22. Kapitel - Der Weg nach Dunharg

22. Kapitel – Der Weg nach Dunharg

Eine kurze Weile schwieg die ganze Welt. Die Männer, die dort vor Halbarad und Aragorn standen, schwiegen noch immer, denn sie wussten noch nicht recht, was sie von alledem halten sollten, was da gerade vor sich gegangen war. Still und regungslos saßen sie auf Pferden, wie ein Schutzwall aus Menschen, die sich um etwas geschart hatten, das sie zu schützen versuchten. Doch was sie schützen wollten, wusste Beravor nicht. Als habe Aragorn bemerkt, dass die Reiter unsicher waren, was sie mit dieser ganzen Sache anfangen sollten, sagte er:
„Alles ist gut. Hier sind einige meiner eigenen Sippe aus den fernen Lande, wo ich lange lebte. Aber warum sie kommen und wie viele sie sind, soll Halbarad uns berichten."
„Ich habe dreißig bei mir", sagte Halbarad. „Das sind alle von unserer Sippe, die in Eile zusammengerufen werden konnten; doch die Brüder Elladan und Elrohir sind mit uns geritten, denn es ist ihr Wunsch, in den Krieg zu ziehen. Wir ritten so rasch wir konnten, als dein Ruf kam."
„Aber ich habe euch nicht gerufen", sagte Aragorn, „außer in Gedanken. Oft habe ich an euch gedacht, und selten mehr als heute Nacht; aber ich habe keine Botschaft gesandt."
Wieder musste Beravor sich wundern und fragen, wer dann die Nachricht habe senden können, denn wer außer Aragorn sollte wissen, wo er sich gerade aufhielt und wann und wo er seine Verwandten brauchte?
„Doch komm!", sagte Aragorn, „alle diese Dinge müssen warten. Du findest uns auf einem Ritt in Eile und Gefahr. Reite jetzt mit uns, wenn der König es erlaubt."
Der König war also, was die Reiter zu schützen versuchten, oder versucht hatten; denn nun gaben sie freilich ihre Stellungen auf und machten sich bereit, weiterzureiten. Doch Beravor wunderte sich erneut, warum sie den König hier antraf, Théoden, wie sie glaubte, sich seines Namens zu erinnern; denn es schien ihr nicht üblich, dass der König durch sein Land ritt, wenn nicht gerade diplomatische Missionen von großer Wichtigkeit zu erledigen waren oder der Feind das Land mit Krieg überzog. Doch noch vermochte sie nicht zu erraten, weshalb der König mitritt, noch konnte sie einen Zusammenhang zwischen der Gefolgschaft des Königs und den seltsamen Ereignissen in Isengart finden. Doch nun sprach der König, und seine alte Stimme klang froh, als wäre sie mit neuer Hoffnung genährt worden:
„Es ist gut. Wenn diese Verwandten in irgendeiner Weise Euch ähnlich sind, Herr Aragorn, dann werden dreißig solcher Recken eine Streitmacht sein, die sich nicht nach Köpfen zählen lässt."

Als die Schar nun gemeinsam mit Aragorn und den Reitern von Rohan ritt, bewegte Beravor noch lange in Gedanken den letzten Satz des Königs. Denn sie glaubte, dass dieser Mann im vollen Ernst geredet hatte. Rohan hatte sicherlich tausende an Rittern und Kämpfern; und es schien Beravor nicht, als könnte eine Schar von dreißig Mann eine solche Armee ersetzen, selbst wenn sie Dúnedain waren. Doch andererseits wusste sie nichts von ihrer eigenen Stärke, denn niemals hatte sie Krieger aus dem Süden getroffen und sich mit ihnen gemessen. Stets hatte sie sich mit ihresgleichen verglichen, doch niemals mit geringeren Menschen, und sie wusste nicht, wie viel stärker die Dúnedain aus dem alten Reiche von Arnor waren als jene Menschen, die die geringeren genannt wurden.

Doch sie beschloss, all diese Grübeleien auf eine spätere Zeit zu verlegen, denn sie sah, dass nun einer der Reiter, die mit dem König ritten, sein Pferd zu ihnen lenkte. Das musste Aragorn sein, denn er war größer gewachsen als alle Ritter des Königs, und Beravor beschloss, etwas weiter an den Anfang des Zuges zu reiten, um zu erfahren, ob er Dinge mit Halbarad austauschte, die auch für sie von Bedeutung waren. Als sie sich der Spitze des Zuges näherte, sah sie, dass sich Elladan und Elrohir ebenfalls wieder zu Halbarad gesellt hatten; und sie sah, wie Aragorn heranritt, und zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie ihn, wie er dort groß und stolz auf seinem Pferd ritt, und sein Gesicht, das im fahlen Mondschein zu glänzen schien, war streng und doch voll Weisheit und Güte, und in seinen Augen schimmerte der silberne Glanz der Sterne, und sie waren voll tiefer Sorge und Trauer, als läge ein Weg vor ihm, den er zutiefst fürchtete. So sah Beravor ihn zum ersten Mal, und seitdem trug sie jenes Bild mit sich in ihrem Kopf, denn sie hatte zum ersten Mal einen Menschen gesehen, der den Titel „König" verdiente, und fortan wartete sie nur noch darauf, dass er seine Ansprüche auf den Thron offen erklärte.

Doch noch ritt er schweigend und aufrecht auf seinem Pferd, und Halbarad ritt neben ihm, und obwohl er es an Größe und Würde wohl mit Aragorn hätte aufnehmen können, so wirkte er dennoch klein neben jenem gewaltigen Schatten, der neben ihm aufragte wie ein stiller Fels im Dunkel der Nacht, der plötzlich zu leuchten beginnt, weil er von einem einzigen Strahl des Mondes beleuchtet wird. Nach einer Weile begann er leise mit Halbarad zu sprechen, sodass Beravor Mühe hatte, alles zu verstehen, was sie sagten.
„Ich habe lange keine Neuigkeiten mehr aus dem Norden gehört, wohin mein Herz sich in diesen dunklen Tagen wünscht, wenn auch diese Sehnsucht nach meinem eigenen Volk nun gelindert ist durch dein Erscheinen, Halbarad, und durch die Hilfe, die du mit mir bringst. Doch sag mir nun: Was gibt es Neues in den Landen unserer Geburt?"
„Wenig Neues, doch viele Gefahr, die du schon lange kennst", sagte Halbarad, „und diese Gefahr wird immer größer. Die einfachen Leute in Bree und im Auenland beginnen bereits seit langem zu merken, dass nicht alles ist, wie es sein sollte, doch bisher hat noch kein Ork und kein Troll seinen Fuß auf das Gebiet der Menschen oder der Hobbits gesetzt. Unbekümmert sind sie nicht, diese kleinen Leute, doch besorgt sind sie auch nicht. Denn auch wenn nun dreißig tapfere Waldläufer dort oben fehlen, so sollten immer noch genügend sich im Umland befinden, die die Botschaft in aller Eile nicht oder zu spät erhielten, und sie werden das Land noch eine Weile beschützen können. Eine Weile noch."
„Wenn der Krieg hier im Süden verloren wird, dann werden wir den Norden auch nicht mehr halten können. Alles hängt nun von diesen beiden tapferen Ländern ab, von Gondor und von Rohan, die dem Schatten schon lange Widerstand leisten. Und auch wenn Saruman besiegt ist, so ist dies nur ein kleiner Fingerzeig für Sauron, dass er die Menschen nicht unterschätzen darf. Doch er unterschätzt sie nicht, er ist zu gerissen dafür. In Mordor züchtet er Armeen heran, die die Streitmacht von Rohan wie Ameisen aussehen lassen. Und nicht nur eine, sondern viele. Nein, Halbarad, es war gut, dass ihr gekommen seid. Die Aufgabe meines Volkes und die aller Freien Völker Mittelerdes liegt nun hier, nicht mehr versteckt im Norden, vor aller Augen verborgen. Wir müssen uns zeigen und in den Krieg reiten. Doch weiß ich noch nicht, auf welchem Weg."

Ein weiteres Mal hatte Beravor eine Nachricht gehört, die sie verwunderte. Saruman sei besiegt, hatte Aragorn gesagt. Als ob Halbarad ihre Gedanken gehört hätte, fragte er: „Du sagtest, Saruman sei besiegt. Wie kann das sein? Doch auch wir haben uns unseren Teil zu diesem Zauberer gedacht, denn als wir auf der Nord-Süd-Straße, von der wir kommen, an Isengart vorbeiritten, sahen wir, dass dicke Dampfwolken wie Säulen in den Himmel stiegen, doch wir konnten uns keinen Reim darauf machen, was passiert sein könnte."
„Wahrhaft seltsam ist, was geschehen ist", sagte Aragorn, „und auch ich konnte meinen Augen kaum trauen, als ich mit Théoden, dem König, nach Isengart ritt, nachdem wir Sarumans Truppen in einer Schlacht an der Hornburg geschlagen hatten. Es waren die Ents, Halbarad, die aus dem tiefen Wald Fangorn gekommen waren. Sie brachen den Damm, mit dem Saruman den Isen aufgestaut hatte, um Platz für seine tiefen Schmieden, die immer brennen, zu haben. Und das Wasser löschte das ewig brennende Feuer dort unten, und dies ist der Grund, weshalb ihr den Wasserdampf aufsteigen saht."

Noch eine Weile sprachen Halbarad und Aragorn miteinander, doch Beravor hörte ihnen nicht mehr zu, denn in ihren Gedanken sah sie die Ents, große Gestalten, älter als alles andere in Mittelerde, wie sie Isengart dem Erdboden gleichmachten, und sie war froh, dass nun immerhin eine Gefahr in dieser Welt gebannt war. Die Onodrim waren sicher machtvolle Verbündete im Krieg, und Beravor fragte sich, ob sie den Menschen des Westens noch weiter als Helfer erhalten bleiben würden. Denn der Krieg gegen Saruman schien zwar gewonnen, wie Beravor noch aus einigen Gesprächsfetzen, derer sie achtete, entnahm, doch der Krieg gegen Sauron stand noch bevor, und Saurons Armeen waren riesig und viele Dinge würden untergehen in Mittelerde. Beravor fürchtete diesen Krieg, denn sie sah ihren eigenen Tod darin und den von allem, was sie liebte, doch seit ihrem Gespräch mit Halbarad brachte diese Furcht sie nicht mehr zur Verzweiflung, denn noch sah sie Hoffnung, vor allem nun, da sie Aragorn gesehen hatte. Denn es schien, als sei er direkt jenen alten Legenden entsprungen, die von den großen Königen der Númenórer erzählten, von den Herrschern über jene Menschen, von denen auch sie abstammte.

Als Beravor dies dachte und nicht merkte, wie sie immer weiter zurückfiel und bald wieder beinahe neben ihrer Freundin ritt, da dachte sie zurück an die dunklen, aber für sie beherrschbaren Wälder in Eriador, aus denen sie ungeahnt herausgerissen worden war, jenen Wäldern, die ihre Heimat gewesen waren, weil sie als eine der verbliebenen Dúnedain dazu verdammt war, ein Leben außerhalb der Städte der Menschen zu leben, mehr gefürchtet als geachtet. Und doch war es ein Leben gewesen, dass ihr gefallen hatte, und nie hatte sie sich gewünscht, dass sich etwas ändern möge. Doch nun würde sich etwas ändern. Zum ersten Mal wurde Beravor klar, dass sie nie wieder ihr altes Leben zurückerhalten würde. Selbst wenn sie diesen Krieg überlebte, so würde sie doch als ein anderer Mensch zurückkehren, der viel mehr Leid und Tod gesehen hatte, als gut für irgendein Lebewesen dieser Welt war. Der Krieg rückte näher, und Sauron ließ seine Figuren vorrücken. Obwohl die Tage nicht dunkler waren, so schien für Beravor ein Gewicht auf ihnen zu liegen, das alle Gefühle bedrückte, wie die Schwüle eines heißen Tages vor einem gewaltigen Orkan. Es war noch nicht lange her, da war sie in den lichten Hallen von Bruchtal umhergewandert und hatte sich an der Schönheit der Welt erfreut. Es schien Beravor wie ein vergangenes Zeitalter. Nun schienen alle von der Last des drohenden Krieges erdrückt zu werden.

Es begann schon zu dämmern, als die Reiter eine gewaltiges Tal erreichten, das sich zwischen den Ausläufern des Nebelgebirges erstreckte. Am hinteren Ende der Klamm befand sich ein Tor, doch davor war über die gesamte Breite des Tals ein Wall gespannt, an dessen nördlichem Ende eine große, aus starkem Stein gebaute Festung stand. Aus der Klamm durch die Mitte des ganzen Tals strömte ein Fluss. Es war ein überwältigender Anblick, denn Beravor hatte ihr ganzes Leben im Norden verbracht, wo die Größe der Menschen nunmehr nur eine Erinnerung war an glanzvollere Zeiten; und es war die Aufgabe der Waldläufer gewesen, durch dieses Land zu jagen, stets von Feinden verfolgt, und sie hatte diese alten, eingestürzten Mauern, die von Strauch und Wurzel gesprengt und überwuchert waren, nur als Versteck benutzt für die Flucht vor übermächtigen Gegnern. Doch nun sah sie diese beeindruckende Feste, und sie hatte genug Wissen in den Geschichten der Tage von Einst zu wissen, dass dies eins der Werke der Dúnedain war, als Gondor am Höhepunkt seiner Macht stand und auch die Menschen in Gondor noch reinen Blutes gewesen waren und den Glanz der Númenórer in sich trugen, und so sah sie zum ersten Mal unverfälscht und unzerstört das Werk ihrer Ahnen, und obwohl nur wenig Licht in die Klamm eindrang, die von drei Seiten durch die mächtigen Bergflanken wie durch Klippen geschützt wurde, kannte ihr Staunen keine Grenzen. Doch wusste sie auch, dass dies nur der Anfang war, denn hier war bereits eine Schlacht geschlagen worden, und die anderen Schlachten und auch das Schicksal ihres Königs, dem sie nun diente, lagen nun weiter im Westen in Gondor, und dort standen noch Bauten, die weit herrlicher wahren als diese ehrfurchtgebietende Feste.

„Es ist erstaunlich, zu sehen, dass dies das Werk unserer Vorfahren ist", sagte Istavor, die wieder seit einiger Zeit neben ihr geritten war, auch wenn Beravor und sie nicht geredet hatten, „unserer Vorfahren, die wir nun so wenige sind, im Norden vielleicht noch von höherem Adel als die Dúnedain in Gondor, die mittlerweile zum größten Teil Ehen mit anderen Menschen eingegangen sind, doch dennoch zerstreut und unseres Reiches beraubt, während sich die Menschen, die wir die „geringeren" nennen, ihres Lebens erfreuen und sich ihre Zahl vermehrt."
„Da sprichst du wahr, Freundin", sagte Beravor, „und sprichst das aus, was mir eben auch durch den Kopf ging, und ich frage mich, wenn dieser unsägliche und scheinbar nicht zu gewinnende Krieg tatsächlich ein gutes Ende nimmt und Herr Aragorn König wird, ob wir, die Erben der Númenórer, dann wieder zahlreicher werden können und unsere Lebenskraft erhalten und neue Bauwerke von dieser Schönheit errichten werden; oder ob wir immer eine Erinnerung bleiben werden und sich andere Menschen ausbreiten werden, und wir schließlich wie sie werden und unsere Line erlischt."

Lange schwiegen beide wieder, als sie ins Tal hinabritten. Die Sonne, obwohl selbst noch nicht zu sehen, sandte einige Strahlen in die Klamm, und Beravor, die die scharfen Augen der Dúnedain hatte, sah, wie auf dem Klammwall und der Burg Männer bei der Arbeit hin- und herrannten. Vor der Burg, dort, wo, wie Beravor vermutete, die Schlacht geschlagen worden war, sah man noch Anzeichen des Kampfes, denn es waren zwei Grabhügel für die gefallenen errichtet worden. Beravor sah, als sie hinunterritt, einen dritten Hügel, der aus Steinen gebaut war, doch die Männer von Rohan machten einen großen Bogen um ihn, und die Dúnedain folgten ihnen.

Es war noch eine knappe Meile des Rittes, bis der Zug schließlich die Feste am Ende des Klammwalls erreichte, und es wurde verkündet, dass sie hier nun rasten würden, bevor sie, wie man sagte, nach Dunharg weiterreiten würden, um das Heer von Rohan zu sammeln. Es schien, als würden die Waldläufer gemeinsam mit ihrem König und den Reitern von Rohan in die Schlacht ziehen. Nun ritten sie gemeinsam mit den Männer von Rohan in die Festung und dann wieder hinaus und hinter den Klammwall, und überall sah Beravor Männer, die damit beschäftigt waren, die Schäden der Schlacht zu beseitigen; und obwohl die Sonne nun bereits begann, sich am Horizont zu zeigen, beschlossen sie, ein wenig zu rasten, denn sie waren einige Nächte lang hindurchgeritten und hatten sich nie den Schlaf gönnen können, dessen sie eigentlich bedurft hätten.

Beravor war freilich dankbar für diese Rast, denn hinter diesen Mauern fühlte sie sich sicher, und sie benötigte die Erholung einiger Stunden Schlaf dringend, und wenn es auch nur wenige waren. So setzte sie sich mit den anderen Waldläufern etwas abseits von den Menschen Rohans hin, zu ihrer Linken ragte nun die Zitadelle von Rohan auf, und ihr Blick war auf den Klammwall einige Schritte vor ihr gerichtet. Im Wissen, dass ihr nun keine Gefahr drohte, konnte es sich Beravor zum ersten Mal seit dem Tag, da sie das letzte Mal ihr Lager aufgeschlagen hatten, leisten, in ihrer Wachsamkeit nachzulassen, ihre Waffen und ihren Helm abzulegen, ihre Decke auszubreiten und zu schlafen. Sie merkte, dass sie unter ihrem Helm die letzten Tage viel geschwitzt hatte, und obwohl sie sich wünschte, eine Gelegenheit zu finden, sich wenigstens notdürftig zu waschen, vermutete sie, dass die Schar gleich nach wenigen Stunden Schlaf wieder aufbrechen würde.

Auch Istavor neben ihr hatte ihre Ausrüstung abgelegt und wollte sich gerade hinlegen, um die wenigen kostbaren Stunden, die ihnen zum Schlaf zugestanden worden waren, nicht zu vergeuden, doch Beravor sagte noch einmal zu ihr gewandt, doch mit einem Lächeln auf den Lippen: „Ich weiß, die Männer legen keinen Wert auf diese Dinge, doch ich fürchte, wir werden am Ende unserer Reise nicht mehr als Menschen zu erkennen sein, über und über mit Schlamm aus dem Moor und Schweiß aus den Kämpfen bedeckt." Da lächelte auch Istavor, ein Lächeln aus Freude, wie sie es lang nicht mehr gesehen hatte, und beide schliefen bald darauf ein und vergaßen für eine kurze Weile alle Sorgen des Krieges in einem traumlosen Schlaf.

Beravor erwachte und sah, dass der Vormittag bereits weit fortgeschritten war, denn die Sonne stand schon hoch über dem Eingang zum Klammtal, der nun in einiger Entfernung zu sehen war und nach Westen zeigte. Sie war geweckt worden durch das emsige Treiben, das überall um sie herum aufgenommen worden war. Die meisten Waldläufer hatten schon ihre Rüstungen wieder angelegt und saßen nun schweigend um sie und einige andere Waldläufer herum, die sich noch nicht zum Abmarsch bereit gemacht hatten, etwas entfernt von den Rohirrim, die sich ebenfalls zu einer schnellen Weiterreise fertig machten. Beravor konnte unter den Waldläufern Istavor entdecken, doch nicht Halbarad und auch nicht Aragorn. Sie vermutete, dass er wohl mit seinem Vetter an einem anderen Ort redete und mit den Söhnen Elronds gewichtige Dinge zu besprechen hatte. So beschloss sie, sich ebenfalls ihre Rüstung anzulegen und auf die Führer der Schar zu warten. Ihre Vorräte waren, wie es schien, aufgefüllt worden, auch wenn Beravor davon nicht viel mitbekommen hatte.

Nachdem sie sich abmarschbereit gemacht hatte, setzte Beravor sich nicht sofort zu den anderen Waldläufern, die kaum redeten, sondern ließ ihren Blick ein wenig auf der großen Festung Rohans ruhen. Groß und schön war sie, wie ein Bauwerk, das von den Elben errichtet worden war, und doch war es sehr menschlich: Denn es hatte nicht dieselbe Anmut und Natürlichkeit wie eine Arbeit der Elben, sondern es war stark und majestätisch, wie aus dem Felsen gehauen, und es ragte trutzig in den Himmel hinter den Klippen wie ein düsterer Mann, der bis zuletzt seine Stellung hielt, auch wenn alles verloren war. „Wie die Menschen", dachte Beravor.

Da ging ein Mann aus Rohan an ihr vorbei, er trug einen Beutel mit Vorräten auf seinem Rücken und war mit einem Schwert gegürtet und in seinem Gürtel stak eine Axt, und aus seinem Helm flohen hie und da einige blonde Strähnen seines Haares, und sein Schild zeigte das weiße Pferd auf der grünen Wiese. Beravor grüßte ihn mit einem Kopfnicken, und der Mann sagte: „Seid gegrüßt, Herr." Beravor wusste nicht, ob der Mann selten die Gemeinsame Sprache sprach und daher nur wenige Wörter und Grüße kannte, oder ob er sie unter ihrem Helm und der Kapuze und in ihrer Rüstung wirklich für einen Mann gehalten hatte, weil er erwartet hatte, einen zu sehen. Sie hielt dies für wahrscheinlich, und sie lächelte, denn man konnte sie tatsächlich unter den Menschen der Mark für einen Mann halten, denn auch wenn sie nicht so groß gewachsen war wie ihre männlichen Gefährten, so überragte sie als Dúnadan die meisten um sie herum um beinahe einen Kopf.

Nicht weit entfernt von dort, wo sie stand, sah sie eine weit merkwürdigere kleine Gruppe, als sie je gesehen hatte. Es war eindeutig ein Elb unter ihnen, groß gewachsen und mit dunklem Haar, doch nicht wie die Söhne von Elrond aus Bruchtal, sondern er war gekleidet wie ein Waldelb aus den großen Wäldern des Düsterwaldes, und neben ihm standen zwei weitaus kleinere Gestalten, und sie unterhielten sich miteinander. Der eine war sicherlich ein Zwerg, denn er hatte einen langen Bart und trug schwere Rüstung und einen Helm, und der andere schien ihr ein Hobbit zu sein, wie sie in Bree und im Auenland anzutreffen waren, doch auch er war mit einem Schwert gegürtet. Beravor meinte sich zu erinnern, dass einer oder mehrere Hobbits und ein Elb mit Aragorn zu irgendeinem geheimen Auftrag aufgebrochen waren, um – wie sie von Halbarad erfahren hatte – den Einen Ring zu zerstören. Doch in ihrem Herzen bezweifelte sie, dass einer von denen, die hier unter ihnen waren, den Ring trug.

Kurz darauf wandte sich die kleine Gruppe ab und ging am Wall entlang umher, und Beravor fragte sich, wann sie wohl aufbrechen würden, und noch immer hatte sie nirgendwo Aragorn, Halbarad oder die Söhne Elronds gesehen. Doch nach einiger Zeit, obwohl es Beravor wie Stunden erschienen war, in denen sie nur schweigend gewartet hatte, kamen schließlich Elladan und Elrohir aus der Hornburg, doch weder Halbarad noch Aragorn waren bei ihnen, und sie sahen besorgt aus, und redeten nicht, nur ihre Rüstungen, weit heller als die, die die Waldläufer trugen (und auch sauberer) schimmerten im Licht der Sonne, die nun schon hoch stand; und doch lag ein Schatten auf ihren Gesichtern. Sie gingen zur Gruppe der Waldläufer, und auch Beravor gesellte sich zu ihnen, und ein leises Flüstern erhob sich unter ihnen, obwohl niemand mehr da war, der sie hätte belauschen können, denn der König von Rohan war mit seinen Männern bereits fortgeritten.

Nicht viel konnte Beravor verstehen von dem, was die Brüder den Waldläufern berichteten, doch Rovaldil, einer derer, die näher saßen, jung und von edlem Angesicht, das Beravor noch ein wenig weniger zerklüftet schien von Sorge wie das der meisten anderen der Schar, sagte ihr, was Elrohir gesagt hatte, und seine Stimme war stark, doch ein Anflug von Furcht schwang in ihr mit; denn, so sagte er, Aragorn hatte beschlossen, dass er und alle, die mit ihm kommen wollten, über die Pfade reiten würden, um so schnell wie möglich in den Krieg in Gondor zu ziehen. Und die Pfade der Toten schienen zu sein, was Rovaldil ängstigte, auch wenn er selbst nicht wusste, warum. Nach einiger Zeit des leisen Tuschelns unter den Waldläufern verfielen sie wieder in schweigen, denn jeder dachte sich seinen Teil über die Neuigkeiten, und niemand konnte nun mehr den Schatten des Krieges abschütteln, der über ihnen allen lag.

Doch noch schien die Sonne, und schließlich kamen Halbarad und Aragorn und der Zwerg und der Elb aus der Hornburg zu ihnen, doch der Hobbit fehlte;, und Aragorn setzte sich wieder auf Roheryn, und der Elb und der Zwerg setzten sich hintereinander auf ein Ross, und dann bestiegen auch Elladan und Elrohir ihre Pferde, und alle Waldläufer saßen auf. Dann zog Halbarad ein gewaltiges Horn und blies es, und sein Schall hallte in der Klamm wieder; und Beravor und Istavor, die nebeneinander auf ihren Hengsten saßen, sahen einander an, und die Lust auf Krieg blitzte in ihren Augen, denn nun ritten sie der Schlacht endlich entgegen, statt vor ihr zu fliehen, und das Ende nahte. Der Klang des Horns verhallte schließlich, doch das Donnern der Hufe unter der Grauen Schar erhob sich, und die Männer auf dem Klammwall und der Hornburg schrien und erhoben sich, doch Beravor achtete ihrer nicht. Sie trieb ihr Pferd an, und vor sich sah sie nur den Staub, den die vor ihr Reitenden aufgewirbelt hatten.

Dicht beieinander ritten die Waldläufer, und neben Beravor ritt links Istavor und rechts Rovaldil, doch sie redeten wenig. Das einzige, was Beravor auf ihrem ganzen Weg erfuhr, war, dass ihr Ziel Dunharg war, die große Festung von Rohan, wo die Pfade der Toten begannen, und sie lernte die Namen des Elben und des Zwerges; der eine war Legolas, Sohn Thranduils aus dem Düsterwald, und der andere war Gimli, Glóins Sohn, aus dem einsamen Berg, wo Dáin König war. Lange ritten sie und unermüdlich, und die Pferde zeigten keine Anzeichen von Erschöpfung, bis sie beinahe die Hälfte ihres Weges zurückgelegt hatten und nach Edoras, der Königsstadt von Rohan, kamen. Dort hielten sie, doch ihnen wurde gesagt, ihr Aufenthalt würde nur kurz sein, und Beravor saß ab und vertrat sich gemeinsam mit Istavor die Beine, die vom vielen und schnellen Reiten erschöpft waren; doch sie redeten nicht, denn ein Schatten lag auf ihrer beider Gemüter.

Nach der kurzen Rast ritten sie weiter, und von diesem Ritt wusste Beravor später weniger als von ihrem Aufbruch bis nach Edoras, denn noch eiliger schien es Aragorn zu haben, und erst, als sie in Dunharg ankamen, hielten sie wieder an, denn sie mussten einen gewundenen Pfad bis hinauf zur Festung erklimmen, und dies erforderte Aufmerksamkeit von Mensch und Tier. Doch Beravor war müde, angestrengt vom langen und rastlosen Ritt, und Gwaelim fand seinen Weg ohne ihre Führung, und sie erinnerte sich nicht an den Weg und an die Puckelmänner, die dort standen. Erst, als sie oben angelangt waren und empfangen wurden, sah sie wieder klar, und empfangen wurden sie von einer Frau, die ganz in weiß gekleidet war und deren goldenes Haar in der untergehenden Sonne glänzte. Groß war sie für eine Frau Rohans und schlank, und ihr Gesicht war entschlossen und kühl. Von ihr wurden sie empfangen und in einen Raum geführt, und ein Mahl wurde für sie bereitet. Beravor war froh, dass sie sich wieder auf etwas anderes setzen konnte als auf einen Sattel auf einem galoppierenden Pferd. Neben Istavor saß sie, weit entfernt vom Kopf des Tisches, wo Halbarad, Aragorn und Éowyn, wie der Name der Frau war, und die Söhne Elronds aßen und redeten, und deshalb verstand sie nichts davon, doch sah sie, dass Éowyn und Aragorn erregt miteinander zu reden schienen, und Halbarad saß daneben und schwieg.

Es war ein gutes Mahl, und Beravor war dankbar dafür, denn es bot eine gute Abwechslung zu dem Wenigen, was sie stets mit sich geführt hatten, und es war die erste Mahlzeit seit vielen Tagen, die auch den Geist zu erfreuen vermochte und nicht nur den Hunger stillte, denn auch in Helms Klamm waren die Vorräte nicht so reich gewesen und wenn doch, so waren sie nicht mit den Fremden geteilt worden. Istavor schien das Essen ebenfalls zu genießen, denn erst nach einiger Zeit begann sie ein Gespräch. „Es ist seltsam, dass auf dem Namen der Pfade der Toten schon ein Schatten zu liegen scheint. Ein furchterregender Name ist es wohl, und kein Lebender will gerne auf den Pfaden der Toten wandeln, doch scheint es, dass eine noch größere Gefahr in diesen Worte liegt. Selbst nun, da ich davon spreche, fühle ich einen Schatten in mir und eine Furcht, die ich nicht erklären kann."
„Auch ich kann nicht erklären, was mich befällt, wenn ich den Namen höre", sagte Beravor, „und ich will auch nicht darüber reden, denn je mehr ich darüber spreche, desto dunkler scheint mir der Schatten zu werden, den diese Pfade werfen. Hier müssen sie wohl liegen, und bald werden wir wohl oder übel erfahren, was ihre Bedeutung ist."

Danach redeten sie nicht mehr über die Pfade der Toten, sondern aßen schweigend, und bald darauf war das Mahl beendet. Die Waldläufer wurden zu Hütten geführt, in denen sie die Nacht verbringen konnten, und zum ersten Mal seit langer Zeit konnte Beravor wieder in einem Bettschlafen. Das letzte Mal hatte sie das in Bruchtal getan, und auch wenn es noch nicht mehr als zwei Monate zurücklag, so kam es ihr vor wie die Ruhe einer längst vergangenen Welt, als der Schatten noch nicht über sie gefallen war. Sie teilte sich eine Hütte mit Istavor, doch niemand schien sich wirklich über die Frauen zu verwundern, denn auch Éowyn hatte nicht bemerkt, dass auch Frauen unter den Dúnedain waren; und Beravor war es recht, denn sie wollte sich keine Fragen anhören, warum sie denn mitgegangen seien; denn es hatte sich mehr oder weniger so ergeben, und sie war stolz, ein Teil der Grauen Schar zu sein, und die Dúnedain wussten, dass auch Frauen zu kämpfen verstanden. Doch auch in der Nacht ließen sie die Gedanken an das, was ihnen bevorstand, nicht los, und die Angst vor dem Morgen ließ sie lange wachen. Istavor schien zwar zu schlafen, doch von Alpträumen geplagt zu werden, und sie bewegte sich im Schlaf unruhig hin und her.

Doch dann kam der Morgen, und obwohl Beravor nicht wusste, wann sie eingeschlafen war, so erwachte sie doch aus einem traumlosen Schlaf, der ihr ein wenig Erholung vom Ritt des vorangegangenen Tages gebracht hatte. Doch noch dunkler war nun der Schatten der Angst über ihr, und sie ahnte, dass nun der letzte Teil ihrer Reise kam, denn nun ritten sie in den Krieg. Sie legte die Rüstung an, wie sie die Waldläufer trugen, nicht zu schwer, denn sie trugen sie stets mit sich, und sie war mehr aus Leder denn aus Metall. Beravor war nicht für den Krieg gerüstet gewesen, als sie auf Halbarad und den Boten getroffen war, und als sie es sich genau überlegte, merkte sie, dass sie niemals Rüstung für den Krieg gehabt hatte. Doch das, was sie hatte, musste nun ausreichen, um diesen Krieg zu schlagen, und die Pfade der Toten waren in jedem Fall ein verheißungsvoller Anfang.

Gwaelim stand bereit, und der Schatten der Pfade lag über allen, die dort standen; und Beravor saß auf, und neben ihr saß Istavor auf Galruin und Rovaldil auf seinem Pferd wie ein stolzer und kühner Schatten, der doch Schmerzen litt. Und dann kam Aragorn und stieg auf Roheryn, und Éowyn kam, obwohl Beravor sie beinahe nicht erkannt hätte, denn es schien, als würde sie mit ihnen reiten, und sie war gerüstet und trug ein Schwert. Dann trank sie aus einem Becher und wünschte ihnen Erfolg und ein gutes Schicksal, und dann gab sie den Becher Aragorn, und sie redeten noch einmal, und auch, wenn Beravor nichts verstand oder nur wenig, so sah sie doch, das Éowyn schließlich auf die Knie fiel, als würde sie Aragorn anflehen, und Aragorn stieg herab und nahm ihre Hand, und genauso schnell, wie er herabgesprungen war, sprang er wieder auf und gab das Zeichen, dass sie fortritten; und schnell ritten sie hinein in die Pfade, und als Beravor zurücksah, sah sie, dass Éowyn nicht mit ihnen ritt, sondern dort stand, die Hände in die Seiten gepresst; doch dann fiel die Schar unter den Schatten des Berges und Beravor sah nur noch nach vorne. Und in diesem Augenblick verließ sie in ihren Gedanken ihr altes Leben, und sie war keine Waldläuferin mehr, sondern eine der Edlen aus Númenor vor seinem Fall; und entschlossen ritt sie hinter ihrem König her, der wie Elendil vor ihnen ritt, stark und groß und würdevoll; und als sie Dunharg und Frau Éowyn nicht mehr sehen konnte, da war ihr altes Leben dahin; und der Krieg begann.     

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