Akt 1: Kapitel 2
Liam
Wir springen auf und laufen zu unseren Zimmern. Dass wir so die Zeit übersehen haben, ist uns noch nie passiert.
Ich quetsche mich in die Unterrichts-Strumpfhose und ziehe mir das enge weiße Shirt über. Schnell schnappe ich mir meine Tasche und schlüpfe wieder in meine Jogginghose und in meinen Hoodie und sprinte mit Dennis zum Studio, in welchem der Unterricht stattfindet.
„Gerade noch gut gegangen", atme ich aus und sehe, wie Dennis nickt. „Mann, so einen Stress macht er und trotzdem geht sich alles gut aus", meint Arthur mit seinem französischen Akzent zu Lando, welcher neben ihm geht.
„Und wo sind überhaupt die Mädchen?", fragt Lando an uns gewandt. „Wir sind hier, ihr Schlaumeier. Im Gegensatz zu euch kommen wir immer ein bisschen früher her", ertönt es hinter uns.
„Auch einen schönen guten Morgen an dich Anaelle", begrüße ich sie. „Alles gute zum Geburtstag, Liam", wünscht sie mir und umarmt mich.
„Kannst du mich zur Feier des Tages einmal nicht treten, wenn du einen Grand battement jeté machst?", frage ich belustigt nach. Auch sie muss jetzt lachen, denn irgendwie schafft sie es immer mich zu treten.
Auch die andern vier Mädchen in meiner Ballettklasse, Catalina, Layla, Louise und Nika, die eigentlich Anika heißt, wünschen mir einen schönen Geburtstag.
„Wo ist Logan schon wieder? Sag mir nicht der hat schon wieder verschlafen", fragt Nika genervt. „Naja vielleicht solltest du ihn ein paarmal öfter treten, damit er sich an dich erinnert", meint Arthur Schultern zuckend.
„Ich bin da!", ruft auf einmal eine Stimme durchs Studio. Lando fängt mit einem Mal zum Klatschen an und meint: „Wow. Du bist einmal nicht zehn Minuten zu spät. Nika wird dich irgendwann killen, wenn du weiterhin zu spät kommst." Er belächelt es nur und zieht sich seine Jogginghose aus. Wir anderen tun ihm gleich und stellen uns auf unsere Plätze an der Barre.
„Guten Morgen, meine geschätzten Tänzer", begrüßt uns unser Lehrer Moussier Amadé Durand.
„Guten Morgen, Moussier Durand", antworten wir wie im Chor.
Er geht mitten in den Raum und bleibt vor Logan stehen. „Sie haben es pünktlich in meinen Unterricht geschafft, Herr Sargeant. Ich bin begeistert", stellt er mit einer Monotonen Stimme fest.
„Heute Mittag, wird euch unser neustes Stück vorgestellt. Es wurde extra für uns geschrieben und ich hoffe, viele von euch schaffen es, eine tragende Rolle zu erhalten.", bei diesen Worten blickt er von mir zu Anaelle und lässt seinen Blick aus dem Fester schweifen.
„Position eins und en croix", mit diesen Worten startet er seinen Unterricht und wir erfüllen alle seine Aufgaben gewissenhaft.
„Das wars meine Damen und Herren. Ich wünsche euch viel Glück bei dem Vortanzen und hoffe euch in den Hauptrollen zu sehen". Mit diesen Worten entlässt uns Moussier Durand.
„Wir sehen uns bei der Vorstellung", spricht Anaelle zu mir und winkt mir im Weggehen zu.
„Mann, die hat sich aber richtig in dich verschaut", lacht Dennis zu mir. „Was?", frage ich verwundert, weil ich absolut keinen Plan habe, wovon er eigentlich redet.
„Na, Anaelle. Die steht voll auf dich. Und ehrlich gesagt, schlecht sieht sie nicht aus.", gibt er zurück.
Darauf eingehen tu ich nicht. Das ist mir zu blöd. Ich will nichts von Anaelle. Sie ist attraktiv, da hat Dennis recht.
Aber sie ist halt nicht DER Anaelle. Ich stehe auf Jungs, was auch wieder ziemlich klischeehaft ist. Der schwule Balletttänzer und die Partnerin, die sich in ihn verguckt hat. Ne, das brauche ich nicht.
„Ich habe noch Theorieunterricht, man sieht sich", verabschiedet er sich von mir und geht in Richtung Unterrichtsräume. Ich habe erst morgen wieder Theorie.
„Hey, Liam. Wie war Unterricht?", fragt mich Ollie, als ich mich neben Ihm auf die Couch fallen lasse.
„Ja war eh ganz ok. Anaelle hat es geschafft mich mal nicht zu treten", lache ich und er stimmt mit ein.
„Hast du schon die neusten Neuigkeiten gehört?", fragt er mich. Was für Neuigkeiten denn, frage ich mich selbst.
Er hat meinen verwirrten Blick wohl mitbekommen, deshalb wartet er nicht einmal auf eine Antwort.
„Anscheinend soll unser neues Stück über Formel 1 sein. Du weißt schon, dieses im Kreis fahren in schnellen Autos", erzählt er mir.
„Was? Das hat ja gar nichts mit Ballett zu tun", gebe ich geschockt zurück.
„Ist so. Und außerdem sollen deswegen so Typen von denen kommen. Keine Ahnung wofür, aber die sollen so in unserem alter oder ein bisschen älter sein", schwafelt er weiter.
„Also das hab ich nicht erwartet. Nach unserer Killer-Story letztes Jahr habe ich echt gedacht, dass wir mal wieder ein normales Stück bekommen", gebe ich zurück.
„Ja, ich meine das ist doch kein Sport. Ich könnte auch zwei Stunden im Kreis fahren. Aber die möchte ich mal sehen, wenn sie eine Arabesque machen", lache ich.
Wiederrum stimmt Ollie mit ein. „Ich hau mich nochmal aufs Ohr", verkünde ich und verabschiede mich damit von Ollie, welcher sich wieder seinen altes Ballettaufnahmen widmet.
Eigentlich bin ich gar nicht müde. Warum ich trotzdem gesagt habe, dass ich noch ein schnelles Power-Nap mache, weiß ich auch nicht.
Für die Audition am Nachmittag packe ich meine am schönsten gebügelten Sachen in meine Tasche.
Vielleicht sollte ich nochmal unter die Dusche. Der Unterricht war zwar nicht zu anstrengend, aber geschwitzt habe ich trotzdem.
Unter der Dusche stehend, denke ich über das neue Stück nach.
Warum sollte man über so etwas ein Ballettstück machen? Und auch das, was mir Dennis gesagt hat fliegt durch meinen Kopf.
Scheiß, Duschgedanken. Immer wenn man unter der Dusche steht, denkt man über so viel Blödsinn nach.
Schnell schäume ich mich ein und dusche mich ab.
Meine Haare müssen perfekt aussehen. Ich brauche diese Hauptrolle.
Ich bin jetzt schon fünf Jahre hier. Ich muss mich endlich, obwohl ich erst 16 bin, bei einer großen Ballettagentur melden, ob sie einen jungen Tänzer suchen.
Diese Rolle könnte über meine Zukunft entscheiden und da würde ich nichts dem Zufall überlassen.
Frisch geduscht und voller Hoffnung, dass die Gerüchte um das neue Stück nicht stimmen, gehe ich zum großen Auditorium.
Dort angekommen sitzen schon einige andere Schüler dort.
Ich lasse mich neben Nika und Arthur nieder und blicke mich um.
Die Klassen von Madame Moreau und Moussier Jaques sind auch schon da.
Insgesamt gibt es in der ganzen Schule nur 60 Schüler. 30 Jungs und 30 Mädchen. Auch das Alter variiert. Die Jüngsten sind 11 und die Ältesten 20. Wir kamen von der ganzen Welt hier nach London, um berühmt zu werden.
Der Aufnahmetest soll einer der schwierigsten auf der Welt sein. Und doch habe ich es vor 5 Jahren hierhergeschafft.
„Ah Moussier Lawson. Darf ich mich zu Ihnen gesellen?", werde ich gefragt. „Natürlich, Moussier Durand", antworte ich meinem Lehrer. Dieser lässt sich neben mir in den Sitz nieder.
„Ich hoffe, unsere werte Direktorin hat sich das Stück, welches gleich präsentiert wird, gut überlegt. Ich habe Entwürfe gesehen und bin enttäuscht gewesen", meint mein Lehrer.
„Warum waren Sie enttäuscht, wenn ich fragen darf?", frage ich.
„Nach dieser Geschichte letztes Jahr muss es wieder besser werden, oder unsere Schule verliert ihren guten Ruf", seufzte dieser traurig.
Immer mehr aus meiner Klasse trudeln ein und setzten sich in unsere Reihe.
„Moussier Sargeant. Sie sind ja schon wieder pünktlich. Das könnten Sie gerne öfters machen", scherzt Durand herum.
So kenne ich ihn gar nicht. Seit 5 Jahren bin ich in seiner Klasse und doch war er noch nie zum Witzeln aufgelegt. Er muss wirklich sehr angespannt sein, dass er plötzlich lustig wird.
„Liebe Schülerinnen und Schüler!", eröffnet die Direktorin, Frau Daniilkova, ihre Rede, „Ich freue mich euch alle hier wieder einmal versammelt zu sehen. Die besten Ballettschüler im Lande oder sogar auf der ganzen Welt. Dieses Jahr haben wir uns für unsere Frühlingsaufführung etwas ganz besonders ausgedacht. Es ist eine Art Kollision. Zwischen zwei Sportarten.".
Ich ahne böses. Ich habe im Gefühl, als ob sich die Gerüchte von Ollie verwirklichen.
„Ich möchte euch unseren Choreografen, Ants Kask vorstellen. Er hat schon so viele tolle Stücke choreografiert. Er hat sich auch mit dem Komponisten, Veli Kukk, in Verbindung gesetzt, welcher die Musik geschrieben hat. Ich bitte um einen großen Applaus für die Beiden", erklärt sie weiter.
Natürlich kenne ich den Choreografen.
Er hat nur komische Stücke geschrieben, wie eine Killerversion von „The Sleeping Beauty".
Das kann ja mal was werden.
„Und jetzt darf ich euch das Stück vorstellen", eröffnet die Direktorin und möchte Spannung aufbauen. Nun graut es mir ein bisschen mehr als gedacht vor der Enthüllung.
„Das Stück heißt: Pole Position", jubelt sie ins Mikrofon.
Oh nein. Das hat doch was mit Formel 1 zu tun.
Der große Beifall, den sie sich erhofft hatte, bleibt aus. Auch Durand hält sich den Kopf.
„Auch möchte ich euch jemand anderes vorstellen. Wie ihr vielleicht schon wisst, ist das neue Stück über die Formel 1. Durch diese Person ist auch Mister Kask auf die Idee gekommen, ein solches Stück zu schreiben. Bitte begrüßt mit mir den RedBull-Junior Fahrer, Jüri Vips!", jubelt sie erneut.
Doch wieder fällt der Beifall gering aus. Was hat sie sich erhofft? Dass wir alle hoffen, über Autos zu tanzen, oder was?
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Das nächste Kapitel ist da! :)
Ich hoffe es gefällt euch und ist gut zu lesen.
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