Akt 3: Kapitel 2
Liam
„Ich muss zu ihm!", rufe ich und versuche mich immer noch loszureißen. „Warum? Vor drei Tagen wolltest du mich noch zerfleischen dafür, dass er mit dir im Zimmer wohnt", fragt Will mich, als er endlich stehen bleibt.
Er blickt mir direkt in die Augen. „Er... er hat mich verstanden", flüstere ich. Will sieht mich immer noch mit durchdringenden Blicken an. Doch in seinen Augen kann ich sehen, dass auch er sich Sorgen macht.
„Wenn du mich jetzt nicht gleich ins Krankenhaus zu Jüri fährst, laufe ich. Es ist mir egal. Ich muss zu ihm", baue ich wieder die Wand auf, die alle von mir kennen.
„Willst du nicht wissen, was schuld an Jüri's Kollaps sein könnte?", fragt mein Gegenüber mich.
Sofort blicke ich ihn mit großen Augen an. „Du weißt etwas?", frage ich ganz überrascht zurück.
„Setzt dich", meint Will und deutet auf eine Bank im Flur. Sofort setzte ich mich hin und Will lässt sich neben mir nieder. „Es gab einen Unfall", beginnt er.
Oh nein. Bitte nicht.
„Sein bester Freund, Marcus, hat in einer Kurve die Kontrolle über seinen Rennwagen verloren und ist mit 120 gegen die Wand", seufzt er.
„Fuck", fluche ich. „Geht es ihm gut?", frage ich sofort nach.
„Ja, es geht ihm gut. Aber das weiß Jüri nicht", antwortet er mir.
Was? Warum weiß Jüri das nicht? Wenn er vom Unfall erfahren hat, muss er doch auch wissen, dass es Marcus gut geht.
„Sein Team hat Jüri angerufen, um ihn über den Unfall zu informieren. Aber als sie gesagt haben, dass Marcus gecrashed ist, hat er aufgelegt", erzählt er mir, „Jüri hat sich wahrscheinlich an...-".
„An seinen eigenen Unfall erinnert", unterbreche ich ihn.
„Du weißt von dem Unfall?", fragt er mich ungläubig. Ich nicke und blicke zu ihm auf.
„Er hat mir am ersten Tag schon davon erzählt. Da habe ich aber ganz und gar nicht richtig reagiert, bis Dennis uns ein Video vom Crash gezeigt hat", erkläre ich ihm.
Will nickt und sieht mich wieder an. „Komm, wir fahren ins Krankenhaus", meint er. Ganz überrascht Blicke ich auf.
„Echt jetzt?", frage ich etwas verwirrt nach. Will nickt erneut.
„Ja, echt jetzt. Außerdem kommt Marcus auch vorbei. Das Rennen war in Silverstone. Das ist nicht so weit weg", meint er und bewegt sich auf den Ausgang zu.
Sofort folge ich ihm und wir gehen zum Auto.
„Also kommt Jüri's bester Freund her? Und wie lange?", frage ich Will aus.
„Er kommt nur vorbei um Jüri zu beruhigen und dann ist er schon wieder weg. Er muss nach Italien zum nächsten Rennen", erklärt er mir. Ich nicke und schaue wieder auf die Straße.
Zum Glück kommen wir nach ein paar Minuten beim Krankenhaus an. Die Stille nachdem wir geredet haben, war absolut unangenehm.
„Du wartest hier. Ich mache mich Schlau, wo Jüri ist", erklärt mir Will, als wir im Wartebereich angekommen sind und ist auch schon wieder verschwunden.
Gelangweilt lasse ich mich auf einen Stuhl fallen.
Wie oft ich hier schon gesessen bin. Egal ob wegen mir selber oder wegen Dennis oder Lando. Oft habe ich schon hier gewartet.
„Komm mit. Jüri ist im Zimmer 36", reißt Will mich aus meinen Gedanken. Ich springe vom Stuhl auf und laufe ihm nach.
Nach kurzer Zeit stehen wir vor Zimmer 36. „Ich warte hier", meint Will und lässt sich auf den Stuhl nieder, der neben der Tür steht.
Ich klopfe und drücke die Klinke mit meinen zitterten Händen nach unten. Leise schlüpfe ich durch den Türspalt.
Das charakteristische Piepsen tönt in meinen Ohren. Ich blicke auf das alleinstehende Bett. Die Bettdecke hebt und senkt sich regelmäßig. Daraus schließe ich, dass Jüri schläft.
Ich nehme mir den Sessel, welcher im Zimmer steht und stelle ihn neben Jüri ans Bett.
Ich setze mich und blicke ihn an. Er ist an viele Kabeln und Schläuche angeschlossen und hat dieses Plastikteil in der Nase.
„Jüri?", flüstere ich. „Er wird Ihnen nicht zuhören", ertönt eine Stimme von der anderen Seite vom Bett. Ich blicke auf und sehe einem Arzt an, welcher gerade eine neue Infusion anhängt.
„Was hat er?", frage ich sehr besorgt. „Nichts gravierendes. Er hat nur einen leichten Schock. Wir haben ihm ein leichtes Schlafmittel gegeben, sodass er sich beruhigen kann.
Er hat eine Nachricht erhalten, welche ihm wortwörtlich den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Aber er ist bald wieder fit", erklärt der Arzt mir und verlässt wieder das Zimmer.
„Jüri", flüstere ich wieder, „Ich weiß, dass du mich nicht hören kannst. Und das ist auch gut so. Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich mag, würdest du mich nie wieder ansehen wollen."
Ich blicke ihn immer noch an und mir läuft eine Träne übers Gesicht.
„Als ich dich das erste Mal gesehen habe, wollte ich absolut gar nichts mit dir zutun haben. Aber du hast einfach nur gelächelt und dich bei mir vorgestellt.
Als ich mich wieder einmal vollgekotzt habe, hast du mir einfach, ohne darüber nachzudenken, geholfen.
Ich weiß, ich habe Freunde, aber nur dir kann ich von dem ganzen Scheiß in meinem Kopf erzählen", schluchze ich.
Vorsichtig nehme ich seine Hand, um keine Schläuche oder Kabeln rauszureißen und streiche mit meinem Daumen über seinen Handrücken.
„Ich liebe es, mit dir Zeit zu verbringen und es tut mir unendlich viel leid, dass ich dir nicht zeigen kann, wie viel du mir bedeutest", weine ich.
Aus meinen Augen kommen unkontrollierbare Bäche und ich weine einfach stumm vor mich hin.
„Liam... Nicht weinen. Ich bin ja da", höre ich eine ganz leise, krächzende Stimme.
Schnell blicke ich auf und sehe, dass Jüri die Augen geöffnet hat. „Jüri", hauche ich und setzte mich auf, „Ich habe gedacht, ich habe dich verloren". „Unkraut vergeht nicht", lacht er leise
Immer noch sind unsere Hände miteinander verbunden und keiner von uns zwei macht auch nur Anstalt darauf dies zu ändern.
„Ich hatte solche Angst um dich", flüstere ich und falle ihm in die Arme. „Du hattest Angst um mich?", fragt Jüri mich immer noch flüsternd.
Ich nicke nur und festige meinen Griff um ihn. Auch er legt seine Arme um mich und zieht mich näher an ihn.
„Können wir einfach hier liegenbleiben und nie mehr aufstehen?", fragt Jüri mich und hebt seine Decke über uns beide. Erneut nicke ich und kuschle mich so eng wie möglich an ihn.
Es dauert nicht lange, fallen wir beide in einen ruhigen Schlaf, welcher aber nicht von langer Dauer war.
„Störe ich?", fragt eine Stimme. Sofort schlagen wir beide die Augen auf. Ein junger Mann mit kurzen braunen Haaren steht bei der Tür und sieht uns grinsend an.
„Marcus... Dir geht es gut!", wispert Jüri. „Ja, Herr Vips. Mir geht es gut. Im Gegensatz zu dir", mault er.
„Kannst du nicht einmal zuhören? Cal wollte dir gerade sagen, dass mir nichts passiert ist und was machst du? Du legst einfach auf!", regt er sich auf.
Jüri liegt einfach nur neben mir und sieht seinen besten Freund ganz perplex an.
Um die Stimmung etwas aufzulockern, steige ich aus dem Bett und gehe auf ihn zu.
„Hi, ich bin Liam. Du musst Marcus sein. Jüri hat mir schon viel von dir erzählt", stelle ich mich vor.
„Hallo Liam. Jüri hat auch schon viel von dir erzählt", begrüßt auch er mich, aber sieht mich ganz komisch an.
Mit seinen Augen scannt er mich von oben nach unten und wieder rauf.
Und obwohl ich mich echt nett bei ihm vorgestellt habe, habe ich das Gefühl, dass er mich absolut nicht leiden kann.
Was hat Jüri ihm über mich erzählt, dass er mir so misstraut?
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Und hier ist schon das nächste Kapitel! :)
Es tut mir so leid, dass ich Jüri leiden lasse :(
Ich freue mich schon auf alle eure Rückmeldungen und Kommentare <3
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