Kapitel 14

Der Clansherr saß auf seinem hölzernen Thron, die Finger in den Rillen des Eichentisches vor ihm gekrallt. Das graue Haar, welches nur noch einzelnde schwarze Strähnen aufwies, hing dem alten Mann vor dem Gesicht.

Der große Saal war gefüllt von Nordmännern. Jeder stillschweigend. Worte waren nicht nötig, nicht angemessen in dieser Situation.

Es war fast wie damals, nur mit dem Unterschied, dass der Schlächter diesmal wusste, was geschehen würde. Seine Schritte hallten dumpf durch den Saal, während er die wartenden Blicke der Männer auf sich spürte. Kurz vor dem Jarl blieb er stehen.

"Ich werde die Männer bereit machen."

Keine Regung. Nur das Echo seiner eigenen Stimme hallte. Erst langsam blickte sein Vater auf, die dunklen Augen starr auf den Sohn gerichtet.

"Und was dann, Schlächter. Was dann?"

Rakan stellte sich auf, drückte den Rücken durch und blickte seinen Vater in die Augen.

"Wir werden zu Ende bringen, was damals begonnen hat."

Der Jarl sprang ruckartig auf, stieß dabei seinen Holzthron um und schlug mit den Fäusten auf den Tisch.

"Drück' dich klar aus, verdammt !"

Rakan räusperte sich.

"Wir werden sie umbringen."

Die Brauen seines Vaters zogen sich zusammen.

"Und wie glaubst du, willst du das machen, Schlächter?"

Er spuckte die Worte nur so aus, ließ den Spott daran jeden spüren. Er behandelte ihn wie einen dummen, naiven Jungen, doch das war Rakan nicht und das wusste sein Vater. Auch wusste er, dass sie umzubringen die einzige mögliche Lösung war. Nicht nur um des überleben Willens, sondern auch der Rachsucht, die in einem jeden Normannen in diesem Raum steckte. Ein jedem schmerzte die Erinnerung, doch Rakan wusste es besser.

Das Grinsen vertiefte sich, als er ihn packte und von dem jungen Kämpfer wegriss. Er wollte schreien, um Gnade flehen, doch alles, was er zuhören bekam, waren die Worte, die ihn für immer zeichneten und die schockierende Erkennung seines Fehlers.

Sein Vater schaute ihn immer noch starr an, Speichel tropfte dem Kiefer entlang, während er auf seine Antwort wartete. Er jedoch drehte sich zu dem Junge, der ganz nah bei ihnen stand und an der Ledertasche voll Briefe und den braunen Lederriemen im Haar zu erkennen war.

"Sag' was vorgefallen ist, Junge."

Der junge Bote wirkte unsicher, fast ängstlich, als er zusammenkauernd vor schritt und die hohe Stimme räusperte.

"Die Anshara... sie haben das Dorf westlich angegriffen. Alle sind tot. Frauen und Kinder wurden in Häuser eingesperrt und verbrannt... und..."

"So sprich' doch endlich !"

Der Junge zuckte unter der Stimme des Jarls zusammen.

"Die Männer, sie wurden von ihren Hunden zerfetzt. Mein Jarl... es sah so aus, als wäre es ein Spiel gewesen. Wir fanden eine Art Käfig vor... in welchen Hunde saßen und sich an ihren Leibern labten."

Rakan kannte diese Art Spiele, die sie gerne trieben. Nein, sie töteten nicht aus Not oder Überleben. Es bereitete ihnen Freude... ihre Schreie und Flehen um Gnade.
Der Jarl nickte kurz und verscheuchte den Boten, bevor er den Stuhl aufhob und sich wieder setzte. Der Junge jedoch ging nochmals einen Schritt auf ihn zu.

"Da war noch etwas, Herr... an diesen Käfigen stand etwas auf anshara... Ich weiss nicht was es bedeutet, aber ich hab-"

Der Schlächter unterbrach den Jungen.

"Deli ikuli newi. "

Verwirrt legte sich der Blick, der des Jungen sowohl der seines Vaters, auf ihn. Rakan kannte die Worte nur zu gut, denn diese waren es, welche ihn niemals seine Rache vergessen lassen würden. Noch bevor irgendjemand fragen konnte, was diese Worte zu bedeuten hießen, drehte sich der Schlächter um und verschwand.
_____

Ascara machte sich daran die Wäsche im Fluss nahe ihrer Hätte zu waschen. Sie wusste, sie musste es nicht tun, das hatte Nima ihr sehr deutlich klar gemacht, doch die junge Frau bestand darauf.

Es machte sie schier krank in der Hütte zu verweilen und nicht, wie sie es ihr Leben gewohnt war, einer Arbeit nachzugehen. Außerdem hielt sie es nicht mehr aus sich den Kopf über Rakans plötzliches Verschwinden und die große Aufregung überall zu zerbrechen. Sie sprach Nima darauf an, doch diese beteuerte nur, sie sollte darüber mit Rakan reden und sich keine Sorgen machen.
Dummerweise war es genau das, welches sie am Meisten besorgte, denn wenn die Aufregung nun doch nicht so groß war, warum wollte Nima es ihr dann nicht sagen.

Sie hörte einer der Raben laut krächzen, bevor dieser über sie wegflog und hinter den Bäumen verschwand. Sie verfolgte das anmutige Geschöpf mit ihrem Blick, bevor dieser an einer hühnenhaften Gestalt hängen blieb. Der dunkle Lederwams umschmiegte seine breite Statur und das streng geflochtene Haar unterstrich die harten Züge seines Gesichtes. Ascara stand auf, wischte sich die Hände am Gewand trocken und wollte gerade fragen, wieso er hier sei, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen.

"Ich werde gehen."

Die junge Frau erstarrte: Nein, es war kein Ausdruck in seinem Gesicht, der verriet, dies war ein übler Scherz. Ganz abgesehen von der Härte seines Tones. Ihr Herz pochte.

"W-wie meinst du das?"

"Ganz genauso, wie ich es sage. Ich werde dich verlassen."

Sein Ton erschreckte sie. So kalt und ohne jedes Gefühl. Gerade eben hatten sie doch noch gescherzt und innig vergangen und jetzt, behandelte er sie so, als wäre sie nicht einer Erklärung wert? Der Schlächter wollte gerade ansetzen zu gehen, doch Ascara lief ihm nach.

"Rakan, bitte. Sag' mir was geschehen ist."

Ihre besorgte Stimme, die deutlich von seiner Art verletzt zu sein schien, ließ ihn inne halten. Er drehte sich um, wohlwissend er müsste sie jetzt verletzten um sie zu schützen. Bei den Göttern, würde er sich jetzt erweichen lassen, könnte er sie nicht gehen lassen. Er ließ seinen Blick kalt über sie wandern. Ihr Kleid war nass, ihr braunes Haar völlig verwirrt.

"Alles was du wissen musst, Weib, ist, dass du hier bleiben wirst und deine Pflichten erfüllen wirst."

Ascara zuckte unter seinen Worten zurück. Nie hatte er so mit ihr gesprochen, voll der Abneigung. Ihr Herz schmerzte, während sie all ihren Mut zusammen nahm und sich so gut sie konnte vor ihm aufbaute.

"Ich verlange Antworten."

Ihre Stimme zitterte. Fast musste der Schlächter bei ihrem Anblick lachen. Bei Odin, es musste sie alle Kraft kosten sich gegenüber ihm bei dieser Stimmung zu verhalten. Nicht mal seine Männer trauten es sich in solchen Momenten zu widersprechen. Er ging drohend auf sie zu, die Fäuste geballt, während sein Blick sie niederzwang.

"Du verlangst Antworten? Du verlangst? Und ich verlange, dass du dich in die Hütte bewegst und aufhörst, dich wie ein dummes Mädchen zu verhalten."

Tränen glänzten leicht in ihren Augen, während er sie an der Schulter packte. Schwach, versuchte sie sich zu lösen, jedoch war sie noch zu erstarrt von seinen Worten.

"Ich bin kein dummes Mädchen."

Es war nur ein schwaches Flüstern, welches ihre Lippen verließ. Der Schlächter zog sie näher zu sich, versuchte ihren Blick einzufangen, den sie im Versuch ihre Tränen zu verstecken, anwendete.

"Stimmt, du bist mein Weib. Und du hast mir zu gehorchen."

Er ließ sie ruckartig los, nahm ihren Arm und zerrte sie zu einen der Wächter, welche das Spektakel zwar sah, jedoch nichts einwendete. Besser war es, denn dem Schlächter war es Lust jemanden die Knochen zu brechen.

"Du bringst sie in meine Hütte und wehe sie verlässt es. Verstanden?"

Der Wächter nickte nur einmal gehorsam, bevor die junge Frau sachte an die Schulter nahm, jedoch bestimmt Richtung der Hütten führte. Ascara ließ es über sich ergehen hatte doch auch keine andere Wahl. Sie sah die Blicke der Bürger, welche ihr teilweise nachsahen.
An der Hütte angekommen, brachte sie der Wachmann rein, bevor mit einem kleinen Nicken die Tür schloss. Ascara konnte den Schatten seiner Stiefel durch den unteren Schlitz der Tür erkennen, was hieß er würde sie auch jetzt bewachen.

Sie spürte, dass Tränen, wie eine Rinne ihrer Wange hinabliefen. Ihr Herz schmerzte, während ihr ein Schluchzen durchfuhr. Ihr Körper bebte vor Zorn und Pein. Wie konnte er sie nur so behandeln?
Und dann noch in aller Öffentlichkeit?
Sie verdammte ihn und seine Launen. Auch verdammte sie sich selbst: Sie musste ihn ja so provozieren.

Es ward Abend, als die junge Frau immernoch allein in der Hütte war. Sie hatte vorher Nima vor der Tür gehört, welche verlangte zu ihr zu kommen, doch der Wachmann wies sie strikt ab. Die Dienerin versuchte den Wachmann zu überzeugen es sei besser jetzt bei der jungen Frau zu sein, doch der Wächter verneinte abermals. Sie musste ihre Auseinandersetzung also mitbekommen haben. Lange Zeit später saß sie vor dem verblichenem Spiegel und bürstete sich das Haar, während ihre Gedanken umher schweiften. Ihre Tränen waren lange versiegt, nur der Schmerz blieb.

Sie ignorierte das gewohnte Quitschen der Tür und das Hallen schwerer Absätze. Auch, dass sich ein Schatten nach seinem Eintreten neben ihr sofort auszog und anschließend in die Felle legte. Das Bett knarzte unter dem schweren Gewicht. Sie spürte eine Weile seinen Blick.

"Kommt ins Bett."

Sein tiefer Bariton ließ den Raum erbeben, Ascara jedoch zwang sich zur Regungslosigkeit. Sie erwiderte nichts, im Gegenteil, die junge Frau bürstete in aller Ruhe ihr Haar weiter. Der Schlächter wusste, dass war ihre Art ihn zu bestrafen. Mit Schweigen.

"Ascara, zwingt mich nicht euch hier her zu schleifen."

Die junge Frau stand auf, legte die Bürste weg und starrte den Mann an. Das große Bett wirkte fast klein mit ihm darauf.

"Das ist also alles, was ihr könnt. Mich mit Gewalt zwingen ?"

Ihre Stimme strotzte nur so von Trotz.

"Oh, es wird keine Gewalt nötig sein, wenn ihr jetzt zu mir kommt. Solltet ihr euch aber weigern..."

Er musste den Satz nicht weiter ausführen um zu verstehen, was er meinte. Ascara verschränkte die Arme.

"Ich werde nicht mit euch auf denselben Fellen schlafen."

Der Schänder richtete sich auf.

"Strapaziert nicht meine Geduld, Ascara. Kommt jetzt her."

Sie wendete ihren Blick ab. Zischend stand der Schlächter auf, ging schnellen Schrittes auf die Frau zu und schmiss sie sich ohne zu zögern über die Schultern. Ascara entwich ein leiser Schrei, während er sie zu den Fellen trug und anschließend darauf schmiss. Ascara rappelte sich auf und versuchte sie von seinem harten Griff zu lösen.

"Es reicht!"

Seine Stimme ließ den Raum erzittern und Ascara hielt inne. Sie schaute ihn wieder mit glänzenden Augen an, diesmal jedoch versuchte sie nicht sich zu widersetzen. Sie wollte ansetzten, doch er unterbrach sie sofort.

"Schweig' jetzt, Weib oder ich kann für nichts mehr versprechen."

Ascara schloss ihre Lippen wieder. Ließ zu, dass er sie auszog und sich anschließend neben sie hinlegte. Er wartete nicht auf ihre Bestätigung, sondern zog sie einfach an seine Brust. Er legte die Felle über ihren Körper und hoffte stumm sie könnte ihm sein Verhalten verzeihen. Er umschloss ihren zarten Körper fester, grub sein Angesicht mehr in ihr Haar und für einen Moment, ließ ihn das seine Sorgen vergessen. Er spürte ihren stummen Zorn, ignorierte ihn jedoch und versuchte ihre verbliebene Zeit zu genießen, denn den morgigen Tag würden sie aufbrechen.

Morgen, würde er sie verlassen.

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