Kapitel 14


Leas Schwangerschaft verlief problemlos.
Sie war jung, gesund, positiv eingestellt.
Sie freute sich unbändig auf das Kind. Es würde ein Junge werden, sie würde ihn Benedikt nennen. Sie wusste gar nicht, auf welchen Namen Ben getauft war. Ben, Benno, Benjamin oder Benedikt?

Ihr Sohn würde ein glückliches Kind werden. Ihre Eltern würden es versorgen, wenn sie an der Uni war, später würde es in eine Kita gehen, sie würde alles gut auf die Reihe bekommen.
Ihr Sohn würde wunderhübsch werden und blitzgescheit.
Und groß.
Das zeigten die Ultraschallbilder. Das machte ihr ein wenig Angst vor der Geburt, aber andere hielten das auch aus.

David war ihr eine große Stütze in dieser Zeit. Er benahm sich fast, als wäre er der Vater. Er ging mit ihr zu den Vorsorgeterminen, zur Schwangerschaftsgymnastik. 

Er wollte auch bei der Geburt dabei sein, aber das war ihr dann doch zu viel. Ihre Mutter würde ihre Hand halten.
 Seine Verliebtheit hatte er überwunden, war ihr ein glücklicher bester Freund. 

Eine Erfahrung, die neu für sie war. Mit einem männlichen Wesen befreundet zu sein, das hatte sie bisher nicht gekannt.

Sie hatte ihm die Patenschaft angetragen, er hatte vor Freude geweint. Sein einziger Fehler war, dass er sie permanent davon überzeugen wollte, dass sie Ben Bescheid gab.

Ben!
Das war die einzige große Wunde in ihrem so perfekten Leben. Sie konnte ihn einfach nicht vergessen. Er war ihr mehr unter die Haut gegangen, als sie geglaubt hatte.
Noch immer fühlte sie seine Hände auf ihrer Haut, seine Lippen auf ihren, seinen perfekten Körper an ihren gepresst.

Noch immer hörte sie sein glückliches Lachen, seine sanfte Stimme, seine heisere Stimme, wenn er ihr schmutzige Worte ins Ohr flüsterte.
Sie hatten tollen Sex zusammen gehabt, aber es war mehr gewesen.
Ihre Körper hatten perfekt zusammengepasst. 

Und sie hatte geglaubt, dass es sich mit ihren Seelen genauso verhielt.

Aber da hatte sie sich getäuscht.
Gründlich.
Von einem Tag zum anderen hatte er sie aus seinem Leben gestrichen.
Ob er manchmal noch an sie dachte?
Ob er sich an die heißen Nächte erinnerte, als fünf Kondome knapp bemessen waren?
Ob er Ähnliches mit seiner Frau erlebte?

Ob er noch an die Tage in seinem Büro dachte, als sie futuristische Häuser geplant hatten, einfach so, weil sie es konnten?
Ob er noch am Imbiss Fastfood in sich hineinschaufelte? Sie war nicht mehr dort gewesen, sicherheitshalber.
Ob sie sich je einmal wieder trafen?

Sie würden irgendwann einmal Kollegen sein, da war das ja nicht ausgeschlossen.
Wie würde er reagieren?
„Ah! Hallo! Wie war dein Name schnell wieder?"
„Hallo, Lea! Na, wie geht's?"
Oder würde er sie vollkommen ignorieren, ihr aus dem Weg gehen?
In ihrem schönsten Tagtraum riss er sie in seine Arme, bat sie um Verzeihung und küsste sie.

Ja, diese Tagträume.
Manchmal verlor sie sich vollkommen in ihnen.
Doch sie verbot sich, nach dem Warum zu fragen.
Sie verbot sich, nach einer Erklärung für sein Verhalten zu suchen.

Sie verbot sich, seine Nummer zu wählen, zu flehen, zu betteln.
Es war leichter, ihn als Arschloch zu sehen.
Als den Mann, der sie benutzt hatte.
Der ein Abenteuer gesucht hatte, als seine Frau auf Fortbildung gewesen war.

Vehement arbeitete sie daran, die Zweifel an ihrer Theorie zu unterbinden.
Sie wehrte sich dagegen, sich an einen ganz anderen Ben zu erinnern, als den, sie nun sehen wollte.
Da war keine Liebe gewesen, da hatte es von seiner Seite nie aufrichtige Gefühle gegeben.

Sie würde ihn vergessen können, den Mann, der sie zur Frau gemacht hatte.
Den Mann, der der Vater ihres Sohnes war.

Ihr Sohn - das war das Einzige, was zählte.
Ihr Sohn - dem sie ein glückliches Leben bieten konnte.

Je näher der Geburtstermin rückte, desto sentimentaler wurde sie.
Aber das sind nur die Hormone! beruhigte sie sich.

*

Am Ende des achten Monats riet die Ärztin Nadja zu einem Kaiserschnitt. Durch ihr starkes Übergewicht hatte sie sehr hohen Blutdruck, es wäre für Mutter und Kind sicherer, den Eingriff jetzt durchzuführen.

Ben war wütend. Achtmonatskinder waren gefährdet. Hätte sie sich während der Schwangerschaft nicht zusammenreißen können? Für ihn gab es seit Jahren fast nur Gemüse, und sie fraß sich einen Zentner Übergewicht an, gefährdete damit nicht nur ihr Leben, sondern auch das des Kindes.

Seine negativen Gedanken erschreckten ihn manchmal.
Wie sollte ihr gemeinsames Leben ablaufen?

Sie wussten, dass es eine Tochter werden würde. Nadja wollte sie Genevieve nennen. Warum auch immer. Doch er setzte Mia durch.
Sie sprach nie mit dem Kind. Er unterhielt sich ständig mit dem Mädchen, streichelte Nadjas Bauch, damit das Kind Zärtlichkeit spürte.

Er freute sich auf seine Tochter, aber nicht auf das Leben als Familie. Nadja war vollkommen unbeteiligt, wenn er über die Zukunft von ihnen dreien sprach.
Wenn er Pläne machte, wiegelte sie ab. „Das wird sich schon ergeben!"
Nun packte sie also die Tasche, in zwei Tagen würde seine Mia das Licht der Welt erblicken. Er war aufgeregt und fast so etwas wie glücklich.

Als er Mia zum ersten Mal im Arm hielt, war er Nadja dankbar für ihre Entscheidung. Er war schlagartig und total verliebt in das kleine Wesen. Sie musste noch ein paar Tage ins Wärmebettchen, dann konnten sie alle drei nach Hause. Er wickelte die Kleine, badete sie, fütterte sie. Nadja wollte nicht stillen. Die Ärzte redeten auf sie ein, aber sie weigerte sich.

Er stand in der Nacht auf, trug die Kleine herum. „Du verziehst sie fürchterlich!" schimpfte sie ihn.
„Dafür sind Papas da, oder Süße?" flüsterte er seiner Tochter ins Ohr.

*

Lea lag seit 18 Stunden in den Wehen. Ihre Mutter war an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen. Dann endlich machte sich Benedikt auf den Weg.
Schmerz und Erschöpfung waren wie weggeblasen, als der wunderschöne Junge auf ihrem Bauch lag.
Benedikt war da.
Ihr Sohn war endlich angekommen.
Sie war die glücklichste Mutter der Welt.
Er war so wunderschön, wie sie erwartet hatte.
Sie stillte ihn glücklich, und er trank wie ein hungriger Wolf.

„Langsam, Junge!" sagte sie lachend. „Es gibt ja bald wieder etwas!" Er schien sie anzulächeln.
Nach drei Tagen durfte sie nach Hause. David hatte die Erstausstattung gekauft, als Patengeschenk.

Er hatte das Arbeitszimmer etwas umgeräumt, so hatten das Bettchen und der kleine Kleiderschrank, der voll mit Babysachen war, Platz gefunden.
Die Wickelauflage lag auf der Waschmaschine im Bad, die kleine Babywanne hatte in der großen Platz gefunden. Ein High-Tech-Kinderwagen stand vor der Wohnungstüre, eine Wippe auf dem Esstisch.
Lea war hin und weg. Alles war hochwertig und teuer, und alles war genau nach ihrem Geschmack.

Über dem Bettchen hatte er ein Mobile angebracht, eine Spieluhr lag auf ihrem Schreibtisch. Er hatte sogar an ein Babyphone und ein Nachtlicht gedacht.

„Du bist zu gut, um wahr zu sein, David!" sagte sie gerührt und küsste ihn auf die Wange. Er tat, als ob sein Herz stehen bleiben würde und lachte.
„Ich muss mal eine Frau für dich suchen!" zog sie ihn auf.

„Meinst du, du hast irgendwo eine Zwillingsschwester?" fragte er nur. Er war ziemlich glücklich. Er hatte fast eine Frau und fast ein Kind.

Aber noch immer grübelte er, ob er nicht Ben, dem Idioten, von seinem Sohn erzählen sollte. Wenn es eine Chance gab, dass der Junge Vater und Mutter haben könnte, musste man die doch nutzen.
Aber noch immer wehrte sich Lea mit Händen und Füßen.


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top