3. Kapitel

Gerade, als ich sich mein Herzschlag wieder halbwegs normalisiert hatte, ertönte ein zweiter gellender Schrei, lauter und angsteinflößender als der erste und es lief mir kalt den Rücken hinunter. Das Kreischen klang so schrecklich, es nahm die ganze Steppe ein. Jedes Härchen auf meinem Körper stellte sich auf, während die Schreie langsam verebbten. Was auch immer da draußen war, es war definitiv kein Mensch.

"Wir sollten nachschauen, was das ist", raunte mir Emma zu und machte einen Schritt weiter nach vorne. Alles in mir sträubte sich dagegen, ihr zu folgen. Solange was auch immer diesen Schrei verursacht hatte da draußen war, war alles gut. Ich wollte gar nicht wissen, was das war, zumindest wollte ich es nicht selbst herausfinden, denn etwas in meinem Körper sagte mir, dass es eine große Gefahr mit sich brachte. Dieses Kreischen, als würde es nach Blut schreien. Ich schüttelte mich leicht. Ich übertrieb mit Sicherheit nur wieder.

"Kommst du?", erkundigte sich das Mädchen vor mir und drehte sich nochmal um. Unsicher wechselte mein Blick immer wieder zwischen ihr und der endlosen Steppe hin und her. "Wollen wir nicht lieber wieder reingehen?", schlug ich halbherzig vor und sah sie bittend an, doch Emma wirkte geradezu entgeistert über meinen Rückzieher. Ihre Neugierde war geweckt. "Ach komm schon, wir schauen auch nur aus der Ferne", versuchte sie mich zu überzeugen, doch ich war immer noch unsicher. Alles in mir warnte mich davor nach draußen zu gehen, wie eine dunkle Vorahnung und dennoch nickte ich. Ich konnte sie ja schlecht alleine gehen lassen und irgendwie interessierte es auch mich, was da in Mitten der Steppe lauerte, auch wenn sich mein Bauch bei dem Gedanken zusammenzog.

Auf Emmas Gesicht bildete sich ein breites Grinsen und sie begann wieder weiter zu laufen. Ein zügiger Schritt nach dem anderen. Ich zögerte kurz, dann folgte ich ihr aus dem Schatten des Hauptquartiers hinaus in das goldene Meer aus trockenem Sandstein. Ein letztes Mal drehte ich mich unsicher um und warf dem fast kugelförmigen Gebäude hinter mir einen unschlüssigen Blick zu, bevor ich mich endgültig der ewigen Landschaft vor mir widmete.

"Ich glaub es kam von dort drüben", teilte mir Emma mit leiser Stimme mit, während sie auf einen kleinen Hügel zeigte. Nur eine kleine Unebenheit, kaum größer als ich selbst. Leicht nickte ich, um ihr meine Zustimmung mitzuteilen und konzentrierte mich wieder auf den Weg. Wenige, vertrocknete Pflanzen wuchsen vereinzelt auf der Steppe, während ich leise einen Fuß vor den anderen setzte. Das, was auch immer dort hinten auf uns wartete, sollte mich nicht kommen hören.

Mit jedem Schritt, den wir uns dem Hügel näherten, schlug mein Herz schneller und ich wurde unruhiger. Meine Hände zitterten vor Aufregung leicht, sodass ich sie in meinen Hosentaschen vergrub. Wir würden nur schauen, nur ein Blick.   Nichts gefährliches, einfach nur um zu wissen, was dort war.

Als wir direkt vor der Erhöhung standen, wechselte ich einen kurzen Blick mit Emma. Entschlossenheit spiegelte sich in ihren Augen wieder, als sie begann den steinernen Hügel zu erklimmen. Ich zögerte, folgte ihr dann jedoch. Was sollte schon passieren? Meine Fingernägel gruben sich in den hellen Stein und mit viel Kraft zog ich mich selbst nach oben. Meine Füße tasteten nach einem Halt und fanden einen kleinen Vorsprung. Wieder griff ich weiter nach oben, spürte eine Mulde im Gestein, und griff hinein. Meine Arme brannten, während ich mich hoch zog. Angestrengt keuchte ich auf, suchte verzweifelt nach Halt für meine Füße, doch da war nichts.

In dem Moment packte jemanden meine eine Hand und zog daran. Emma. Sogar sie war trainierter als ich. Meine Füße fanden einen herausstehenden Stein und ich stand wieder sicher. Erleichtert keuchte ich auf und lehnte mich an den warmen Stein, der sich bereits im Schatten befand, jedoch noch immer erhitzt von dem heutigen Tag war.

Mein Blick wanderte nach oben. Emma lauerte bereits an der Kante, starrte jedoch noch immer zu mir hinunter, bereit mir jedem Moment zu Hilfe zu kommen. Nur noch ein Handgriff. Ich überwand mich, löste meine Hand aus dem sicheren Vorsprung und ließ sie nach oben wandern. Als hätte er auf mich gewartet, entdeckte ich einen perfekten Stein, der mindestens fünf Zentimeter aus der Wand hinaus ragte und packte ihn. Meine Füße rutschten in die Mulde, in der ich vorher noch meine Hände gehabt hatte und ich befand mich auf der Höhe der Kante.

Stolz und Erleichterung strömten durch meinen Körper, als ich die Strecke hinunter sah, die ich gerade erklommen hatte. Das waren sicher dreieinhalb Meter, die ich geklettert war und ich hatte es geschafft. Der Hügel war viel höher, als ich angenommen hatte,

In dem Moment hörte Emma leise aufkeuchen. Perplex folgte ich ihrem Blick und erstarrte ebenfalls. Auf der anderen Seite des Hügels stand etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Es hatte keine Augen und keine Nase, noch nicht einmal Ohren, dafür aber einen riesigen Mund. Die leeren Augenhöhlen wanderten suchend durch die Gegend und der nackte, riesige Körper stand verloren in Mitten der kargen Landschaft. Die Beine des Wesens waren fast so hoch wie ich selbst und an den Hände der Kreatur wuchsen lange Krallen. Ich schluckte. Was auch immer das war, es gehörte nicht hier her.

Das Wesen drehte weiterhin fast ziellos den Kopf in alle Richtungen, als es plötzlich inne hielt. Die leeren Augenhöhlen waren auf uns gerichtet und schienen und direkt anzustarren. Ohne mich zu bewegen verharrte ich in der Position, starrte wie versteinert zurück und hoffte, es würde sich wieder wegdrehen. Doch die Kreatur wand sich nicht um. Sie starrte uns nur hemmungslos an und öffnete plötzlich den Mund, um einen lauten, gellenden Schrei auszustoßen. Es klang nicht wie ein Hilferuf, es klang eher, als würde es seinen Freunden mitteilen, dass es hier Fressen gab. Ich erschauderte und spürte, wie sich kalter Angstschweiß auf meinem Körper ausbreitete.

"Lass uns abhauen", zischte ich Emma zu, doch die beobachtete immer noch wie hypnotisiert das Wesen vor uns. "Emma!" Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit, während ich sie mit einer Hand leicht in die Seite pickte. "Nur noch ganz kurz, ich will wissen, was es macht", raunte sie mir zu ohne den Blick abzuwenden und ich starrte wieder unruhig zu dem Wesen, dass uns zu fokussieren schien. Es war unheimlich und es schrillten augenblicklich alle Alarmglocken in meinem Kopf, als ich die Kreatur dort stehen sah, als würde ihr die Steppe gehören.

In dem Moment stieß Emma neben mir einen erschrockenen Schrei aus und ich hörte im nächsten Moment einen dumpfen Aufprall. Sofort fuhr ich herum und starrte auf Emmas Körper, der auf dem Boden lag und von einer zweiten, nackten Kreatur, die den Fuß der Rothaarigen bereits mit den langen Krallen umfasst hatte, betrachtet wurde. "Emma", quietschte ich erschrocken auf und zog augenblicklich die Aufmerksamkeit des Wesens auf mir. Die leeren Augenhöhlen starrten mich an und ließen mich vor Angst versteinern, während mein Herz für einen kurzen Moment aussetzte. Jetzt würde es auch mich hinunterziehen, schoss es mir durch den Kopf, doch die Kreatur drehte mir einfach wieder den Rücken zu und begann Emma an einem Fuß hinter sich her zu schleifen.

Emma begann augenblicklich wieder zu schreien und sich unter dem Griff des Monsters zu winden, doch der zwei Meter Riese schenkte ihr keinerlei Beachtung. Ich sah, wie sie verzweifelt ihre Fingernägel in den ausgetrockneten Boden grub, in der Hoffnung das Ding aufzuhalten, doch sie immer weiter gerissen wurde. Tränen rannen ihr über die von Sommersprossen übersäten Wangen und ihr hilfesuchender Blick blieb an mir hängen.

In dem Moment kam wieder Bewegung in mich und ich befreite mich aus der Starre. Ohne zu überlegen löste ich meinen Griff und sprang von dem Hügel hinunter, wobei mich mit meinen Händen abstützen musste, um mich hinzufallen. Für einen Augenblick nahm ich das Hauptquartier in der Nähe war und überlegte, ob ich nicht doch lieber zurücklaufen sollte, als mir bewusst wurde, dass ich Emma nicht alleine lassen konnte. Sie war meine einzige Freundin hier und sie kümmerte sich die ganze Zeit um mich. Wir waren ja sogar nur hier draußen, weil sie mir helfen wollte. Entschlossenheit packte mich und das Adrenalin in meinen Adern ließ mich die Angst vergessen, als ich begann hinter dem Wesen her zu sprinten.

Im Lauf begann mein Gehirn vollkommen abzuschalten und ich schmiss mich nach vorne, um nach Emmas freier Hand zu greifen. Ich erwischte sie gerade noch und umklammerte die mit aller Kraft. Voller Entschlossenheit setzte ich mich auf, nicht ohne den Griff zu lockern, sodass meine Füße links und rechts von ihrem Kopf der Kreatur Widerstand leisteten. Entfernt nahm ich wahr, wie auch Emma ihre Fingernägel in meine Haut grub, doch es spielte keine Rolle, ich spürte noch nicht einmal den Schmerz. Alles was zählt, war, dass wir beide diesen Kreaturen entkamen, denn ich wusste instinktiv, dass sie uns nichts Gutes wollten.

Das Wesen drehte sich um, musterte mich aus leeren Augenhöhlen kritisch, bis es plötzlich begann ruckartig an Emmas Bein zu ziehen, um mich abzuschütteln. Emma schrie auf und ich stemmte meine Füße keuchend in den Boden. Vor lauter Anstrengung zitterte mein gesamter Körper, doch ich gab nicht auf. Mein Herz raste und alles, was ich hörte, war das in meinen Ohren rauschende Blut. Ich sah, wie immer mehr Tränen aus Emmas Augen liefen und über ihre Wange rannen und bemerkte die Qualen in ihren Augen, während von allen Seiten an ihrem Körper gezerrt wurde, doch ich ließ nicht los. Ich durfte nicht loslassen. Die Kreatur zog energischer und Emmas Fingernägel rissen meine Haut auf. Entfernt spürte ich das warme Blut, das meinen Arm hinunter lief, doch ich spürte keinen Schmerz, nur die Angst in meinen Herzen Emma zu verlieren.

In dem Moment merkte ich, wie die zweite Kreatur sich näherte und sich direkt auf mich zu bewegte. Ich zog stärker an Emma, spürte, wie unsere Hände immer schwitziger wurden und drohten, einander loszulassen. Verzweifelt verzog ich mein Gesicht, verstärkte meinen Griff und versuchte mich mit meinem gesamten Gewicht entgegen des Wesens zu stemmen, doch es bewegte sich keinen Zentimeter zurück. Es kam nicht einmal ins Schwanken.

Plötzlich spürte ich Krallen an meinem linken Oberarm und Panik breitete sich in mir aus. Ich spürte, wie sie sich durch meine Haut gruben und der Schmerz durchbrach meine Mauer. Ein qualvoller Schrei entwich meinen Lippen, während ich mich aufbäumte und versuchte, die Krallen von mir zu lösen, doch der Schmerz wurde nur schlimmer. Tränen traten mir in die Augen und tropften auf den warmen Boden der Steppe, der inzwischen in das blutrot Licht des Sonnenuntergangs getaucht wurde.

Mein Blick traf den von Emma und für einen Moment war es, als würde die Zeit still stehen. Ich sah die Angst und den Schmerz in ihren Augen, erkannte die feuchten Spuren der Tränen auf ihren Wangen und das Blut an ihren trockenen Lippen, die vermutlich aufgeplatzt waren. "Ich lass nicht los", formte ich stumm mit meinen Lippen und ich sah die Dankbarkeit in ihren Augen, als plötzlich ein Ruck durch meinen Körper ging und mich nach hinten schleuderte. Meine Hände entglitten ihren und ich konnte noch wie in Zeitlupe sehen, wie sie mir hinterher starrte, den Mund zu einem stummen Schrei verzogen.

Und dann hob ich ab. Die Kreatur schleuderte mich durch die Luft und ich spürte den Wind in meinen Haaren. Die Luft rauschte vorbei und ließ mich fliegen, entriss mich den Gesetzten der Schwerkraft. Alles verlangsamte sich, bis ich plötzlich gegen etwas hartes knallte. Mein Kopf vibrierte und ich hörte jemanden schreien. Schmerzwellen durchzuckten meinen Körper, trieben mir noch mehr Tränen in die Augen und ich bemerkte, dass es ich selbst war, die schrie. Alles um mich herum wirkte verschwommen und ich spürte entfernt eine warme Flüssigkeit an meinem Kopf. Ich realisierte es gar nicht wirklich.

Langsam wurde meine Sicht wieder klarer und ich erkannte, wie sich das Wesen über mich beugte, den Mund voller messerscharfer Zähne weit aufgerissen. Es beugte sich über mich, bereit meinen Kopf zu verschlingen und mein Herz versagte für einen Moment. Angst machte sich in mir breit und ich kniff die Augen zusammen, beriet mit meinem Leben abzuschließen. Doch in dem Moment ertönte ein ohrenbetäubendes Kreischen und ich blinzelte leicht durch meine Wimpern. Die Kreatur vor mir hatte den Kopf wieder gehoben und wand sich dem zweiten Wesen zu. Es wirkte fast, als würden die augenlosen Geschöpfe so miteinander kommunizieren.

Die Kreatur wand sich dem Gehen und schwarze Punkte begannen vor meinen Augen zu tanzen. Der Schmerz geriet in den Hintergrund und alles wurde taub, während meine Augen nach denen von Emma suchten. Das Wesen schliff Emma hinter sich her über den trockenen Boden. Ich sah sie schreien, doch ich hörte nichts, als säße ich hinter einer dicken Glaswand. In ihren Augen lag Angst und Schmerz, so viel, dass es mir im Herzen weh tat. "Halt durch, ich werd dich finden, versprochen", versuchte ich ihr hinterherzurufen, doch mir fehlte die Kraft meine Lippen zu bewegen. Alles verschwamm und wurde dunkel. Mein Kopf pochte und ich sackte in mich zusammen, während ich noch spürte, wie das dickflüssige Blut von meinem Kopf auf den Boden tropfte. Dann verlor ich das Bewusstsein.

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2162 Wörter

Außerdem gibt es tolle News!

Defeated bekommt ein neues Cover von der lieben kyutae- ❤😍😍

Es ist so wunderschön, ich kann es immer noch gar nicht glauben😱💖💕

Ich blende es euch mal ein:

Findet ihr es auch so schön wie ich?😱💖

Geschrieben am 8.11.17

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