Kapitel 28
Ich konnte Leos Unruhe deutlich spüren. Das Turnier schien ihn sehr zu beschäftigen, wobei ich mir sicher war, dass das nur die halbe Wahrheit war. Er wirkte beinahe wieder deprimiert, dabei dachte ich diese Phase hätten wir inzwischen hinter uns gelassen und könnten nun in eine etwas hoffnungsvollere und fröhlichere Zukunft blicken.
Spätestens seit er wieder reiten konnte war Leo wie ausgewechselt. Er schien es echt vermisst zu haben. Gut, das hatte ich auch. Mit Pferden arbeiten ist und bleibt einfach etwas unvergleichliches. Es gibt einem so viel zurück, dass man es kaum in Worte fassen kann. Seine Sehnsucht, konnte ich daher sehr gut nachvollziehen. Genauso wie das Gefühl zurück zu sein. Es war wie nachhause kommen.
„Hmh", machte Leo nur und ich ließ ihn langsam los. Das klang nicht wie jemand in dem der Kampfgeist wieder erwacht war.
Ich versuchte irgendwie aus ihm schlau zu werden. Die Schultern ließ er hängen und die grünen Augen glitzerten im Sonnenlicht. Das war so widersprüchlich, dass ich etwas verwirrt war! „Glaubst du du kannst das nicht?"
Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Die Schulter straffte er etwas. Nun stand er zumindest etwas gerader. „Natürlich schaffe ich das! Kai ist eine Flachpfeife!"
Gut, dann war dieser Kai schon mal nicht der Punkt, der ihm Kopfschmerzen machte. Dann musste es Klara sein. Wie konnte er nur immer noch so an seiner Ex hängen?!
Bumble scharrte mit den Hufen und zog ungeduldig Richtung Stall wo Helena anfing Futter auszuteilen. Der Schecke spielte nervös mit den Ohren und setzte zu einem Wiehern an.
Leo verzog das Gesicht. „Musste das sein? Helli wird dich wohl kaum vergessen!" Bumble schien dieser Tadel egal zu sein, denn nun setzte er sich einfach in Bewegung und stoppte erst als Leo sich gegen seine Schulter stemmte. „Gott! Seit wann bist du bloß so verfressen?! Vielleicht sollten wir dir bald nach jedem guten Sprung ein Leckerchen geben."
Ich musste lachen. So bescheuert die Idee auch klang. So blöd fand ich sie gar nicht. Ich meine warum sollte etwas was bei Hunden klappte nicht auch bei Pferden klappen. Aber dann würden sie wohl kaum weit im Parcours kommen, wenn Bumble nach jedem Hindernis ein weiteres Leckerchen fordern würde.
„Steht noch irgendetwas auf dem Plan für heute?" Ich hoffte es. Ich hielt es momentan einfach nicht mit Helena in einer Wohnung aus. Überall war diese stumme Anklage, dass ich den Mann ihrer Träume hatte wegnehmen wollen. Das ging doch sehr an die Substanz. Außerdem wollte ich mal wieder etwas anderes sehen als nur mein Zimmer und das Wohnzimmer, wenn Helena unten bei unseren Nachbarn war.
Leo zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Hast du nicht den Plan von meiner Mutter geschickt bekommen?"
Ich nickte. Natürlich hatte ich das. Ich war nun offizielle Wachhund, Schutzengel und Assistentin. Alles in einem. „Naja, ich dachte du hast vielleicht noch Pläne abseits von Stall, Reitplatz und Büro."
Leo setzte sich wieder in Bewegung und Bumble folgte ordentlich, zog nur etwas Richtung Futterwagen, als wir dicht daran vorbei liefen. „Eigentlich nicht. Vielleicht ein Buch lesen".
Ein Buch lesen? Warum konnte ich mir Leo nur so schlecht mit einem Buch in der Hand vorstellen? Auch Quentin konnte ich mir so einfach nicht vorstellen.
„Oh, ich hätte noch welche!", bot Helena sofort an, die gerade eine Kelle Kraftfutter in den Trog eines Schimmels schüttete. Ihre Augen funkelten und ich hatte sie noch nie so begeistert gesehen, wenn ich daran zurück dachte als wir uns noch verstanden.
Leo zuckte mit den Schultern. „Ich hab auch noch einiges ungelesen rumliegen, so ist es nicht!"
Wo sollte er das bitte herum liegen haben? Da fiel mir ein, dass ich noch nie in Leos Zimmer war. Wir hatten seit seine Eltern weg waren oft in der Küche gesessen, oder im Wohnzimmer. Ich hatte ein bis zwei mal im Gästezimmer übernachtete, weil es echt spät geworden war. Irgendwie war es nie nötig gewesen mal in Leos Zimmer zu gehen. Er wirkte Psychisch ausreichend stabil, dass ich ihm traute. Also nicht nur ich, auch seine Eltern.
Wo Helena ihre Bücher hatte wusste ich zur genüge. Sie lagen im Wohnzimmer, auf dem Esszimmertisch und in ihrem Zimmer stapelten sie sich nur so auf dem Schreibtisch und dem Boden vor dem vollen Regal. Ich wusste das auch nur weil ich einmal reingesehen hatte um einen weiteren Gesprächsversuch zu starten. Es war beinahe noch schlimmer zwischen uns geworden seit sie wusste, dass Quentin mich nach einem Date gefragt hatte, ich aber vielleicht gesagt hatte. Manchmal fragte ich mich, ob ein Nein etwas geändert hätte.
„Schade! Ich will so gerne mal wieder über Bücher reden!", seufzte Helena verträumt und ich kam nicht umhin zu denken, dass sie im Internet bestimmt einen Buchclub finden würde. Sie musste deswegen nun echt nicht versuchen Leo von ihrem Buchgeschmack zu überzeugen.
Bumble schob sich in die Putzbox und Leo nahm ihm routiniert die Trense ab. „Ich schicke dir später mal eine Liste mit dem was noch so rumliegt. Dann kannst du mir vielleicht auch sagen mit welchem ich anfangen soll." Er zog dem Wallach das graue Stallhalfter über und machte ihn wieder fest. So sah er gar nicht wie Helena begierig nickte.
„Ihr und eure Bücher. Ich war froh als ich nach dem Abi kaum noch Pflichtlektüren hatte", Quentin stellte sich zu uns. In der Hand einen Apfel und wie immer am essen. Man sah ihn tatsächlich kaum mal nicht nach dem Reiten mit etwas essbaren in der Hand. Aber er konnte es sich auch erlauben. Seiner Figur schien das zumindest in keinsterweise zu schaden. Beneidendswert, wenn ich so viel in mich hinein stopfen würde, würde ich binnen weniger Tage aufgehen wie ein Hefekloß.
Leo rollte mit den Augen. „Dass du Abi hast wundert mich manchmal schon. Hast du die Lehrer bestochen?"
Quentin lachte. Manch einer hätte sich jetzt wohl angegriffen gefühlt, aber unser Schönling, Sektenführer und Top-Bereiter fand das einfach nur urkomisch. „Nö, ich hab einfach immer so getan als hätte ich Ahnung. Hat vollkommen gereicht!"
„Sag nicht du hast das in der Berufsschule auch gemacht. Sonst müssen wir noch mal darüber nachdenken, ob du als Bereiter überhaupt tragbar bist!" witzelte Leo und Quentin winkte lässig ab.
„Nö, da hatte ich Ahnung. Abi habe ich nur für meine Eltern gemacht, damit sie mich in Ruhe lassen."
Tja, meine Eltern hätten das wohl auch gerne gehabt, aber mit einer Lernschwäche war das immer noch so eine Sache. Ich war trotzdem ganz zufrieden. Ich konnte mit Pferden arbeiten und war nun ein kleiner Teil, einer ganz lustigen Gruppe. Es müsste sich eigentlich nur noch alles mit Helena hinbiegen und wir ein echt gutes Team!
Helena schob den Futterwagen zurück in seine Nische und schnalzte mit der Zunge. „Wirklich Quentin! Lesen könnte dir sehr gut tun! Gibt auch echt gute Krimis und Thriller."
„Hmh", machte Quentin, biss in seinen Apfel und nuschelte mit vollem Mund, „Also, die gucke ich lieber. Ist weniger anstrengend und man kann nebenher noch was machen"
Leo schüttelte tadelnd den Kopf und sah mich beinahe fehlend an, dass ich auch mal etwas zu dem Thema sagte.
„Gibt auch Hörbücher", warf ich einfach mal in den Raum und hoffte so alle Seiten zu befriedigen.
Helena warf mir einen undefinierbaren Blick zu und ich wurde sofort wieder Still. Leo schien zumindest mit der Antwort zufrieden, denn er blickte Quentin beinahe schon triumphierend über Bumbles Rücken hinweg an.
„Ich weiß nicht. Bieten sich irgendwie nicht so für...", fing Quentin an und brach seinen Satz sofort wieder ab. „Guck mich nicht so an!"
Helenas Blick sagte alles. Sie war sauer und enttäuscht von ihm. Man musste nun wirklich kein Genie sein um zu wissen, dass es um Netflix und Chill oder wie auch immer man es nennt ging. Sie hatte die Arme vor der Brust verschenket und die Augen gefährlich verengt.
Leo sog scharf die Luft ein. Irgendwas würde jetzt kommen und ich wusste nicht ob ich davon Zeugin werden wollte. Leo beeilte sich den Sattel und die Trense wegzubringen und ich wäre sehr gerne hinter her gestürzt, aber ich war auch zu neugierig.
„Ehrlich ich kann es nicht mehr hören!", schnaubte Helena und ein paar Haarsträhnen fielen ihr in das hübsche Gesicht. Sie sah aus wie eine wunderschöne Furie, bereit Quentin in Stücke zu reißen und dann zu beweinen.
Quentin guckte nur fragend. Waren Männer manchmal echt so dämlich, oder taten sie nur so? „Was kannst du nicht mehr hören?" Das war eindeutig die falsche Frage und ich hielt unweigerlich die Luft an.
Würde Helena sich vielleicht endlich mal trauen und ihm sagen was sie für ihn empfand? Das würde ihr niemand abnehmen und vielleicht wäre es echt mal an der Zeit dafür. Auch Bumble stand sehr still und spitzte die Ohren.
„Es geht bei allem, nur ums vögeln! Ich will mir das nicht mehr anhören müssen!" Ihr Stimme war überraschend fest und schneidend. Die Luft im Stall war bestimmt auch direkt mehrer Grad kühler geworden. Ich hatte zumindest eine Gänsehaut. Helena reckte das Kinn und drehte sich grazil auf den Absätzen ihrer Stiefeletten um.
Quentin und ich sahen ihr irritiert nach. Ich hätte gerne applaudier. Das war nun wirklich ein Top Abgang, beinahe schon Bühnenreif!
„Was war das denn jetzt!", fasste Quentin das in Worte was wir wohl alle dachten.
Leo grinste bloß. „Helena hat einfach mal ihren Biss entdeckt. Find ich super!"
Ich auch, wenn auch etwas beängstigend. Wer wusste was dann zuhause auf mich zukommen würde. Ich sag mich schon aus der Wohnung fliehen und mich bei Leo auf dem Sofa ausheulen.
„Und warum war ich jetzt ihr Opfer?", schien das Thema für Quentin noch nicht beendet zu sein. Er war wohl echt ein fall von: Sieht gut aus, aber ist nicht die hellste Kerze. Sagen wir es so er schien seine Momente zu habe.
Leo rollte mit den Augen, seufzte und klopfte ihm einfach nur auf die Schulter. Ich wusste auch nicht was ich dazu sagen sollte. Konnte es nicht noch offensichtlicher sein, dass Helena in Quentin verliebt war?
Ich schnappte mir eine Bürste aus Leos Hochglanz, teuer-teuer, Putzkoffer und fing an mit Leo Bumble wieder fertig für die Box zu machen. Ich hatte auch Hunger und wollte echt mal frühstücken. Danach musste wir eh zu Leos Therapeutin und saßen wie schon in den letzten Tagen mindestens zwei Stunden im Büro über irgendwelchen E-mails. Dafür fehlte mir ja schlichtweg die Geduld, weshalb ich die Zeit mit einem Sinnlosen Handyspiel versuchte totzuschlagen. Ich war schon bei Level 62 angekommen und bisher war es noch nicht Sterbenslangweilig geworden.
Quentin sah sah uns immer noch verwirrt an. Beinahe tat er mir leid. Er sah dabei auch echt verdammt niedlich aus. Beinahe bereute ich es tatsächlich zu unserem Date nur vielleicht gesagt zu haben. Ein Ja hätte ja auch zu interessanten Entwicklungen führen können. Aber es war besser so. Da war ich mir immer noch ziemlich sicher!
Besonders da mir der Job bei Roths immer noch nicht aus dem Kopf gegangen war und ich die Zusage Mail schon in meinem Entwürfeordner gespeichert hatte. Etwas hielt mich noch zurück. Ich wusste nicht was, aber es hielt mich davon ab die Zusage zu verschicken. Dabei müsste ich sie am Wochenende rausschicken.
Leo blickte zu mir herüber, als er Bumble losband. „Wie viel Zeit haben wir noch?"
Ich blickte auf mein Handy. „Noch zwei Stunden, also genug Zeit zum gemütlich Frühstücken und umziehen, falls du da nicht in Reitklamotten aufschlagen willst"
Er schüttelte den Kopf. „Umziehen muss ich mich nicht! Muss danach doch eh sobald wir aus dem Büro sind weiter reiten. Iris will schließlich auch nochmal durch den Parcours vor dem Turnier." Bumble zog zu seiner Box und Leo sah sich einmal kurz um ehe er den Stick mitten auf der Stallgasse löste und Bumble einfach laufen ließ. „Pst! Nichts meinen Eltern sagen, dann würde ich wohl enterbet werden!", zwinkerte er mir zu.
„Wenn wir so viel Zeit haben, können wir ja im Gaten frühstücken", schlug ich vor. Ich mochte den kleinen, aber wirklich traumhaften Garten des Gutshauses sehr. Er war beinahe wie im Märchen mit den vielen blassrosa Rosen und anderen pastellfarbenen Blumen.
„Da schließe ich mich gerne an", lud Quentin sich einfach selber ein.
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