Kapitel 15
Wie ein bockiges Kleinkind saß ich auf dem Beifahrer sitz und beobachtete die vorbei ziehende Umgebung. Tamara hatte mich durchschaut! Verdammt! Ich hatte kurz wirklich gedacht ich könnte ihr entgehen, aber daraus würde jetzt wohl nichts werden. Wie man ein Navi nutzte verstand sie ja leider.
Ich ließ alles über mich ergehen. Wortlos. Ohne rumgezicke. Die Physio, wie sie an mir rumdrückte, Schmerzen verursachte und dann versuchte mir irgendwelche hochkomplizierten Übungen zu erklären, die ich zur Heilung meines Arms machen sollte. Den Orthopäden, der einfach nur guckte, nickte und mir noch ein Rezept für die Physiotherapie in die Hand drücke. Nur bei der Therapie machte ich zicken.
"Ich will da nicht hin", weigerte ich mich die Autotür auch nur ansatzweise zu öffnen.
Mara seufzte:, "Musst du aber und jetzt hopp!". Ihre blauen Augen blitzten gefährlich auf und ich hatte das Gefühl ich könnte den Bogen jeden Moment überspannen.
Widerwillig sah ich wieder zu dem großen Haus und dachte an den trostlosen Flur und das so unpassende Behandlungszimmer. Nein, da wollte ich garantiert am wenigsten heute sein. Meine Zeit konnte ich auch anderweitig totschalgen. Beim Zuhause an die Decke starren zum Beispiel oder mich im Bett verkriechen.
"Du kannst danach auch ein Eis haben", seufzte Tamara und stieß mich an der Schulter an. Sie klang, als hätte sie eben jenen Satz sehr häufig in ihrem Leben schon von sich gegeben.
Ich schnappte empört nach Luft:, "Wer sagt, denn dass ich ein Eis haben will!" Ich war ja nun wirklich kein bockiges Kleinkind mehr! Verdammt noch mal, ich war schon erwachsen!
Tamara grinste voller Genugtuung:, "Weil meiner Erfahrung nach sich viele bockige Kleinkinder mit Eis ködern lassen". Gelassen öffnete sie die Fahrertür und ich wusste, wenn nicht bald mal Leben in mich kommen würde, würde sie mich wohl am Kragen packen und aus dem Auto schleifen.
"Ich bin kein Kleinkind!" protestierte ich und verfluchte mich im selben Augenblick dafür. Verdammt! Ich klang und benahm mich tatsächlich sehr wie ein kleiner Junge, dem sein Spielzeug weggenommen wurde.
Tamara öffnete meine Tür:,"Dann kannst du ja aussteigen und wie ein Mann zu dieser Therapiesitzung gehen. Oder bist du vielleicht doch ein Maus mit Angst vor den eigenen tiefen Gefühlen?". Sie grinste und lehnte sich lässig an die geöffnet Tür.
Pfff Maus? Das würde ich ihr schon noch beweisen! Wer war denn hier bitte eine Maus?!
Mit verkniffenem Gesichtsausdruck und leise, "Hexe", grummelnd, erhob ich mich vom Beifahrersitz. Wenn sie glaubte ich würde das hier freiwillig machen, dann hatte sie sich getäuscht! Ich spürten ihren Blick in meinem Nacken als ich missmutig zur Haustür stapfte und an der Tür klingelte. Tamara schien nur darauf zu lauern, dass ich mich genau jetzt umdrehte und einfach verschwand.
Frau Dr. Gibbens öffnete in einer bunten Tunika, die Tür und strahlte mich an:, "Leonard, komm rein. Vielleicht hast du ja heute Lust zu reden. Die sieht ein wenig gestresst aus". Sie blinzelte mich noch einmal an und trat, dann aus der Tür um mich hinein zulassen.
Die Bilder an den Wänden gefielen mir immer noch nicht, der Teppich war irgendwie dreckiger als vor ein paar Tagen und die Fenster könnten auch mal wieder geputzt werden.
So viel ich auch zu meckern hatte, ich starkste trotzdem die Treppe vor ihr hoch und begab mich wortlos in das Zimmer. Heute lag schon wieder ein Buch auf dem Tisch, als hätte sie schon wieder fest damit gerechnet ich würde nicht reden.
"Die Sprache der Blumen", murmelte ich leise und dacht bei mir, wie passend dieses Buch doch war. Wahrscheinlich wäre ihr nächster Ansatz mich zum Reden zu bekommen wohl irgendwas mit Esoterik gewesen, aber dann hätte ich wohl eher einen Lachanfall bekommen, anstatt mich zu öffnen. Nichts gegen Esoteriker, sie sollten ihr Ding machen und taten in der Regel ja auch niemandem weh, aber ich fand viele Ansätze einfach viel zu weit hergeholt.
"Ja", nickte sie hinter mir und ihre kleinen ordentlich dicht an der Kopfhaut geflochtenen Zöpfe wippten leicht:, "Ich hatte es hier her gelegt, falls du wieder nicht mit mir reden wollen würdest". Sie setzte sich auf ihren Stuhl mir gegenüber und stellte fest:, "Aber heute scheinst du ja in Plauderlaune zu sein"
Würde ich jetzt nicht sagen. Ich hatte nur einen Buchtitel vorgelesen. Ich hatte eigentlich immer noch keine Lust über meine Probleme zu reden.
"Wie geht es dir?", sie lächelte und griff nach ihrem Notizblock auf dem kleinen runden Kaffeetisch. Erwartungsvoll beobachtete sie mich und ich versuchte mit dem Blick irgendwo halt zu finden.
Es war mir zu viel und erinnerte mich nur wieder daran, dass ich hier war weil Klara mich verlassen hatte, mein Leben grau und glanzlos war, und ich einfach nicht mehr konnte und wollte. So zuckte ich nur mit den Schultern. Wie sollte es mir schon mit dem Wachhund da draußen gehen? Mein Leben war immer noch ein verdammter Scherbenhaufen und kein Teil wollte mehr zum anderen passen.
"Okay", lächelte sie mich wieder an und der Stift flitzte über das Papier:, "Ist diese Woche etwas wirklich gutes passiert?"
Ich schüttelte den Kopf. Es war alles wie immer gewesen, naja obwohl Tamara, die war neu, aber eher negativ!
"Schlecht?", fragte sie und ich zuckte wieder mit den Schultern.
Sie seufzte und griff nach ihrem Buch:, "Sicher, dass du mir vielleicht doch mit mir reden willst? Das kann helfen, alles wieder mit anderen Augen zusehen und dir wieder ein Leben zu ermöglichen"
"Wer sagt denn, dass ich kein Leben habe?!" patzte es unvermittelt aus mir heraus. Sofort erhellte sich die Mine meiner Therapeutin und sie legte ihr Buch wieder weg. "Behauptet das meine Mutter?! Ja, sorry, dass ich nicht everybodys Darling bin und immer zu den beliebtesten Wesen gehört habe, egal wo ich hingehe! Oder meine Ex, die mich für einen zweitklassigen Vollidioten verlassen hat, der einen Schecken nicht von einer Kuh unterscheiden könnte?!", plapperte ich munter weiter und spürte wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Allein schon der Gedanke an Kai und Klara machte mich wütend.
"Sehr gut Leonard!", lobte sie mich und blinzelte mich wieder so gutmütig aus ihren tiefbraunen Augen an. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung! Ich finde es sehr schön, dass du dich endlich etwas öffnest."
Ich bereute es augenblicklich mir nicht wie sonst auf die Zunge gebissen zu haben. Jetzt würde ich wohl aus dem Gespräch nicht mehr rauskommen. Verdammt!
"Wieso glaubst du deine Mutter könnte der Annahme sein, dass du kein Leben hast?", fragte sie auch prompt, während ihr Stift schrappend über das Papier flog.
Ich musste schlucken und entschied mich ihr einfach die Wahrheit zu sagen. "Weil ich kaum Freunde habe." Mama hatte es nie verstanden, Papa auch nicht. Sie hatten einen großen Freundeskreis und waren damit auch viel unterwegs.
Frau Dr. Gibbens nickte leicht und sah, dann wieder von ihrem Block auf. "Aber du hast gute Freunde?"
Ja, das war die Frage. Hatte ich die?
"Sie meiden mich und sind anders zu mir seit..." Ich verstummte. Nein, ich war alleine. Meine Freunde hatten mich auch aufgegeben. Das lag doch auf der Hand!
"Aber glaubst du nicht, es könnte auch etwas viel für sie gewesen sein? Deine Mutter erzählte im Vorgespräch, dass dein bester Freund dir das Leben gerettet hat.", sprach sie nun etwas sanfter, als wisse sie dass sie in ein Wespennest gefasst hatte.
Ich zuckte wieder mit den Schultern und entschied das Gespräch hier zu beenden.
Wir schwiegen also. Sie las, ich hing meinen Gedanken nach. Wie immer also. Mit dem feinen Unterschied, dass heute mal etwas aus mir herausgebrochen war.
Wieder auf dem Hof zog es mich in den Stall. Ich hoffte Helena dort noch vor dem Mittagessen zu treffen und zumindest ihre Nähe wieder zubekommen. Sie fehlte mir, nicht so wie Klara natürlich, aber trotzdem vermisste ich es mit ihr meine Zeit zu verbringen. Ihr lockere Art und das nie etwas so schlimm sein konnte, dass eine Umarmung und ein paar liebe Worte es nicht richten könnten.
"Helli?" stapfte ich schnurstracks in den Stalltrakt in dem Quentin und ich unsere Pferde stehen hatten und Helena als feste Pflegerin arbeitete.
"Leo!" strahlte sie mich an und ich wurde sofort in eine Umarmung gezogen, als hätte sie mich Jahre nicht mehr gesehen. Sie hatte alles für mich stehen und liegen gelassen. Die Schubkarre stand verweist auf der Stallgasse.
Ich schob sie von mir und wollte schon zu einer Entschuldigung ansetzten, da folgte ich ihrem Blick, der immer und immer trüber wurde.
Quentin hatte sein neues Ziel gefunden. Das neue Ziel, dass in seinem Bett platz finden sollte, das er umgarnen würde bis es ihm langweilig wurde und damit Helena in eine echt scheiß Situation bringen würde.
Tamara!
Die ging natürlich auch freudig auf den Flirtversuch unseres Schönlings ein und strahlte ihn sofort so an, dass man meinte sie hätte die Sonne ersetzten wollen. Ihre ganze Körpersprache sagte deutlich, dass sie Quentin am liebsten hier und jetzt küssen wollen würde.
Helena hingegen war wie ausgewechselt. Von ihrem strahlen war nichts mehr übrig und vor mir stand ein Trauerkloß, der mir wohl in fast nichts nachstand. Ihre Augen fingen an zu spiegeln und die Mundwinkel hatte sie fallen lassen. Sie sah aus, als hätte ihr jemand all ihr Strahlen gestohlen.
"Scheiße", murmelte sie leise und mit zitternder Stimme. Ich empfand endlich mal wieder etwas, das war allerdings echt nur Mittlied für meine hoffnungslosverliebte beste Freundin. Wann sah sie es endlich ein, dass Quentin in ihr nur eine kleine Schwester sah und nie, als mehr als, nur eine gute Freundin sehen würde. Das tat selbst mir etwas in der Seele weh!
Ich seufzte leise. "Helli, das ist bestimmt nur ein Crush. Das hat sich bald erledigt. Du kennst Quentin doch", versuchte ich sie aufzumuntern. Liese, in Gedanke, fügte ich noch an:, "Und mein Problem ist damit auch Geschichte. Danke Quentin und bye bye Tamara"
Helli schüttelt betrübt den Kopf:, "Was wenn es dieses Mal nicht so ist. Gut, Mara ist auch echt nett, nimmt kein Blatt vor den Mund und naja ist halt einfach cooler als ich". Mit gesenktem Kopf kehrte sie zu der Schubkarre zurück.
"Was redest du da?! Helli! Du bist ganz klar cooler als Tamara und um einiges netter", folgte ich ihr, jedoch ohne meinen besten Freund und meinen persönlichen Albtraum aus den Augen zu lassen. "Außerdem hast du sehr viel mehr Stil, als diese Trulla!"
Das hatte Helena alle mal! Ich wunderte mich wenn ich ehrlich war eh etwas, dass Quentin nie ein Auge auf sie geworfen hatte. Helli trug vorzugsweise Reithosen und Poloshirts oder T-shirts, die immer sehr gut zusammen passten und ihren mädchenhaften und verspielten Charakter hervor brachten. Dazu hatte sie ihre Haare noch nie gefärbt und hatte das bei weitem auch nicht nötig um herauszustechen aus der Masse. Wenn sie nicht so fokussiert wäre auf Quentin, hätte sie alleine bei den letzten Turnieren wohl schon mindestens zehn Heiratsanträge von besoffenen Springreitern ausschlagen müssen. So hatte sie sich, dann stattdessen die Augen ausgeheult, als Quentin mit einer anderen verschwunden war und erst im Morgengrauen zurück in unseren LKW getaumelt war, allerdings nur um mit einer Packung Kekse wieder zu verschwinden.
Klara und ich hatten die Nacht neben Helli auf dem Sofa gesessen und versucht sie wieder aufzumuntern, oder zumindest soweit wieder für gute Laune zu sorgen, dass sie schlafen konnte. Wir hatten eher mäßigen erfolg und sie hatte Quentin am nächsten Tag gemieden. Der hatte zwar nicht verstanden was los gewesen war, es aber schulterzuckend hingenommen, als eine von Helenasphasen.
Klara war sauer gewesen und ich hatte sie davon abhalten müssen Quentin ins Gesicht zu sagen, was für ein Arsch er doch war und wie er bloß so blind sein konnte.
Klara, da war sie wieder. Sie hatte so für Helenas Glück kämpfen wollen, dabei hatte sie unser eigenes da schon zu Grunde gerichtet. Dann auch noch mit Kai!
Matt lächelte Helli und drückte für einen kurzen Moment dankbar meine Hand "Lieb von dir Leo, aber ich weiß, dass ich nur zweite, wenn nicht sogar dritte oder vierte, Wahl bin."
Das war doch nicht fair! Wenn jemand ein Happy End verdient hatte, dann Helena.
Andererseits hieß das auch Tamara würde nun keine Fuß mehr auf die Erde bekommen. Es war selbstredend, dass alle hinter Helena standen und daher Quentins Aufrissen immer etwas skeptisch gegenüber waren.
Bye bye Tamara!
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