mir fiel ein, dass er gar nicht wusste, dass ich kurz danach noch bei Jinhwan war. Wie sollte er auch? "N-nein, also ja, nur war ich mit ihr noch im Café. Sie musste ja arbeiten." Ihm nun von Jinhwan und seiner Mutter zu erzählen, wäre schwachsinn gewesen. Er würde nur unnötig sauer werden und mich wegen der ganzen Idee belehren wollen, was ich mir nicht anhören musste, da ich wusste, wie banal das ganze gewesen war.

"Er wird wirklich morgen entlassen." Namjoon betrat auf einmal den Raum. Er blieb perplex stehen, als er mich sah, so als hätte er alles nur nicht mich erwartet. "Oh, Jimin!", stieß er erschrocken hervor, bevor er lächelte, "Wie geht es dir?" Er ging zum Schrank, aus dem er kurz danach fünf Gläser nahm. "Gut", sagte ich und lächelte automatisch. Jin sah mich zweifelnd an, die Antwort nahm er mir nie ab, ich musste es immer umformulieren. "Wer wird entlassen?", fragte ich, ihn damit ignorierend. "Der Typ, der zwei Morde begangen hat vor acht Jahren." Namjoon seufzte. "Schon?" Ich runzelte die Stirn. Ich hatte damals nicht viel von ihm mitbekommen, da es nicht in unserer Stadt passiert war, trotzdem machte sich ein Unwohlsein breit, bei der Gewissheit, jemand solcher Natur würde wieder unter uns Leben. "Ja, ich weiß auch nicht warum. Er hätte eigentlich noch elf Monate abzusitzen. Dieses Land ist zu gutgläubig." Der Regierungskritiker befüllte ein Glas mit Leitungswasser.
"Hast du den Fernseher ausgeschaltet?" Jin klang ernst, fast drängend, Namjoon nickte nur.
"Achten wir jetzt auf Stromkosten?" Ich lachte.
Der ältere schien sich seine Antwort genau zu überlegen. "Ich will nicht, dass wir unseren Appetit durch Straftäter in den Nachrichten verlieren."

Es klingelte an der Tür und ich entschied, sie zu öffnen und die älteren alleine zulassen. Besonders Jin verhielt sich komisch. Vor der Tür standen Taehyung und Jungkook, die sich ebenfalls freuten, mich zu sehen. Jungkook neckte mich mit meinem Aufenthalt außer Haus, während wir den Tisch deckten, worauf ich versuchte nicht weiter einzugehen.

"Hat Jimin schon etwas über sein Date erzählt?", fragte Jungkook später grinsend, bevor er überhaupt zu essen begann. "Es war kein Date", maulte ich.
"Doch, war es."
"Ja, eigentlich schon", gab ich zu.
"Und?"
Jin schüttelte den Kopf. "Er hat nichts erzählt. Und jetzt iss, bevor es kalt wird."
"Du scheinst aber nicht besonders vergnügt darüber gewesen zu sein, immerhin warst du nicht sehr erfreut über Jin-Hyungs Anruf heute Morgen." Namjoon schaute mich an. Seine Frage nach meinem Befinden vorhin nutzte wohl nur dem Aufbau einer Konversation, er wusste offensichtlich, dass ich nicht in bester Stimmung war. "Es ist alles gut gelaufen, ich habe nur schlecht geschlafen." Ich stocherte appetitlos auf meinem Teller herum. "Wie schlecht geschlafen?", fragte mich Jungkook. Ich überlegte kurz, bevor ich antwortete: "Schlecht geträumt."
"Hm, hoffentlich schläfst du heute besser."

Es schien wieder, als würden sie das Thema abwürgen, oder besser, gar nicht erst mit einem anderen Thema in Berührung kommen wollen. Wenn ich ihnen erzählen würde, wovon ich geträumt hatte, würden sie dann darauf eingehen oder würden sie wieder anfangen, mir das alles ausreden zu wollen?
War diese Bezeichnung überhaupt passend? Hatte ich schlecht geträumt? Denn das einzige, das diesen Traum zu einer Qual gemacht hatte, war, dass ich von ihm getrennt wurde. Dass ich aufgewacht war und er nicht bei mir lag. Und es war ein schlechter Traum, da er mich den ganzen Tag über verfolgte. Ich würde ins Bett gehen und mich einsamer fühlen als zuvor, mich nach ihm sehnen als wäre er gerade erst gegangen.

Ich musste auf einmal an Jinhwan und seine Mutter denken. Ihre Aussagen schwirrten noch immer in meinem Kopf herum. Ich sollte nicht darüber nachdenken, sie kannte mich nicht einmal, ich sollte ihre Worte nicht an mich heranlassen. Doch ich zweifelte daran, dass sie nur dumme Sprüche waren.

"Findet ihr... mich sehr weiblich?" Ich fragte nur leise und zögerlich, wünschte im selben Atemzug, es nicht getan zu haben. Jeder einzelne starrte mich nun fraglich und verwirrt an. "Wie bitte?" Jin wollte sich versichern, es richtig verstanden zu haben. Ich schüttelte schnell den Kopf. "Ist egal."
"Du bist in keinster Weise weiblich", stellte Namjoon klar. "Empfindest du das so? Oder zweifelst du daran, weil du dich nicht attraktiv genug findest?"
"Wäre mein Freund nicht anwesend, würde ich sagen, dass du für mich der Attraktivste von uns allen bist", äußerte Jungkook, wonach Tae ihn schmollend ansah. Der jüngste lächelte niedlich. "Oder eher, wenn es mein Freund nicht schon wäre." Er wollte gerade seine Arme um diesen legen, als Jin ihn mit "Keine schnulzigen Aktivitäten am Esstisch!" ermahnte, worauf er nur seufzte.

"Nein, ich... habe nur irgendwie darüber nachgedacht, ich weiß auch nicht", murmelte ich, mein Blick fiel wieder auf den Teller vor mir. Ich hatte nicht mal Hunger, obwohl ich heute nichts als Kekse gegessen hatte.

"Habt ihr auch von dem morgen frei kommenden Häftling gehört?" Namjoon richtete sich an das Paar ihm gegenüber. Taehyungs Augen wurden riesig und er starrte den älteren an, als hätte er den Namen eines längst verstorbenen Diktators ausgesprochen, bevor er unsicher zu mir schaute. Aber warum zu mir? Jungkook hingegen nickte und atmete beschwert ein. "Ist es normal zu sagen, dass ich ein wenig Angst davor habe?" Seine Fröhlichkeit von eben war verzogen.
"Wovor?"
"Einem Menschen wie ihm."
"Aber er lebte doch sowieso in einer anderen Stadt, oder nicht?", fragte ich, weil ich die Aufregung nicht verstand. Von Tae erntete ich nur einen getroffenen Blick. "Und warum siehst du mich so verschreckt an?" Bekam ich etwas nicht mit? Redeten sie von jemand anderem und ich erinnerte mich nur an den falschen?

"Ja...", Namjoon suchte nach Worten, "aber er lebt immer noch in unserem Land. Wer weiß, wo er hinzieht."
"Hoffen wir nur, er hat von seiner Zeit im Gefängnis gelernt und sich geändert." Jin wirkte unnormal angespannt. "Jimin, warum isst du nichts?"
"Keinen Hunger", gab ich knapp an. Mich machte es misstrauisch, dass er so schnell das Thema wechselte und gleichzeitig ein Auge auf mich geworfen hatte.
"Erzähl uns, worüber du nachdenkst, Kumpel", meinte Namjoon.

Warum auf einmal? Sie interessierten sich doch sonst nicht dafür, fragten nicht nach und waren ruhig, wenn ich es war. Sie wollten nicht wissen, wie es in meinem Kopf aussah, sie wussten, er war gefüllt mit Dingen, über die sie mich zu schweigen zwangen. Warum also, sollte es sie jetzt interessieren, wenn sie doch sowieso wieder abblocken würden?

"Würde ich es aussprechen wollen, würde ich es nicht mit mir selbst diskutieren."

Mein Blick lag starr auf dem immer noch gefüllten Teller. Ich wollte nicht mehr essen. Ich fühlte mich einsam, obwohl ich von meinen Freunden umgeben war. Sie gaben mir zwar das Gefühl der Geborgenheit, jedoch kein Verständnis. Sie wollten nicht von ihm hören, sie verabscheuten es, dass er mich zurückgelassen und ihnen so nur Probleme hinterlassen hatte. Einen jungen Mann, zurückgelassen mit dem Hass und der Abneigung gegen sich selbst, verlassen von seiner einzigen Hoffnung, die ihn über Wasser gehalten hatte. Natürlich hassten sie ihn dafür.

"Tut mir leid", ich fasste einen Entschluss und stand auf.
"Was machst du?"
"Ich habe keinen Hunger mehr. Gute Nacht." Bedrückt ließ ich den Teller und meine Familie stehen und verließ dann den Raum. Ich hörte noch, wie Jungkook fragte, ob sie etwas falsches gesagt hätten, bevor ich die Tür hinter mir zuzog. Während ich zu meinen eigenen vier Wänden trottete, schüttelte ich schwach den Kopf. Sie hatten nichts falsches gesagt. Es war nur ich. Ich hatte ihn immer noch nicht vergessen, wozu jeder andere Mensch in der Lage gewesen wäre. Ich hatte mich kein bisschen verändert, was jeder Mensch in meiner Situation getan hätte. Und mir ging es nicht besser, obwohl alles um mich herum dafür sprach und sprechen sollte.

Egal was passierte, meine Appetitlosigkeit würde wohl für immer auch zu einem Teil dem Leben gelten.

Als auch die Tür meiner Wohnung zufiel und die monotone Stille mich in sich aufnahm, spürte ich noch etwas anderes in mir keimen. Ich legte den Schlüssel auf das kleine Schuhregal und trat weiter in den Raum. Meine Gesichtszüge formten keinen bestimmten Ausdruck, mein Blick war mit nichts anderem als der Leere gefüllt, die auch mein Herz befallen hatte. Würde man mich nun sehen, würde man sich wohl Sorgen machen. Gut, dass man mich nicht sah.
Sie war beinahe sichtbar, die Einsamkeit. Sie war zum Greifen nahe, schwebte in der Luft und schnürte mir den Sauerstoff ab. Stattdessen besiedelte sie meine Atemwege, sie war das einzige, wovon ich noch lebte, das einzige, was mich leben ließ, das einzige, das in meinem Leben Platz hatte.

Tief seufzend beschloss ich, direkt ins Bett zu gehen und meinen nächtlichen Dämonen so die Chance einer Übernahme zu nehmen. Obwohl Schlafen deutlich friedlicher schien, wollte ich weder dies noch bei Bewusstsein sein. Wollte weder von ihm träumen noch an ihn denken. Ich fragte mich, ob ich ihn genauso verfolgte. Ob ich ihn überhaupt noch verfolgen konnte oder ob schon lange jemand anderes meinen Platz in seinem Herzen eingenommen hatte. Litt er genauso wie ich? Oder hatte ihn nicht mal das Gefühl einer gewissen Schuld geplagt?
Warum fragte ich mich überhaupt noch?

Das einzige, was ich an Kleidung wechselte, war meine Jeans zu einer gemütlicheren Hose. Jinhwans Pulli ließ ich an, einerseits weil mir kalt war und andererseits weil ich mich dadurch einem Menschen näher fühlte, ohne bei ihm zu sein. Ohne Umschweife legte ich mich dann ins Bett und schaute auf mein Handy. Tatsächlich hatte ich neue Nachricht. Sie war von Jinhwan.

Von: Jinhwan
Um: 18:47
"Hi Lieblingsnachbar,
Soll gar nicht so schnulzig rüberkommen, aber ich hoffe dir geht es gut. Ich will auch nicht stören oder so, ich wollte nur, dass du weißt, dass der Kuss heute nichts zu bedeuten hat, wenn du das willst, wir waren beide wohl einfach nur verwirrt. Würde ich darauf bestehen, würde ich sagen, dass du mich zuerst geküsst hast, aber wir sind erwachsen und ich habe es zugelassen, also wen interessiert's. Und nochmal, es tut mir leid wegen meiner Mutter, das alles ist etwas anders verlaufen als geplant und ich hoffe, dass du dich nicht all zu sehr beleidigt oder angegriffen fühlst... Ich hoffe es hat nichts ausgelöst... Wenn du mal keinen Bock mehr auf Jin und die anderen hast oder mal jemand anderen zum Reden suchst, dann sei dir bewusst, dass meine Tür immer offen für dich ist. Für alles... und zu jeder Zeit, besonders wenn es mal wieder so schlecht wird, komm zu mir, okay? Okay.
Das ist viel länger geworden als geplant, aber ich hatte das Gefühl, dass es nötig war. Schlaf gut, Jiminie~ (ノ'ヮ')ノ"

Er schaffte es tatsächlich, mir noch ein sanftes Lächeln auf die Lippen zu legen, welches aber gleich wieder verschwand. Ich hörte nämlich die Wohnungstür, die geöffnet und geschlossen wurde. Misstrauisch betrachtete ich die Tür, die mich vom Wohnzimmer trennte, bis in ihrem Rahmen Jungkook auftauchte und ich erleichtert ausatmete. Von all den Menschen um mich herum, war er gerade das geringste Übel. Er knipste das Licht an, was mich vor Unwohlsein murren ließ.

"Notfallschlüssel", knurrte ich, ohne den jüngeren anzuschauen. "Ich weiß, tut mir leid, ich will ihn eigentlich nicht zweckentfremden." Er sprach leise und nicht wirklich mit viel Stärke in seiner Stimme. "Ich wollte nur nachfragen, ob du uns dein Ladekabel nochmal ausleihen könntest. Wir-"
"Das hast du dir gestern bei mir abgeholt. Es müsste noch bei euch sein."
"Oh-"
"Warum bist du wirklich hier?", fragte ich mit fehlender Freundlichkeit. Der braunhaarige atmete zittrig ein und spielte mit den Ärmeln seines grauen Sweaters. "Ich... wollte nur sichergehen, dass es dir gut geht." Er hob seinen Blick, was auch ich tat. "Tut es", entgegnete ich monoton. "Das... Das glaube ich nicht." In seinen Augen funkelte der Respekt, der meiner Stimmung galt. "Dann glaub etwas anderes." Ich hob die Decke an und zog sie mir über die Schulter, als wollte ich mich vor weiteren Fragen schützen.

"Du hattest wieder Albträume", machte er fest.
"Mir geht es gut."
"Das erzählst du mir seit Jahren. Fängt es wieder an?"
"Was weißt du schon."
"Hör zu, ich kann verstehen, wie du dich fühlst, aber wenn ich irgendetwas für dich tun-"
"Mach das Licht aus, wenn du gehst." Er konnte mich nicht verstehen, niemand von ihnen konnte das.
"Hyung-"
"Geh zu Taehyung kuscheln."

Er verstummte und begriff, dass er mir nicht helfen konnte. Er besaß das, wonach ich mich sehnte, bekam das, was mich heilen würde. Aber er konnte es nicht abgeben, selbst wenn er wollte. Ich sah dem jüngeren in die Augen, mein gefühlskalter Blick musste ihn kränken. Sein Blick fiel zu Boden, er murmelte: "Es tut mir leid", bevor er ging.

Sobald das Licht erlosch und die Tür in ihre Angel fiel, stießen mir Tränen in die Augen und ich rollte mich auf die Seite. Ich fühlte mich so verloren in meinem eigenen Zuhause, dass ich mich vor der Dunkelheit fürchtete, die nun meine Räume durchflutete, weil ich nicht wusste, was sich in ihr verbarg. Ich vermutete in ihr eine weitere Form der Einsamkeit, eine weitere Art mir zu zeigen, dass nichts geblieben war, als er aus meinem Leben getreten war. Das Licht am Ende des Tunnels war erloschen.

Die Verzweiflung, die Verlorenheit, der Selbsthass und die Sehnsucht in mir vereinten sich zu einem alles mit sich reißenden Tsunami, welcher mich überflutete und verschlang. Ich wusste, dass es jetzt zu spät war, die Tränen aufzuhalten, also ließ ich sie zu. Ein weiteres Mal. Es würde nie ein Ende haben. Ich spürte die Kälte der Feuchtigkeit auf meinen Wangen und zog die Beine nah an meinen Körper. Die Last der ganzen letzten Jahre lastete auf meinen Schultern und schmerzte unerträglich. Ich kannte mich nicht mehr, ich wollte, dass es aufhörte, immerzu weh zu tun. Verzweifelt wimmerte ich, mein Innerstes schmerzte so sehr, dass es sich auf meinem Gesicht abzeichnete und ich nicht mehr in der Lage war, die Augen offen zu halten, da ich mich so bemitleidenswert meinen Tränen ergab. Mein ganzer Körper bebte unerbittlich und obwohl ich die Zähne zusammenzubeißen versuchte, entwichen mir immer weitere Schluchzer. Ich wusste nicht, was mit mir passierte, aber ich hatte keine andere Wahl, als es zuzulassen.

Durch mein Winseln und Flehen, das sich immer länger zog, bekam ich immer schlechter Luft. Dennoch vergoss ich weitere Tränen. Ich klagte, bis ich drohte zu ersticken und schnappte dann nach Luft. Ich war so trost- und hilflos gefangen in mir selbst, vielleicht hatten die Dämonen doch ihr Fressen in mir gefunden. Ich spürte ihre Zähne an mir nagen, von innen nach außen, irgendwann würde nichts mehr von mir übrig bleiben, nur Verderben und Leid würde die Hülle meiner selbst füllen.
Mein Kopf begann zu dröhnen, ich glaubte beinahe in Ohnmacht zu fallen. Würde ich nicht liegen, wäre ich definitiv umgekippt. Hoffnungslos tastete ich meinen Hals ab, bis ich fand, was ich gesucht hatte. Ich umklammerte das kalte Metallplättchen in Form eines Flügels, als wäre es meine einzige Hoffnung. Als wäre es das einzige, was mich hier durch bringen könnte. Immerhin war es das einzige, was mir von ihm noch geblieben war.

"Ich vermisse dich so sehr...", winselte ich, aber nur vereinzelte Vokale verließen meine Kehle. Der Schmerz in meinem Herzen war unerträglich, wie konnte er glauben, ich würde ohne ihn klarkommen. Das hatte ich doch noch nie gekonnt.
Die letzten Tränen verließen meine Augen. Ich rang wie verrückt nach Luft, meine Lunge brannte. Auch wenn der Schmerz sich nicht gelindert hatte, wollte mir kein weiterer kläglicher Ton entfliehen. Selbst mit Tränen konnte ich nicht ausdrücken, wie tief der Schmerz saß. Ich würde es wohl nie jemand anderen verstehen lassen können.

Eine gute Sache hatte es: ich konnte meine Augen wieder öffnen. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob ich das wirklich wollte. Doch dadurch sah ich den kleinen Schein von Licht der sich durch den Spalt meiner Vorhänge wagte. Obwohl jeder Part meines Körpers schmerzte, versuchte ich mich langsam aufzurichten. Gebrochen krabbelte ich zum Fenster, nur um den Vorhang zur Seite zu schieben und nachzuschauen, woher das sinnliche Licht kam. Es war Mondlicht. Kalt und doch so umhüllend. Mit großen Augen betrachtete ich die mysteriöse Kugel am Himmelszelt, umringt von seinen kleinen, funkelnden Freunden. Vielleicht fühlte er sich ebenso alleine dort oben. Auch wenn er umgeben von wundervollen Lichtern war, fühlte er sich verloren. Niemand war ihm ein Gleichgesinnter.

Ich streckte mich, um das Fenster zu öffnen. Sofort drang die eisige Nachtluft in den Raum, doch ich ignorierte sie, sowie den Fakt, dass mir die Öffnung des Fensters nichts bringen würde. Ich hoffte darauf, etwas zu hören. Vielleicht ihn zu hören. Worte, die der Wind zu mir trug. Auch wenn ich für immer warten würde.
Als die Kälte jedoch meine Haut erreichte, lief mir ein Schauer über den Rücken und ich flüchtete wieder in mein warmes Bett. Schutzsuchend vergrub ich mich unter der Decke, zog sie mir so weit über den Körper, dass nur noch mein Sichtfeld frei war. Gebannt betrachtete ich den Gegenspieler der Sonne, dessen Licht eine zweite Schicht von Wärme zu bilden schien. Selbst wenn sein Licht eher Kälte ausstrahlte, hüllte es den Raum in einen traumgleichen Schein und ließ die Dunkelheit gleichen, welche mich eben noch verschluckt hatte.

Er hatte Ähnlichkeiten mit ihm. Geheimnisvoll, kalt, trotzdem hell im Zentrum meiner Sinneswahrnehmung. Und wie es schien, war er der einzige, der mir zuhörte und mich gleichzeitig verstand, wenn ich von Einsamkeit und Verständnislosigkeit sprach.
Ich schniefte und versuchte wieder tief Luft zu holen. Dabei merkte ich, wie sehr meine Brust schmerzte. Es war, als würde man mir mit aller Kraft dagegen geschlagen haben, sodass es meine Lungen beeinträchtigte. Luft konnte ich holen, jedoch nur unter Schmerzen. Egal wie, ich war nur froh, dass ich atmen konnte.
Immer noch hielt ich den kleinen Anhänger meiner Kette, seiner Kette, in einer Hand, als würde ich Angst haben, er könnte mir entrissen werden. Mit der anderen Hand strich ich gedankenversunken über den Platz neben mir. Sein Platz. Er sollte dort liegen, ihn sollte der funkelnde Schein des Mondes einhüllen und seine helle Haut glitzern lassen. Stattdessen war es nur meine leere Hand, die von keiner anderen gehalten wurde und die der Wärme einer anderen nach trauerte.

Meine Augen waren so verklebt von den trocknenden Tränen, dass mein Blickfeld mit kleinen Perlen verziert war. Es unterstrich die Nostalgie des Moments perfekt.

Ich schaute wieder hoch in den Himmel und entschied, den Riss in meinem Herzen bewusst auszuweiten. Den Riss, dachte ich, welcher Riss? Mein Herz hatte nicht mal mehr die Form eines solchen, es lag in Splittern verteilt in meiner Brust, auf die Person wartend, die es wieder zusammen puzzeln würde.
Aber was war, wenn die einzige Person, die dein Herz flicken konnte, die war, die es gebrochen hatte?

Ich war so erschöpft. Jeder Muskel meines fragilen Körpers zog vor Schmerzen und ich fühlte mich, als wollte man mir die Gliedmaßen ausreißen, ich zitterte, war schwach, als hätte mit den Tränen auch jegliche Kraft meinen Körper verlassen. Trotzdem schloss ich noch nicht die Augen, trotz dessen überwand ich mich und nutzte meine letzte Kraft, um etwas loszuwerden.

"Ich habe das noch nie gemacht", fing ich an, den aufmerksamen Himmelskörper betrachtend. "Dich sprechen bestimmt viele Leute an, wenn sie nicht wissen, mit wem sie reden sollen. Die einen klagen, manche flehen und anderen erzählen einfach nur von ihrem Tag, weil sie niemand anderen haben." Meine Stimme war nicht mehr als ein kratzendes Flüstern, aber ich entschuldigte es mit dem Fakt, dass er mich auf diese Distanz selbst nicht hören würde, wenn ich schrie. "Ich habe auch nicht viel zu sagen, eigentlich ist es immer dasselbe. Ich vermisse ihn und ich wünschte, er wäre hier. Ich schätze dein Licht wirklich sehr, aber ihn würde ich allem vorziehen. An ihn kann man sich besser kuscheln, weißt du?" Ich schloss zaghaft die Augen und verlor mich in meinen Gedanken. "Jetzt werde ich erst recht von ihm träumen, er lässt mich einfach nicht los. Vielleicht redet er ja auch gerade mit dir, seine Stimme beruhigt dich bestimmt. Mich hat sie jedenfalls immer beruhigt... Ich vermisse ihn so sehr..."

In der Hoffnung über den Tag zu vergessen, fiel ich in einen tiefen Schlaf, nicht wissend, dass mir morgen ein viel grausamerer bevorstand.

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[Danke für's Voten und Kommentieren]

Aloha~
Ich bin endlich mal wieder zufrieden mit meinem Schreibstil ayye~
Und yes ich habe für das Kapitel lange gebraucht, aber nur weil ich den Fehler gemacht habe alle Cypher Parts nacheinander zu hören und jedes mal 5x abzugehen anstatt zu schreiben.. das hat mich etwas rausgebracht und ich brauchte meine Zeit um wieder rein zu kommen lmao
Und ich bin sure as hell, dass ihr im nächsten Kapitel alle den Drang empfinden werdet mich zu schlagen :') es tut mir leid, schon mal im voraus

Habt einen schönen Tag und eine möglichst stressfreie Woche♡

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