30. Kapitel - Das Banner Elendils

Bald hatten die Schiffe, die die Dúnedain von den Corsaren genommen hatten, die letzte Schleife des Anduin erreicht, sodass sich vor ihnen jetzt das Schlachtfeld ausbreitete, und voll stiller Ehrfurcht und leiser Angst blickten sie darauf, denn ihre scharfen Augen konnten bereits die von Flammen gefüllten Gräben sehen, die über den ganzen Pelennor gezogen waren. Rot und gelb züngelte das Feuer hoch und vermengte sich mit den Farben, die die erste Morgensonne seit vielen Tagen in den Himmel malte. Auch die Rammas Echor konnten sie nun sehen, das große Verteidigungswerk Gondors, das nun an vielen Stellen durchbrochen oder sogar ganz eingerissen war; eine große Arbeit vieler Jahre, zunichtegemacht an einem einzigen Tag. Im Angesicht der Flammen und der zerstörten Mauer kam in den Herzen der Dúnedain noch ein letztes Mal leiser Zweifel auf, denn der Feind schien übermächtig, zumindest aus der Ferne, und wie ein schwarzes Meer waren die Massen der Feinde, die wie dunkles Gras auf dem Pelennor wogten. Doch noch war ihr Mut nicht gesunken, und mit jeder Meile, die sie sich Minas Tirith näherten, wuchs ihr Kampfeswille, und trotziger Mut stieg in ihren Herzen auf und überwand den Zweifel mit jeder Stunde. Mittlerweile war es ganz still geworden auf den Schiffen, niemand sprach ein Wort, sondern alle blickten ehrfürchtig in die Ferne. Nur der schnelle Wind vom Meer füllte die Segel und ließ dann und wann Metall gegen Metall schlagen, während die Schiffe selbst stumm dahinglitten; nur hin und wieder brachen sich die Wellen am Bug und schlugen gegen die schwarzen Planken. Es waren nur noch wenige Meilen, die die Flotte von Harlond trennten, und die Anspannung nicht nur der Dúnedain, sondern auch der Besatzung des Schiffes und der Ruderer, die nun, da die Schiffe vom Wind vorangetrieben wurden, von ihrer Arbeit weitestgehend befreit waren, war stets spürbar.

Auch Beravor stand regungslos neben Istavor und Rovaldil und starrte stumm in die Ferne. Beinahe unwirklich erschien ihr, was sie vor ihren Augen sah, und ebenso unwirklich der Gedanke, dass sie bald zum ersten Mal in eine wirkliche Schlacht ziehen würde – ohne hinter sich eine tödliche Armee von Gespenstern zu wissen, die den Feind durch ihre bloße Anwesenheit in den Tod getrieben hatten. Dieses Mal lag es nur an den Dúnedain, und damit auch an ihr, das Kriegsglück zu wenden, denn es war mehr als offensichtlich, dass es um die Weiße Stadt und die, die sie verteidigten, nicht gut bestellt war. Umso drängender war nun, dass die Schiffe rechtzeitig die Anfurten von Harlond erreichten, und Beravor wollte nicht länger abwarten, sondern endlich den Kampf beginnen und die Feinde vernichten, die die Reiche der Freien Völker bedrohten. Doch noch trennten sie einige Meilen von ihrem Ziel, und Beravor wusste, dass sie sich noch gedulden musste. Sie war es nicht gewohnt, einer kommenden Schlacht so lange entgegensehen zu können, denn in ihrer Heimat im Norden, in den Wäldern von Eriador, waren ihre Kämpfe stets unerwartet gekommen und bald wieder vorbei gewesen, und nichts, was sie jemals gesehen hatte, war auch nur im Ansatz dem gleichgekommen, was sie nun erwartete. Sie überlegte, ob sie sich mit irgendetwas ablenken könnte, ihren Geist in den Stunden des Wartens mit etwas beschäftigen, das seine Unsicherheiten und Zweifel ebenso wegwischen konnte wie das Gefühl, mit dem Schwert in der Hand gegen die zu kämpfen, die sie hervorriefen; doch sie konnte nichts anderes tun, als in die Ferne zu blicken, und ihre Augen waren wie gefesselt vom Rot und Gelb der Flammen und dem Schwarzen Heer vor den Toren der Weißen Stadt. Keinen Fuß schienen sie all dem näherzukommen, und die Stunden schienen zu verstreichen, ohne dass Beravor das Gefühl hatte, sie würden vorankommen.

Doch Beravors Gefühl täuschte sie, denn in Wirklichkeit glitten die Schiffe dank dem Wind, der sie stetig mit großer Kraft vorantrieb, schnell und unaufhaltsam die letzten Meilen den Anduin hinauf, und schon nach weniger als drei Stunden waren sie Harlond sehr nahe. Immer deutlicher wurden nun die Zeichen der Schlacht, und immer deutlicher sah Beravor auch, dass die Niederlage für die Verteidiger der Stadt immer näher rückte, denn überall wurden die Banner Gondors, sofern sie sie erkannte, von den dunklen Massen des Feindes überrannt, und sie sah die riesigen grauen Rücken der mûmakil; wie wandelnde Burgen erschienen sie, denn sie trugen Wehrtürme aus Holz und Stoff, wo wie grausame Könige die Haradrim thronten. Unbezwingbar erschienen sie aus der Ferne, und kaum noch irgendwo konnte sie die hellen Rüstungen derer ausmachen, die noch für die Weiße Stadt kämpften. Wenig mehr als eine Meile von den Schiffen entfernt sah sie auf einem Hügel ganz in der Nähe der Anfurten ein Banner wehen, und ihre scharfen Augen erkannten sein Zeichen, ein weißes Pferd auf grünem Feld, das Banner von Rohan. So waren wenigstens die Pferdeherren Gondor zur rechten Zeit zur Hilfe gekommen, immerhin ein schwacher Trost für Beravor, die noch immer fürchtete, ihr eigenes Volk würde zu spät zur Schlacht kommen. Sie erinnerte sich an die wenigen Stunden, die sie mit diesen Menschen verbracht hatte, bevor sie auf anderem Wege als diese in den Krieg gezogen war, und an die freundliche Stimme des alten Königs Théoden, die voller Freude und Hoffnung gewesen war, als er die Dúnedain zum ersten Male gesehen hatte. Beravor fragte sich, ob der König in der Schlacht bereits gefallen war, oder ob er selbst bei dem Banner stand, das auf dem Hügel bei Harlond aufgepflanzt war; doch schienen nur wenige darauf zu kämpfen; und der kleine, noch grüne Fleck, den sie verteidigten, war von allen Seiten von Feinden umzingelt, die sich gegen die Rohirrim warfen wie das tosende Meer auf einen kleinen Felsen; doch ging die Arbeit der Orks und Ostlinge schneller voran als die des Wassers, das viele Menschenalter brauchte, um den Felsen zu sprengen.

All dies und viel mehr noch sah Beravor, und ihr Herz wurde zugleich von großem Mitleid und unbändigem Zorn erfüllt, denn sie sah das Leid derer, die den Westen verteidigten, und die Hoffnungslosigkeit, die sie erfüllen musste, da sie noch nicht wussten, dass Rettung – oder zumindest Hilfe – bereits nahte. In dieser Vermischung aus Erbarmen und Wut wurde ihr Herz hart und ihre Stimmung grimmig, und die Anspannung und Furcht vor dem bevorstehenden Kampf wich von ihr. Fest war ihre Hand um den Griff ihres Schwertes geschlossen, und ebenso fest war ihr Blick auf die Feinde gerichtet. Die Schiffe glitten die letzte kurze Strecke bis nach Harlond, und die Pferde der Dúnedain wurden herangeführt von den Seeleuten aus Ethir und anderen Männern, die mit ihnen gekommen waren. Bald fand Beravor Gwaelim, der ebenso ruhig schien wie sie selbst. Sanft strich sie ihm durchs Fell, erinnerte sich an die vielen Male, die sie ihn in seinem Stall in Bree besucht hatte; an den alten Helm, den Halbarad für sie hatte schmieden lassen, obwohl sie ihn nie gebraucht hatte, wie er stets an Gwaelims Sattel gehangen hatte wie eine Verheißung auf ferne Abenteuer und große Schlachten. Doch diese Erinnerungen waren nur noch Schatten, auf sie herabgekommen wie Fetzen von Träumen aus fremden Zeiten und weit entfernten Gegenden. Nie wieder würde Beravor Gwaelim in seinem Stall besuchen oder ohne Ross und Helm durch die Wälder streifen. Nur eine Tat lag noch vor ihr, und im Augenblick vermochte sie nicht weiter zu sehen. Sie setzte einen Fuß in den Steigbügel, dann schwang sie sich in den Sattel. Ihr Herz schlug nicht schneller als sonst, doch konnte sie jeden Schlag genau hören, dumpf und unheilverkündend. Wie oft es noch schlagen würde? Sie wusste es nicht. Ein letztes Mal sah Beravor sich um. Istavor war neben ihr. Ihre klaren Augen trafen Beravors Blick, und Beravor erkannte Angst. Leicht nickte sie ihrer Freundin zu, um ihr Mut zu machen, doch Istavor regte sich nicht. Dann traf Beravors Blick den Rovaldils. In seinen Augen war keine Angst, doch waren sie nicht hart wie das Herz Beravors. Eine stille Übereinkunft schien sein Geist getroffen zu haben, und beinahe glaubte Beravor, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen zu erkennen. Gerne hätte sie es erwidert, doch sie war nicht dazu imstande. Ihren Blick übers ganze Schiff schweifen lassend suchte sie nach Halbarad, doch sie fand ihn nicht. Stattdessen sah sie wieder nach vorne, und sie sah die Kais von Harlond. Große Landungsbrücken wurden vorbereitet, auf denen die Dúnedain von Bord reiten würden. Beravor war bereit. Am liebsten wollte sie jetzt schon vom Schiff reiten, nur wollte sie nicht länger warten. Sie sah in die Schwärze des Feindes, und ihr Gemüt blieb regungslos. Nur dann und wann wurde es von dem Aufflammen eines fernen Schmerzes durchzuckt.

Plötzlich zerriss ein lauter Ruf die angespannte Stille. Viele Männer zeigten nach vorne, und aufgeregtes Murmeln erhob sich, das sich bald zu Rufen und Schreien und Liedern steigerte. Beravor folgte mit ihren Augen den aufgeregten Gesten der Seeleute. Und dann sah sie es, und endlich glaubte sie zu wissen, was es war, das Halbarad seit dem Beginn ihrer langen Fahrt mit sich getragen und gehütet hatte. Sie blickte auf das vorderste Schiff, das größte, mit gewaltigen schwarzen Segeln. Doch nicht länger nur schwarz sah sie, denn auf dem höchsten Mast war ein Banner entrollt; und der Wind vom Meer frischte auf und breitete es aus, und dann durchbrach die Morgensonne auch noch die letzten Reste der üblen Wolken Mordors; und alle, die das Banner sahen, mussten blinzeln oder schlossen ihre Augen, denn der Glanz der Sonne war in ihm und das Leuchten wie von tausend Sternen. Oben auf dem Mast wehte das Banner im Wind, und keine Dunkelheit konnte es trüben; und darauf sah Beravor einen weißen Baum, der im Lichte der Sonne glänzte und leuchtete wie Telperion im Lande Valinor, der Silberne Baum, der schon lange verloren ist; und über ihm schimmerten Sieben Sterne, kleine Flecken hellen Lichts. Lange genug hatte Beravor von Halbarad die Banner der Reiche in Mittelerde gelernt, dass sie nun wusste, was dieses Zeichen bedeutete, denn der Weiße Baum mit Sieben Sternen stand für Gondor. Doch darüber war ein weiteres Wahrzeichen, das Beravor nur aus der alten Überlieferung kannte; doch wusste sie, was es bedeutete, und sie hätte es auch ohne ihre Kenntnis der Geschichte Mittelerdes in diesem Augenblicke erkannt: Es war eine hohe Krone, ganz aus Silber gewoben, wie es schien; und dies war das Zeichen des Königs von Gondor, das seit vielen Menschenaltern nicht mehr in dieser Welt gesehen worden war. Dies war natürlich das Zeichen Aragorns, des Königs, des Erben Isildurs; und Beravor wusste, dass das Banner aus Bruchtal stammte, dem Ort, wo er, der nun der König werden sollte, so viele Jahre seiner Jugend verbracht hatte.

Überall auf den Schiffen erschollen jetzt Jubel und Freudenrufe. Einige der Waldläufer stimmten ein altes Lied an, das von Hoffnung und dem Vergehen der Dunkelheit kündete, und ihre tiefen Stimmen erfüllten bald die ganze Luft um Beravor herum. Ein weiteres Mal traf sich ihr Blick mit Istavors, und sie sah, dass nicht länger Tränen in ihren Augen standen. Mutig wirkte sie, großgewachsen und stolz im Sattel Galruins; eine wahre Númenórerin. Die Angst war noch nicht ganz von ihr verschwunden, doch nur noch ein Schatten davon war auf ihrem Gesicht, das neue Hoffnung gefunden hatte. Mut war auch in Beravors Herzen, doch nicht so deutlich und nicht so kraftvoll trat er hervor wie im Angesichte ihrer Freundin; und dennoch war auch in ihr die Kraft von Westernis und die Stärke der Dúnedain; und als sich die beiden Gefährtinnen so ein letztes Mal ihrer gegenseitigen Freundschaft vergewissert hatten, legten die Schiffe der Schwarzen Flotte an den Kais Harlonds an. Die Landungsbrücken wurden heruntergelassen, und die ersten Dúnedain ritten bereits von Bord. Immer noch sangen sie, und ihr Lied vermischte sich nun mit dem Donnern der Hufe ihrer Pferde zu einer Musik des Krieges. Auch Beravor war bald an der Reihe. Vor sich sah sie die schwarzen Massen von Mordors Armee, doch wichen sie zurück wie von plötzlicher Angst gepackt. Noch ist nicht alles zu spät, noch können wir rechtzeitig kommen, dachte sie, hierhin, wo alles sein Ende nehmen soll. Und dann trieb sie Gwaelim an und ritt in die Schlacht. Nichts hörte sie hernach mehr für viele Stunden als den Klang von Eisen und die Schreie von Sterbenden.

Mit gewaltiger Geschwindigkeit ritten die Dúnedain nun nach Norden, auf die Weiße Stadt zu, und eine lange Zeit trieben sie den Feind vor sich her wie Wölfe ihre Beute. Vorne an der Spitze ritt Aragorn, und auch wenn Beravor es nicht sah, so war doch sein Gesicht von gewaltiger Macht und großem Zorn erfüllt, und auf seiner Stirn glänzte ein silberner Stern, der das Wahrzeichen der Dúnedain war. Zum ersten Mal führte er sein eigenes Volk in die Schlacht, und nicht größer hätte der Schrecken sein können, den er und seine Männer den Orks und den Ostlingen und den Südländern einjagten, die sich nun schreiend und heulend zur Flucht wandten und keine Augen mehr hatten für den Kampf. Keiner erwehrte sich ihrer zu dieser Zeit. Endlich konnte Beravor, die links in der Schlachtreihe ritt, Halbarad wieder sehen: In der Mitte ritt er, neben seinem König, und in der einen Hand hielt er das Banner, das eben noch am höchsten Maste des Schiffes geweht hatte, in der anderen sein Schwert, das schon einige Feinde auf dem Pelennor niedergestreckt hatte. Ohne, dass Beravor wusste, warum, überkam sie doch ein Anflug von Stolz, als sie Halbarad so reiten sah. Auch wenn sie ihren Vater stets in ehrender Erinnerung hielt, so war es doch Halbarad, der sie erzogen hatte und zu dem gemacht hatte, was sie heute war. Sie verdankte ihm alles, und ihn nun beim König reiten zu sehen als sein Herold, mit dem Banner in der Hand, machte es sie froh, von einem solchen Mann aufgezogen und gelehrt worden zu sein. Sie spürte, wie ihr Herz weicher wurde, nicht länger hart und reglos war, wie zu der Zeit, da sie noch auf den Schiffen die Schlacht erwartet hatte, sondern langsam von der Kampfeslust eingenommen und erfüllt wurde; und auch ihre Gefühle für Halbarad hatten ihren Anteil daran.

Doch all dies sah sie nur für einen kurzen Augenblick, auch wenn es ihr länger vorkam; denn die Schlacht nahm sie nun ganz in Anspruch. Sie waren etwa eine Meile geritten und hatten den überraschten Feind vor sich hergetrieben, doch nun waren sie beinahe an dem kleinen Hügel angekommen, wo das Banner von Rohan stand, und der Feind wurde zahlreicher. Jene, die dem Zorn der Dúnedain hatten entfliehen können, zogen sich nun in die Reihen des Hauptheeres zurück, das immer noch Widerstand zu leisten vermochte. Viele Ostlinge und Haradrim waren dem Ansturm entkommen und fassten nun neuen Mut, denn sie befanden sich wieder im Schutz ihrer eigenen Streitmacht, die immer noch groß war; hinter ihnen ragten immer noch die mûmakil auf, graue, uneinnehmbare Festungen, an denen jede Waffe abzuprallen schien. Das Kampfgeschehen wurde nun hektischer, und die Schlachtreihe der Dúnedain löste sich zunehmend auf, als Warge und berittene Krieger der Südländer zwischen sie sprangen und auseinandertrieben. Im Augenwinkel sah Beravor Aragorn, der nun auf dem Hügel bei Rohans Banner stand, und die Rohirrim brachen den Belagerungsring, der darum gezogen war und ritten wieder in die offene Schlacht. Doch länger konnte Beravor sich keinen Überblick über das Kampfgeschehen machen, denn ihre volle Aufmerksamkeit musste sie nun sich selbst und den Gegnern widmen, die ihr unmittelbar gegenüber standen. Eine kleine Gruppe Südländer hatte sich gesammelt, entweder waren ihre Pferde getötet oder es waren Fußsoldaten; aber sie wichen nicht vor Beravor zurück, auch wenn der Zorn der Dúnedain in ihrem Angesicht war, sondern formierten sich und boten ihr die Stirn. Beravor ließ Gwaelim ein Stück weit zurückweichen, dann trieb sie ihren Hengst erneut an und ritt mit gezogenem Schwert auf die Südländer zu. Diese hielten lange Speere in den Händen und hätten Gwaelim oder seine Reiterin unweigerlich aufgespießt, doch im letzten Augenblick lenkte Beravor Gwaelim zur Seite. Die kurze Zeit, in der die Südländer überrascht waren, nutzte Beravor, um ihre ungeschützte Seite zu attackieren und einen ihrer Männer niederzustrecken. Nun sah sie auch einen weiteren Waldläufer, der auf die formierten Südländer aufmerksam geworden war; und dies wurde ihnen zum Verhängnis, denn sie waren zu wenige, um sich gegen zwei berittene Krieger gleichzeitig zu verteidigen. Zwei weitere erschlug Beravor, und einer wurde im Eifer des Gefechts von Gwaelim niedergetrampelt; zwei tötete der andere Waldläufer, dessen Gesicht Beravor unter dem Helm allerdings nicht ausmachen konnte. Ohne zu wissen, ob er es bemerkte, nickte Beravor ihm zu, dann ritt sie weiter in die Schlacht, hierhin und dorthin mit dem Schwerte stechend; und viele Orks fielen ihrer Klinge zum Opfer oder gerieten unter die harten Hufe ihres Hengstes.

So gut es ging, versuchte Beravor, die anderen Waldläufer im Schlachtengetümmel im Blick zu behalten, und immer wieder sah sie hier und dort die grauen Umhänge der Dúnedain oder einen silbernen Stern, mit dem sie verschlossen waren. Sie trieben das Heer Saurons nun immer weiter nach Norden, auf die Stadt zu, und aus dem Osten schien jetzt eine weitere Streitmacht zu kommen, sodass die Krieger des Dunkeln Herrschers langsam, aber sicher eingeschlossen wurden. Der südliche Teil des Heeres war bereits durch die Ankunft Aragorns und der Dúnedain zwischen Harlond und den Reitern von Rohan eingekesselt worden und größtenteils vernichtet; ein großes Heer aber lag immer noch zwischen ihnen und Minas Tirith. Unaufhörlich trieben die Dúnedain ihre Pferde an und töteten jeden Feind, auf den sie stießen; aber sie ritten nun nicht mehr in einer Schlachtreihe, sondern hatten sich getrennt und ritten hierhin und dorthin. Einzig das Banner, das Halbarad trug, sahen noch immer beinahe alle Waldläufer, und auch Beravor konnte es nun nach einiger Zeit endlich wieder ausmachen.

Halbarad selbst hatte sich stets an der Seite des Königs gehalten, der sie nun immer weiter nach Norden führte. Neben ihm ritt nun auch Éomer, der, wie Halbarad gehört und bereits vorher schon geahnt hatte, nun König von Rohan war; denn Théoden war gefallen. In der linken Hand hielt Halbarad noch immer das Banner, das er so lange für Aragorn getragen hatte und nun wieder tragen durfte, dieses Mal in seiner ganzen, unverhüllten Pracht. Es erfüllte ihn mit Stolz, doch dafür hatte er Beravor aus den Augen verloren, deren Wohlergehen ihm am meisten am Herzen lag, noch vor dem des Königs, mit dem er ritt. Er wusste zwar, dass er ihr bereits auf dem Schiff gesagt hatte, dass er nicht mit Gewissheit an ihrer Seite bleiben würde, und darum hatte er ihr auch schon damals Mut für die Schlacht zugesprochen; doch insgeheim hatte er gehofft, in ihrer Nähe bleiben zu können. Doch es war anders gekommen, und er konnte sie nun unter all den Kriegern auf beiden Seiten nicht mehr ausmachen. Dennoch hatte er Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Ziehtochter, und sein Herz sagte ihm, dass sie noch nicht gefallen war, auch wenn sein Verstand ihm nicht sagen konnte, warum er so fühlte.

Doch auch um sein eigenes Wohlergehen musste Halbarad sich sorgen. Das Banner fest in seiner Linken haltend, hieb er mit seinem Schwert aus nach den Orks und den Ostlingen. Diese Art zu kämpfen und diese Gegner konnte er beherrschen, denn sein Arm war stark und sein Schwert schlug nicht fehl, denn geübt war er durch viele Jahre, in denen er die Diener des Feindes bekämpft hatte, und er hatte sie an vielen Orten gejagt und getötet, denn er war oft weit gereist, um sie zu verfolgen. Was sich ihm nun aber näherte, hatte er noch nie gesehen, noch war er bei seinen Reisen nur in dessen Nähe gekommen. Auf ihn und Aragorn kam ein gewaltiger grauer Berg zugetrampelt, ein mûmak der Haradrim, das seine bluttriefenden Stoßzähne wild herumschwenkte. Mitten in die Reihen der Dúnedain schienen die Haradrim stoßen zu wollen. Roheryn und Halbarads Pferd scheuten und bäumten sich auf. Nur mit Mühe konnte Halbarad sich im Sattel halten, doch die Pferde stoben auseinander, und er wurde von Aragorn und Éomer getrennt. Mit Mühe konnte er sein Pferd wieder unter seine Kontrolle bringen, doch nun hatte er den Schutz der Schlachtreihe verlassen und war mehr oder weniger auf sich gestellt. Das mûmak nahm ihm jede Aussicht, zu seinem König zurückzukehren, und nun wurde er von Orks umzingelt. Immer wieder fuhr er mit seinem Schwert durch ihre Reihen, und immer wieder musste er gleichzeitig darauf achten, das Banner nicht loszulassen und seine Feinde abzuwehren, und dann und wann musste er auch noch dem gewaltigen Olifanten ausweichen, der von seinen Reitern hierhin und dorthin gelenkt wurde.

Plötzlich aber wankte das Ungetüm, und nur mit großer Not konnte Halbarad sein Pferd wenden und davonreiten, ehe dessen gewaltiger Körper zu Boden stürzte. Halbarad konnte nicht erkennen, wer es getötet hatte, doch das kümmerte ihn im Augenblick wenig. Die Orks und die anderen Gegner, Gruppen von Ostlingen und Haradrim, trieben sein Pferd und damit auch ihn immer weiter von seinem König weg. Doch Halbarad war der Bannerträger, und damit musste er dort bleiben, wo der König war, und die Männer dorthin führen, wohin der König ritt. Verzweifelt versuchte er, sich aus dem immer enger werdenden Griff der Orks zu befreien, die noch einen gehörigen Abstand hielten aus Furcht vor der glänzenden Klinge des Waldläufers, als plötzlich Halbarads Pferd zitterte und strauchelte. Gerade noch rechtzeitig konnte Halbarad abspringen, bevor es zu Boden stürzte. Ein schwarzgefiederter Pfeil steckte in seinem Hals. Da Halbarad nun seines größten Vorteils beraubt war, näherten sich die Orks mit neuem Mut, und bald war Halbarad von ihnen eingeschlossen. Noch konnte er sie mit seinem Schwert auf Abstand halten, und einige wenige übermütige erschlug er, als sie ihm zu nahe kamen. Er wusste, erbrauchte nun alle Kraft, die er aufbieten konnte. Er dachte an Beravor und seinen König. Beide brauchten ihn noch, besonders Beravor, und alle Dúnedain brauchten das Banner, das er trug. Er musste überleben, und er war noch nicht bereit, aufzugeben. Denn er war ein Dúnadan, ein großer und erfahrener Krieger, ein Soldat des Königs. Er rammte das Banner in die Erde und griff mit beiden Händen sein Schwert. Über ihm wehte jetzt das Zeichen Elendils im Wind, doch Halbarad erschien sein Schein plötzlich matt und schwach. Er musste den Kreis seiner Feinde durchbrechen. Er musste zurück zu seinem König. Halbarad stieß einen lauten Schrei aus und rannte auf die Orks zu.

Istavors Herz hatte seinen Mut gefunden durch die Stärke ihrer Freundin, die Zuversicht, die in ihrem Gesicht gelegen hatte. Die Angst hatte sich zurückdrängen lassen, Hoffnung hatte sie übermannt. Und Hoffnung war es auch, die Istavors Hand in der Schlacht Kraft verlieh. Bald schon auf ihrem Ritt nach Norden hatte sie ihre Freundin aus den Augen verloren, und auch Rovaldil, doch andere Waldläufer waren um sie und verliehen ihr Stärke und Mut. Die Sonne begleitete ihren Ritt über das Schlachtfeld, stieg rechter Hand höher, verkündete einen neuen Tag und verdrängte die Schatten Mordors, ebenso wie die Dúnedain den Schatten, der sich über das Land Gondor gelegt hatten, zurückdrängten.

Als sie durch des Feindes Linie brachen, versprengten sich die Dúnedain nach und nach, die geordnete Schlachtreihe löste sich auf. Galruin trug sie sicher, ihre Hand hielt ihr Schwert fest, und fest waren die Hiebe, die sie schlug. Orks fielen durch ihre Klinge, bald hatte ihr Schwert seinen silbernen Glanz verloren und war schwarz von Orkblut. Sie war ihren Feinden überlegen durch Galruin, und umso größer war ihre Sorge um den treuen Freund. Ohne Furcht trug er sie ihren Kämpfen entgegen, scheute nicht, trat nicht fehl. Geschickt setzte er über Leichen auf dem Boden hinweg, und hin und wieder beendete auch einer seiner Huftritte das Leben eines Orks. Istavor hatte kein Mitleid für diese verderbte Form des Lebens, kannte kein Erbarmen, wenn eines dieser missratenen Geschöpfe vor ihre Klinge gelangte. Ihr Wille, all das Dunkel aus der Welt zu vertreiben, brannte stark in ihr, kannte nichts anderes als das Verlangen, so viele dieser Kreaturen in den Tod zu schicken. Stundenlang hörte sie Schreie um sich, Klirren von Metall, Wiehern von Pferden, Stöhnen von Verletzten und Todgeweihten. In manchen Augenblicken sah sie das Banner klar vor sich, seine silberne Reinheit schenkte ihr Kraft. Ihre Schulter brannte, als sie Hieb um Hieb schlug, ihre Kehle war trocken von wütenden Schreien, doch sie erlaubte sich nicht, sich der Erschöpfung zu unterwerfen. Noch nie hatte sie einen Kampf erlebt, der so lange angedauert hatte, doch sie rief sich immer wieder in Erinnerung, dass sie eine der Dúnedain war, die Hoffnung der Freien Völker nun auf ihren Schultern ruhte. Hin und wieder stritt sie neben einem ihrer Stammesbrüder, kurze Blicke, ein aufmunterndes Lächeln gaben ihr immer wieder Kraft, und der Gedanke an Beravor, ihre Freundin, die irgendwo dort auf dem Feld für sie und all die anderen kämpfte. Sie beendete Orkleben um Orkleben, doch die Feinde schienen ihr nicht weniger zu werden. Das Trompeten der mûmakil hallte über das weite Feld, die Sonne stand nun hoch am Himmel. Weitere Orks stürmten auf sie ein, Galruin bäumte sich auf, schlug aus, traf einen Ork am Kopf. Istavors Schwert fügte einem weiteren Ork eine tiefe Wunde bei, doch einer kam an ihrer Deckung vorbei und riss an ihrem Bein. Mit einem grimmigen Schrei tötete sie den Ork, doch ihr Steigbügel riss ab. Sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, schon oft war sie auch ohne Sattel geritten, doch noch nie hatte sie ohne diesen wichtigen Halt gekämpft. Dennoch würde sie es müssen, sie konnte ihr Leben nicht von einem Metallbügel abhängig machen.

Einen Moment später durchschoss ihr linkes Bein ein kalter Schmerz, ihre Stimme brach, als sie aufschrie. Ein kurzer Blick zeigte ihr einen schwarzen Pfeil, der ihr Knie von hinten durchbohrt hatte. Noch blutete sie nicht, doch sie konnte ihr Bein kaum bewegen. Nun hatte sie rechts keinen Halt mehr und links nur noch ein unnützes Bein, doch sie gestand ihrem Geist nicht zu, sich der Verzweiflung zu verschreiben. Ein Pfeil brachte sie nicht um, also würde sie weiterkämpfen, bis sie gesiegt hatte oder tot am Boden lag. Mit eisernem Willen trieb sie Galruin vorwärts, weiter in Richtung des hell strahlenden Banners, weiter in Richtung der Weißen Stadt, weiter in Richtung des Sieges.

Noch etwas weiter entfernt von Minas Tirith ritt Rovaldil. Die Zügel hatte er seit Stunden nicht mehr in der Hand gehalten. Wann immer es sich ergab, erschoss er einen Ork. Zwischendurch war er abgesessen, um einige Pfeile aufzusammeln, und hatte dann seinen tödlichen Ritt über das Schlachtfeld fortgesetzt. Seine Finger schmerzten von der langen Anstrengung, den Bogen zu spannen, und doch war der Bogen seine liebste Waffe, eine Waffe, mit der er seine Feinde schon in weiter Entfernung töten konnte. Keinen Augenblick der Unachtsamkeit konnte er sich erlauben, denn auch der Feind hatte Bogenschützen, und die Bogen der Orks waren stark. Doch bisher hatte er noch keine Verletzung davongetragen. Er war etwas hinter der Schar zurückgeblieben und nun dabei, Orks, die sich hinter ihre Linie geschlagen hatten, zu töten, auf dass sie sich nicht zusammenrotteten und die Verteidiger von hinten angriffen. So führte ihn sein Weg kaum nach Norden, der Weißen Stadt entgegen, sondern von Ost nach West und wieder nach Ost. Seine Hand fuhr zum Köcher, einen weiteren Ork niederzustrecken, doch er fand keinen Pfeil. So ritt er auf den Feind zu, das Schwert gezogen, und mit mächtigem Hieb tötete er ihn. Dann blickte er sich um, sah keinen lebenden Feind mehr in seiner Nähe und saß ab. In den Körpern der Gefallenen, Menschen wie Orks, steckten Pfeile, und so sehr es ihn schmerzte, dort gefallene Reiter Rohans oder Gondors zu sehen, so durfte ihn nun das Leid nicht einnehmen. Er brauchte nicht lange, um zwei Dutzend Pfeile zu sammeln, Pfeile aller Art, schwarze Schäfte mit grober Spitze und schwarzer Befiederung, helle Schäfte mit silberner Spitze und weißen Federn, alles, was auch nur halbwegs zu seinem Bogen passte, sammelte er auf, um dann erneut ans Werk zu gehen. Bald saß er wieder auf und trieb seinen treuen Begleiter gen Norden, die Mittagssonne im Rücken, die Weiße Stadt erstrahlte hell in ihrem Licht, voller Hoffnung auf eine Wendung, die das Gute würde siegen lassen. Er schloss auf zu der Schar, die vor ihm kämpfte, um ihn herum ritten Verbündete, Menschen der Außenlehen, die mit weiteren Schiffen eingetroffen waren, eine große Menge, weit verteilt auf das Feld, das sich um sie erstreckte. Doch er ritt ihnen voran, es trieb ihn zu seinen Stammesbrüdern, hinein in die wirkliche Schlacht, in der Aragorn kämpfte und Halbarad und Beravor. Er hatte sie aus den Augen verloren, als sich die geordnete Reihe der Dúnedain aufgelöst hatte, dabei hatte er in ihrer Nähe bleiben wollen. Doch nun war geschehen, was geschehen war, und er konnte nur sein Möglichstes tun, sie nach der Schlacht wiederzusehen.

Sobald er nah genug an der hintersten Schlachtreihe war, schoss er erneut Pfeil um Pfeil, und die meisten fanden ihr Ziel, befreiten Verbündete von einem Feind oder ermöglichten den tödlichen Hieb. Selbst als er diese Reihe durchbrach, waren seine Pfeile noch hilfreich. Seine Blicke erfassten seine Feinde blitzschnell und genau, und doch suchte er gleichzeitig auch immer nach Beravor, wollte sich vergewissern, dass sie unversehrt war. Als eine Gruppe Orks herannahte, legte er erneut einen Pfeil in die Sehne, bereit, den ersten von ihnen zu töten. Doch ein Speer, der vor Mornachas' Kopf vorbeiflog, ließ ihn scheuen und steigen, und Rovaldil, sich nicht festhaltend, verlor das Gleichgewicht. Einen Moment lang rang er darum, nicht zu stürzen, doch er verlor den Kampf. Im Fallen ließ er seinen Bogen los, um sich abfangen zu können, dennoch schoss die Wucht des Aufpralls schmerzhaft durch seinen Körper und nahm ihm für einen Augenblick den Atem. Er rollte sich zur Seite, um nicht unter die Hufe seines verschreckten Pferdes zu gelangen, dabei fielen ihm die restlichen Pfeile aus dem Köcher. Noch gelang es ihm nicht, wieder aufzustehen, doch er sah, dass die Orks herangekommen waren. Er riss an seinem Schwert, doch er hatte es unter seinem Körper eingeklemmt. Verzweifelt versuchte er, es aus der Scheide zu ziehen, doch es gelang ihm nicht. Hilflose Wut bemächtigte sich seiner, und er schrie um Hilfe, sah er doch zwischen den dunklen Leibern der Orks einen seines Stammes. Doch er sah nicht mehr, ob er gehört worden war, die Orks waren zu nah. Mit Tritten vermochte er sie noch ein wenig von sich fernzuhalten, er versuchte, sich aufzurichten, doch wurde er wieder zu Boden gedrückt. Er umklammerte den Speer, der auf ihn gerichtet war, mit aller Kraft, und sah doch das Schwert von der Seite herannahen. Mit einem verzweifelten Schrei warf er sich zur Seite, spürte, wie die Klinge seine Schulter schnitt und der Speer an seinem Helm abglitt. Noch einmal würde er dem Tod nicht entrinnen, dessen war er sich sicher. Doch als er sich wieder umwandte, bereit, mit offenen Augen in den Tod zu gehen, sah er sich keinen Feinden gegenüber, stattdessen einem Dúnadan. Aus blauen Augen sah Beravor ihn an, ein leichtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie kurz absaß, um ihm aufzuhelfen.
„Danke", sagte er, obwohl es ihm für das, was sie getan hatte, viel zu wenig erschien.
„Ihr hättet das Gleiche für mich getan", antwortete sie. Rovaldil nickte.
„Das hätte ich." Kurz drückten sie einander die Hand, dann saßen sie wieder auf – Rovaldils Bogen lag zerbrochen – und setzten ihren Weg fort, wiederum getrennt.

Ganz vorne an der Spitze des Zuges ritten sie, mit Aragorn und Halbarad, der das silberne Banner des Königs trug, in den Kampf, der über die Geschicke der Menschen entscheiden mochte. Voller Stolz waren sie und voller Mut und Stärke, voller Glauben an den Sieg des Guten. Ihre Spieße schlugen tödliche Wunden, und sie hielten einander die Seiten frei, Elladan ritt rechts, Elrohir links, und ihre Bewegungen schienen einander zu ergänzen, immer die Deckung des anderen zu wahren. Die Sterne, die sie auf der Stirn trugen, strahlten hell wie die Sterne auf des Königs Banner, und die immer höher steigende Sonne schien hell in ihrem Rücken. Mancher Ork versuchte zu fliehen, doch ohne Erbarmen wurden sie niedergestochen. Die Elben brauchten keine Worte, um sich zu verständigen, sie wussten genau, wie der andere dachte und was er vorhatte. Irgendwann ließen sie Halbarad und Aragorn hinter sich zurück und blickten sich nicht um, bis sie ein lautes Trompeten hörten. Elladan sah zurück und erblickte ein mûmak, das hinter ihnen über das Feld trampelte.
„Elrohir!", rief er, und sein Bruder zügelte sein Pferd und ritt zu ihm zurück. Einen kurzen Blick tauschten sie, dann lenkten sie ihre Pferde auf das Ungetüm zu. Gleichzeitig warfen sie ihre Spieße, das mûmak strauchelte, doch fiel es nicht, noch verlangsamte es seinen Schritt. Elladan lenkte sein Pferd nahe an das Tier heran, dann sprang er ab, um sich an dem mächtigen Fuß festzuhalten. Die raue Haut bot seinen Händen und Füßen ausreichend Halt, um an dem Hinterbein des mûmaks hinaufzuklettern, und Elrohir, der seinen Bruder unterstütze, griff zum Bogen und versuchte, die Männer, die auf des Untiers Rücken ritten, zu erschießen. Das Pferd seines Bruders galoppierte nebenher, und Elrohir vertraute auf die Trittsicherheit seines treuen Begleiters, während er sich zur Seite drehte und sein erster Pfeil sein Ziel fand.

Elladan unterdessen war beinahe schon auf dem Rücken des mûmaks, doch waren noch nicht alle der Haradrim gefallen. Er zog sein Schwert und rannte auf dem Rückgrat des Tieres hinauf zu dem mächtigen Aufbau, in dem noch vier der Haradrim ausharrten. Der erste wurde, als Elladan die Plattform betrat, von einem Pfeil seines Bruders gefällt, den zweiten tötete er mit flinkem Hieb. Doch er wusste, dass er nun keine Hilfe mehr von Elrohir erwarten konnte, zu hoch war nun die Gefahr, dass er getroffen würde. Doch mit der Begrenzung an den Seiten der Plattform und dem Wissen, dass hinter ihm kein Feind auftauchen konnte, gelang es ihm, auch die beiden verbliebenen Haradrim zu beseitigen. Er sprang wieder auf den blanken Rücken des mûmaks und stieg auf dessen Kopf, bevor er mit einem grimmigen Schrei das Schwert durch den Knochen rammte. Ein tiefes Grollen ertönte, als das Untier strauchelte und schließlich fiel. Elladan hielt sich an dem Griff seines Schwertes fest, und erst, als das Tier bewegungslos am Boden lag, zog er die Klinge mit einem Ruck heraus und sprang von dessen Kopf herunter. Elrohir kam herangeritten, sie nickten einander kurz zu, bevor sich Elladan wieder auf den Rücken seines Pferdes schwang und sie weiterritten.

Aragorn und Halbarad fanden sie in der Schlacht nicht wieder, doch irgendwann lagen die Feinde erschlagen, und die Überlebenden der Freien Völker schienen sich zu sammeln. Auch Elladan und Elrohir zügelten ihre Pferde, die viel und noch mehr geleistet hatten in der Schlacht, und ritten zusammen in Richtung der Weißen Stadt.
„Wir haben eine wackere Schlacht geschlagen", meinte Elrohir. „Gern würde ich Vater erzählen, wie viele Feinde durch unsere Hand gefallen sind. Hast du gezählt?" Elladan sah ihn erstaunt an.
„Nein. Wer sollte denn während einer Schlacht daran denken, die getöteten Feinde zu zählen?"

Wäre die Sonne nicht gewesen, so hätte Beravor nicht sagen können, wie lange sie bereits gekämpft hatte. Ihr Arm wurde müde, in ihren Ohren dröhnte nichts anderes mehr als das Geschrei der Sterbenden und das Klirren von Metall und alle anderen Geräusche des Krieges. Viele Stunden mussten es nun sein, die sie bereits gekämpft hatte, denn die Sonne stand bereits tief am Himmel. Seit ihrer Begegnung mit Rovaldil hatte Beravor keinen Waldläufer mehr gesehen, den sie kannte, und auch das Banner, das Halbarad getragen hatte, konnte sie nirgendwo mehr ausmachen. Unter all dem Leid, das sie gesehen hatte, unter all den Sorgen, die sie plagten um Istavor und Halbarad, war die Begegnung mit Rovaldil der einzige Lichtblick gewesen, ein kleiner Strahl der Hoffnung. Wenigstens ein Leben hatte sie heute retten können, anstatt nur Leben zu nehmen. Auch wenn sie nicht wusste, ob sie das Ende dieser Schlacht erleben, ob Rovaldil es sehen würde, so war sie dennoch dankbar für dieses Ereignis. Sie bemerkte, dass sie kaum noch darauf achtete, was sie gerade tat, denn wie von selbst schlug ihr Schwert nach den Feinden um sie herum, und ihre Gedanken schienen wie losgelöst von ihrem Körper.

Plötzlich sah sie vor sich die Mauern der Weißen Stadt aufragen, gerade, als die Sonne hinter dem Mindolluin unterging; und die weißen Mauern von Minas Tirith schienen immer noch zu brennen; doch diesmal war es das Abendrot, das sie in dieses Licht tauchte, denn die echten Brände waren zum größten Teil bereits gelöscht. Da sah Beravor auf, und ihre Gedanken kehrten ins Hier und Jetzt zurück. Da sah sie, dass kaum noch etwas von ihren Feinden übrig war, das große Heer Mordors lag entweder erschlagen oder war geflohen. Überall sammelten sich jetzt die Streitkräfte der Freien Völker, sodass Beravor sich ebenfalls auf die Suche nach weiteren Dúnedain machte. Merkwürdig erschien ihr, wie still es plötzlich geworden war. Kein mûmak stampfte mehr über das Schlachtfeld, keine Banner des Feindes wehten mehr, und die Brände in den Belagerungsgräben waren gelöscht worden. Hier und da schrien noch verwundete, doch nun konnte man endlich anfangen, sich um sie zu kümmern. Beravor selbst hatte Glück gehabt, denn außer einigen kleineren Schnitten, die sie sich aus Unaufmerksamkeit beim Kampf zugezogen hatte, hatte sie keine Verletzungen erlitten. Sie hoffte, dass es Istavor und Halbarad und auch Rovaldil ebenso ergangen war.

Ein wenig musste sie suchen, doch bald hatte Beravor weitere Waldläufer gefunden. Gemeinsam ritten sie weiter, und schließlich sahen sie Elladan und Elrohir nahe von Minas Tirith. Bei ihnen waren nun auch Aragorn und andere Hauptleute, die Beravor nicht kannte. Als die Gruppe der Waldläufer ihren König erreichte, hatten sich bereits viele um ihn und die anderen Fürsten versammelt. Beravor hingegen kümmerte sich weniger um Aragorn als um die, die sie am meisten liebte, und darum hielt sie Ausschau, ob sie nicht irgendwo Istavors blauen Umhang oder das Banner, das Halbarad getragen hatte, erspähen konnte, und je länger sie kein Zeichen von ihnen sah, desto größer wurde ihre Sorge; doch dann sah sie in einiger Entfernung Istavor auf Galruin, und ihr Herz wurde leichter. Sie beschloss, ihrer Freundin entgegenzureiten, und trieb Gwaelim, der vom Kampf ebenso erschöpft war wie sie, noch einmal an. Sie war gerade auf dem halben Wege zu ihrer Gefährtin, als sie im Augenwinkel einer schwarzen Fahne gewahr wurde, die leicht im Wind wehte. Ein ungewisses Gefühl des Bösen überkam sie, und sie wandte sich von Istavor ab. Dann sah sie es deutlich: Nicht weit entfernt steckte im Boden das Banner Elendils, das Halbarad getragen hatte. Es war unbesudelt und stand aufrecht, vom leichten Winde sanft bewegt. Doch Beravor achtete nicht auf seine Schönheit, denn dunkle Vorahnung war in ihrem Herzen, und sie ließ Gwaelim wenden und ritt auf das Banner zu.

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Mornachas: Schwarzer Schrecken

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Nach langer Wartezeit ist es nun endlich so weit, und die Dúnedain haben ihre Schlacht geschlagen. Doch noch ist das Leiden nicht vorbei. Dieses Kapitel haben Taudir und ich in „geteilten Rollen" geschrieben, ihr könnt ja mal raten, wer aus welchen Perspektiven geschrieben hat ;)

Liebe Grüße
Annaeru & Taudir

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