Kapitel 26
Müde lief ich über den Weg zu den Angestelltenwohungen. Die Zigarettenschachtel immer noch in der Hand. Bisher hatte ich noch keine geeignete Stelle zum rauchen gefunden. Ich kannte auch Leute, denen wäre das total egal gewesen, ob sie damit jemanden oder etwas in Gefahr brachten wenn sie irgendwo rauchten, aber ich war mir der Konsequenzen eines Zigarettenstummels durchaus bewusst. Somit hieß es weitersuchen.
In allen Häusern an denen ich vorbei lief brannte schon Licht. Man hörte vereinzelt Leute im Garten sitzen und ein laues Sommerlüftchen wehte durch die Bäume. Alles sah so idyllisch aus. So als gäbe es hier keine Probleme. Irgendwie bekam man das Gefühl einer Ponyhofidylle gemischt mit der Aufgeräumtheit einer Vorstadt-Neubausiedlung, wenn man so die Straße entlanglief. Ab und an konnte man zwischen den Bäumen und Häusern in der Distanz noch einen der hellerleuchteten Stalltrakte erblicken. Das Licht auf den Außenplätzen und in der Reithalle war scheinbar schon erloschen, dabei kam es mir nicht mal so spät vor. Aber die Sommersonne täuschte einen ja gerade im Hochsommer gerne schon mal.
Unschlüssig blieb ich am Parkplatz stehen. Hier war der einzige Platz an dem ich in Ruhe rauchen konnte. Rein aus Gewohnheit als aus allem anderen suchte ich mit den Augen nach meiner deplatzierten Rostlaube. Vielleicht konnte ich mir von dem Geld aus diesem Job auch endlich mal einen etwas besseren Gebrauchtwagen kaufen. Irgendwie kam mir mein kleines Autochen hier sehr fehl am Platz vor. Kein Auto das hier stand war so alt wie meins und alle waren entweder schwarz, grau oder weiß. Einen SUV bräuchte ich nun nicht, aber gegen einen kleinen Polo in etwas neuer hatte ich nichts einzuwenden.
Ich wandte meinen Blick schnell ab, als schon wieder eine dieser Oberklasse Schlitten auf den Parkplatz fuhr. Ein Mercedes, wenn ich mich nicht täuschte und auch noch sehr neu. Zumindest meinte ich das Modell neulich noch in der Werbung gesehen zu haben. Der Bass wummerte etwas, verstummte aber, kurz nachdem der Motor ausgestellt wurde und sich sein Fahrer aus dem Wagen bequemte.
Neugierig versuchte ich zu sehen wer es war. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sich jeder x-beliebige Gestütsangestellte so einen Wagen leisten konnte. Umso verwunderter war ich als ich sah, dass Quentin sich die Schlüssel lässig in die Gesäßtasche seiner Reithose schob und den Kofferraum öffnete.
Wie immer konnte ich meinen Blick kaum von ihm nehmen. Es war mir beinahe schon unangenehm, dass ich ihn immer so anstarrte, aber ich hatte noch nie die Bekanntschaft mit so einem hübschen Menschen gemacht.
Seine Muskeln spielten im Dämmerlicht, als er die Einkäufe aus dem Kofferraum holte. Wie sein Bizeps sich anspannte und entspannte, war ein Bild für die Götter. Er könnte sich wohl auch optisch in ihre Riege einreihen. Die nicht leicht aussehende Tasche schulterte er locker, als wäre sie leicht wie eine Feder. Ich vergas vor lauter starren meine Zigarettenschachtel und mein eigentliches Vorhaben. Dabei wollte ich diese Zigarette nutzen um darüber nachzudenken, wie ich das mit dem neuen Job angehen wollte und auch wie ich weiter mit Leo vorging. Ich mochte ihn. Er war eigentlich ein echt netter Kerl, der sogar ab und an ganz lustig war. Vor allem aber tat er mir immer noch leid. Seine Ex fand ich egal was er sagte ein Biest und würde ihr nie auch nur einen Meter über den Weg trauen.
„Eine Rauchen?", ertönte plötzlich Quentins Stimme neben mir. Ich zuckte zusammen. „Ich wollte dich nicht erschrecken, eigentlich dachte ich du hättest mich schon bemerkt." Er stellte seine Tasche neben sich ab und schenkte mir ein charmantes Lächeln.
„Ähm...", machte ich und hob meine Schachtel, die schon ziemlich leer war. Fuck, ich müsste wohl bald mal Neue kaufen oder es nochmal mit dem Aufhören versuchen. „Genau."
„Ward ihr noch spazieren?" Seine blauen Augen glitten neugierig über mich, wie eine sanfte Berührung. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken.
Ich nickte und zog eine Zigarette aus der Schachtel. Sein Blick wurde etwas abwertender, als ich mir die Zigarette zwischen die Lippen steckte und nach einem Feuerzeug kramte. In meiner Hosentasche wurde ich fündig. „War ganz nett", nuschelte ich während ich mir den Glimmstängel ansteckte.
Er hob eine Augenbraue und schmunzelte. „Lass mich raten", sein Grinsen wurde breiter, „Leo hat immer noch verdammt schlechte Laune" Verwundert blinzelte ich ihn an. Wie kam er denn jetzt darauf. Leo hatte heute endlich mal erträgliche Laune gehabt und ich nicht mehr das Bedürfnis ihn irgendwo auszusetzen.
„Ganz und gar nicht. Er war heute mal richtig gut drauf. Wenn er so drauf ist mag ich ihn zumindest und er ist weniger anstrengend."
Quentin atmete auf. „Wurde auch mal Zeit. Diese Zicke war seine Zeit und Mühe nie auch nur eine Sekunde wert. Klara ist eine ziemliche Bitch. Jemand um den man immer und überall lieber einen Bogen macht. Ich frage mich immer noch was Leo jemals in ihr gesehen hat!"
Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse und blies weißen Rauch in die Luft. Wie bracht ich ihm jetzt bei, dass Leo hoffte wieder mit ihr zusammen zu kommen? „Sie hat ihn wieder angeschrieben."
Quentin stöhnte entnervt auf. „Fuck! Sie sollte lieber in der Hölle schmoren. So jemanden hat er nicht verdient! Sie sollte besser die Finger von ihm lassen. Ich gebe ihr drei Wochen bis sie ihm wieder das Herz bricht und ob er das wieder überlebt weiß ich ehrlich nicht!"
So hatte ich das noch nicht betrachtete und musste sofort hart schlucken. „Liebeskummer ist schon scheiße!"
Er zuckte mit den breiten Schultern. Warum sahen sie bloß so einladend aus? „Kann ich nichts zu sagen. Davon wurde ich bisher immer großräumig verschont." Er spielte mit dem Autoschlüssel in seiner Hand und das Mercedes Logo blitzte auf. Ich hatte mich also nicht geirrt!
Er hatte meinen Blick wohl bemerkt, denn er erklärte ganz lässig, „Bevor du fragst. Ich habe niemanden umgebracht oder eine Niere verkauft um mir das Auto leisten zu können. Meinen Eltern gehört ein Autohaus." Das hatte ich nun nicht erwartet. Allgemein hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht wo Quentin herkam. Bisher hatte mich, erschreckenderweise, nur sein Körper interessiert. Ich sollte mich wohl nie mehr über oberflächliche Männer beschweren, ich war eindeutig nicht besser.
„Wie bist du dann zum reiten gekommen?", stellte ich wohl die am fernsten liegende Frage.
Er grinste, „Meine Eltern hatten Karten für den CHIO und haben mich mitgenommen. Ich habe sofort als der erste Reiter in die Soers ritt gesagt dass ich das auch machen will. War übrigens Becker damals."
Ich musste schmunzeln, als ich mir vorstelle wie Mini-Quentin mit großen Augen Otto Becker bewunderte und sich nur Augenblicke später an seine Eltern wandet um zu erklären, dass er das auch einmal machen wollte.
„Reitest du eigentlich auch, oder bist du nur Pflegerin?" Neugierde Blitze in seinen Augen auf.
Ich nahm einen weiteren Zug von meinet Zigarette und nickte. Ich inhalierte tief und blies den Rauch in Ruhe in die immer noch etwas warme Luft. „Klar, aber eben weniger und nur ab und an wenn es sich anbietet."
Zum Glück schien er nicht auch das Fragen zu wollen, was Leo mich noch am Nachmittag gefragt hatte. Vor ihm hätte er mir sehr schwergefallen meine Lernschwäche zu erklären und warum ich so eine Angst vor der Ausbildung zum Bereiter hatte.
„Ach so, dann bist du doch bestimmt an der Stunde interessiert die Regina den Mädels einmal die Woche gibt. Helena ist zumindest immer sehr begeistert."
„Nee, lass mal! Ich glaube das ist nichts für mich. Ich bin zuletzt nur ausgebrannte Schulpferde geritten. So eine Sportpferd in Rente ist da bestimmt ganz anders zu reiten", lachte ich nervös. Er musste ja nicht wissen, dass ich da nicht hin wollte wegen Helena. Ich hatte, wenn ich ehrlich war, auch etwas Angst davor ihr gleich über den Weg zu laufen.
Quentin zog die Augenbrauen zusammen und sah aus als würde er mich gerade ernsthaft für bescheuert halten. „Na dann doch erstrecht! So eine Chance bekommen nicht viele. Du solltest sie nutzen. Da beißt schon keiner und Regina setzt dich auch nicht gleich auf den schwierigsten von ihnen."
Er hatte ja keine Ahnung! Ich glaube schon dass Helena beißen würde. Sie hatte so einen Narren an ihm gefressen und ich war ihr gerade ein Dorn im Auge. Warum sollte sie da nicht jede Möglichkeit nutzen mich fertig zu machen?
„Vielleicht, wenn die von Speyers aus Italien zurück sind", antwortete ich ausweichend und nahm schnell noch einen Zug von meiner Zigarette. Ich betete er würde nicht darauf drängen.
Er zuckte bloß wieder mit den Schultern. „Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Helli sagt zumindest sie hätte viel von Regina gelernt und wäre sehr dankbar für die Stunden. Sie reitet einen der Oldies ab und an wenn sie frei hat etwas aus. Sieht zumindest auch ziemlich gut aus und sie hält sich selbst auf dem Stoppelfeld wacker, wenn der Alte wieder entdeckt, dass er vielleicht doch noch nicht so alt ist." Kurz herrschte Stille. Man hörte nur den Wind der durch die Bäume strich und die leisen und fernen Stimmen derer die im Garten saßen. „Guckst du gleich noch mal nach ihr? Ich habe sie seit heute Morgen nicht mehr gesehen", bat er mich da.
Ich verschluckte mich fast an meiner Zigarette. Wenn ich jetzt nein sagen würde, müsste ich auch erklären war das Problem zwischen uns war und ob ich das so umbedingt wollte war wohl eher die Frage. Er sah ehrlich besorgt aus und in seinen Augen flackerte etwas auf, was ich nicht ganz deuten konnte. Das irritieret mich und gab mir das Gefühl, dass mit Quentin spielen vielleicht doch keine Option war.
„Klar. Kann ich machen", kam es mir wie von selbst über die Lippen und ich versuchte immer noch angestrengt aus seinem Gesicht lesen zu können was das war. Dieser Ausdruck bereitet mir Unbehagen.
„Danke. Es ist echt ungewöhnlich für sie nicht als letzte aus dem Stall zugehen. Ich hatte fast den Eindruck, dass sie mir heute aus dem Weg gegangen ist" nun schaute er beinahe verletzt und setzte nach, „Weißt du darüber etwas?" Auch in seiner Stimme schwang plötzlich ein eigenartiger Unterton mit.
Schnell schüttelte ich Wortlos den Kopf und sah weg. Ich hoffte er hatte nichts bemerkt und würde nicht weiter frage über Helena stellen. Ich wollte sie einfach nicht beantworten! Es war nicht meine Aufgabe ihm zu erklären, wie Helena für ihn fühlte.
Plötzlich wurde sein Blick etwas unsicherer. Er musterte mich schon wieder, bleib mit dem Blick an meiner Zigarette hängen und fragte schließlich, „Hättest du eigentlich mal Lust nach der Arbeit was zu machen?"
„Fragst du mich gerade nach einem Date?", platzte es verwirrt aus mir heraus. Vor wenigen Stunden noch hätte ich mich tierisch über diese Frage gefreut, aber jetzt... jetzt tanzte nichts in mir und auch mein Herz schlug nicht wirklich schneller.
Er grinste etwas verunsichert und fuhr sich durch die Haare. „Wenn du es so sehen willst."
Und dann sagte ich etwas, von dem ich nicht gedacht hatte, dass ich es zu jemandem wie Quentin sagen würde. Ich meine wann sagte einem schon mal ein Mann, der eine glatte 10 war, dass er gerne ein Date mit einem hätte?! In meinen kühnsten Träumen hätte ich nie so reagiert.
„Lass mich darüber nachdenken."
Ich konnte quasi mitverfolgen, wie etwas in seinem Kopf das ganze nur langsam verarbeitet und sich sein Ausdruck veränderte. Er sah absolut verwirrt aus. Da war wohl noch nie jemand zurückgewiesen worden.
Es tat mir beinahe schon leid, aber mein Bauchgefühl hatte deutlich gesagt, dass ich nicht mit ihm auf ein Date gehen sollte. Ausnahmsweise hatte ich dann auch mal auf es gehört.
„Okay", meinte er gedehnt und blinzelte etwas überfordert. Zum Glück fing er sich schnell wieder, bevor ich noch überlegten musste Leo anzurufen um ihm zu gestehen, dass ich seinen besten Freund kaputt gemacht hatte. „Schreib mir einfach, solltest du mit nachdenken fertig sein."
Nervös lachte ich auf und nickte. Ich glaubte irgendwie nicht dass ich noch groß nachdenken musste. Es würde eher nichts werden. Er gehörte, leider Gottes, nicht zu mir und das wurde mir genau in dem Moment bewusst.
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