25. Kapitel - Der Marsch der Elben
25. Kapitel – Der Marsch der Elben
Azar verlangsamte seinen Schritt, als er und Merendú sich der Brücke näherten, die über den Graben zum Tor von Caras Galadhon führte. Auf der Mauer standen viele Elben in Rüstung, Soldaten aus Lórien, die auf den Angriff des Feindes warteten. Es war auffallend still, und Merendú fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, als Azar auf das große Tor zutrabte.
„Halt!", rief auch sofort ein Elb, der direkt über dem großen Tor auf seinem Posten stand, und Azar blieb stehen. Merendú sah nach oben, und sein Blick traf den des Wachmanns. Der Elb erkannte die grauen Augen eines Dúnadan und entspannte sich sogleich ein wenig.
„Seid gegrüßt", sagte Merendú, „mein Name ist Merendú, Waldläufer des Nordens. Aragorn, meinen König, suchte ich mit meinen Leuten, denn er ist nach Osten gewandert, aber ich wurde von den Meinen getrennt und suchte dieses Land auf, in der Hoffnung, hier Rat und Hilfe zu finden. Doch nicht deshalb bin ich bis hierher in höchster Eile geritten, und nicht deshalb ließen mich Eure Späher am Eingang zum Wald passieren, sondern, weil ich Euch eine Warnung überbringe. Darum bitte ich Euch, dass Ihr mich durch das Tor lasst, damit ich mit Eurem Hauptmann sprechen kann."
„Die Dúnedain waren stets die Freunde der Elben", sagte der Wächter, „und wenn Ihr eine Mitteilung von so großer Wichtigkeit mit Euch tragt, so will ich Euch einlassen, Merendú." Er gab einem anderen Elben den Befehl, die Tore zu öffnen, und schickte einen weiteren, der den Hauptmann benachrichtigen sollte.
Der Eingang durch die Tore nach Caras Galadhon war eine Gasse, die durch die zwei sich überlappenden Mauerenden verlief, doch war er breit genug, dass mehrere Elben nebeneinander hindurchgehen konnten. Vor Merendú öffneten sich die schweren Tore, die ihn sonst verschlossen hielten, und er ritt hindurch. Kaum hatte er die Gasse durchquert und war auf der anderen Seite der grünen Mauer herausgekommen, da erwartete ihn schon ein Elb, der ihn zum Hauptmann der Krieger führen sollte.
„Steigt ab, Herr Merendú", sagte der Elb, „denn der Pfad, dem wir nun folgen werden, ist schmal und steil, und es ist wohl besser, wenn Ihr Euer Pferd führt."
„Wie lange werden wir laufen?", fragte Merendú. „Die Nachricht ist von größter Dringlichkeit und sollte schnellstens überbracht werden."
„Die Heermeister beraten sich in einem Flett, das etwa 500 Fuß hinter der Mauer liegt. Wir werden also nicht lange brauchen."
Der Elb führte Merendú einen gewundenen Pfad entlang, der sich nur wenig vom Wald, der um ihn herum wuchs, unterschied. Auf dem kurzen Weg, den sie gingen, sagte Merendú kein Wort mehr, denn die Schönheit der Mallornbäume, die den gesamten Hügel von Caras Galadhon bedeckten, hielt ihn zu sehr in Atem. Der Frühling war angebrochen, und die Bäume hatten ihre goldenen Blätter des letzten Herbstes abgeworfen, und jetzt war über Merendú ein Dach aus Silber, und er lief auf einem Boden aus schimmerndem Gold; und auch, wenn es das einzige Mal in Merendús Leben war, so vergaß er diesen Anblick niemals, und auch nicht das Gefühl, das er empfand, als er dort entlang lief; denn obwohl er viele Tage unermüdlich geritten war und sich nie erholt hatte, so kehrte nun mit jedem Schritt, den er tat, etwas der Kraft der Dúnedain in seinen Körper zurück, und auch Azar, den er führte, atmete ruhiger und schritt kräftiger.
Wie der Elb angekündigt hatte, kamen sie nach kurzer Zeit zu einem großen Mallorn, und sowie sie dort eintrafen, kletterte ein Elb geschickt den Stamm zu ihnen herunter. Er war in eine graue Rüstung gekleidet, die ihn im Zwielicht der Bäume beinahe unsichtbar werden ließ, und er trug einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen. An seiner Seite hing ein langes Schwert.
„Wohl getroffen, Merendú!", sagte der Elb, „mein Name ist Orodhrin, ich bin der Hauptmann der Elbenkrieger dieses Landes. Man sagt, Ihr habt eine wichtige Botschaft für mich. Sprecht also rasch, denn uns bleibt nicht mehr viel Zeit, bis der Angriff der Sklaven des Dunklen Herrschers auf unser Land beginnt."
„Genau deswegen bin ich gekommen", sagte Merendú, „denn ich bringe schlechte Kunde: Vom Rothornpass bin ich zu Euch hinab gekommen, und das Tor von Moria stand offen. Eine zweite Armee wird von dort kommen, und sie ist schon unterwegs."
„Das ist in der Tat schlechte Kunde, denn wir erwarten die Streitkräfte des Feindes im Osten, und eine gewaltige Armee marschiert von Dol Guldur aus gegen unser Land. Doch wenn Ihr Recht habt, Merendú, und eine zweite Armee von Moria aus herannaht, so bleibt mir nichts anderes übrig, als einen Teil unserer Truppen zurückzurufen und an unsere Grenze im Westen zu schicken."
„Ich glaube, dass Ihr wohl daran tätet, Orodhrin", sagte Merendú, „denn auch wenn ich die genaue Zahl der Feinde nicht kenne, die aus dem Schattenbachtor kommen, so fürchte ich dennoch aufgrund der zahllosen Fackeln und der vielen Schritte, die ich wahrnahm, dass eine große Armee heranrückt."
„Scharf sind die Augen der Dúnedain, und ihre Ohren hören mehr als die jedes anderen lebende Menschen", sagte Orodhrin, „und deshalb zögere ich nicht, Eurer Aussage Vertrauen zu schenken. Doch es wird nötig sein, die genaue Zahl zu erfahren, die uns vom Westen angreifen soll, damit ich die richtigen Entscheidungen treffen kann." Er wandte sich an die Wache, die Merendú hergeführt hatte, und sagte: „Rúmil, eile rasch nach Westen und überbringe den verbliebenen Wächtern die Nachricht, dass sie einen Späher bestimmen sollen, der die Truppenstärke des Heeres, das aus Moria kommt, genauestens in Erfahrung bringen soll, und mir anschließend davon berichtet. Die Späher und auch du sollt so viel des Weges reiten, wie ihr könnt, damit ich die Nachricht möglichst schnell erhalte." Rúmil nickte und wandte sich zum Gehen, doch dann drehte er sich noch einmal um und sagte:
„Wenn Ihr erlaubt, Herr, so will ich gleich dort bleiben, wo Ihr mich hinschickt, denn meine Brüder sind zur Bewachung der Westgrenze abgestellt, und wenn es dort zum Kampfe kommt, dann ist es mein Wunsch, mit ihnen zu kämpfen."
„Ich verstehe deinen Wunsch und gebe ihm gerne statt", sagte Orodhrin, und Rúmil eilte los und war bald zwischen den unzähligen Bäumen verschwunden. Dann wandte sich Orodhrin an Merendú und sagte: „Ich danke Euch vielmals, Merendú Dúnadan, dass ihr die Mühen einer schnellen Reise auf Euch genommen habt, um uns noch rechtzeitig zu warnen. Und darum mögt Ihr, wenn der Krieg vorbei ist und wider alle Hoffnung ein gutes Ende für uns genommen hat, einen Wunsch nennen, und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, Euch diesen zu erfüllen."
Merendú senkte den Kopf zum Zeichen der Dankbarkeit. „Eines erlaubt Ihr mir vielleicht, mir schon vorher auszubitten", sagte er, „denn auch wenn es mich eigentlich dorthin zieht, wo meine Stammesbrüder gerade reiten mögen, so sehe ich doch die Möglichkeit nicht mehr, vor dem Beginn der Schlacht von hier fortzureiten. Darum bitte ich Euch, dass Ihr mir gestattet, nach Westen zu reiten, denn mein Herz verlangt danach, nicht mehr fortzulaufen und nach etwas zu suchen, das ich nicht zu finden vermag, sondern endlich das Schwert zu ziehen und meinen Beitrag zum Schicksal zu leisten, so gut es meine Kräfte zulassen."
Orodhrin lächelte und sagte: „Mein Herz sagt mir, dass Ihr Euren Beitrag zum Schicksal der Welt schon geleistet habt, als Ihr vom Rothorn herabgekommen und in unseren Wald geritten seid und von unseren Wächtern gesehen wurdet. Doch erlaube ich Euch gerne, Euch an unserer Verteidigung zu beteiligen; aber ich rate Euch, dass Ihr Euer Pferd hier lasst, wo es sicher ist, und mit den Elben zieht, die sich bald, wenn die Späher zurückkehren und Eure Meldung bestätigen, zur Grenze aufmachen, denn sie kennen diesen Wald und werden Euch den schnellsten und geheimsten Weg zeigen."
So blieb Merendú für eine Nacht innerhalb der Mauern von Caras Galadhon, und die Elben versorgten ihn und auch Azar mit neuer Verpflegung und gaben ihm einen Schlafplatz auf einem talan in der Nähe der Mauer. Als Merendú die Strickleiter, die man für ihn herabgehängt hatte, hochgeklettert war, saßen dort noch zwei Elben schweigend und in voller Rüstung, und sie bewegten sich nicht, und sie schienen Merendú wie die versteinerte Erinnerung an frühere Zeiten, wie die gewaltigen Statuen der Menschen, die nun zerborsten und überwachsen überall in Eriador darniederlagen.
Da Caras Galadhon am östlichen Rand Lothlóriens lag, konnte Merendú durch die vielen Bäume außerhalb der Elbenstadt, die allerdings nicht so hoch gewachsen waren wie die Mallornbäume darin, weit hinaus in den Osten von Mittelerde sehen. Er stand auf und ließ seinen Blick schweifen, und obwohl es schon dämmerte, sahen seine scharfen Augen noch weit in die Ferne. Merendú sah das Glitzern des Anduin, der irgendwann in der Ferne in der Dunkelheit verschwand, und als er weiter nach Osten blickte, glaubte er, den Düsterwald zu sehen und die unzähligen Kronen seiner uralten Bäume. Und seine Augen mochten sich täuschen, oder er war einer Gaukelei anheimgefallen, doch er meinte, den Schein von Fackeln zu sehen, der sich langsam, aber sicher näherte, und eine leise Furcht umfing ihn. Er wandte seinen Blick ab, und er sah, dass die beiden Elben verschwunden waren, ohne dass er es bemerkt hatte. Obwohl er unruhig war, beschloss er, sich vor den beginnenden Kämpfen auszuruhen, zumal er sich nun an einem Ort befand, der so sicher war wie nur irgendeiner in Mittelerde zu diesen Zeiten, denn er spürte, dass er hier von einer gewaltigen Macht beschützt wurde, die älter war als alles andere in diesem zeitlosen Wald. Doch trotz diesem Bewusstsein verließ die Angst vor der Zukunft Merendú nicht, und wie er dort oben auf dem talan saß, alleine, sogar von seinem getreuen Pferd getrennt, das nun irgendwo in den Ställen von Lothlórien untergebracht war, da sehnte er sich so sehr wie nie nach der Geborgenheit der großen Gruppe, der Sicherheit in der langen Schar kampfeserfahrener Waldläufer, die seine Verwandten und seine Familie waren. Er hätte gerne gewusst, wo sie sich gerade befanden, ob sie Aragorn gefunden hatten und nun neue Hoffnung schöpfen konnten, oder ob etwas anderes geschehen war – doch Merendú wollte sich nicht ausmalen, was noch hatte geschehen können, denn allein der Gedanke daran versetzte ihm einen Stich ins Herz.
Merendú stellte fest, dass er dennoch irgendwann eingeschlafen war, denn plötzlich sah er auf, und die Sonne schien, wenn auch verhangen von einigen dunklen Wolken wie von Vorboten des herannahenden Unheils. Er faltete die graue Decke zusammen, die er von den Elben erhalten hatte und die ihn noch besser gewärmt hatte als der Elbenumhang aus dem Hause Elronds, den er im Moor hatte aufgeben müssen. Er gürtete sich mit seinem Schwert und schulterte Bogen und Köcher, dann rollte er die Strickleiter aus und kletterte an ihr den hohen Baum hinunter. Und kaum, dass er unten angekommen war und seine Füße den weichen Waldboden berührten, da trat schon eilig ein Bote der Elben an ihn heran und sagte: „Herr Merendú, Orodhrin, mein Hauptmann, schickt Euch eine Botschaft: Die Späher sind zurückgekehrt und haben Eure Angaben bestätigt; ein großes Heer rückt aus Moria gegen uns heran. Er sagt, es sei Euer Wunsch gewesen, mit den Abteilungen der Elben, die jetzt gen Westen ziehen werden, mitzugehen. Darum sollt ihr Euch jetzt bereit machen, denn sobald die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht, werden die Truppen eilig losziehen, um noch rechtzeitig die Westgrenze zu erreichen." Merendú nickte und dankte dem Elben, der sich sogleich wieder entfernte, um weitere Nachrichten zu überbringen. Dann ging er ein Stück den Pfad hinauf, bis er den Stall fand, der inmitten des Waldes errichtet war und in dem Azar untergebracht war. Er strich dem treuen Pferd sanft über Nüstern und Stirn und fragte sich, ob er seinen Gefährten je wiedersehen würde, denn der Weg, der vor ihm lag, schien ihm ein Pfad geradewegs in den Untergang zu sein. Einige Zeit blieb Merendú bei Azar und dachte über die vielen Tage nach, die sie nur zu zweit verbracht hatten, seit jenem schicksalhaften Tag in den Sümpfen des Nîn-in-Eilph, doch schließlich entschloss er sich, Abschied zu nehmen, und ging zurück zum Zelt des Hauptmanns, wo sich mittlerweile ein große Zahl an Elben versammelt hatte, alle in derselben grauen Rüstung, mit langen Schwertern und geschwungenen Bögen, und er sah, dass Orodhrin auf ihn zukam.
„Seid gegrüßt, Merendú", sagte er, „und noch einmal möchte ich Euch meinen Dank für Eure Botschaft ausdrücken, denn es ist, wie Ihr gesagt habt, und ein zweites Heer rückt aus Moria gegen uns, und seine Zahl ist gewaltig, wenn auch geringer als die des Heeres aus der alten Festung Dol Guldur im Düsterwald." Dann deutete Orodhrin auf die übrigen Elben und sagte: „Dies sind die Hauptleute der Kompanie, die ich nach Westen schicken werde, und ihre Truppen stehen draußen vor dem Tor. Mit ihnen sollt Ihr ziehen, Dúnadan, wenn Ihr es wünscht. Nehmt so wenig mit wie möglich, denn ausreichend Verpflegung werdet Ihr auch an der Grenze erhalten, wo wir viele geheime Lager im Wald haben, in denen wir Vorräte für eine Belagerung angelegt haben."
„Ich danke Euch, dass Ihr mir erlaubt, an der Seite der ältesten Freunde der Dúnedain zu kämpfen", sagte Merendú, „und ich hoffe, ich kann das Meine zum Schutz für dieses wunderbare Land tun, das mich in der Zeit meiner größten Not nicht abgewiesen hat, obwohl ich ein Fremder war."
„Die Dúnedain des Nordens waren noch nie Fremde im Land der Herrin von Lórien", sagte Orodhrin, „und ihre Hilfe war uns immer willkommen. Doch nun eilt Euch, Merendú, damit Ihr die Grenze noch zur rechten Zeit erreicht. Und wenn das Schicksal uns gnädig ist, dann wünsche ich, dass wir uns hier wiedersehen werden, damit ich Euch in gebührendem Maße danken kann. Doch nun geht, und geht mit dem Glück und dem Segen der Elben aus Lothlórien." Dann gab Orodhrin den Hauptleuten das Zeichen zum Aufbruch, und Merendú folgte ihnen. Das große Tor wurde geöffnet, und draußen standen mehrere Einheiten von Elben, still wie Statuen, doch zugleich eine Macht ausstrahlend, die Merendú noch nie gespürt hatte, denn es war die einzige Elbenarmee, die er in seinem ganzen Leben sah. Es wurde nicht gesprochen, doch kaum, dass die Hauptleute durch das Tor getreten waren, setzte sich die ganze Truppe in Bewegung, und schnell und leichtfüßig schritten die vielen Elben in ihren leichten Rüstungen aus, und Merendú wusste, dass er sich würde anstrengen müssen, um mit ihnen Schritt zu halten. Zielsicher steuerten die Elben auf einen nur für sie sichtbaren Weg im Wald zu, der sie sicher und zügig an die Grenzen im Westen bringen würde.
Kaum ein anderer Mensch hätte diesen Marsch überstanden, doch Merendú hatte sich in seinem langen Schlaf in den Wipfeln der Bäume von Caras Galadhon von den Strapazen der vergangenen Tage erholt, und er besaß die Stärke und die Ausdauer der Dúnedain, und auch wenn er sich sehr bemühen musste, so konnte er doch mit den Elben gut Schritt halten, die beinahe ohne Berührung über den kühlen Waldboden eilten. Auch als es dunkel wurde, hielten die Elben nicht an, und wenn Merendú einen Schluck aus dem Schlauch nehmen wollte, den die Elben ihm gegeben hatten und den er als einziges neben seinen Waffen bei sich trug, so musste er das im Laufen tun. Bald war die Sonne ganz verschwunden, und Merendú sah kaum mehr etwas, doch dank seinen scharfen Augen, einem Erbe der Menschen, die viele Jahrhunderte in der Nähe der Elbenlande jenseits des Großen Meeres gelebt hatten, und dem wenigen silbernen Licht, das der Mond spendete, ging er nicht fehl, sondern sah die vor ihm laufenden Elben und ein wenig auch den Weg zu seinen Füßen, der über kleine Anhöhen und unzählige Wurzeln, durch Unterholz und Lichtungen führte.
Irgendwann fingen Merendús Beine an zu schmerzen, und er begann, sich zu fragen, wie lange ihr Marsch noch dauern würde, und mit jedem Schritt, den er ging, wuchs auch seine Anspannung angesichts des vor ihm liegenden Kampfes. Doch die Elben hielten nicht an, und der Wald nahm kein Ende; und plötzlich, mitten in der Nacht, begann der Mond zu verblassen, und die Sterne verschwanden. Bald fehlte jegliches Licht, und dunkle Wolken schoben sich über den ganzen Himmel. Der erste Zug aus Mordor im nahenden Krieg, flüsterten die Elben, und bald konnten auch sie nichts mehr sehen, denn der ganze Himmel war schwarz. Zwar entzündeten einige kleine Kerzen, die sie bei sich trugen, und so setzten sie ihren Marsch fort, doch Merendú spürte eine neue Furcht unter den Elben, denn sie liebten das Licht der Sterne und zogen Kraft aus ihm, und es schien wie ein Vorgeschmack auf das Ende, dass der Feind nun schon in der Lage war, das Licht der Sterne auszulöschen. Auch Merendú sorgte sich um diesen Schachzug aus Mordor, doch mehr deshalb, weil er gehofft hatte, die Orks würden im Sonnenlicht verzagen und die Stärke ihres Angriffs würde am Tage nachlassen, doch er ahnte, dass die Wolken vor allem deshalb aus Mordor geschickt waren, damit die Orks stets mit ihrer vollen Stärke gegen dieses Land würden kämpfen können.
Am Morgen, der auf diese lange Nacht folgte, erhob sich keine Sonne über die Wipfel der Bäume, und mehr als die leise Ahnung einer Dämmerung gab es den ganzen Tag über nicht, und auch nicht an den Tagen, die darauf folgten. Nie zeigte sich auch nur eine kleine Lücke oder ein hoffnungsvoller Riss in der dunklen Wolkendecke, und Merendú spürte, wie die Hoffnung der Elben zu schwinden begann, auch wenn sie weiter ausdauernd marschierten und keine Anzeichen von Müdigkeit oder Erschöpfung zeigten; doch seit er Mond von den Schatten Mordors verschlungen worden war, und da nun auch noch die Sonne ihnen zum Opfer fiel, schien es, als würden die elbischen Geister zögern und zweifeln, und ihr Mut schien zu schwinden mit jeder Stunde, in der die Sonne sich nicht zeigen konnte. Auch Merendús Zeitgefühl wurde dadurch beeinträchtigt, doch es musste wohl um die Mittagsstunde sein, als die Elben und er die westliche Grenze des Waldes erreichten. Merendú war erschöpft und am Ende seiner Kräfte, und während die Elbenhauptleute begannen, ihre Einheiten über die Grenze zu verteilen und an wichtigen Punkten Fletts aufbauen ließen, während andere die geheimen Lager aufsuchten und Verpflegung besorgten, beschloss Merendú, sich vor dem nahenden Kampf noch ein wenig von den Strapazen und der Anstrengung des langen und rastlosen Marsches zu erholen. Er lehnte sich gegen einen Baum und schloss die Augen. Wie in einem Traum sah er plötzlich ein helles Licht, und in seinem Körper breitete sich eine seltsame Wärme aus, ein wenig wie das Gefühl einer gewaltigen Macht, das er schon auf dem hohen Mallorn in Caras Galadhon gespürt hatte, doch diesmal war es stärker, denn es schien zu ihm zu sprechen und ihm zu versichern, dass alles gut werden würde, zumindest hier, in diesem magischen Wald, zumindest, solange Sauron selbst sich ihnen nicht entgegenstellte.
Ein Elb schüttelte Merendú an der Schulter, und der Dúnadan öffnete die Augen. „Es ist Zeit, Herr", sagte der Elb, und Merendú erhob sich. Er wusste nicht, wie spät es war, und er wusste nicht, ob und wenn, wie lange er geschlafen hatte, doch er wandte sich an den Elben, der ihn aus seinen Gedanken gerissen hatte, und sagte:
„Könnt Ihr mir sagen, welche Tageszeit es ist?"
„Die Sonne würde gerade im Westen versinken."
„Wie viel Zeit bleibt uns noch, bis die Heere des Dunklen Herrschers die Grenze erreichen?"
„Vielleicht ein Tag, sagen die Späher." Der Elb wollte sich abwenden und gab ihm noch eine kleine Tasche mit Proviant, doch Merendú stellte ihm noch eine letzte Frage:
„Als ich, wie ich vermute, geschlafen habe, habe ich vor meinem inneren Auge ein helles Licht gesehen, und ich glaubte, eine Stimme zu hören, die mir sagte, dass ich hier in Sicherheit sein würde, auch wenn ich nicht weiß, warum das so sein sollte. Habt ihr einst auch dieses Licht gesehen?"
Der Elb lächelte und sagte: „Wahrlich elbengleich ist das Gespür der Menschen von Westernis, denn Euren Beschreibungen folgend glaube ich, dass Ihr die Macht der Herrin von Lórien gesehen habt. Solange sie die Macht über diesen Wald hat, so scheint es einem, wird es keine der abscheulichen Kreaturen der Dunkelheit schaffen, einen Fuß über die Grenze ihres Reiches zu setzen. Nehmt diese macht als Eure Führerin in dem bevorstehenden Krieg an, Merendú Dúnadan, so wie es die Elben, die der Herrin dienen, tun, und ihr mögt Eure Verteidigung um ihretwillen um das Vielfache verstärken. Denn das ist die Macht der Herrin, dass sie die Herzen der Völker entflammt und ihre Hingabe und Liebe zur Schöpfung dieser Welt entzündet, und solange sie diese Macht in unseren Herzen hat, mag es tatsächlich sein, dass wir die Mächte der Finsternis von diesem Reich fernzuhalten vermögen."
Merendú seufzte. „Wenn sie doch nur auch die Macht hätte, andere Reiche so wie das ihre vor der Dunkelheit zu bewahren."
„Verzagt nicht", sagte da der Elb, „denn auch den Landen der Menschen hat sie neue Hoffnung gebracht, und mein Herz sagt mir, dass Eure Freunde und Eure Familie noch immer ein Teil dieser Hoffnung sind." Der Elb lächelte noch einmal, und dann verließ er Merendú.
Der Dúnadan öffnete den kleinen Beutel, den ihm der Elb gegeben hatte, und fand darin ein wenig Brot, das in Blätter gewickelt war, getrocknetes Fleisch sowie Nüsse und Beeren. Merendú wusste nicht, wie alt dieses Essen war, doch er beschloss, den Elben und ihren geheimen Vorräten zu vertrauen; und er wurde nicht enttäuscht. Vielleicht war es die Magie des Waldes oder irgendeine alte elbische Kunst, doch alles aus diesem Beutel schmeckte Merendú vorzüglich, und er fühlte sich so schnell gesättigt, dass er gerade einmal den halben Beutel geleert hatte, bevor er hin weglegte. Er lehnte sich wieder gegen den dicken rauen Stamm, und er blickte nach oben, dorthin, wo eigentlich unzählige Sterne am Nachthimmel zu sehen sein sollten; doch da war nichts, nur eine unheimliche und durchdringende Schwärze, die Merendú große Furcht einflößte, Furcht vor dem, was für ihn kommen mochte und was für die anderen Dúnedain, von denen er nicht wusste, wo sie waren. Um diesen schrecklichen Anblick nicht länger ertragen zu müssen, schloss er die Augen, und bald sah er wieder jenes seltsame Licht, und die Hoffnung kehrte wieder zu ihm zurück. Merendú wusste, dass er schlief, und doch war es ein tiefer und seliger Schlaf, wie er ihn noch nie gehabt hatte, denn die macht der Herrin von Lórien erfüllte sein Herz.
Am nächsten Morgen – wenn man es so nennen konnte – erwachte Merendú, und die Stärke der Dúnedain war erneut in ihn zurückgekehrt. Um ihn herum herrschte bereits hektischer Betrieb, die Elben hatten die ganze Nacht über gearbeitet und an größeren Einfallstoren in den Wald kleine Palisaden errichtet, in allen Bäumen saßen Elben mit ihren Bögen und Speeren, und auch weiter in den Wald hinein hatten die Hauptleute einige Einheiten geschickt, die möglichen Eindringlingen, die es schaffen sollten, die Grenze zu überschreiten, auflauern sollten. Als Merendú einen Hauptmann der Elben fragte, wo er am meisten gebraucht würde, schickte dieser ihn als Verstärkung zu den Bodentruppen in die Nähe einer größeren Lichtung am Waldrand, denn Menschen waren auf Bäumen weniger geschickt als die Elben, doch die Kampfeskraft eines Dúnadan war den Elben, die auf der Erde kämpfen sollten, sehr willkommen. So gesellte sich Merendú zu den schweigenden Elben, die ebenfalls alle in eine grüngraue Rüstung gekleidet waren, und dort warteten sie einige Zeit, und nichts geschah, nur hin und wieder eilte ein Spion der Elben zwischen den Bäumen hindurch. Merendú wurde mit zunehmender Tageszeit immer unruhiger, denn sein Körper und sein Geist hatten sich seit Tagen auf diesen Kampf vorbereitet, und das Warten wurde unerträglich. Dabei war es auch keine wirkliche Hilfe oder Erleichterung, dass die Elben um ihn herum sich nicht rührten und kein Wort sprachen, sondern stumm dastanden und ausharrten. Schließlich schwand der Rest der Helligkeit, der es noch durch die dichte Wolkendecke geschafft hatte, und es wurde immer dunkler. Da schließlich sah Merendú den Schein von Fackeln und hörte das Stampfen unzähliger Füße, und im Licht der Flammen blitzten bald die Schwerter der Orks auf, als sie sich Lothlórien näherten. Endlich, dachte Merendú, endlich hat der Krieg begonnen. Dann zog er sein Schwert.
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