VIII

Wir richten uns gen Morgenstern Richtung Meer. Durch den starken Wind gewinnen wir schnell die perfekte Flughöhe und lehnen uns über die Reling. Voller Aufregung beobachten wir, wie die Landschaft vorüberzieht. Alles wirkt so klein. Begeistert zeigen wir ständig auf neu Entdecktes oder greifen nach den schwebenden Wolken, die uns überraschen, weil sie nur feuchte Luft sind. In der ersten Nacht stellt die Besatzung den kurzen Abstand zu den Sternen fest. Im Allgemeinen genießen wir zu dritt oder in Zweisamkeit den Flug.

Am späten Nachmittag des zehnten Tages sehen wir endlich unser Ziel. Aus dem Meer erhebt sich die kleine Insel mit einem hohen Berg. Unser Ziel. Liam bringt unser fliegendes Schiff an einer Klippe zu stehen. Sobald wir das Gras berühren, tauchen kleine Lichtpunkte von allen Seiten auf, die sich zu einer Gestalt mobilisieren. Ein Mädchen. Zur Vergewisserung, dass dies kein Traum war, zwicke ich mir fest in den Arm, doch verspüre Schmerz. Überwältigt frage ich mich, wie dies gehen sollte.

Das Mädchen fordert uns mit einer Handbewegung auf, ihr zu folgen. In Trance befolgen wir den Befehl. Staunend gehen wir durch den Wald. Hier scheint alles anders zu sein. Kein Gesetz scheint hier zu existieren. Neuartige Tiere gleiten durch die Luft oder befinden sich am Boden. Glitzerstaub, der die Luft zum Schimmern bringt, fliegt herum.

Wenig später erscheint vor uns eine Lichtung mit einem unnatürlich blauleuchtenden Teich in der Mitte. Über ihm geben schwebende, kleine Lichtpunkte ein mystisches Leuchten ab. Verwundert blicken wir uns an. Was ist das für ein Ort? Niemand erhebt die Stimme, sondern wir alle bestaunen den Ort.

Das Mädchen erhebt die Stimme. ,,Mein Name ist Destiny. Die Herrin dieser Welt. Es ist der Fluchtort aller Magie, die ihr Menschen vertrieben habt. Irgendwann wollten wir euch helfen. Keinen Hass oder Habgier solltet ihr verspüren. Eine bessere Welt sollte es werden. Doch die Heilung schlug fehl. Die Seuche, wie ihr sie nennt, bekam einen eigenen Willen und tötete alle Befallenen. Dies kann nur ein freiwilliger Mensch, der sich opfert, aufhalten. Ihr seid die Ersten, die den Hinweisen gefolgt sind. Nun frage ich euch. Fühlt sich jemand von euch dieser Aufgabe gewachsen."

Erschrocken blicke ich sie an. Einer von uns sollte sterben. Es ist der einzige Weg. Das darf nicht sein! So kurz war ich vorm Beenden der Aufgabe, aber der Preis ist zu hoch.

Aus dem Augenwinkel sehe ich Kiana, die mit erhobenem Kopf hervortritt. ,,Ich melde mich. Fast meine gesamte Familie verlor ich wegen dieser Seuche. Nicht noch mehr will ich loslassen. Ich gehe freiwillig, um andere Menschen zu retten. Aber ich habe eine Bitte. Stoppt euer Vorhaben. Nehmt keinem das Schlechte, das was uns lebendig fühlen lässt. Wir sind nicht perfekt und haben Fehler. Aber daraus lernen wir." Kurzzeitig ist es still. Ihre Aufmerksamkeit gilt mir. Sie lächelt mich sanft an. Verwirrt erwidere ich ihren Blick. Doch dann verstehe ich. Sie wird sterben. Im Sekundenbruchteil bin ich bei ihr und drücke sie an mich. ,,Nimm dieses Angebot umgehend zurück! Das Opfer ist zu groß. Verlass mich nicht", flehe ich. Kiana erwidert meine Umarmung und ich spüre ihr Kopfschütteln an meiner Schulter. Sie hat ihr Schicksal schon akzeptiert. Sofort fließen aus meine Augen die ersten Tränen. Auch mein T-shirt wird langsam nass. Kiana weint. Krampfthaft halte ich sie fest an mich gedrückt. Meine Gedanken schlagen wild in meinem Kopf umher. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Mein Herz pocht schnell in meiner Brust und bittet sie innerlich, mir dies nicht anzutun. Trotzdem kommt kein Geräusch außer verzweifelten Schluchzern über meine Lippen.

Irgendwann löst sie sich von mir. Weicht meinen Händen aus und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Nach mir umarmt sie Liam, in dessen Augenwinkel auch Tränen stehen. Danach dreht sich sich um und beginnt, auf ein Deuten von Destiny in den Teich zu steigen. Liam hält mich eiskalt fest und ignoriert meine verzweifelten Schreie. Tränen benetzen meine Wangen. Mein Herz bricht erneut und wieder kann ich nichts dagegen tun. Schließlich dreht Kiana sich zu uns um. Sie lächelt mich mit verweintem Gesicht an. ,,Ich wollte es so!" sind ihre letzten Worte, bevor ihr Körper sich auflöst und mit dem Wasser eins wird. Mit einem Schlag verschwindet sie aus meinem Leben.

Regungslos blicke ich ins Nichts. Meine wackelpuddingartigen Knie geben endgültig nach und ich stürze zu Boden. Das mysteriöse Mädchen kniet sich anmutig vor mich. In ihrem Arm wiegt sie ein Baby. ,,Die Rede war nur von einem Opfer. Sie trug das Mädchen im Bauch. Dein Kind. Achte gut auf sie. In ihr fließt magisches Blut. Wie jetzt auch bei euch. Seht es als kleines Dankeschön für euren unentbehrlichen Dienst. Die Seuche hat endlich ihr Ende gefunden." Doch meine Aufmerksam liegt beim Baby, das leise weint und strampelt. Sanft nehme ich es entgegen. Beim Anblick der blauen Augen heilt mein gebrochenes Herz ein kleines Stück und ich bin wieder fähig zu lieben.

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