Kapitel 39

„Halt dich da bitte raus!" Maras Blick lag flehend auf mir. „Ich will für mein Können hier fest angestellt werden und nicht weil wir Freunde sind!"

Ich stellte noch zwei Teller auf den Tisch und setzte mich dann ihr gegenüber. „Das verstehen die schon so. Mara du hast deinen Job nicht falsch gemacht."

Da war ich mir zumindest ziemlich sicher! Einen Fehler fand ich in ihrem Verhalten an dem Abend jeden Falls nicht. Sie hatte nichts getrunken, als sie zum rauchen weg war, war Helli bei mir und sie hatte versucht uns beide zu trösten, als Helli und ich beide fertig mit den Nerven gewesen waren. Wo sollte da bitter der Fehler sein?

Sie schüttelte den Kopf. „Leo, lass uns damit Schluss machen. Lass uns lieber überlegen was wir heute machen wollen." Mara rückte ihren Teller etwas zurecht und angelte sich dann ein Brötchen aus dem Korb in der Tischmitte.

Ich tat es ihr gleich, schob ihr allerdings den Teller herüber. „Schneidest du das bitte für mich auf?"

„Geht es den Handgelenken, denn etwas besser?" Sie lächelte mich an, strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und griff nach meinem Brötchen.

Ich wiegelte den Kopf hin und her. „Es geht besser, aber es war auch schon mal schlechter." Vage Aussage, aber traf den Zustand meiner Meinung nach gut. Sie schmerzten noch etwas, aber ich konnte sie doch schon etwas mehr belasten als gestern noch.

„Na das klingt doch gut!" Mara lachte. „Dann können wir ja auch heute eine Runde Spazieren gehen."

Ich hatte eine bessere Idee. „Was hältst du davon. Wir reiten aus."

„Mhm... Ich weiß nicht! Kannst du das überhaupt schon wieder? Und vor allem soll ich auch reiten oder habt ihr ein Fahrrad für mich? Meins steht immer noch bei meinen Eltern" Sie musterte mich, als wolle sie abschätzen ob sie mich schon wieder bedenkenlos aufs Pferd lassen konnte.

Ich grinste breit und klatschte einen großen Klecks Marmelade auf mein Brötchen. „Wenn ich Bumble nehme sollte das wohl gehen. Iris reite ich erst wieder wenn ich auch wirklich topfit bin. Die dankt mir das sonst mit sehr vielen blauen Flecken, weil sie mich abgebockt hat. Du nimmst vielleicht Allegro. Den reitet sonst Helena, aber vielleicht leiht sie dir ihren Oldie heute mal aus, dafür dass du sie beim Frühstück alleine gelassen hast." Für mich klang das nach einem wunderbaren Plan und nach einem schönen, entspannten Nachmittag.

Mara seufzte. Belustigt sah sie mir dabei zu wie ich die dicke Marmeladenschicht auf meinem Brötchen verteilte. „Leo, das wird eine Sauerei."

„Wird es nicht!", protestierte ich prompt.

„Du kleckerst. Wollen wir wetten?"

„Können wir gerne machen, dann ich kleckere nicht!" Kurz überlegte ich, dann fiel mir der perfekte Wetteinsatz ein. „Wenn ich nicht kleckere musst du dir deine Haare wieder dunkle Färben!"

Mara verdrehte die Augen und betrachtete eine ihrer strohigen platinblonden Haarsträhnen. „Ist es so schlimm?" Sie sprach wohl mehr zu sich selbst, als zu mir, denn sie sprach denn einfach weiter. „Na gut! Darauf können wir uns einigen."

Ich hielt ihr breit grinsend meine Hand hin zum einschlagen. Mara zögerte keine Sekunde und schlug kräftig ein. „Die Wette gilt!"

„Aber zurück zum Thema. Ich frage Helena gleich mal ob sie mir ihren Schützling überlässt. Hätten wir sonst noch einen Plan B?" Mara wandte sich nun auch ihrem Brötchen zu. Sie zog das Marmeladenglas zu sich. Ein kleinerer Klecks von der Erdbeermarmelade landete auf ihrer Hälfte.

Ich schob mir mein Brötchen genüsslich in den Mund. Natürlich darauf bedacht nicht zu kleckern. „Plan B? Da müsste ich nachgucken. Vielleicht noch Nighty, aber der spinnt auf der Galoppstecke immer so ein bisschen. Für den gilt echt: Je oller, desto doller!"

Mara lachte. „Das klingt auch nicht schlecht!"

„Den müsstest du vorher erstmal in der Halle reiten. Ich will dich nicht vom Boden kratzen müssen!" Sicher war sicher. Mir wäre es sogar noch lieber gewesen sie hätte bei meiner Mutter vor deren Abfahrt eine Reitstunde gehabt, dass ich auch wirklich sicher wusste, dass sie gut genug ritt.

Ich nahm noch einen Bissen von meinem Brötchen. Bisher hatte sich noch ein Tropfen Marmelade auf meinem Teller eingefunden und auch mein T-Shirt war noch strahlend weiß. Diese Wette würde ich eindeutig gewinnen! Und Mara bald wieder dunkle Haare haben.

Tief atmete sie ein. „Wenn es sein muss. Die Schulpferde waren auch nicht immer umheftig, wenn man sie mal ins Gelände geritten ist. Die kamen sonst ja eher selten Mal vor die Tür. Arme Ponys"

„Das muss sein. Bei dem will ich sehen, dass du reiten kannst. Sieh es doch als eine Lehrstunde. Ein bis zwei Dinge wirst du schon lernen können, wenn du Nighty erstmal vorreiten musst."

Nachdenklich nickte sie. „Okay, da hast du wieder recht. Meine letzte Reitstunde ist schon Jahre her. Vielleicht ist es da mal wieder Zeit."

„Ganz bestimmt! Selbst ich fahre normalerweise einmal im Monat zu meinem Trainer. Wer aufhört zu lernen, tut seinem Pferd keinen Gefallen. Genauso wie mit Übergewicht, aber das ist ja immer so eine Diskussion."

Mara musste schmunzeln. „Die wir hier zum Glück nicht führen! Was macht das Brötchen schon gekleckert, oder muss ich doch gleich noch mit durch den Drogeriemarkt schleifen und Helena anbetteln mir beim Haare färben zu helfen."

Grinsend schob ich mir den letzten Bissen in den Mund. „Tja, Mara. Sieht so aus als müsstest du dir die Haare färben. Wie du siehst habe ich nicht gekleckert."

Sie seufzte tief. „Alles klar, also frühstücken wir jetzt und dann gehts in die Stadt Haarfarbe kaufen. Sei bitte ehrlich. Ist es wirklich so schlimm?"

Ich setzte ein betretenes Lächeln auf und nickte. Ihre Ansätze waren inzwischen noch weiter heraus gewachsen und das Blond war einfach nicht ihre Farbe. Von den Resten der blauen Haarfarbe in ihren Haaren fing ich lieber nicht an. Das war nun wirklich kein blau mehr, eher ein ziemlich schäbiges, aber hartnäckiges Grün.

„Ich bin immer zu faul um sie neu zu färben. Warum denn eigentlich dunkel? Kann ich nicht einfach die Ansätze wieder blondieren?"

„Blond steht dir nicht. Mit Verlaub, aber du siehst damit doch etwas billig aus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mit deiner Naturhaarfarbe am besten aussiehst."

Sie knirschte mit den Zähnen. „Das mache ich wirklich nur für dich! Eine Woche und sollte mir das nicht gefallen blondiere ich wieder!"

„Damit kann ich leben." Ich lachte über ihren genervten Blick.

Das Frühstück brachten wir hinter uns und Mara folgte mir eher lustlos zur Garage.

„Willst du fahren? Oder soll ich ausnahmsweise mal fahren?"

Mara zuckte mit den Schultern. Sehr hilfreich! Wortlos warf ich ihr den Schlüssel zu und begab mich zur Beifahrertür.

„Ich bin immer noch nicht begeistert von der Idee. Ich fand meine braunen Haare immer so langweilig."

„Hat da jemand Angst vor Veränderungen?", stichelte ich.

Sie verdrehte die Augen und starte den Motor. „Nein!" Langsam setzte sie zurück. „Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt was für ein tolles Auto du hast?"

Ich lachte. „Nein, aber die wenigsten die dieses Auto gefahren sind, fahren auch sonst so eine Schrottlaube wie du!"

„Hoffentlich nicht mehr lange. Ich weiß aber noch nicht was ich mir leisten kann und was ich haben will. Mein Auto wird ja beinahe nur noch von seinem Rost zusammengehalten. Die Mühle ist älter als ich!"

„Ich würde mal Quentin instruieren seine Eltern auszuhorchen. Vielleicht kommst du ja so günstig an einen Gebrauchten oder ein Vorführungswagen. Für Helena hat er das ja auch irgendwie hinbekommen!" Sofort musste ich wieder grinsen. „Sag mir bitte Bescheid wenn du Details hast wie die beiden sich zusammengerauft haben."

„Mache ich! Wie so zwei Lästerschwestern rufe ich dich an sobald Helena im Bett ist und flüstere die ganze Geschichte hinter vorgehaltener Hand in mein Handy, damit du den ganzen Gossip brühwarm bekommst."

Laut lachte ich auf. „Wir zwei Lästerschwestern! Können wir uns das auf T-shirts drucken lassen?"

„Noch besser, auf Tassen, Schlüsselanhänger und Postkarten." Mara lenkte den Wagen die Auffahrt runter und ich lehnte mich entspannt zurück. Die Landschaft flog an uns vorbei und das Leben kam mir wieder so verdammt leicht vor. Als hätte es Klara nie gegeben.

„Aber Quentin könnte vielleicht wirklich ein guter Tipp sein. Ich muss mir nur noch über mein Budget klar werden. Meine Eltern wollen etwas dazu geben, aber eben nicht viel und ich habe noch die rund achttausend von diesem Job. Keine Ahnung was man für so wenig Geld vernünftiges bekommen kann."

„Meine Eltern haben dir achttausend Euro dafür bezahlt auf mich aufzupassen?", rief ich überrascht aus.

Mara blickte stur auf die Straße und nickte.

„Dann muss ich ihnen ja echt etwas wert sein!", witzelte ich.

„Na hör mal!", rief Mara. „Deine Mutter liebt dich ja mal sowas von! Wenn du mich fragst, dann bist du ihr Augenstern. Das war echt niedlich als sie neulich vor dir stand."

„Fällt mir manchmal schwer zu glauben. Für Papa bin ich doch eine Enttäuschung!"

„Nein! Gott, deine Eltern sind so verdammt stolz auf dich! Dein Vater doch auch! So kumpelhaft wie er mit dir umgeht. So Verhält sich doch wohl kein enttäuschter Vater." Sie klang ja beinahe schon neidisch. „Ich glaube insgeheim freut er sich schon darauf mit dir zusammen das Gestüt zu führen."

„Wir werden sehen!" Ich wollt nicht weiter über dieses Thema reden.

„Naja, ich dann ja nicht mehr. Ich sitze dann schon wieder bei der Holzapfel und verfluche mein Leben!" Mara klang plötzlich wieder bitter.

Ich rollte mit den Augen. Ich wusste ja dass sie das nicht wollte, aber für mich gehörte sie nun so fest auf unser Gestüt , dass ich meinen Eltern die Hölle heiß machen würde, sollten sie Maras Vertrag nicht verlängern, oder was auch immer sie tun mussten um ihr einen Job als Pflegerin hier fest zu machen.

Mara parkte auf dem Parkplatz des kleinen Drogeriemarketes und sah mich leidend an. „Muss ich wirklich?"

„Wie war das noch? Wettschulden sind Ehrenschulden?" Ich konnte mit dem Grinsen nicht hinterm Berg halten. Ich brannte förmlich schon darauf Mara endlich mit dunklen Haaren zu sehen. Zumal meine Eltern schon in einer Woche zurück sein würden und ich mir sicher war, dass sie mit dunklen Haaren auch besser bei meiner Mutter ankommen würde. Mara passte sonst optisch nicht so ganz in das Schema, das meine Mutter für unser Gestüt angebracht fand.

„Na dann wollen wir mal!" Sie öffnete die Fahrertür. Überzeugt sah sie immer noch nicht aus. Trotzdem straffte sie die Schultern und setzte ein tapferes Lächeln auf.

Die passende Farbe hatten wir überraschend schnell gefunden. Ich hatte gar nicht gewusst dass es so viele Stufen von Brauntönen gab. Da den passenden Ton zufinden hatte ich mir dann plötzlich doch schwerer vorgestellt.

Ich war zumindest danach zufrieden, nur Mara guckte noch gequälter. Sie würde ich auch noch überzeugt bekommen, dass es die richtige Entscheidung war die Haare wieder dunkel zu färben. Sie würde zumindest danach aussehen dass sie ihr Leben im Griff hatte.

„Gibst du mir dann jetzt wenigstens, als Entschädigung dafür dass ich meine Haare färben muss, eine Reitstunde?" Mara schmollte tatsächlich etwas. Die Unterlippe schob die etwas vor und verkrümelte sich auf den Beifahrersitz.

Ich startete den Motor und strich über das lederne Lenkrad. Auch wenn Autos so überhaupt nicht mein Ding waren und ich deutlich mehr von Pferden verstand, als von Motoren, Automodellen oder was da sonst noch alles wichtig war.

„Darauf können wir uns einigen. Dann setzte ich dich auf Nighty. Wer weiß, wenn es gut aussieht dann könntest du ihn ja auch regelmäßig reiten. Er hat soweit ich weiß gerade niemanden und könnte etwas Bewegung vertragen. Das muss dann aber meine Mutter entschieden wenn sie zurück sind."

Sofort verzog Mara wieder das Gesicht und schien am liebsten nicht daran denken zu wollen was war wenn meine Eltern nächste Woche zurück sein würden. Dabei musste sie dich doch nun wirklich keine Gedanken machen. Sie würde schon bei uns bleiben können!

Sie würde unheimlich fehlen und ich wollte mir gar nicht ausmalen wie es plötzlich auf dem Gestüt ohne sie sein würde. Helena würde dann auch wieder eine neue Mitbewohnerin bekommen und ob die so cool mit Quentin sein würde wäre fraglich. In unserer Gruppe würde sie wohl auch unweigerlich ein Loch reißen würde sie gehen. Daher musste und würde sie auch bleiben! Egal was ich dafür tun müsste, ich würde es tun!

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