Kapitel 18
Ich meinte es wie ich es sagte! Leonards Ex war eindeutig eine Sirene! Wie konnte sie ihm so das Herz brechen und er hing immer noch so an ihr?! Hätte das einer meiner Ex Freunde gebracht, hätte ich ihm mit Freuden eine gescheuert und danach seine ganzen Macken und Wehwehchen an seine Affäre ausgeplaudert. Dann hätte er gesehen was er davon hat.
Leonards Handy gab einen Ton von sich und plötzlich war ich absolut abgeschrieben. Das war mir gerade recht wenn ich ehrlich war. Ich musste gerade erstmal verarbeiten, dass ich es mir wegen eines Typen mit meiner Mitbewohnerin verbaut hatte. Das klang eher nach schlechtem Teeniefilm, als zwei nahezu erwachsene Frauen, die sich zufälligerweise in ein und denselben Typen verliebt hatten. Mehr Glück konnte man echt nicht haben.
Auf dem Gesicht meines Schützlings breitete sich ein Lächeln aus und er drehte sich auffällig von mir weg. Da hatte wohl jemand eine etwas prekärere Nachricht bekommen und ich konnte mir direkt vorstellen von wem. Sein Blick sprach Bände. Leicht verklärt, etwas glasig und das Lächeln war sanft.
"Na, was will die Bitch nun? Dir heile Welt vorspielen, bevor sie dich wieder verarscht?", seufzte ich und entschied Leonard vor noch einem gebrochenen Herzen zu bewahren. Oder vielmehr ihn wieder vor dieser Sirene zu retten.
Leonard rollte mit den Augen:, "Hast du kein eigenes Leben?"
Guter Punkt. Musst ich ja gestehen, aber meine Jobbeschreibung schloss das ja beinahe aus. Ich war sein Schatten, der pessimistische und passivaggressive Engel auf seiner Schulter, der schon wieder Lust auf eine Kippe hatte.
Ich kramte in meiner Jackentasche und zog meine Zigarettenschachtel inklusive Feuerzeug heraus. Mit einer Handbewegung bedeutete ich Leonard mir zu folgen, während ich mir eine Zigarette zwischen die Lippen stecke.
Widerwillig trat er mit mir zum Rand der Auffahrt und kräuselte angeekelt die Nase, als ich mir die Zigarette anzündete.
"Muss das sein?", fragte er genervt und verschränkte die Arme vor seiner Brust. Die Augenbrauen zog er beinahe vorwurfsvoll hoch und fixierte mich mit seinen dunklen Augen.
"Ja!", grinste ich zwischen zwei Zügen. Ich fühlte mich wieder etwas wie ein pubertierender Teenager, der gegen eine moralische Instanz rebellierte und das machte mir ehrlich gesagt riesig Spaß.
Automatisch trat Leonard zwei große Schritte zurück und blickte in die Ferne. Sein Blick glitt über die Weidefläche neben uns und plötzlich wies er auf einen Braunen in der Distanz. Er kniff ein Auge zusammen um besser draufzeigen zu können und verkündete:, "Die Braune da, die ist Schuld an meiner Situation und ich kann ihr leider nicht böse sein. Das wäre zu einfach und sie wusste es ja nicht besser"
Das war also die Stute, die ihn so böse abgebockt hatte und damit zur Zielscheibe aller kleinen Instagrampferdemädchen gemacht hatte, die lieber Wendy und Ostwind lasen, als sich mit der Reiterei abseits ihrer perfekten Ponyhofwelt zu beschäftigten.
Ein Kommentar war mir besonders prägnant im Kopf geblieben: "Der schlägt sein Pferd doch bestimmt, sonst würde es so nicht reagieren!"
Nun kannte ich Leonard und konnte mir das besonders nach seinem letzten Satz zu der Stute beim besten Willen nicht vorstellen. Er liebte seine Ex vielleicht noch und erlaubte ihr, sollte meine Vermutung stimmen, mit ihm zu spielen, aber seine Pferde liebte er immer noch mehr.
"Wenn du deine Pferde so liebst, warum hast du dann trotzdem versucht dich umzubringen?", kam es mir wie von selbst über die Lippen und ich pustete weißen Rauch in die schwüle Sommerluft.
Leonards Adamsapfel hüpfte, als er schwer schlucken musste. Sein Augen suchten irgendwo in der Entfernung nach halt. Plötzlich stand er grader und sah trotzdem verdammt hilflos aus.
"Ich...", fing er an. Schluckte noch einmal schwer und ließ die Schultern dann entkräftet sinken. "Ich dachte ich wäre so... verletzt, von einem Skandal gebeutelt, der eigentlich keiner war und einsam, nichts mehr wirklich wert"
Nun war es an mir schwer zu schlucken. Ich hatte alles erwartete. Ausflüchte, Beleidigungen, plötzliches wegrennen, aber nicht die Wahrheit.
"Weißt du, so toll wie sich das immer alle vorstellen auf einem Gestüt zu leben ist es nicht!", fuhr er unbeirrt fort und wirkte plötzlich so viel älter als einundzwanzig.
Mein Herz zog sich mitleidig zusammen und ich vergaß beinahe die Zigarette in meiner Hand. Meine Probleme und meine Genervtheit von allem und der Welt, schien so unwichtig.
"Ich erbe diesen ganzen Hof hier und das ist nicht so easy going, wie man sich das vorstellt. Wenn ich keine Turniere reite oder trainiere hänge ich meistens nur im Büro und darf meinem Vater zuarbeiten und mir von Mama alle möglichen Weisheiten anhören zum Thema Personalführung. Aber hey, das ist ja so schön und einfach!".
Kaum dass er das gesagt hatte wurde mir klar, dass mehr als nur die Trennung von seiner Ex hinter seinem Versuch gesteckt hatte. Er hatte seinen Platz im Leben gesucht, geglaubt ihn bei seiner Ex gefunden zu haben und sie hatte ihn eigentlich nur verarscht. Ich ließ meine Zigarette fallen und fasste Leonard an der Schulter, nachdem ich sie ausgetreten hatte und den Stummel ordentlich in einem Taschentuch in meine Jackentasche verfrachtete hatte.
"Wie wäre es mit einem Neuanfang? Ich glaube wir haben uns auf dem falschen Fuß erwischt!". Hoffnungsvoll blinzelte ich ihn an. Ich hatte das Gefühl wir könnten beide einen Freund in dieser Situation gebrauchen.
Leonard musterte mich kritisch. Es war als wollte er herausfinden ob ich ihn vielleicht doch anlog oder hier nur ein Spielchen spielte. Nur langsam schlich sich etwas milde in seinen Blick.
"Können wir machen!", nickte er mir zu und einige blonde Haarsträhnen lösten sich aus seiner akkuraten Frisur, an der wir eindeutig noch arbeiten mussten.
Ich musste unweigerlich grinsen und hielt ihm die Hand hin:, "Mara, Schutzengel, passivaggressiv und bei Zeiten etwas pessimistisch, aber immer zu deinen Diensten!"
Leonard musste daraufhin tatsächlich mal schmunzeln. Das war doch schonmal ein guter Neustart, zumindest in meinem Buch. Er nahm meine Hand und schloss die langen dünnen Finger um meine:,"Leonard von Speyer, verliebter Vollidiot, etwas zu impulsiv und etwas zu selbstzerstörerisch. Nenn mich einfach Leo."
Das war doch eindeutig ein Schritt mehr in die Richtung, dass dieser Job doch nicht so schlimm werden würde, wie erwartet.
Ich wies auf die Pferde auf der Weide. "Da du nicht reiten kannst würde ich vorschlagen, wir suchen uns einen deiner Freunde da aus und gehen eine Runde spazieren. Ich habe keine Lust mehr hier immer nur blöd und unnütz auf dem Hof rumzuhängen"
Leo musste überlegen. Wiegelte unbewusste den Kopf hin und her, ehe er nickte und anfügte, "Du musst daher leider auch meistens führen. Nur eine Hand benutzten zu können ist im Umgang mit Pferden nicht immer einfach"
"Damit kann ich leben!", winkte ich ab und hoffte einfach ihm mit der Idee einen Gefallen zu tun. Ich hatte in der ganzen Zeit in der ich schon hier war, Leo noch nie im Stall gesehen. Aber das ergab Sinn als er sagte mit seinem Arm wäre das nicht so leicht. Ich konnte mir auch vorstellen, dass er den Stall mied weil er diese Sehnsucht nicht spüren wollte. Diese Sehnsucht danach auch selbst wieder in den Sattel steigen zu können.
"Wir nehmen Bumbelbee. Das ist der einzige Schecke im Stall und das einzige Selle-Française", entschied mein Schützling und ein weiteres mal an diesem Tag schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Zum ersten Mal kam durch, was für ein hübscher junger Mann er eigentlich war, wenn er denn mal lächelte. Natürlich immer noch nichts gegen Quentin mit seinen beinahe makellosen Zügen, den Grübchen und den funkelnde blauen Augen.
Leo war auch eher schlaksig, als hätte man ihn zu schnell in die länge gezogen und er würde nicht genug zu essen bekommen um auch nur ansatzweise genug Muskeln aufzubauen. Mit seinen knappen 1,80, vielleicht ein bis zwei Zentimetern größer, war er kein Riese. Seine dunkelblonde Gelfrisur, wirkte viel zu streng für ihn und die grünen Augen, die manchmal ziemlich dunkel wirkten, betteten ich perfekt in seinem sommersprossigen und von der Sonne geküssten Gesicht ein. Dazu kamen noch hohe Wangenknochen und eine Kieferpartie, mit der er wohl zum Instagramstar hätte werden können, würde er ein öffentliches Profil führen. An diesen Kieferknochen konnte man sich ja beinahe schneiden und sie gaben ihm etwas männliches, das wirkte als müsse er da erst noch hineinwachsen.
Allgemein sah er aus wie der liebe Junge von neben an, der noch nicht ganz verstanden hatte, dass er eben kein Junge mehr war, trotzdem aber krampfhaft versuchte auszusehen, als wenn er schon wüsste was das Leben für ihn bereit halten würde.
"Das bekommen wir dann doch easy hin. Einen Schecken zu finden dürfte ja nicht so schwer werden". Bleib nur fraglich ob ich diese Aussage nicht innerhalb der nächsten halben Stunde noch bereuen würde.
"Könne wir vorher noch etwas essen?", kam es Leo beinahe verlegen über die Lippen. Er hatte wohl auch keinen Bissen mehr gehabt seit dem Frühstück und auch ich war langsam echt hungrig.
Ich nickte.
"Super!", seufzte er etwas gelöster und schaute noch einmal sehnsüchtig auf sein Handy. Kurz überlegte ich ob ich etwas sagen sollte, entschied mich aber dafür unsere neubegonnen Freundschaft nicht mit einem unüberlegten Ratschlag schon aufs Spiel zu setzen. Seine Ex schien Leos Wunderpunkt zu sein, auch wenn es mich etwas schmerzte zu sehen, wie er sich wieder Hoffnung machte, dass sie zu ihm zurückkommen würde.
"Du hast mich um ein Mittagessen mit Quentin geprellt!" beschwerte ich mich. So toll das hier auch gerade gelaufen war und so einen großen Schritt wir auch gemacht hatten, ich hätte trotzdem mit Quentin nur zu gerne gegessen und so vielleicht mehr über ihn erfahren.
Leo lachte und grinste spitzbübisch:, "Du kannst eher froh sein, dass ich dich davor gerettet habe mit unserem Mister Worldwide essen zu müssen. Quentin kann überhaupt nicht kochen! Er schafft es sogar Nudeln anbrennen zu lassen."
Das hätte ich wohl für die Gesellschaft in kaufgenommen. Ich meine wir redeten hier über Quentin Behring, den Typen mit einer Ausstrahlung, mit der man sich locker eine Sekte aufbauen konnte. Deshalb schwieg ich auch.
Leo musste nur noch lauter Lachen:, "Du hättest das doch nicht ernsthaft in kaufgenommen nur um bei ihm zu laden?! Ich verrate dir mal ein Geheimnis über Quentin!"
Sofort hatte er meine vollste Aufmerksamkeit, als er sich vorlehnte und grinsend erklärte:, "Quentin hat Angst vor einem gebrochenen Herzen und daher bricht er lieber Herzen, als sein eigenes mal herzugeben. Wenn du ernsthaft glauben solltest ihn gezähmt zu bekommen muss ich dich leider enttäuschen."
Ein bitterer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Ja, genau das glaubte ich und schien mich Leos Aussage nach damit wohl in eine lange Reihe von Frauen einreihen zu dürfen. Na super! Aber wer sagte, dass ich nicht die eine seien könnte, die diesen hübschen Teufel endlich mal zufassen bekam? Ein bisschen träumen durfte man ja schließlich auch mal.
"Da kannst du ruhig Helli fragen. Die ist schon seit Jahren hinter Quentin her und er scheint das überhaupt nicht mitzubekommen. Trotzdem ist die total fixiert auf ihn. Das tut mir beinahe leid!", fuhr Leo ungerührt fort, während er sich mit großen Schritten zum Haupthaus bewegte, das herrschaftlich vor uns aufragte.
Kurz erwischte ich mich bei der Frage, wie der Hof wohl vor 100 Jahren ausgesehen hatte. Verwarf die Frage jedoch schnell wieder und folgte Leo mit schnellen Schritten die Treppe rauf um ihm die Tür aufzuhalten.
"Danke!", seufzte er und es kam zum ersten mal durch, wie genervt er war bei manchen Sachen Hilfe zu brauchen, aber ich konnte ihn dabei durchaus verstehen. Mich würde das wohl auch sehr nerven.
Kaum im Flur streckte Herr von Speyer, den Kopf aus der Küche und fragte erstaunt:, "Wolltet ihr nicht mit Helena zusammen essen?"
Mir bleib die Erklärung im Halse stecken. Auch wenn Helena mich aus meiner eigenen Wohnung geschmissen hatte, wollte ich sie einfach nicht beim Chef anschwärzen. So ganz hatte ich die Hoffnung auf eine eventuelle Freundschaft noch nicht aufgegeben. Das konnte mir wohl auch keiner verübeln, schließlich hatten wir uns vor der Sache mit Quentin echt gut verstanden. Der Staub musste sich legen und dann würde das wohl hoffentlich wieder werden.
"Die war so fertig, da haben wir sie dann lieber alleine gelassen", gab Leo zum Glück eine gute Erklärung ab.
"Die Sache mit Jango steckt ihr ja auch noch ganz schön in den Knochen, auch wenn es nicht ihre Schuld war!", seufzte Leos Vater gedankenverloren und zog sich, ohne ein weiteres Wort, in die Küche zurück.
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