Kapitel 3.2 - Der Wettkampf
51. Jir'Lore, 2145 n.n.O
Unschlüssig sah ich mich um. Was hatte ich gewollt? Ach ja – Varona suchen! Wieder suchte ich die Menge ab, als ich Surikis helle Gestalt nicht weit weg von mir zwischen einigen Flussbräuten hindurchhuschen sah. Wo dieser weiße, schöne Fisch war, war seine Herrin nicht weit. Also schwamm ich in die Richtung, in die ich Suriki hatte verschwinden sehen und tatsächlich schwamm dort Varona und unterhielt sich lächelnd mit drei jüngeren Flussfrauen.
>>Keine Angst – keiner wird über euch lachen<<, rief sie den Jüngeren gerade beschwichtigend zu. Anscheinend war das der erste Wettkampf, an dem die drei Flussfrauen – oder eher Flussmädchen – teilnehmen mussten. Ich beneidete sie nicht darum. >>Schlimmer als Zac oder Varon könnt ihr euch sowieso nicht anstellen<<, fügte die Earis hinzu und ich stockte. Was meinte sie damit?
Doch da blickte Varona auch schon in meine Richtung und winkte mich zu sich herüber, woraufhin die drei jungen Damen sich sofort zurückzogen, als würden sie einem stillschweigenden Befehl folgen. Ich versuchte darüber keine Miene zu verziehen – schließlich war es nicht das erste Mal, dass mir so etwas passierte.
>>Na? Bist Du hier, um dir Zacs Kampf anzusehen?<<, fragte Varona mich, als sie nach meiner Hand gegriffen hatte und ein neckender Unterton lag in ihrer Stimme. Sofort dachte ich an meine letzte Begegnung mit dem Flussmann und das Kichern in meinem Kopf wurde noch lauter. Ihre gute Laune war ansteckend und verdrängte alle tristen Überlegungen, die ich kurz zuvor noch gehabt hatte, wobei ich von ihrer Seite eine bunte, gutgelaunte Mischung aus Erinnerungen auffing an Flussmenschen, die ich vorher nie gesehen hatte.
>>Äh, nicht direkt<<, murmelte ich überfordert und fragte mich, wie ich von dem Thema ablenken könnte. Schließlich entschied ich mich für die berühmte Flucht nach vorn. >>Wann findet, denn sein Kampf statt? Und wie ist der Ablauf?<<
Dann wüsste ich zumindest, wann ich nicht wo sein wollte.
>>Ach es ist eigentlich recht simpel. Du siehst ja die drei Kampfflächen hier auf dem Herzplatz?<<
Ich nickte. Die mit Steinen lose abgesteckten Kreise waren wohl kaum zu übersehen.
>>Hier werden parallel die Kämpfe ausgetragen. Erst kommen die Altersgruppen 14-19, dann 20-35 und schließlich 35-50. Dabei kommen immer erst die Runden der Männer und dann die der Frauen.<<
Wieder glitt mein Blick zu einer der Kampffläche und zu den Teilnehmern, die in einem separaten Bereich darauf warteten, dass ihr Kampf begann. Zac und Ricco waren auch da, obwohl sie erst zur zweiten Alterskategorie antreten mussten, und hielten sich lose an den Unterarmen, anscheinend in irgendeine Art von Unterhaltung verstrickt.
>>Nimmt Ricco auch am Wettkampf teil?<<, fragte ich überrascht, denn tatsächlich war er einer der sehr wenigen Flussbräutigame, die ich im Teilnehmerbereich schwimmen sah. Nicht, dass ich jemandem daraus einen Vorwurf machen würde. Sich mit einem kampferprobten Flussmenschen in dessen ureigenstem Element anzulegen, grenzte an Wahnsinn. Varona war meinem Blick gefolgt und nickte.
>>Ja. Er liebt wohl die Herausforderung. Wobei Ricco auch im Vergleich zu anderen Flussmenschen nicht schlecht ist.<< Einen Moment lang huschten andere Szenen von anderen Wettkämpfen durch ihre Erinnerungen und wurden von den meinen ergänzt, als ich daran dachte, wie er Els angegangen war. Er war nicht umsonst der Lehrer für Unterwasserkampf. >>Aber ärgere ihn nie an Land<<, ergänzte die Earis mit einem mentalen Augenzwinkern. >>An Land ist er ein Monster.<<
Ich brauchte nicht einmal auf ihre flüchtigen Erinnerungen zu gucken, die mir ihr Verstand entgegenwarf, um ihr zu glauben. Mit einem leisen Bedauern wandte ich mich ab, um zu einer er anderen Kampfkreise zu schwimmen. Tatsächlich hätte ich Ricco gern kämpfen sehen. Aber wenn Zac hier war, wollte ich nicht bei dieser Kampffläche bleiben.
>>Bist du sicher?<<, fragte Varonas Stimme plötzlich voller ernst in meinem Kopf.
>>Warum nicht?<<, murrte ich zurück und spürte Varonas Schulterzucken in meinem Geist, ebenso wie ich das Äquivalent dazu direkt vor mir sah.
>>Soweit ich das verstanden habe, ist dein Antrag auf einen Brief an deinen Vater hauptsächlich deshalb abgelehnt worden, weil du keinerlei Interesse an dem Schwarm gezeigt hast.<<
Ich starrte sie sprachlos an, während sie einfach weitersprach. >>Ich meine ja nur, dass jetzt der ideale Zeitpunkt wäre, ein bisschen Interesse an den hiesigen Gepflogenheiten zu zeigen – oder auch an Zacery. Als Zeichen des guten Willens.<<
Ich blinzelte lahm und spürte selbst, wie sich tiefe Falten in meine Stirn gruben. Nein – ich mochte diese berechnende Art zu denken nicht. Ich mochte nicht, worauf es hinauslief. Aber es war nicht von der Hand zu weisen, dass Varonas Argumentation richtig war. Und wenn ich es tatsächlich schaffte, ein etwas besseres Verhältnis zum Schwarm aufzubauen, konnte ich vielleicht wirklich einen Brief schreiben.
>>Und? Willst du dir nun Zacs Kampf anschauen?<<, hakte Varona lächelnd nach und ich schluckte schwer. Dann nickte ich und folgte ihr langsam zur Kampffläche zurück. Vielleicht sollte ich tatsächlich daran arbeiten, netter zu anderen zu sein – immerhin hatte ich jetzt eine Mauer, löchrig zwar, aber da. Und vielleicht konnte ich dann auch meinen Brief schreiben – oder den See verlassen.
Bei dem Steinkreis angekommen, glitt mein Blick zögernd über die Zuschauer und blieb einen Moment an Phia haften, die zusammen Hand-in-Hand mit Koral etwas abseits schwamm und umgeben von ihrem Schwarm von Frauenfischen regelrecht friedlich wirkte. Mittlerweile zeichnete sich ihr Babybauch schon deutlich unter dem eng anliegendem Schwimmoberteil ab und einmal mehr fragte ich mich, wie es Koral wohl damit gehen musste, dass er sich bewusst dafür entschieden hatte, das Kind eines anderen, fremden Mannes wie sein eigenes aufzuziehen. Es gab sicher nicht viele Männer, die sich für so einen Schritt entschieden, weil der Familienwunsch nicht anders erfüllbar war. Da sah ich, wie Phia den Kopf einen Moment in meine Richtung drehte, um dann rasch und mit angespannten Schultern wieder demonstrativ auf die Kampffläche zu blicken. Sie hasste mich noch immer.
Seufzend verfolgte nun auch ich den Kampf vor mir, wo sich gerade Gropp und ein anderer junger Flussmann, dessen Namen ich vergessen hatte, mit Speeren attackierten.
Am liebsten wäre ich wieder weggeschwommen und sei es nur, um Phia und ihrer Feindseligkeit auszuweichen, aber da griff Varona nach meiner Hand. >>Mach dir nicht so viele Gedanken<<, murmelte sie mir aufmunternd zu, >>Einfach die Zähne zusammenbeißen und zugucken. Danach kannst du ja immer noch wegschwimmen. Vor allem, weil es wohl auch der einzige Kampf ist, den Zac heute haben wird.<<
Irritiert sah ich sie an, etwas ähnliches hatte sie vorhin zu den drei Mädchen auch gesagt. >>Aha?<< Ich konnte es mir nicht vorstellen. Immerhin hatte ich gesehen, wie Zac Ari angegangen war und wie selbstverständlich die Waffen in seiner Hand lagen, wann immer er eine aufnahm. Er machte nicht gerade einen unfähigen Eindruck.
Da war es wieder, Varonas Achselzucken. >>Er ist ein guter Krieger. Aber bei Wettkämpfen tut er einfach nichts. Er verteidigt sich zwar soweit, dass er nicht auf extrem lächerliche Weise verletzt wird, aber mehr nicht. Am Ende verliert er immer in der ersten Runde. Ich glaube, mittlerweile nimmt ihn kein Gegner mehr ernst.<<
Abermals huschte mein Blick zu Zac, der offensichtlich gelangweilt im Wartebereich schwamm. Das hatte ich nicht erwartet. Warum sollte er so etwas tun?
Es dauerte noch eine Weile bis die Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen durch war, wobei ich mich für keinen Kampf so wirklich begeistern konnte. Dabei lag es nicht an ihren Fähigkeiten - manche schienen wirklich herausragend gute Kämpfer zu sein. Aber ehrlich gesagt hatte mich alles was mit Hauen und Prügeln zu tun hatte noch nie auch nur im geringsten interessiert.
Gelangweilt huschten meine Augen zu Varon und Ricco, die am Rande des Wartebereiches schwammen, wobei Varons Kopf auf den Schultern des Kriegers lag, als gäbe es kein schöneres Kissen auf der Welt. Die beiden so zu beobachten, kam mir falsch vor und rasch wandte ich mich ab.
Ohne es zu wollen, glitt mein Blick hinüber zu Zac – wie so oft, wann immer ich gerade keine Gedankenverbindung zu Varona hatte. Dennoch überraschte es mich, als er plötzlich mit Koral zusammen in den Kampfkreis schwamm und sie sich respektvoll voreinander verbeugten, die Hand vor der Brust. Im Gegensatz zu vielen vorherigen Kampfpaarungen hatten sie sich für den waffenlosen Kampf entschieden.
Ich hätte es niemals offen zugegeben, doch es war trotz allem faszinierend, Zac jetzt zu beobachten. Die Art wie er seinen Gegner taxierte und wie er sich sofort dessen Schwimmrhythmus anpasste. Als Koral seine Bewegungen verlangsamte, wurde auch Zac langsamer bis die zwei sich in angespannter Reglosigkeit gegenüberstanden – die allseits bekannte Ruhe vor dem Sturm. Ohne dass es mir bewusst war, klebten meine Augen geradezu an Zacs Haaren, die in der sanften Strömung träge hin und her wogten – das Einzige, was sich an seinem angespannten Körper überhaupt bewegte. Unbewusst rieb ich Daumen und Zeigefinger gegeneinander, ganz so als würde ich eine seiner Haarsträhnen zwischen meinen Fingern hin und her zwirbeln. Nicht, dass ich das jemals getan hätte, aber in diesem Moment wünschte ich mir, ich hätte die Gelegenheit dazu gehabt.
Ich blinzelte, als ich plötzlich den sanften Druck von Varonas Händen auf meinem Arm spürte und verscheuchte rasch diesen dummen Gedanken. Hoffentlich hatte sie davon nichts mitbekommen und wenn doch ließ sie sich zumindest nichts anmerken.
>>Siehst du das?<<, fragte sie und seufzte leise in meinen Gedanken. >>Zac ist wieder absolut passiv. Dabei könnte es ein interessanter Kampf werden, da die beiden in etwa gleichstark sind.<<
Doch der Kampf war nicht interessant.
Zac parierte zwar Korals Angriffe, ließ sich aber zu keinerlei Konter hinreißen. Ganz so, als hätte er einfach keine Lust, zu kämpfen. Vielleicht war es auch genau das. Auch die anwesenden Zuschauer begannen, die Blicke desinteressiert schweifen zu lassen und nebenbei Gespräche zu führen.
Irgendwie ärgerte es mich, ihn so offensichtlich unter seinen Möglichkeiten agieren zu sehen. Noch dazu, weil Koral anscheinend mit nichts anderem rechnete. Er vernachlässigte seine Deckung so sträflich, dass es sogar mir auffiel und trotzdem waren seine Bewegungen so selbstbewusst, als hätte er den Sieg schon in der Tasche, ohne sich auch nur die geringste Mühe zu geben. Genervt spießte ich Zac regelrecht mit Blicken auf. Eigentlich könnte es mir egal sein, ob Zac sich nun anstrengte oder nicht.
War es aber nicht.
Die Tatsache, dass er sich nur aufs Blocken und Ausweichen beschränkte, machte mich fuchsig. Und noch mehr ärgerten mich die belustigten oder gar spöttischen Blicke der anderen Flussbräute und -bräutigame, die im Gegensatz zu den anwesenden Flussmenschen ihre Gesichtszüge nicht ausdruckslos hielten.
Warum tat Zac das? Warum ließ er so eine Scharade zu?
Da landete sein Gegner einen Treffer, direkt gegen den Oberkörper. Zac taumelte verzog aber keine Miene. Frustriert stöhnte ich auf. Noch mehr, als Zac einen weiteren Schlag gegen den Oberarm kassierte.
Warum tat diese Kröte nichts?
Als Zac abermals einem Angriff von Koral auswich und dabei eine offensichtliche Lücke in dessen Deckung ungenutzt ließ, riss es mich einfach mit. >>Zac, verdammte Kröte – sei kein Stein!<<
Ich merkte erst, was ich getan hatte, als alle Köpfe zu mir herumfuhren. Was bei allen Göttern war in mich gefahren? Selbst hier unten im kühlen Nass spürte ich die Hitze in mein Gesicht aufsteigen und wünschte, ich hätte den Mund gehalten. Und warum Stein? Während Varona in meinem Kopf deutlich kicherte, konnte ich mir die Frage selbst beantworten: Das war die Beleidigung, die während Riccos Training immer wieder die Runde machte. Ich hätte den Mund halten sollen.
Auch die beiden Kontrahenten blickten in meine Richtung.
Zac blickte in meine Richtung.
Einen Moment lang schien er völlig starr zu sein. Dann zuckte seine Schwanzflosse, als wollte er zu mir rüber schwimmen und ich wünschte mir, ich könnte im Boden versinken. Oder eine Felswand würde sich vor mir aufbauen, ein anderer Schwarm würde angreifen, irgendwas, um von mir abzulenken.
Leider war da nichts.
Und plötzlich grinste Zac.
Ein Flussmenschengrinsen gehörte zu den gruseligsten Dingen, die ich je gesehen hatte. Eigentlich war es mehr ein Zähne fletschen, als ein Grinsen, bei dem zwei Reihen spitzer, scharfer Zähne entblößt wurden, die gefährlich genug aussahen, problemlos mehrere Finger einer Hand abzubeißen. Ich schauderte.
Doch da war es auch schon wieder vorbei. Mit einer kraftvollen Bewegung drehte Zac sich zu Koral herum und begann, ihn aus dem Nichts heraus zu attackieren. Damit hatte keiner gerechnet. Am wenigsten sein Gegner. Zacs Schläge waren so schnell, das sich ihnen kaum folgen konnte und sie brachen wie Hammerschläge durch Korals brüchige Verteidigung. Nur wenige Augenblicke später, gelang es Zac seinen Gegner auf den Boden des Sees zu befördern, wobei sein einer Ellenbogen in Korals Rippenkiemen drückte und die Hand des anderen Arms in seine Halskiemen.
Der Kampf war vorbei.
Als die beiden Kontrahenten sich voneinander trennten, wandte Zac sich wieder in meine Richtung und verbeugte sich so elegant vor mir, wie es Achs bei unserem ersten Treffen getan hatte, ehe er vom Kampfplatz wegschwamm. Ich konnte nicht anders, als ihm nachzustarren. Was zum Henker war das gewesen?
Varona neben mir, hatte meinen Arm losgelassen. Aber ich brauchte keine Gedankenverbindung, um zu wissen, was in ihr vorging. Ihre Schultern bebten vor Lachen.
>>Ihr zwei Verrückten!<<, rief sie und ich wurde wieder so rot, ich hätte schwören können, dass sich das Wasser um mich herum ein paar Grad erwärmte.
Noch schlimmer war jedoch Phia weiter vor mir, die sich urplötzlich zu mir umwandte. >>Sag mal – Senga – du hast nicht zufällig ein Gespür für Zacery, oder?<<
Äh – was?
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Lichtis Quatschecke:
Ja - ich weiß... es ist kitschig. Aber ich finde, dass das auch mal sein darf. xD
Ich hoffe, ihr hattet trotzdem Spaß beim Lesen. Bis nächste Woche! :D
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