Kapitel 18
Während Dean und Sam das Polizeirevier betraten, wandten sich die restlichen drei dem schwarzen Impala zu. Ein wenig perplex war Castiel schon. Normalerweise übergab der Winchester niemandem die Schlüssel für sein Baby - höchstens Sam, aber selbst das schien er zu vermeiden, wenn es denn ging. Nun aber hatte der Engel die Schlüssel und wenn es sich wie ein Ritterschlag anfühlte, dann auch wie ein Sieg. Denn Dean vertraute ihm. Castiel war so in Gedanken und von diesem Gefühl abgelenkt, dass er Crowley nicht bemerkte, der ihn skeptisch von der Seite ansah. Auch Bobby hatte innengehalten.
"Wollen wir nicht einsteigen?", fragte er ein wenig verunsichert nach. Er ließ sich nicht leicht verwirren, aber von Engeln und Dämonen hatte er wenig Ahnung und hielt lieber Abstand. "Irgendwie ergibt das keinen Sinn", stellt Crowley fest. Castiel verstand sofort was er meinte. Theadralisch wie immer holte der König der Hölle zu seiner Erklärung aus: "Wir können uns doch einfach hinteleportieren." Cas unterdrückte lieber seinen Einwand, dass er genau genommen flog, denn das war im Moment irrelevant. "Warum behalten sie nicht den Schlüssel?" Crowley sah so aus, als wäre er der Überzeugung, dass die Winchesters oder zumindest Dean dumm war. Aber selbst Castiel konnte darauf keine Antwort geben.
In einer flüssigen Bewegung nahm Bobby dem Engel endlich den Schlüssel ab. "Nichts da. Cas vertraue ich ja noch, aber trotzdem... Autofahren ist mir dann doch lieber." Der Dämon schnaubte amüsiert auf. "Außerdem könnten Polizisten am Tatort sein. Die würden sich wundern, wenn wir einfach so plötzlich auftauchen!" Während Cas verstehend nickte und wortlos auf der Beifahrerseite einstieg, ließ sich Crowley schlichtweg nicht vorschreiben was er tun sollte. Mit einem Schnipsen war er verschwunden. Grummelnd stieg auch Bobby in den Wagen ein, drehte den Schlüssel um und fuhr dann los.
"Dieser Kerl bringt mich noch um den Verstand. Ich hoffe er macht sich nützlich", murrte er in seine kleinen Bartstoppeln. Cas konnte ihn gut verstehen. 'Zusammenarbeiten' konnte man das nicht wirklich nennen, was hier Crowley bisher mit ihnen tat. Er ließ sich eher herumführen und stellte sich quer. "Ich hoffe wir können den Fall schnell lösen", seufzte Castiel und sah aus dem Fenster. Fliegen wäre wirklich schneller gewesen, aber Autofahren hatte immer so etwas Beruhigendes. Es gab ihm Zeit seine Gedanken zu sortieren. Und die plagten ihn in letzter Zeit besonders, nicht nur, weil er von seinen Brüdern und Schwestern verstoßen worden war. Er dachte auch viel über Dean nach. Er konnte gar nicht mehr anders. Natürlich hoffte er, dass die Brüder bei der Polizeiwache vielleicht mehr Informationen sammeln oder diesen jungen Sheriff befragen konnten. Aber er wünschte sich auch, dass sich Dean den Fall nicht so zu Herzen nehmen und sich auch nicht leichtsinnig in Gefahr begeben würde. Wobei das bei diesem Job eher schwer umzusetzten war. Trotzdem hoffte es Cas, so wie er es immer tat.
Sie fuhren in den Wald, der die Stadt umgab. Der Feldweg bestand eigentlich mehr aus Löchern, Matsch und viel zu großen Steinen, sodass Bobby sehr langsam fuhr und Cas nicht nur einmal fragte, ob sie den Rest nicht lieber zu Fuß gehen sollten. Wenn dem Auto etwas passierte!
Wiedererwarten passierte zumindest kein Schaden, der ersichtlich gewesen wäre und sie kamen einige Meter vor dem mit Polizeiband abgesperrten Bereich zum Stehen. Wenig überraschend hatte der Dämon die kaum Eindruck schindende Hürde bereits überwunden und tappte mit gesenktem Kopf über den Waldboden.
Castiel nahm sich erst einmal Zeit die Umgebung zu checken. Bobby eilte zu ihrem 'Teamkameraden', um ihn davon abzuhalten eventuelle Spuren zu verwischen, wenn das nicht schon die Polizisten getan hatten. Sie befanden sich in einem Wald, der durchschnittlicher nicht sein könnte. Es war ein Gemischter mit Laub- und Nadelbäumen, es roch etwas nach Erde und dem markanten Geruch von Holz. Der Boden war eher weich und von dunklem Moos überzogen, hin und wieder spitze ein kleines Blümchen hervor. Der Engel richtete seinen Blick in Richtung des Himmels. Die weitentfernten Spitzen der Bäume wehten sanft im Wind. Und da bemerkte er es. Stirnrunzelnd schloss er seine Augen und konzentrierte sich. Abgesehen von dem alten Jäger, der gerade etwas erklärte, konnte man nichts hören. Keine Vögel, kein Wind. Es war beängstigend still.
Auf der Hut schloss Cas zu den anderen Beiden auf. Sie standen über eine gesondert markierte Stelle. "Hier lag das eine Mädchen, Evangeline", erklärte Bobby. Die Blutlache war nach wie vor gut zu erkennen. Ein paar Schritte weiter stand ein etwas dickerer Nadelbaum. Die Rinde war kurz über dem Boden etwas abgescheuert. Außerdem waren Rinde und Boden auch hier dunkelrot verfärbt. Dämon und Engel zählten eins und eins zusammen und schlussfolgerten, dass dort wohl die Freundin gefesselt war und auch getötet wurde. Man musste keine allzugroße Fantasie haben, um sie auszumalen wie grausam die Szene ausgesehen haben musste. Sie alle kannten die Tatortfotos.
"Die Mordwaffe, das Taschenmesser, hat natürlich die Polizei mitgenommen. Wir sollten nach etwas anderem Ausschau halten - einem Hinweis, was wir hier jagen", murmelte Bobby und entfernte sich etwas. Sie alle hielten es für unwahrscheinlich, dass sie direkt am Tatort noch etwas finden würden. Dafür waren hier schon zu viele Menschen gewesen. Allerdings waren dem Polizeibericht zufolge die Mädchen beinahe eine Woche hier im Wald gewesen. Es war durchaus möglich, dass sie sich auch woanders aufgehalten hatten. "Er hat einen Hang dazu das Offensichtliche auszusprechen", grinste Crowley, der beschlossen hatte nun Castiel etwas auf die Nerven zu gehen. Gemeinsam gingen sie in Richtung Norden, während sie versuchten immer in Sichweite des Jägers zu bleiben - nur für den Fall.
Cas traf wohl die klügste Entscheidung und antwortete nicht. Nur leider ließ das der Dämon nicht auf sich sitzen. "Was findest du nur an diesen Menschen, an diesen Jägern", rümpfte er abschätzig die Nase. "Sie sind gute Menschen", erwiderte Cas sehr schnell, ohne darüber nachdenken zu müssen. "Ja, ja, aber das sind ja Einige." Crowley verdrehte die Augen. Mit spitzen Fingern schob er einen Ast aus seinem Blickfeld und machte einen großen Schritt über eine etwas größere Mulde im Boden.
"Warum außgerechnet die Winchesters und dieser mürrische alte Mann?"
Ein wenig verwirrt war Castiel schon wegen Crowleys plötzlicherer Fragerei, aber er beschloss, dass es eigentlich auch nicht schadete sich mit ihm zu unterhalten. "Ich habe Dean aus der Verdamm-", begann er.
"Ist ja gut. Weiß ich doch, aber keiner zwingt dich zu bleiben", bemerkte Crowley genervt.
"Das stimmt." Castiels Aufmerksamkeit galt plötzlich dem Unterholz vor ihnen. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl und beeilte sich dorthinzukommen. Der Dämon hatte Mühen hinter ihm herzukommen. Beide beugten sich hinunter, aber nur einer von ihnen nahm die Äste und Zweige zur Seite, um eventuell etwas entdecken zu können. "Ich meine, du könntest auch andere Jäger unterstützen, aber stattdessen klebst du an Dean", fuhr Crowley unbeiirt fort. Vielleicht war ihm entfallen, dass sie nicht zum Spaß in diesem Wald waren. Vielleicht war er aber auch der Ansicht, dass die anderen genauso gut arbeiten konnten, da musste er sich nicht auch noch anstrengen. "An Dean?" Jetzt sah Castiel aber doch auf und stoppte. Er war abgelenkt und deshalb auch etwas rot geworden. Natürlich entdeckte das der andere sofort und ein süffisantes Grinsen zierte seine Lippen.
"Du folgst ihm doch wie ein Hund. Dean hier, Dean da-" Crowley wedelte ausladend vor seinem Gesicht mit seinen Händen herum. "Du bist doch nur wegen ihm hier. Gib es ruhig zu. Du magst ihn mehr, als das es dir erlaubt wäre!" Dämonen konnten gut reden. Sie waren wahre Meister darin über ihr Gegenüber viel herauszufinden, um es dann damit erpressen oder um den Finger wickeln zu können. Aber sie nahmen dabei auch viel an und wussten nicht alles mit Sicherheit. Castiel war sich dessen bewusst und beinahe sicher, dass Crowley bluffte. Er gab nur vor zu wissen was zwischen Dean und dem Engel vor sich ging. Cas würde sich nicht verraten. Er musste überlegen was er wohl am Besten antworten sollte. Aber diese Entscheidung nahm ihm der Dämon persönlich ab.
Crowleys Augen sprangen von ihm zu dem Dickicht, das Cas gerade noch durchkämmt hatte. Er beugte sich weiter vor und zog eine längliche Holzlatte heraus. Sie sah zu neu aus, um dort schon seit Längerem zu liegen und zu nass und dreckig, um erst kürzlich dort gelandet zu sein. Viel auffälliger war jedoch, was auf dem Holz prangte. In rot waren in einem, zumindest nicht auf den ersten Blick erkennbarem, Muster Linien gezeichnet. Sie waren grob aufgetragen, aber man konnte erkennen, das zwei eher gerade verliefen, während die anderen Bögen und Schleifen machten. Crowley fuhr mit einem Finger über einen dieser Striche und roch dann skeptisch daran. "Blut", meinte er und bestätigte, was auch Cas vermutet hatte.
Im gleichen Moment rief Bobby nach ihnen. "Ich hab hier was!" Der ältere Jäger eilte so schnell wie es ging zu ihnen. In seiner Hand hielt er auch eine Holzlatte, die er Beiden zeigte. Auch wenn diese kürzer war, hatte sie auch ein Muster auf der einen Seite. Doch es gab Unterschiede. Die Linien verliefen anders und waren mit einem silbernem Stift aufgemalt. Die 'geraden' Linien waren aber ähnlich verwackelt, wie bei der Latte mit dem Blut. Wahrscheinlich war es die gleiche Person gewesen. "Das kann kein Zufall sein", stieß Bobby aus. Man konnte ihm förmlich ansehen, wie er bereits begann herauszufinden was genau das zu bedeuten hatte. "Das ist ein Hinweis", stellte Crowley augenzwinkernd fest, doch der Jäger war zu vertieft, um den Seitenhieb überhaupt wahrzunehmen. "Vielleicht gibt es hier noch mehr von den Latten oder diesem Muster", mutmaßte Cas und sah sich sporadisch um. Bobby nickte. "Ja, wir sollten uns weiter umsehen."
Nach drei weiteren, ähnlichen Latten, hatten sie sich bereits weit vom Tatort entfernt. Sie glaubten fast nicht mehr daran, dass hier noch etwas zu finden war. Und Castiel bemerkte endlich wieder das Vogelgezwitscher. Er sprach seine Kollegen darauf an und sie alle nahmen es als Zeichen, dass sie keine weiteren Hinweise entdecken würden. Sie kehrten um und wollten sich wieder mit den Winchesters treffen. Gerade, als sie den Wagen erreichten und die gefundenen Latten in Tüchern gewickelt in den Kofferraum legten, klingelte Bobbys Telefon. Er drehte sich vom Auto weg und ging ein paar Schritte. Eine alte Angewohnheit - nicht jeder musste immer seine Gespräche mitbekommen.
"Hallo Dean", meldete er sich. Seine Stimme klang nicht mehr ganz so mürrisch, weil sie jetzt einen Anhaltspunkt hatten und das bedeutete, dass sie in dem Fall weiterkommen würden. "Wir müssen euch etwas zeigen. Treffen wir uns wieder im Motel!", hielt er sich kurz und legte gleich wieder auf. Bobby wandte sich dem Impala zu. Cas und auch Crowley saßen schon drinnen. Sie schienen es auch nicht erwarten zu können mit den Winchestern diese Entdeckung zu teilen und dem Monster auf die Spur zu kommen.
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