Prolog
"Even, alles klar bei dir?" Der Braunhaarige fuhr erschrocken herum, bevor er hastig nickte und nervös seinen weißen Kittel glatt strich. "Ich glaube schon." Ein schüchternes Lächeln legte sich auf seine schmalen Lippen, als er die schwarzafrikanische Schönheit vor sich ansah. Der helle Laborkittel stellte einen extremen Kontrast zu ihrer dunklen Haut, den schwarzen Haaren und den tief braunen Augen da und betonte, da er ihr minimal zu klein war, ihre Kurven umso besser.
Verlegen wand Even den Blick wieder ab und starrte auf den großen Monitor vor sich, der die Aufzeichnungen der Überwachungskamera wiedergab. Objekt 4 und 5 waren zu sehen, wie sie sich durch die Glasscheibe, die sie trennte, anstarrte. Zumindest wirkte es so, doch Even wusste es besser. Keins der beiden Objekte konnte überhaupt eigenständig denken, geschweige denn ohne Anordnung handeln. Und selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, war kein Objekt in der Lage zu sehen oder Informationen eigenständig zu verarbeiten. Nein, sie standen einfach nur da und warteten auf den nächsten Befehl, während sie ihre leeren Augenhöhlen zufällig aufeinander gerichtet hatten.
"87 hat einen Anfall", ertönte die weiche Stimme der Schwarzafrikanerin vom anderen Ende des Raumes und Evan drehte sich sofort zu ihr um. "Ich kümmere mich darum", versicherte er ihr eifrig und griff nach seiner Schlüsselkarte, die neben ihm auf dem Tisch lag, sowie nach einer Pistole. Vorsichtshalber.
Mit schnellen Schritten machte er sich auf den Weg nach unten, denn die Käfige lagen im Keller, tief unter der Forschungsbasis, gut versteckt vor neugierigen Blicken. Es gab nicht viele, die hier von wussten, er gehörte somit eigentlich zur Elite, auch wenn er nur ein schlecht bezahlter Mitarbeiter der Oasis 4, so nannte die Regierung die Forschungsstationen, war. Er war nur dafür da, nach den Objekten zu sehen und sie ruhig zu stellen. Mehr nicht, und dennoch war es viel Verantwortung.
Lächelnd nahm er die letzten Stufen der Treppe, die nach unten führte. Er lief gerne, denn die Röhre, die einen in Sekundenschnelle nach unten transportierte, war einfach nichts für ihn. Wie von selbst wurde der Gang vor ihm hell und erleuchtete eine metallene Tür am Ende des Raums.
Wie gewohnt hielt Even seinen Finger über den Scanner und schloss schließlich mit Hilfe der Schlüsselkarte die schwere Tür auf. Sofort schwappte ihm die unangenehm warmfeuchte Luft entgegen, genauso wie der Gestank, den die Objekte mit sich trugen. Es waren ihre Körper, die rochen als würden sie verwesen. Vermutlich war auch genau dies der Fall, doch Even hatte keine Mittel um es zu verhindern, selbst wenn er es gewollt hätte.
Der Braunhaarige seufzte, während er versuchte den Geruch auszublenden, um einfach nur seine Aufgabe schnell hinter sich zu bringen. Ihm war mulmig zu Mute, was daran lag, dass er sich vor den Kreaturen und der Dunkelheit fürchtete. Dabei war er vollkommen in Sicherheit. Das Glas war dick und widerstandsfähig, so stark, dass es niemand jemals durchbrechen konnte und erst recht kein Objekt. Vorsichtig ließ er seinen Blick über die Käfige schweifen. Die Kreaturen darin waren hässlich und dank ihrer langen Beine, die in großen Füßen endeten, riesig. Sie liefen aufrecht, genau wie Menschen, doch da gab es vieles, was sie unterschied. Da waren zum einen die leeren Augenhöhlen die ins Nichts starrten und die Nasenlöcher, ohne Nasenrücken sowie die Ohrlöcher ohne Ohrmuschel. Außerdem waren sie kahl, nur rosafarbene Haut, die an kein Licht gewöhnt war. Nur an den modrigen Keller. Even erschauderte, als er an dem nächsten Objekt vorbeiging, dass seine Hände mit den langen Krallen gegen die vom Atem beschlagene Glasscheibe gelegt hatte, als wolle es hinaus. Doch das war nicht möglich. Es konnte nicht denken, kein Objekt konnte das.
Dennoch beschleunigte der Mann Mitte zwanzig seine Schritte ein wenig und als würde es ihn sehen, riss es gerade in dem Moment seinen Mund auf und entblößte zwei Reihen spitzer und fingerlanger Reißzähne, die in der Lage gewesen wären den Braunhaarigen ohne Probleme zu zerfleischen.
Even wand seinen Blick ab. Die Kreaturen jagten ihm nicht nur einen kalten Schauer über den Rücken, nein, sie ekelten ihn auch an. Ihre dürre Gestalt, wegen der man fast alle Knochen durch die Haut hindurch sehen konnte, war einer der Gründe.
In dem Moment erreichte Even die gläserne Tür zu Objekt 87. Zuckend lag es in einer der hinteren Ecken und Wasser lief ihm aus dem Mund, was die wässrige Pfütze auf dem Boden erklärte. Even seufzte auf und zog die Schlüsselkarte durch den Scanner rechts neben der Tür, die sich kurz darauf von selbst öffnete. Er wusste nicht, wieso die Objekten immer und immer wieder einen Anfall erlitten, denn es gab keine wissenschaftliche Erklärung dafür. Es war wie eine unbekannte Variable, zu der es keine Gleichung gab. Das einzige, was er darüber wusste, war, dass sie, sobald sie an diesem Punkt ankamen, starben. Zwar erforschte er dieses merkwürdige Ereignisse schon seit längerem, doch bisher hatte er keine Ergebnisse liefern können, vermutete jedoch es lag an dem Mangel von irgendeinem Nährstoff.
Vorsichtig trat er hinein und näherte sich der Kreatur an, die sich inzwischen auf dem Boden zusammengekrümmt hatte. "Bald ist es vorbei." Seine leise Stimme hallte laut in dem kleinen Raum, während er immer noch mit ein paar Meter Entfernung von dem Objekt stand. Er wusste nicht, wieso er mit ihm redete, da es ihn eh nicht verstehen würde, aber es beruhigte ihn selbst. Die Zuckungen wurden stärker und die schlaksigen Arme schlugen unregelmäßig auf den Boden. Even atmete tief durch, um sich davon abzuhalten sich abzuwenden. Er mochte es nicht nach den Todgeweihten zu sehen und der einzige Grund, weshalb er es dennoch tat, war, dass er überzeugt war, es würde seiner Forschung helfen und er dadurch Lauren, seiner Arbeitskollegin, imponieren konnte.
Die Zuckungen wurden immer abgehackter und erfolgten unter kurzen Abständen, bis das Objekt 87 schließlich erschlaffte. Es war tot. Seufzend trat der Braunhaarige ein bisschen näher und stieß die Kreatur vorsichtig mit der behandschuhten Hand in die Seite. Die Haut war ganz trocken, fast ausgetrocknet. Leblos. Doch als Even gerade den Raum verlassen wollte, um sein Seziermesser und die anderen Geräte zu holen, sah er plötzlich eine Bewegung durch das Objekt vor ihm fahren. Erschrocken keuchte er auf und stolperte einen Schritt zurück, sodass er mit dem Rücken gegen das eiskalte Glas des Käfigs stieß. Wieso bewegte es sich noch? Sein Herz setzte kurz aus, um gleich darauf doppelt so schnell weiterzuschlagen, während er fassungslos beobachtete, wie die Kreatur innerhalb binner Sekunden auf den zwei Beinen stand und ihn weit überragte.
"Oh mein Gott", hauchte Even entsetzt und drückte sich enger gegen die gläserne Wand. Es waren nur wenige Schritte bis zur offenen Tür, doch das Objekt wäre schneller als er. Sie waren dafür gezüchtet zu rennen. Er schluckte und könnte sich im selben Augenblick dafür Ohrfeigen. Er musste still sein, denn die Kreaturen konnten zwar nicht sehen, dafür aber hören. Sehr gut hören. Das Blut rauschte in den Ohren von Even, als sie nackte Gestalt vor ihm langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Unsicher und ungeübt, aber definitiv entschlossen. Als es auf gleicher Höhe wie der Braunhaarige war, wand es seinen Kopf in seine Richtung und die leeren Augenhöhlen schienen ihn direkt anzustarren. Bösartig, als wüsste es, dass er ihm das angetan hatte. Evens Puls verdoppelte sich und er selbst konnte sein Herz gegen seinen Brustkorb hämmern hören. Es schlug viel zu laut. Ängstlich presste er sich noch enger an das glatte Glas. Er konnte sich nicht einmal erklären, wie das passieren konnte. Ein Objekt konnte keinen Anfall vortäuschen, sie konnten ja nicht einmal denken. Das war ausgeschlossen.
Langsam schwankte die Kreatur weiter, auf die offene Tür zu und Even fasste einen Entschluss. Er musste schießen. Wenn er es nicht jetzt tun würde, wäre es vermutlich für immer zu spät, denn wenn die Kreatur entkommen würde, würde er sie nicht mehr aufholen können.
Even atmete tief ein und griff nach der Waffe in seiner Hosentasche. Nur ein Schuss. Blitzschnell packte er die Pistole, richtete sie nach vorne und drückte ab. Er hörte den Knall, spürte wie sein eigenes Herz vor Panik stehen blieb und er nach hinten gedrückt wurde. Dann das schmerzerfüllte Kreischen des Objekts, doch der Sturz auf den Boden blieb aus. Stattdessen vernahm er die schnellen Schritte, die den Gang entlang jagten.
Erst jetzt merkte er, dass er seine Augen fest zusammengekniffen hatte und erblickte, als er sie langsam wieder öffnete, eine Pfütze dunkelrot bis schwarzes Blut auf dem Boden. Riesige, blutige Fußabdrücke führten den Gang entlang, doch von dem Objekt fehlte jede Spur. Es war schneller, als er gedacht hätte.
Fasziniert und dennoch eingeschüchtert folgte er der blutigen Spur. Die Kreaturen in den benachbarten Käfigen waren unruhig geworden und starrten ihn an, während er den Gang entlang lief. Irgendetwas musste schief gelaufen sein. Wie auch immer das möglich war, aber Objekt 87 hatte begonnen zu denken und zu handeln. Wie ein Mensch. Aber sowas konnte eigentlich gar nicht passieren! Even begann zu rennen, schneller und schneller. Er musste das Objekt zurückholen, bevor es Lauren erwischte. Er musste sich beeilen, denn sonst wäre es zu spät.
Ohne die Tür abzusperren hetzte er die Treppe nach oben. Immer zwei Stufen auf einmal. Das Blut rauschte in seinen Ohren und sein Atem war das Einzige, was neben seinen schnellen Schritten die Stille durchbrach. Panisch sah er sich um. Die Blutspur war verebbt, es gab keine Anhaltspunkte, wo sich das Objekt aufhielt.
Keuchend blieb Even stehen und lauschte, doch außer seinem rasendem Herz und dem Blut, dass schneller als sonst durch seinen Körper rauschte, war es still. Und plötzlich ertönte ein lauter Schrei. Lauren. Ohne zu zögern stürmte er los, rannte durch die nächste Tür und blieb abrupt stehen. Der Boden vor ihm war blutgetränkt, doch von der Schwarzafrikanerin und der Kreatur fehlte jede Spur. Es war wieder vollkommen still, doch Even beschlich ein ungutes Gefühl. Als würde er beobachtet werde. Langsam drehte er sich um die eigene Achse. Das Objekt war hier, das wusste er einfach. Er spürte den bohrenden Blick und die Mordlust, die dieses Geschöpft versprühte. Dafür war es schließlich geschaffen worden, um zu töten.
Langsam schlich er vorwärts durch eine rote Pfütze, doch er zuckte nicht einmal zusammen. Adrenalin schoss durch seine Adern, vernebelte seinen Verstand und betäubte seine Angst. Er musste Lauren retten, solange es noch nicht zu spät war. Es würde sie retten. Mit beiden Händen hielt er die Pistole von sich weg, den Finger auf dem Abzug, bereit zu schießen. Er würde es umbringen.
In dem Moment hörte er ein Tropfen aus der hinteren Ecke des Labors, hinter den riesigen Öfen. Langsam und leise setzte er einen Fuß vor den anderen und lauschte dem regelmäßigen Platschen der Flüssigkeit auf den Boden. Anscheinend war das Objekt doch nicht so schlau, wenn es sich so einfach verriet. Einen siegessicheres Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Gleich wäre es vorbei.
Vorsichtig und so leise wie möglich positionierte er sich vor den Heizöfen und verharrte noch einen Moment in der Tarnung. Innerlich zählte er bis drei, dann machte er keinen Satz nach vorne, richtete die Waffe in den schmalen Spalt und erstarrte. Entsetzt blickte er nach vorne, direkt in die weit aufgerissenen Augen von Lauren. Von der toten Lauren, denn sie hing vollkommen zerfetzt an den Kabeln. Alles war voller Blut. Even lief es heiß und kalt den Rücken hinunter, als er plötzlich eine Bewegung hinter sich wahrnahm. Wie erstarrt stand er vor seiner Arbeitskollegin, bewegte sich keinen Zentimeter, bis plötzlich etwas auf seinen Kopf tropfte. Schmerzhaft zog sich sein Magen zusammen, bevor er ganz langsam den Kopf in den Nacken legte und in das blutverschmierte Gesicht der Kreatur sah.
Evens Herz setzte aus, doch bevor er reagieren konnte, blitzten die spitzen Zähne mörderisch auf und das Maul schoss nach unten, um seine langen Reißzähne in die Kopfhaut des Braunhaarigen schlagen. Unglaublicher Schmerz erfasste den Mann, ließ ihn um sein Leben schreien, bevor er langsam die Sinne des Braunhaarigen benebelte. Alles wurde schwummrig, während Even noch wie durch einen Schleier mitbekam, wie das Objekt seine Kopfdecke abriss und verschlang. Seine Augen wurden glasig und starrten zu Lauren, bevor seinen Körper die letzte Kraft verließ und er rückwärts in einen unglaublich tiefen, schwarzen Abgrund fiel und das Leben ihn für immer verließ.
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2029 Wörter
Endlich der Prolog:)
Die Update Tage für dieses Buch sind vermutlich Freitag, Sonntag und wenn ich gerade Zeit habe Dienstag😅
Viel Spaß beim Lesen😚
Geschrieben am 1.11.17
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