Kapitel 27
Immer noch etwas verschlafen blinzelte ich in die aufgehende Sonne. Nebel waberte immer noch über den Außenplatz, auf dem ich mit Quentin und Mara gerade noch Stangen und Hindernisse aufgebaut hatte. Immer noch war es reichlich komisch für mich wieder im Sattel zu sitzen. Die Schulter schmerzte zwar ab und an, aber es war aushaltbar und ich seit zwei Wochen wieder voll im Training.
„Du solltest nicht immer so lange mit deiner Klara schreiben!", zog Mara mich auf, als sie mir die Zügel von Bumble reichte.
Ich rollte mit den Augen. Was wusste sie schon?
Zwischen Klara und Kai sah es nach ihren Angaben nicht gut aus. Er ließ sie links liegen und irgendwie hatte sie wohl das Gefühl nichts wirklich für ihn zu empfinden. Es war wie Balsam auf meiner Seele gewesen, als sie mir geschrieben hatte, dass es mit Kai ganz anders als mit mir sei und sie mich wirklich vermissen würde.
Mara lachte leise und hielt mir gegen damit ich in den Sattel steigen konnte ohne meiner Schulter vielleicht doch zu viel Gewicht zuzumuten. Ihre Haarfarbe war nun ein sehr helles blond mit einem breiten dunklen Ansatz und immer noch leicht grünlichen Spitzen. Ich verstand nicht, warum sie das Blond nicht einfach überfärbte und ihre Naturhaarfarbe herauswachsen ließ. Das dunkle Braun stand ihr in meinen Augen sehr viel besser, als dieser komische Farbencocktail.
„Lach du nur!" grummelte ich, als ich oben saß und locker die Zügel aufnahm.
„Was? Ich finde nur du steigerst dich da viel zu sehr in etwas herein, das einfach nicht funktionieren kann. Aufgewärmt schmeckt zwar manches Essen, aber Liebe aufwärmen ist oft eine ziemlich dumme Idee!"
Ich knirsche mit den Zähnen und ritt im Schritt an. Sie sollte sich nicht in mein Liebesleben einmischen. Ich hielt ja bei ihrem inzwischen auch die Klappe. Es wunderte mich immer noch dass sie Quentin einen Korb gegeben hatte, aber ich fragte nicht wieso. Warum konnte sie dann nicht auch einfach meine Beziehung zu Klara unkommentiert lassen?
Bumble setzte sich gemächlich in Bewegung und kaute gelangweilt auf seinem Gebiss herum. Ich wusste dass er es ebenso wie ich nicht abwarten konnte wieder im Parcours aktiv zu werden. Zu lange waren wir schon nicht mehr zusammen geflogen. Es war echt wieder an der Zeit.
„Sie hat recht!" gesellte sich Quentin mit seinem Berittpferd zu mir in die Bahn. „Lass es wirklich bleiben! Eine wie Klara ist ganz schnell wieder weg und dann ist das Geheule wieder groß."
Was wusste er schon? Er war doch der Typ, der nie eine Beziehung und einen halben Fanclub hinter sich stehen hatte. Natürlich waren auch jetzt wieder einige neugierige junge Frauen bei uns am Zaun zu finden. Hauptsächlich Auszubilden und Aushilfen aus der Verwaltung.
„Haltet einfach beide die Klappe! Es geht euch nichts an, verdammt!", schnauzte ich und lenkte Bumble auf den Hufschlag. Mit einem kräftigen Schnalzen und etwas Schenkeldruck bewegten wir uns einem guten Arbeitsschritt voran. Bumble spielte mit den Ohren und wirkte als sei er voll bei mir. Den Kopf hatte er in einer schönen Dehnungshaltung.
Quentin hielt sein Pferd, einen Fuchs, neben mir. „Es geht uns sehr wohl etwas an. Du bist mein bester Freund! Wenn das wieder so ausgeht wie das letzte Mal, dann müssen wir dich wieder zusammenflicken und auf dich aufpassen. Alles nur wegen dieser dummen Ziege!"
Er sollte sie so nicht nennen! Das fand ich alles sehr unfair! Ich sprach so auch nicht über seine unzähligen Eroberungen. Dabei waren da echte Dummchen und oberflächliche Bitches dabei. Da konnte man sehr wohl mal etwas despektierlich werden fand ich!
„Jetzt guck nicht so! Klara ist nun wirklich nicht der Engel, den du so sehr in ihr sehen möchtest. Du findest bestimmt etwas besseres und sie sollte besser mal an sich arbeiten und daran wie man die Beine zusammenhält, wenn man in einer Beziehung ist." Quentin schnaubte empört auf und der Fuchs machte mehrere tänzelnde Schritte. Der Sandboden gab ganz leicht unter den Schritten des Wallachs nach und die Hufe gruben Spuren in den frisch abgezogenen Platz, auf dem man sonst nur unsere Fußspuren sehen konnte.
Ich schnalzte mit der Zunge. Bumble glitt beinahe in einen Stechschritt und ich hatte Mühe ihn zurückzuhalten. Da war jemand motiviert. Sein Schweif schlug und die Ohren hatte er gespitzt.
„Als ob du besser bist! Du hast so viele Mädchen! Am Wochenende gehst du doch auch wieder auf die Jagt!", knurrte ich genervt und bemühte mich nicht doch schon anzutraben um etwas mehr Distanz zwischen mich und meinen besten Freund zu bringen. Aber ich war noch keine zehn Minuten Schritt geritten.
Quentin seufzte, „Und das solltest du auch tun! Du hängst viel zu sehr an ihr! Außerdem vögel ich nichts von dem ich weiß dass es in einer Beziehung ist. Gehört sich einfach nicht!" Hatte er etwa doch ein Gewissen Frauen gegenüber? Morgen mehr!
Ich schüttelte bestimmt den Kopf. „Den Teufel tue ich!" Party machen stand nicht auf meinem Plan und mit einer Fremden in einem Lkw landen auch nicht!
Plötzlich grinste Quentin breit und rief zu Mara herüber:, „Wir gehen auf jeden Fall zur Party auf dem Turnier! Und Leo nehmen wir mit! Zur Not fesseln wir ihn und füllen ihn mit Schnaps ab! Der Junge muss mal wieder unter Leute"
Mara lachte und reckte beide Daumen in die Höhe. „Klingt gut! Bin dabei!" Natürlich war sie das! Alles Verräter hier.
„Sonst kann er auch bei mir im Lkw bleiben. Mir ist nicht so nach Party", Helena schob sich, Mara keines Blickes würdigend auf den Platz und lehnte sich gähnend an eines der Hindernisse.
Ich lächelte ihr dankbar zu, während Quentin sein Pferd nun anhielt und sie beinahe schon vorwurfsvoll ansah. „Du willst nicht feiern!?! Helli! Komm das wird lustig!"
Helena verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust und schüttelte bestimmt den Kopf. „Vergiss es Quen! Ich gucke mir nicht an wie ihr euch besauft, wieder nur Scheiße baut und man am liebsten nicht mit euch in Verbindung gebracht werden möchte. Wen du dir dieses mal aufreißt muss ich mir auch nicht geben. Dann sitze ich lieber gemütlich mit Keksen und einem Buch im Lkw."
Quentin zog eine Schnute und ritt wieder an. Er sah genervt aus. Warum auch immer. Mir war das nur recht. Mir bleib damit eine weitere Party erspart und damit die Blicke aller. Inzwischen hatte es sich wohl schon herum gesprochen, dass ich versucht hatte mir das Leben zunehmen und ich war es so leid diese ganzen heuchlerischen Nachrichten zu bekommen. Da musste ich diesen Menschen nicht auch noch im echten Leben über den Weg laufen. So konnte ich sie einfach ignorieren.
„Da schließe ich mich gerne an. Was lesen wir, denn?" Ich las zwar, zeitbedingt, nicht viel, aber das klang tausend mal besser als die Party.
„Keine Ahnung was du lesen willst, aber ich lese gerade eine ganz süße Romanze", schwärmte sie und ich war mir sicher, dass sie auch verklärt guckte. Sie hatte einfach ein Faible für so etwas. In ihrem ganzen Zimmer lagen Romanzen unterschiedlichster Dicke und Intensität herum. Wie man so etwas lesen konnte? Keine Ahnung!
„Du hast mich bei Romanze verloren!", kommentierte ich abgestoßen.
Quentin lachte siegessicher. „Na also, da haben wir doch die perfekte Wahl! Entweder du musst mit Helli eine ihrer Schnulzen lesen oder du gehst mit uns feiern!"
Das war echt eine Pattsituation. „Kann ich auch einen Krimi lesen?", versuchte ich mich irgendwie aus der Affäre zu ziehen.
„Ausgeschlossen!", rief Mara vom Zaun und kicherte ausgelassen über meinen genervten Gesichtsausdruck. „Du hast noch vier Tage dir das zu überlegen! Party oder Schnulze"
Alles scheiße! Damit war mein Lichtblick wohl nur das Treffen mit Klara. Kai würde das Turnier auch reiten und wir hatten abgemacht dass wir uns treffen wenn er seine Jungpferdeprüfung ritt. So hatten wir genug Zeit zu reden und er bekäme nichts mit. Danach konnte man ja immer noch sehen was war.
In meiner Hoffnung, trennte sich Klara noch auf dem Platz von ihm und kehrte zu mir zurück. Ich fände das nur fair. So war es mit mir ja schließlich auch gelaufen. Nachhause käme sie auch mit uns und unsere Truppe wäre wieder komplett.
„Pff, ich verstehe gar nicht was ihr gegen Romanzen habt! Etwas Liebe im Leben schadet niemandem, besonders nicht wenn sie auf Papier stattfindet!" Helena schien nun zu schmollen und ich konnte es ihr nicht verübeln. Sie sollte ihren Schnullikram ruhig lesen. Ich würde sie nicht davon abhalten. Wenn es ihr gefiel sollte sie es doch tun. Sie verletzte ja niemanden damit, also wo war das Problem.
Quentin zuckte mit den Schultern und grinste sein typisches freches Grinsen, dass ihn immer wieder aussehen ließ wie einen kleinen Jungen. „Ich habe Sex lieber als über ihn zu lesen."
Helena rollte mit den Augen und seufzte genervt auf. Die Sache mit Mara schien immer noch tief zu sitzen. Ich hoffte beinahe schon sie würde endlich mal jemanden kennenlernen, der ernsthafter mit ihr war als Quentin es je sein könnte. Vielleicht würde ihr das mal ganz gut tun. Nein, es würde ihr bestimmt ganz gut tun! Da war ich mir ziemlich sicher.
Genervt von dem Gespräch trabte ich an.
Das Training lief gut. Bumble war locker. Wir hatten die Sprünge tatsächlich noch einmal höher gestellt und waren somit der Turnierhöhe recht nahe gekommen. Er war alles gesprungen, als hätten wir nicht fast drei Monate Pause gehabt als Team. Nichts stellte er in Frage. Alles war wie immer gewesen, als wäre nie etwas passiert.
Trotzdem machte das Turnier am Wochenende mir Sorge. Was wenn ich angesprochen werden würde und man von mir erwarten würde meinen Selbstmordversuch zu erklären? Was wenn wieder jemand meinen Sturz vorbrachte? Was wenn ich Klara und Kai zusammen sah?
Oh Gott! An letzteres wollte ich lieber nicht denken! Ich konnte mir ja schon schlecht die Fotos angucken, die Klara öffentlich von ihnen als Paar teilte. Das war alles immer so gestellt und so betont glücklich. Da würde jeder das Kotzen bekommen! Sofort spürte ich wieder einen kleinen feinen Stich in meinem Herzen. Ich musste mich mahnen, dass sie Kai nicht liebte, sonst hätte ich wohl angefangen zu weinen. Wie sollte das nur auf dem Turnierplatz werden?
Mara lief neben mir zum Stall und bemerket meinen Blick wohl. Ihre blauen Augen fixierten sich auf mein Gesicht und es blitzet Besorgnis in ihnen auf. „Alles okay?"
„Ja", meinte ich matt und streichelte Bumbles Hals. Der Wallach brummelte leise.
„Du verarschst mich! Ist es das Turnier?"
Ich reagiere nicht und fragte mich seit wann sie mich eigentlich so gut kannte. Wir kannten uns vielleicht vier Wochen, also einen Monat und sie konnte mich so lesen? Da müsste ich eindeutig nochmal an meinem Pokerface arbeiten.
Sie schlang die Arme um mich und legte mir Vertrauensvoll den Kopf an die Schulter. „Das wird schon! Du bist nicht alleine vergiss das bitte nicht!" Irgendwie fühlet sich das gut an, dass sie das sagte und vor allem auch so zu meinen schien.
Tief atmete ich ein und nickte.
Sie drückte mich noch etwas fester an sich und nuschelte an meinen Rücken. „Du kannst das! Zeig diesem Kai wo der Hammer hängt und zeig dieser Klara dass du sie nicht brauchst!"
Sie lag sowas von daneben. Kai zeigte ich gerne auf was für ein Versager und schlechter Reiter er doch eigentlich war. Ich genoss es sogar in vollen Zügen, wieder gegen ihn in die Arena zu reiten und ihm den gestreckten Mittelfinger in Form eines Sieges zeigen zu können.
Klara hingegen war eine andere Geschichte. Ich brauchte sie. Ohne sie fühlte ich mich so leer, so einsam. Ihr gehörte mein Lächeln, mein Herz, meine Freude. Sie war die Einzige, die mich glücklich machen konnte. Das würde sie auch immer bleiben. Da war ich mir ziemlich sicher und ich würde sie zurückgewinnen. Kein dummer und nerviger Kai würde mich davon abhalten können! Und mein Herz würde sie mir auch nie wieder brechen. Nicht nach ihren Nachrichten und dem wie sie auf den Fotos mit ihm aussah!
Wir waren zusammen glücklich. Klara und ich gehörten zusammen. Das sah auch ein Blinder. Kai hingegen war nur ein dummer kleiner Fehler gewesen und das würde er am Wochenende auch sehen!
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