Kapitel 10


Langsam kam Castiel die Treppen hinunter und schlich in die Küche. Lisa stand mit dem Rücken zu ihm und schien ganz in ihre Arbeit vertieft zu sein. Sie platzierte Buchstaben aus Marzipan, die zusammen ‚Ben' ergaben, mit hoher Konzentration und Hingabe auf einer zweistöckigen Torte. Dean sah ihn jedoch direkt an und hielt sofort in seiner Bewegung inne. Der Winchester war eigentlich damit beschäftigt gewesen Gemüse zu kleinen Häppchen zu schneiden, doch er legte bei dem Anblick des Engels sofort das Messer weg. Die beiden Freunde waren sich bis eben unbewusst aus dem Weg gegangen und sahen sich nun zum ersten Mal wieder richtig in die Augen. Grün und Blau.

„Hi Cas", meinte Dean trocken, doch er konnte seine Augen nicht von seinem Freund ablassen. Seine Stimme war nicht völlig emotionslos. Man konnte etwas Schmerz daraus hören, was Castiels Herz schwer machte. Er wollte nicht, dass Dean irgendwie leiden musste. Die Wangen des Engels färbten sich leicht rosa, als Dean weiterhin seinen Blick auf ihn gerichtet hielt. So viel Aufmerksamkeit hätte er nicht von dem Winchester erwartet. Schnell wandte er seinen Blick ab. Niemand sollte bemerken, wie sehr ihn das verunsicherte aber auch freute.

„Ä-ähm... Sam ist bei Ben. S-sie machen sich gerade fertig", brachte er mit stotternder Stimme heraus. Irgendwie war es Castiel etwas peinlich so von Dean angestarrt zu werden. Tief in seinem Inneren hatte Castiel das Gefühl, dass er für Deans Schmerz verantwortlich war. Das irgendetwas gestern Abend passiert ist, doch leider konnte sich er nicht mehr daran erinnern. Dieses Gefühl verstärkte sich durch den Blick des Winchesters. Lisa drehte sich um, als wäre das ihr Stichwort gewesen. An ihrem Finger klebte etwas Zuckerguss, den sie sich schnell ableckte. „Perfekt! Dann mache ich mich auch fertig." Sie wischte ihre Hand noch einmal an der Schürze ab und sah zu Dean. In diesem Moment sah dieser auch endlich wieder von Cas ab.

„Du hast ja alles im Griff. Ich bin gleich wieder da." Sie stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und gab Dean einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Kurz bevor sie die Treppen hinauf eilte warf sie dem Engel noch ein schiefes Grinsen zu. Dann war sie auch schon verschwunden. Castiel war erstarrt. Er musste schlucken. Auf sein Herz legte sich eine unendlich schwere Last, als er auch noch sah, wie der Winchester Lisa lächelnd hinterher blickte. „W-was war denn das?", platze es aus ihm heraus. Seine Stimme war etwas lauter als erwartet, doch die Eifersucht war zu groß, da konnte er sich nicht beherrschen. Deans Hand wanderte zu seiner Wange. „Ich habe keine Ahnung." Er sah den Engel wieder an. Doch diesmal war sein Blick völlig normal. Genau wie früher. Als wäre er sich keiner Schuld bewusst, so als hätte ihm diese Situation nichts ausgemacht.

Mit einem Schulterzucken schnappte er sich wieder sein Küchenmesser und zeigte damit auf Cas. „Nimm dir auch eins und hilf mir. Es müssen noch ein paar Häppchen gemacht werden." Gehorsam trat Castiel hinter die Küchenzeile und nahm Deans Messer. Solange er ihm eine Hilfe sein konnte war alles gut. Solange Dean ihn an seiner Seite haben wollte, konnte der Engel mit allem leben. „Ich habe so etwas noch nie gemacht", gab er zu bedenken. „Das wird schon. Ich zeig es dir." Der Winchester nahm eine Paprika aus der Verpackung. Er zeigte seinem Freund, wie er am besten das Grüne heraustrennte und die Hälften in Schneiben schnitt, doch dieser konzentrierte sich nur auf die langen, kräftigen Finger von Dean.

„Hast du es verstanden? Probier es einmal selbst aus!", meinte der größere freundlich und gab Castiel auch eine. Besorgt nahm dieser sein Messer und setzte es an. Er hatte nicht aufgepasst, sondern wie so oft seinen Freund nur beobachtet. Deshalb hatte er keine Ahnung, was er da eigentlich tat und rutschte mit der Klinge ab. Bestürzt hielt Dean die Luft an. Aus dem Finger des Kleineren floss etwas Blut. „Das ist kein Problem. Ich spüre den Schmerz nicht", meinte Cas stirnrunzelnd. Er hatte nicht erwartet, dass das Messer so scharf war. Obwohl der Schnitt nicht sonderlich groß war, holte der Winchester ein Pflaster. „Du musst trotzdem besser aufpassen. Gib mir deinen Finger!" Immer noch verständnislos folgte Castiel seinem Befehl. Behutsam klebte Dean das Pflaster über den Schnitt. Der schwarzhaarige wollte seine Hand wieder zurückziehen, doch der Winchester hielt sie weiterhin fest. Sanft strich er noch mal über den verarzteten Schnitt.

Erst jetzt fiel Castiel auf, wie nahe sie gerade sich gegenüber standen. „D-danke", flüsterte er und sah seinem Gegenüber in die grünen Augen. Der Engel wagte es nicht lauter zu sprechen, als fürchtete er damit den Moment zu zerstören. „Wie geht es dir? Gestern hast du wirklich viel getrunken gehabt", sagte Dean. Auch seine Stimme war nur ein Flüstern und seine Augen blickten Castiel immer noch intensiv an. „Ganz gut. Aber ich kann mich kaum noch an den Abend erinnern. Nur-" Er stockte. Was war gestern Wirklichkeit gewesen oder erinnerte er sich nur an seine Fantasien? Augenblicklich wurde er knall rot.

„Nur?", hakte Dean nach. In seinem Gesichtsausdruck war sofort wieder dieser Schmerz. „Ach nichts! Ich kann mich wirklich an nichts erinnern." Castiel löste sich mit einem leichten Lächeln von Dean. „Wir sollten weiterarbeiten." Der Engel nahm wieder das Messer in die Hand und wandte sich der Paprika erneut zu. Dabei bemerkte er nicht wie sich der Blick seines Freundes etwas verdunkelte und er von hinten nahe an ihn heran trat. „Aber diesmal machst du es auch richtig", hauchte Dean von hinten an sein Ohr. Dabei fuhr er mit seiner rechten Hand Castiels Arm hinab, bis sie ebenfalls den Messergriff umschloss. „Ich helfe dir auch." Der schwarzhaarige konnte nun den ganzen Körper des anderen an seinem Rücken spüren. Sein Atem beschleunigte sich etwas. Kurz schloss er seine Augen und genoss die Nähe.

„Du musst schon schauen. Sonst schneidest du dich wieder!", meinte der Winchester schmunzelnd. „K-klar." Dann begannen sie zusammen das Gemüse zu schneiden. Nie herrschte zwischen den Beiden viel Luft und keiner von ihnen hinterfragte dies. Schließlich wünschte sich jeder von ihnen insgeheim diese Intimität. An ihrer Zusammenarbeit war nichts Unnatürliches, als würden sie das regelmäßig machen. Gemeinsam waren sie in ihrer eigenen Welt und bemerkten nicht, wie Sam die Tür öffnete. Es hatte eben geklingelt und zusammen mit Ben begrüßte er die Gäste. Auch Lisa hatte sich nun umgezogen und schloss ihre Verwandten in eine Umarmung. In diesem Moment wurden Dean und Castiel mit ihrer Arbeit fertig. Sie brachten schnell die Platten in den Garten. Und sofort war es wieder wie vorher. Als hätte es diese Nähe zwischen ihnen beiden nie gegeben. Doch lachten nun beide zufrieden.

Der ältere Winchester wurde von vielen der Gäste ebenfalls herzlich begrüßt, denn er hatte ja auch mal für ein Jahr zu der Familie gehört. Cas hingegen betrachteten sie eher skeptisch. Alle bis auf eine Freundin von Lisa stellten sich ihm höflich vor. Katharina, so hieß sie, entführte ihn gleich zu der Bar und fing an ihm ihre halbe Lebensgeschichte zu erzählen. Da musste Dean damals auch durch, denn sie redete für ihr Leben gerne und baggerte jeden attraktiven Typen an. Grinsend sah er den Beiden hinter her. „Du siehst keinen Tag älter aus, obwohl wir uns so lange nicht mehr gesehen haben", stellte eine Frau fest und kam auf den Winchester zu. Es war Lisas Mutter Julia. Eine nette ältere Frau, die Dean wirklich gut leiden konnte. Sie trug zwar ihr Herz auf der Zunge und nahm nie ein Blatt vor den Mund, aber das machte sie wirklich sehr sympathisch. „Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben!" „Ach was. Du musst nicht lügen Junge."

Die Gäste gingen nach einander in den Garten. Ben hüpfte mit einem strahlenden Lächeln zwischen ihnen umher und packte ein buntes Geschenk nach dem anderen aus. Julia folgte der Menge und setzte sich mit Dean an einen Tisch im Schatten. „Ich hatte gehofft, dass du da sein würdest. Es ist lange her seitdem wir miteinander geredet haben", begann sie das Gespräch. „Da hast du Recht. Mittlerweile ein Jahr, nicht wahr?" Sie nickte. „Hol uns doch bitte eine Tasse Kaffee. Ohne den kann ich nicht mit dir anständig reden!", scheuchte sie ihn wieder auf und zeigte dabei auf den Kaffee und Kuchen Tisch. Dean rollte mit den Augen, doch folgte ihrer Forderung. Sie verstand sich perfekt darauf ihn als Laufburschen zu missbrauchen. Als er am Tisch ankam, hielt Ben ein Kuchenmesser in der Hand und schnitt das erste Stück heraus, so wie es Tradition war. Seine Verwandten machten dabei eifrig Fotos und klatschten begeistert.

Bereits jetzt lief Dean  beim Anblick der Kuchen das Wasser im Mund zusammen. Großzügig lud er sich auf einen Teller von jedem ein Stück auf und kehrte zusammen mit dem Kaffee an den Tisch zurück. Freudig nahm Julia ihm die Tassen ab. „Ben ist schon richtig groß. Wie schnell das nur ging", sagte sie seufzend und stibitze sich die Kirsche von Deans Schwarzwälder Kirsch-Torte. Schmollend sah er der Frucht hinter her, doch er konnte gegen diese Frau nichts sagen. Stattdessen nickte er nur und zog den Teller auffällig unauffällig näher an sich heran.

Genüsslich begann er damit sich eine Gabel nach der anderen in den Mund zu schieben. Lisas Mutter sah an ihm vorbei zu einem genervten Cas, der immer noch munter quasselnden Katharina und einem belustigten Sam hinüber. „Und wen hast du da noch mitgebracht? Deinen Bruder kenne ich ja, den großen Typen mit den langen Haaren, aber der schwarzhaarige..." Bevor er antwortete nahm Dean einen Schluck von seinem Kaffee. „Er ist richtig süß", bemerkte Julia und zog wissend die Augenbrauen hoch. „Da hast du dir aber einen tollen Partner ausgesucht!"

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