Kapitel 9.1 - Wir sind eins
(Bild: Irrlichter bei Tag by KareiKite)
Neujahr, 2146 n.n.O.
(Sommersonnenwende, entspricht 0. Tas'Saru 2146 n.n.O.)
Umso weiter der Nachmittag voranschritt, desto ausgelassener und ungezwungener wurden die Feierlichkeiten. Immer wieder machten Bier und Wein in den unterschiedlichsten Sorten die Runden, während sich Grüppchen fanden, schwatzten, lachten und irgendwann wieder auflösten.
Am meisten faszinierten mich die kleinen, ausgelassene Spiele und Wettbewerbe, die neben „Kannst-Du-mal-bitte?" an jeder Ecke der Insel aufploppten. So verstrickten Zac und ich uns zusammen mit anderen Pärchen in einen albernen Essenswettbewerb: Einer musste sich die Augen verbinden, still stehen und den Mund aufmachen, während der oder die andere direkt hinter ihm stand und ihn füttern musste – natürlich ohne das Gesicht zu sehen, sodass der Hintenstehende nur erahnen konnte, wo der Löffel mit dem Kuchen tatsächlich hin musste. Unnötig zu sagen, dass sich alle Beteiligten hinterher lachend die Gesichter waschen mussten.
Besonders unter den Jüngeren machten Karten- und Würfelspiele die Runde, immer wieder begleitet von scherzhaften Schmähreden und regelrechten Lobeshymnen auf das eigene Spielgeschick. („Kannst Du mir mal bitte sagen, was für ein großartiger Spieler ich doch bin?" – „Du bist ein großartiger Spieler mit einer Schwäche für schlechtes Timing. Hier: Drei Asse..."). Gleichzeitig wurden die Anwesenden immer ausgelassener. Niemand sprach über etwas Bestimmtes, aber alle schienen sich auf etwas zu freuen. Es lag ein Lachen und eine unterschwellige Freude in der Luft, die mich einfach mitnahm und mich zu immer neuen Spielen und guter Laune mitriss.
Das alles wurde von fröhlicher Musik untermalt, die von wechselnden Spielgruppen die ganze Zeit über auf der Bühne zum Besten gegeben wurde. Wie so viele andere auch, zog sie mich regelrecht in ihren Bann und lud zu immer neuen Tänzen ein. Es war so leicht, sich an Zac zu schmiegen und ihm die Führung zu überlassen. Er wusste sehr genau wie er uns bewegen musste. Dass seine seine Hände von Zeit zu Zeit ein Stückchen zu hoch oder zu niedrig rutschten, machte mir dabei nicht viel aus – meine eigenen Hände waren schließlich auch nicht immer ganz unschuldig. Doch ich hatte kein schlechtes Gewissen, denn wenn ich einige der anderen dicht tanzende Paare ansah, waren wir noch harmlos.
„Hast du das auch von Kindheit an gelernt? Das Tanzen?", witzelte ich irgendwann und spürte daraufhin sein Lächeln in meinem Kopf.
„Alles, um arme, ahnungslose Mädchen zu verführen."
Auch ich musste lächeln, auch wenn es einen bitteren Beigeschmack hatte – die Wahrheit schien einfach zu dicht dran zu liegen. Zac schien zu merken, dass sich meine Stimmung verdüsterte, denn er griff meine Hand, die sich gerade in seinen Nacken geschlichen hatte, etwas fester. „Bereit für eine Drehung?"
„Nein!"
Doch da wirbelte ich auch schon ein Stück weit von ihm weg, ehe er mich mit einem sanften Ruck wieder zu sich zurück zog und ich sicher in seinen Armen landete, eine Hand noch immer in der seinen, die andere lag auf seiner Brust. Unter meinen Fingerspitzen spürte ich deutlich sein Herz hämmern und ich konnte nicht anders, als mich einen Moment lang in seiner Umarmung zu verlieren, ehe wir stockend den Takt wiederfanden, beide mit unseren Gedanken für einen Moment ganz woanders.
Langsam verstand ich, warum so viele leicht verlegen reagiert hatten, wenn ich sie auf die Neujahresfeiern angesprochen hatte.
Schließlich wurde der Abend noch später und die Sonne begann unterzugehen. Während Zac und ich am Rand der Tanzfläche standen und uns eine Flasche Cider teilten, beobachteten wir, wie Varona mit einer einzelnen Fackel umherging und die Feuerschalen und Fackeln entlang der Wege entzündete. Die flackernden Flammen ließ sie noch seltsamer aussehen, als ohnehin schon. Licht und Schatten schien sich auf den hunderten, libellenartigen Flügeln, die ihren ganzen Körper bedeckten, zu bewegen, als würden sie selbst im Takt der Musik tanzen. Noch seltsamer war, dass dieses Spiel Suriki wiederum nicht im mindesten zu betreffen schien. Der kleine Drache saß entspannt auf ihrer Schulter, weiß wie immer, als würde das Licht selbst um ihn einen Bogen machen. Plötzlich drehte er den Kopf in unsere Richtung und obwohl es albern war, hätte ich schwören können, dass der Drache mir direkt in die Augen blickte.
Ich blinzelte, hob die Flasche ein Stückchen, um ihm zuzuprosten und wollte einen weiteren Schluck trinken. Aber sie war leer. Mit einem entschuldigendem Lächeln gab ich sie an Zac zurück und merkte dabei, dass der Alkohol langsam wirkte. Ein Glück war der Cider nicht ganz so hochprozentig.
Mit einem neckischem Grinsen nahm Zac mir die Flasche ab. „Bist du überhaupt so viel gewohnt?"
„Pah!", murmelte ich und hob in gespielter Arroganz den Kopf. „Ich bin zwar aus dem Training, aber nicht aus der Übung!"
Zac lachte, denn er wusste genauso gut wie ich, dass ich niemals übermäßig viel getrunken hatte. Dann breitete sich wieder einen Moment lang friedliches schweigen zwischen uns aus. „Und?", fragte er schließlich. „Gefällt es dir?"
„Euer Neujahrsfest?" Ich nickte langsam und ließ meinen Blick über die Menge gleiten. Mittlerweile tanzten immer mehr Pärchen. Das mochte vielleicht auch daran liegen, dass sich mit zunehmender Dunkelheit auch langsam die Art der Musik änderte. War es vorher hauptsächlich lustiges Gefiedel mit witzigen Texten, war der Rhythmus jetzt ein anderer, gleichmäßiger und tanzbarer. Sie machten langsam ernst, um auch den letzten Feiertags-Muffel aus seinem Versteck zu locken. „Es macht Spaß. Alle sind so ausgelassen – aber vor allem kennt hier jeder jeden. Das macht es sehr vertraut."
Mit einem Mal veränderte sich etwas in seinem Blick und seiner Haltung, ohne dass ich genau sagen konnte, was es war. Doch plötzlich schien er sehr viel dichter bei mir zu stehen, ohne mich jedoch zu berühren. Dann holte er tief Luft: „Senga, was ich-"
Sein Tonfall war mit einem Mal so viel ernster als noch vor wenigen Augenblicken. Intuitiv wollte ich seine Hand greifen, um eine Gedankenverbindung zu ihm aufzubauen. Viele Dinge waren so einfach leichter zu sagen, zu erklären. Doch noch ehe ich ihn erreicht hatte, kam Varon: „Zaaaac! Beeil Dich! Wir sind gleich dran!"
Ärger huschte über das Gesicht des Angesprochenen, als sein Kopf zu seinem besten Freund herumruckte und ich fragte mich, was er denn gerade hatte sagen wollen. Oder womit sie jetzt dran waren. Zac hingegen drehte sich wieder mit einem Seufzten zu mir. „Ach man – ich kann dir gar nicht sagen, wie wenig Lust ich jetzt dazu hab."
„Zu was denn?", fragte ich völlig ahnungslos und einmal mehr fiel mir auf, wie wenig ich von diesem Schwarm und diesem Leben wusste, denn für alle anderen hier schien es absolut klar zu sein, womit Zac jetzt dran war.
„Wir sind jetzt mit unserem Auftritt dran."
Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch. „Du und Varon spielen jetzt? Singst du?"
Überrascht sah er mich an und schüttelte den Kopf. „Ich singe nicht vor anderen." Dann huschte ganz leicht ein Lächeln über seine Lippen, als er mir ein Augenzwinkern zuwarf. „Zumindest meistens nicht. Nein, Lachsa – Varons Mutter – singt. Varon spielt Geige. Sina trommelt und ich spiele die Triangel."
Verblüfft sah ich ihn an, doch von hinten kam wieder Varons Stimme: „Zahaaac!"
„Jahaaaa! Komme!", brüllte dieser zurück und hauchte mir noch einen letzten Kuss auf die Lippen. „Ungefähr eine halbe Stunde, Liebes. Dann bin ich wieder da."
Dann war er weg und ich stand allein da.
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Lichtis Quatschecke:
Naaaaa? Wie gefällt es euch? Senga so glücklich?
(Ich habe mich ja echt mega schwer mit diesem Teil der Geschichte getan - so glückliche Charaktere zu schreiben, liegt mir nicht... xD )
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