Akt 1: Kapitel 3
Akt 1: Kapitel 3
Jüri
Ich habe mir schon vorgestellt, dass die Schüler nichts von der Idee halten. Warum bin ich eigentlich hier? Die haben ja keine Lust auf dieses Stück.
5 Monate zuvor
„Du bist P1, versuche die Position zu halten!“, höre ich meinen Renn-Ingenieur Mattie über Funk sagen. Konzentration Jüri.
„Es wird weiter regnen. Versuche nicht zu spät zu bremsen“, meint er noch zu mir. Es könnte nicht besser laufen für mich.
Bis zu jenem Funkspruch.
„Pouchaire ist in deinem DRS-Fenster. Er wird angreifen“, warnt Mattie mich. Mit einem schnellen „OK“ antworte ich und versuche so gut wie möglich zu verteidigen.
Kaum habe ich geantwortet sehe ich schon Théos Auto im Spiegel. Wir sind bestimmt schon auf gleicher Höhe, als wir auf die nächste rechts Kurve zufahren.
„Jüri, BREMS!“, ist das letzte was ich zu hören bekomme, bevor mein Auto sich in den Schotter verirrt. Ohne Vorwarnung knallt das Auto gegen die Wand. Alles kommt mir soweit weg vor bis plötzlich alles schwarz um mich wird.
„Jüri! Komm schon! Wach auf! Bitte! Du kannst mich jetzt nicht alleine lassen“. Wer ist das und warum soll ich ihn nicht alleine lassen? Und warum kann ich meine Augen nur so schwer öffnen? Was ist hier eigentlich los? Mühevoll versuche ich meine Augen zu öffnen.
Langsam aber doch funktioniert es.
„Mein Gott! Endlich bist du wach!“, höre ich diese Person wieder.
Vorsichtig blicke ich mich um. Immer wieder piepst etwas. Und was ist das in meiner Hand und in meiner Nase? Meine Augenlider werden wieder schwer, doch ich kämpfe dagegen an.
Wieder schaue ich mich um. Alles ist weiß und ich liege in einem komplett weißbezogenen Bett. Neben meinem Bett sitzt Marcus, mein Teamkollege. „Jüri! Gott sei Dank! Geht es dir besser?“, fragt er mich sofort. Ich möchte antworten, doch mein Hals lässt dies nicht zu. „Warte kurz“, meint er, springt auf und kommt kurz später mit einem Glas Wasser zurück.
Sofort trinke ich es aus. „Danke“, sage ich ganz heiser. „Was ist passiert?“, frage ich leise, weil mein Hals immer noch nicht so ganz will. „Kannst du dich nicht erinnern?, fragt Marcus überrascht zurück. Vorsichtig schüttle ich meinen Kopf, da mein Nacken schon etwas wehtut.
„Also, letztes Wochenende, in Imola. Du hattest einen Unfall. Es hat geregnet und du hast zu spät gebremst, weil du Théo nicht durchlassen wolltest. Du bist mit voller Geschwindigkeit in den Schotter. Und dann war da die Wand“, erzählt er und beim letzten Satz musste er schlucken. „Ich bin voll in die Wand?“, frage ich immer noch leise nach. Marcus jedoch nickt nur. Ich kann mich echt an nichts erinnern.
„Wer hat gewonnen?“, frage ich und grinse leicht, obwohl mir alles wehtut. „Du bist so komisch“, lächelt erleichtert,
„Wenigstens hast du deinen Humor nicht verloren. Nein, das Rennen ist nach deinem Unfall abgebrochen worden. Kaum warst du in der Wand, war auch schon rote Flagge… Ich war genau hinter dir“. Er seufzt, sieht mich wieder an und meint ganz leise: „Keiner hat geglaubt, dass du da lebend rauskommst…“. Er sieht mich traurig aber erleichtert an.
„Gleich nachdem klar war, dass das Rennen abgebrochen wird, haben sie dich schon ins Krankenhaus verfrachtet. Sie haben-“, erklärt er weiter, doch seine Stimme bricht ab. Er atmet tief ein und sieht mich wieder an.
„Sie haben dich ins künstliche Koma versetzt“, sagt er leise. Ich war im Koma? Echt jetzt? „Wie lange“, frage ich mit kratzender Stimme. „2 Wochen“, antwortet er mir leise.
2 Wochen? Ich bin 2 Wochen einfach nur dagelegen? „Du hast schlimme Wirbelsäulen-Verletzungen gehabt. Dein Auto ist frontal in die Wand gekracht. Du warst wahrscheinlich nicht vorbereitet, dass da ne Wand kommt und dein Nacken hat nachgegeben. Dein Kopf ist gegen das Lenkrad gekracht. Sie haben gemeint, dass es nötig ist, dich ins Koma zu versetzen, weil du sonst vielleicht… Querschnittgelähmt sein wirst“, erklärt Marcus weiter und wird zum Ende hin immer leiser.
„Kannst du deine Beine spüren? Aber bitte beweg sie nicht, du sollst dich noch nicht zu viel bewegen“, fragt er mich und hält mich zurück als ich mich bewegen möchte. „Alles fit im Schritt“, scherze ich.
„Wow, deine positive Einstellung hätte ich auch gerne“, lacht er mich an, doch wird er dann ernster und meint: „Du wirst nächste Saison nicht fahren können. Du musst deine Wirbelsäule schonen.
Obwohl mir das bewusst war, als ich bemerkt habe, dass ich im Krankenhaus war, zieht sich alles in mir zusammen.
Mein großer Traum, ein Formel 1-Fahrer zu werden, ist mit diesem Unfall zu Nichte gemacht worden. Meine Tränen kann ich nicht mehr zurückhalten. Alles wofür ich gearbeitet habe ist vernichtet. Niemals werde ich wieder ein Formel-Auto lenken können, wenn ich dem, was Marcus mir erzählt hat, glauben schenken soll.
„Bitte, Jüri. Weine bitte nicht. Du wirst wieder zur alten Stärke zurückkehren. Da bin ich mir sicher. Ich glaube an dich“, sagt Marcus beschlossen, während er meinen Arm hält.
Seit 5 Monaten kämpfe ich nun schon darum, meinen Platz nächstes Jahr wiederzubekommen. Und was tu ich jetzt? Ich stehe in einer Ballettschule in London auf der Bühne. Nur weil irgendein Choreograph ein Formel 1 Fan ist und meint: Machen wir doch ein Ballett-Stück über mich und meinen Unfall. Nur das die Hauptperson Julian und nicht Jüri heißt.
Hoffentlich sind die Schüler hier freundlich. Was die Schüler noch nicht wissen ist, dass ich für dieses Semester bei ihnen bleiben werde und ich absolut nichts über Ballett weiß. Hoffentlich bekomme ich ein eigenes Zimmer und muss mir das nicht mit einem von hier teilen. Die sehen alle schon ziehmlich gut aus…
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