Kapitel 38

Gähnend schob ich mich aus meinem Zimmer. Leo und ich hatten gestern echt den ganzen Tag im Garten gesessen. Er hatte gelesen, ich hatte auf meinem Handy versucht Monster zu besiegen. Irgendwann hatte ich verzweifelt aufgegeben und war Eine rauchen gegangen. Selten hatte ich hier einen so langweiligen Tag verbracht, aber nicht alles konnte immer Actionreich sein.

Die anderen waren irgendwann gestern Nacht zurück gekommen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie Helena in unserer Wohnung gekommen war und konnte es kaum erwarten sie beim Frühstück über das Wochenende auszuquetschen. Hauptsächlich weil ich hofft dass Quentin mal seinen Arsch hochbekommen hatte und Helena gestanden hatte was er für sie fühlte. Auch wenn ich da immer noch zwiegespalten war. Die Hoffnung, dass Quentin ruhiger wurde und sich voll und ganz an Helena hängen würde hatte ich noch nicht ganz verloren.

Müde lief ich im Kühlschrank und versuchte etwas zu erspähen, dass ich mir in mein Joghurt kippen konnte. Obst hatten wir nur noch wenig, außer einer halben Schale Erdbeeren war der Kühlschrank allgemein eher Leer. Wir müssten dringend mal wieder einkaufen gehen.

Ich kippte gerade den Inhalt meines Erdbeerjoghurtbechers in eine Schale, da öffnete sich Helenas Zimmertür. Sofort ließ ich den Becher fallen und schoss ins Wohnzimmer.

„Wie...?". Meine Frage blieb mir im Hals stecken und ich blinzelte ein paar Mal. Halluzinierte ich jetzt, oder träumte ich noch? „Quentin?"

„Morgen." Er war etwas rot geworden und versuchte die Tür möglichst leise hinter sich zu schließen. Leider rutschte ihm die Klinke aus der Hand und die Tür fiel mit einem lauten Knallen zu. „Verdammt", fluchte er leise. Sein Blick wanderte etwas unsicher zu mir. „Also das ist jetzt nicht so wie es aussieht!"

„Das heißt du haust gerade nicht einfach ab?" Danach sah es nämlich ziemlich sicher aus! Sein unsicherer Blick half ihm da auch nicht raus. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wollte schon zu einer Predigt ansetzten, dass er das Helena nun wirklich nicht antun konnte, da schüttelte er bestimmt den Kopf.

„Ich wollte Brötchen holen."

Sofort ließ ich meine Arme sinken und entspannte mich wieder etwas. Wenn es mehr nicht war. Kein Grund also sich aufzuregen. Eher ein Grund schnell zu verschwinden und vielleicht mit Leo zu frühstücken. Das schien ja noch ganz frisch zu sein und da wollte ich jetzt nicht umbedingt als fünftes Rad am Wagen dazwischen funken.

„Dann halte ich dich auch nicht auf. Aber Quentin, sei dir sicher, solltest du Helena irgendwie weh tun, du kommst da nicht mehr lebend raus!"

Quentin lachte nur. „Werde ich mir merken. Leo und du viertelt mich und verfüttert mich an die Wildschweine im Wald. Ist notiert!"

Ich nickte mit ernstem Blick und trat zur Seite. „Sag Helena, dass ich heute Abend einen Turnierbericht haben will"

„Wahrscheinlich mit allen Details." Quentin grinste in sich hinein und ich konnte mir in etwa vorstellen was passiert sein könnte.

Beide Augenbrauen gehoben nickte ich. „Mit allen Details!"

„Alles klar, werde ich ihr sagen. Warum bleibst du nicht zum Frühstück?" Meinte er die Frage wirklich ernst? Also bitte! Ich war in diesem Falle doch nur die nervige Mitbewohnerin. Auf mich konnten die beiden gut und gerne verzichten!

Grinsend winkte ich ab. „Ich frühstücke mit Leo. Er hat gestern übrigens seine Ex hochkant ohne meine Hilfe rausgeschmissen!"

„Nein!", rief Quentin überrascht aus und ein breites Grinsen schlich sich aus seine Lippen. „Endlich! Endlich ist er über diese Plastikpuppe hinweg. Verdammt sind das gute Neuigkeiten. Und du musstest wirklich nichts machen?"

Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich habe nichts gesagt. Er hat sie ganz alleine abgefertigt und heulend vor die Tür gesetzt. Was eine Zicke!"

„Das habe ich schon von Anfang an gesagt! Aber der Junge hört ja nicht auf mich!" Quentin sah aus als würde er am liebsten ins Haupthaus stürmen und Leo aus dem Bett ziehen um ihn zu seiner Entscheidung seine Ex in die Wüste zuschicken zu gratulieren. „Jetzt kann alles nur besser werden!"

Das hoffte ich auch, daher schnappte ich mir auch mein Handy von der Theke in der Küche und rief Quentin noch ein, „Tschüss und versau es nicht", hinter her. Ich musste sofort Leo anrufen. Zum einen um mich selbst zum Frühstück einzuladen und zum anderen um ihm von Helena und Quentin zu erzählen. Der würde Augen machen.

„Morgen. Mensch Mara. Klingel mich doch nicht aus dem Bett. Heute ist es doch so warm, dass alle Reiter erst später mit der Arbeit anfangen. Außerdem bin ich gerade nur im Büro zu gebrauchen." Das stimmte wir hatten eine tropische Nacht gehabt und auch jetzt hing die Hitze des Vortages noch in der Luft. Über den Tag sollte sie allerdings abklingen und gegen späten Abend in einem Gewitter münden.

„Genug geschlafen!" verkündete ich. „Ich komme jetzt zum Frühstücken vorbei und habe Neuigkeiten!"

„Ich habe die halbe Nacht noch gelesen. Du hast Nerven, außerdem was zur Hölle willst du frühstücken was du nicht auch bei euch hast." Natürlich suchte mein Schützling nach ausreden. Er klang aber auch wirklich sehr zerknautscht. Wahrscheinlich lag das Buch noch halbgelesen auf dem Nachttisch und er schielte jetzt schon wieder zu ihm herüber.

Ich seufzte. Beinahe wollte ich schon einlenken, aber ich wollte auch nicht hier herumsitzen und im Weg sein. „Leo, ich komme vorbei ob die willst oder nicht!"

„Wenn es sein muss!", lenkte er widerwillig ein. Ich konnte ihn quasi vor mir sehen wie er in meinem Bett lag und mit den Augen rollte.

Sofort musste ich grinsen. „Na dann hop aus dem Bett und Kaffee kochen!"

„In deinen Träumen!", grummelte er leise in sein Handy. „Wenn du schon meinst mich wecken zu müssen, kannst du auch für mich Kaffee kochen."

Ich lachte auf. Na sicher nicht! „Bis gleich"

Leo knurrte nur etwas unverständliches und legte auf. Wie konnte man bloß so fasziniert von Büchern sein? Ich verstand es jedenfalls nicht unbedingt.

Ich löffelte hastig meinen Joghurt, stellte alles in die Spülmaschine und hetzte dann ins Bad um nicht fertig zumachen, damit ich Leo den Morgen versüßen konnte. Etwas enttäuscht war ich so, dass er die Neuigkeiten gar nicht wissen wollte.

Unten an der Tür traf ich noch einmal auf Quentin. Er hatte sein Wort gehalten und drückte mir als ich im die Tür aufhielt mit einem Augenzwinkern eine der Brötchentüten in die Hand. „Damit der Morgenmuffel lieb zu dir ist."

Lachend streckte ich ihm die Zunge raus. „Ist er immer! Euch viel Spaß!"

Schnell hastete ich über den Weg, vorbei an dem inzwischen so vertrauten Vorstadt Häuschen, zwischen zwei Weiden entlang zum Hauptweg des Gestütes. Es war wirklich nichts los. Die Pferdepfleger hatten wohl nur gefüttert, ansonsten standen alle Pferde noch in den Boxen. Die Luft war drückend, daher wohl auch fürs erste das Richtige. Sobald etwas Wind aufkäme würden sie wohl alle rauskommen. Ich tippte drauf, dass sie alle auf die Weiden Richtung Wald kommen würden, da es dort am meisten Schatten kam und die Reiter heute wohl nur in der Halle bleiben würden.

Kurz blieb ich stehen und atmete tief ein. Es roch so wie für mich jeder Sommer richen konnte. Nach Pferd und frischer sauberer Luft. Wieder ergriff mich etwas Wehmut. Das würde wohl das letzte Mal sein dass ich hier einen Sommer verbringen würde. Ich konnte mir beim besten willen nicht vorstellen bleiben zu dürfen. Ich hatte scheiße gebaut, die niemand entschuldigen könnte, also würde ich wohl kaum einen festen Job hier bekommen können.

Ich blinzelte in das Licht der Sonne und musste die Tränen zurückhalten. Bereit zu gehen war ich eindeutig noch nicht. Würde ich wohl auch nie sein. Nie hätte ich erwartete, dass dieser Job sich so entwickeln würde und ich sogar einen anderen Job absagten würde um hier zu bleiben. Lange dacht ich, ich wäre eine Nomadin, die von Reiter zu Reiter zog und nie irgendwo heimisch werden würde, aber plötzlich hatte ich Freunde. Der Abend vorgestern hatte es deutlich gemacht. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß in einer Gruppe von Menschen. Vor allem aber hatte ich mich verdammt wohl mit ihnen allen gefühlt.

Leo öffnete mir die Tür noch ehe ich klingeln konnte.

„Geil Brötchen!" Zumindest sein Morgen schien nun doch ein guter zu werden. Meinen hatte ich mir mit meinen düsteren Gedanken selbst ruiniert. Daher drückte ich ihm die Tüte einfach nur wortlos in die Hand. Im Flur schlüpfte ich aus meinen Schuhen. Lustlos kickte ich sie mir von den Füßen und ließ sie einfach im Flur stehen.

„Alles okay bei dir?" Leo hob beide Augenbrauen und blickte mich besorgt aus seinen grünen Augen an. Was sollte schon sein? Ich würde meine Freunde bald verlieren und zurück in mein altes langweiliges Leben müssen. Für Doro wäre das ein Fest und ich würde dann eindeutig nicht mehr von ihr wegkommen.

Ich verzog nur die Mundwinkel. Ich wollte nicht darüber reden. Leo würde wohl alles versuchen um seine Eltern davon zu überzeugen, dass ich bleiben konnte. Dann würde ich aber aus reiner Liebe seiner Eltern zu ihm bleiben dürfen, und nicht weil ich gute Arbeit machte. Das wollte ich einfach nicht.

„Was gab es denn nun für Neuigkeiten? Oder sind die schon Schnee von gestern?" Er ging schon vor in die Küche, aus der mir der verführerische Geruch nach Kaffee entgegen wehte. Für eine Tasse von der schwarze, bitteren Plörre würde ich gerade töten. Vielleicht sollte ich einfach mit dem Rauchen aufhören und mit dem exzessiven Kaffeetrinken anfangen. Ob das besser für meine Lebenserwartung war, sei mal so dahin gestellt.

Ich schüttelte den Kopf. „Nee noch kein Schnee von gestern. Außer uns dürfte das hier noch keiner wissen."

Sofort hatte ich Leo ungeteile Aufmerksamkeit. „Sag schon! Was ist es?"

Breit grinsen verkündete ich:, „Quentin und Helena sind jetzt wohl zusammen! Zumindest kam er heute morgen aus ihrem Zimmer und ist gerade mit Brötchen wieder gekommen."

„Deswegen bist du hier. Haben sie dich rausgeschmissen oder bist du freiwillig gegangen?"

„Freiwillig. Quentin hat mir sogar noch Angeboten mit ihnen zu frühstücken, aber ich wäre das wohl ziemlich fehl am Platz gewesen, oder?"

Leo lachte leise auf. Anscheinend versuchte er sich vorzustellen wie ich mit dem glücklichen, frisch verliebten Paar am Tisch saß und dabei nicht aussah, als würde mir ihre Liebe auf den Zwirn gehen. „Gute Entscheidung! Warum hast du dann so schlechte Laune?"

Bevor ich antwortete nahm ich mir eine Tasse Kaffee und trank einen großen Schluck. Sollte ich es vielleicht doch wagen? Ich wollte aber wirklich nicht dass er seinen Eltern ein Ohr abkaute, nur damit sie über meinen Fehler hinweg sahen. Der Fehler, der ihn fast das Leben gekostet hatte. Das würden keine Eltern verzeihen. Meine zumindest wären auf 180 und hätten sich schon längst gemeldet um mich zu feuern.

„Mara, jetzt komm schon. Ich sehe doch dass dich etwas beschäftigt." Sein Blick wurde weicher und er legte seine Hand vertrauensvoll auf meine Schulter. Ganz sanft drückte er sie und lächelte mir aufmunternd zu.

Ich musste schlucken. „Versprich mir bitte, dass du dich da nicht einmischst!"

Leo setzte einen irritierten Blick auf und nickte dann zögerlich. „Ich werde es versuchen. Ganz versprechen kann ich es aber nicht. Kommt immer ganz darauf an um was es geht"

„Ich habe Angst, dass mein Vertrag nicht verlängert wird." Kurz und schmerzlos. Naja schmerzlos? Mein Herz hatte sich zusammengezogen und die Tränen waren auch kurz davor hochzusteigen.

„Wieso sollte man deinen Vertrag nicht verlängern? Mara, du fügst dich super ins Team ein. Für Helena wärst du eine richtige Entlastung auf den Turnieren sein. Ich sehe da jetzt keinen Grund."

„Muss ich dich daran erinnern was letzte Woche passiert ist? Leo, ich hätte auf dich aufpassen sollen! Ich habe ja wohl auf ganzer Line in meinem Job versagt! Sag mir was du willst, aber deine Eltern werden mich wieder rausschmeißen!" Wenn er etwas anderes glaubte musste er doch irre sein! Besonders seine Mutter hängt doch sehr an ihm. Sie wäre wahrscheinlich die Erste, die mich rausschmeißen würde.

Unbeeindruckt stellte Leo die Brötchen auf den Tisch. „Meine Eltern wären schön blöd dich deswegen rauszuschmeißen. Sie wissen wie gerissen ich sein kann und da ich ganz früh am Morgen abgehauen bin, werden sie dir daraus keinen Strick drehen. Irgendwann musst du ja auch mal schlafen und sollte doch etwas sein kannst du auf mich zählen! Du bleibst hier Basta!" 

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