20. Kapitel - Die Überquerung der Furten


Ein kleines Vorwort an euch, liebe Leser:

So wie Beravor und Co heute auf Aragorn treffen, trifft diese Fanfiction auf das Buch. Wir werden uns exakt an Tolkiens Vorlage halten, soweit das Buch es hergibt, was Handlungen und Dialoge unserer Protagonisten betrifft. Als kleine Information: Die Dialoge, die so im Herrn der Ringe auftreten, sind wortwörtlich aus der Übersetzung von Margaret Carroux übernommen.

Viel Spaß!

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20. Kapitel – Die Überquerung der Furten

Je näher die Gemeinschaft der Dúnedain dem Talkessel, in dem Isengart lag, kam, desto stiller und bedrückter wurde es unter ihren Mitgliedern. Meile um Meile legten ihre unermüdlichen Pferde zurück, nur unterbrochen von kurzen Rasten, denn nun, da das Ziel ihnen so klar vor Augen lag, wollten die Führer der Schar so wenig Zeit wie möglich verlieren, denn jede Stunde Aufschub, die sich aus der unweigerlichen Ermüdung der Waldläufer und ihrer Reittiere ergab, beunruhigte sie und veranlasste sie, die Pferde danach umso schneller anzutreiben.

Die Nächte in diesem Frühling, der gerade erst aus einem kalten Winter hervorgegangen war, waren noch kühl, doch die Schar ritt beinahe die gesamte Nacht hindurch. Beravor fror zwar kaum unter ihrem dicken, grauen Mantel, doch der eisige Wind, der des nachts über die Ebene von Dunland fegte, stach ihr in Gesicht und Augen und ließ ihren Körper an Stellen frieren, die ihr lockerer Umhang nicht verdeckte. So löste sie die wie ein silberner Stern geformte Brosche, die ihn an ihrer linken Schulter zusammenhielt, und zog den Mantel enger um sich. Istavor neben ihr schien entweder tief in Gedanken versunken zu sein oder sich im Halbschlaf zu befinden, während ihr ausdauernder Hengst Galruin sie sicher über die unebene Straße trug. Diese wurde nun immer ungepflegter, als wäre schon seit vielen Jahren niemand mehr über sie gewandert, und je näher sie dem drohenden Turm von Orthanc kamen, der sich wie ein schwarzer, blitzender Zahn aus dem Tal reckte, desto überwucherter wurde sie. Sträucher und Löwenzahn sprengten die Pflastersteine, die einst nicht ohne Geschick behauen und verlegt worden waren, auseinander, und die Pferde mussten ihren Blick stets auf die Straße richten, um nicht fehlzugehen.

Die Tage zuvor, in denen sich die Graue Schar dem Zauberertal immer weiter angenähert hatte, hatte Beravor stets Rauch aufsteigen sehen aus dem Tal, in dem sie Isengart vermutete, doch in der Nacht war es so dunkel, dass nicht einmal die scharfen Augen der Dúnedain weit zu sehen vermochten. Beravor wusste nicht, ob es ihr mehr gefiel, der drohenden Gefahr ins Auge zu sehen und ihr in ihren Gedanken bereits die Stirn zu bieten, oder den gnädigen Schleier der Nacht dankend anzunehmen und den Kampf, den sie auf ihrem Weg nach Rohan sah, vergessen zu können. Sie wusste wenig über diese Lande, denn natürlich war sie noch nie dort gewesen oder hatte ausgiebig Karten über diese fernen Gegenden studiert; sie hatte stets das Leben eines Waldläufers gelebt und war mit diesem mehr oder weniger zufrieden gewesen, und sie hatte sich nie wirklich vorstellen können, dass dieses Leben sich so plötzlich und unvermittelt ändern könnte und sie auf eine Wanderung schicken würde, die noch gefährlicher war als das Leben eines Waldläufers. Einmal war sie bereits fast umgekommen.

Als sie so zurückdachte, fiel ihr ein, dass mit dem Sonnenaufgang, der auf diese Nacht folgen würde, bereits eine Woche her sein würde, dass sie und Istavor von den Elbenzwillingen geführt das Moor verlassen hatten. Es kam ihr viel kürzer vor, denn die eintönigen Tage des Marsches danach durch die weiten, kargen Ebenen von Dunland waren in ihrer Erinnerung zu einem einzigen langen, beschwerlichen Tag verschmolzen, und sie vermochte nicht mehr zu unterscheiden, wie die Nächte ausgesehen hatten, die dazwischen gelegen hatten. Das einzige, was sie klar von ihrer Erinnerung zu trennen vermochte, war das Hier und Jetzt, und dieses war eine düstere Nacht, in der sie ständig wie ein scheues Reh in die Dunkelheit gespäht hatte, hierhin und dorthin, obwohl sie wusste, dass die Finsternis viel zu groß war, als dass sie einen Feind frühzeitig hätte entdecken können. Doch auch diese Nacht musste sich, so vermutete es zumindest Beravor, langsam dem Ende entgegenneigen, denn die Schar war nach ihrer Rechnung bereits viele Stunden im Dunkeln geritten, und tatsächlich: im Osten zeigten sich die ersten blassen Schimmer einer aufgehenden Sonne, deren blassrote Finger suchend über die Gipfel des Nebelgebirges mit seinen gewaltigen Gipfeln tasteten und die Wolkendecke, die in der Nacht noch den Waldläufern die Sicht auf die silbernen Sterne Vardas verdeckt hatten, durchbrachen. Langsam erwachte die Natur um die Wanderer herum zum Leben: einige Vögel begannen zaghaft ihr Lied, doch in der Ebene gab es keine großen Tiere; zumindest konnte Beravor keine erkennen, und die Bäume blieben kahl, wie sie es auch schon an den Tagen zuvor gewesen waren. Beravor staunte und fürchtete sich, dass die Schar in der Nacht so viele Meilen zurückgelegt hatte: ganz nah waren sie nun an Isengart herangekommen – offenbar hatte die Straße trotz ihres schlechten Zustands die Menschen und deren Pferde schneller vorangebracht als das unbefestigte Ödland, so, wie es die Führer der Reiter, Elladan, Elrohir und Halbarad, gehofft hatten.

Bald war es genug Licht, um weit in alle Himmelsrichtungen zu blicken, und unter den Waldläufern erhob sich Gemurmel, leise und vorsichtig, denn Elladan hatte sie gemahnt, nun, da sie dem Herrschaftsgebiet des Feindes so nahekamen, keine unnötigen lauten Geräusche von sich zu geben. Doch die Nachricht, die dort unter den Ersten der Schar, die ganz vorne ritten, verbreitet wurde, schien nicht unwichtig zu sein, und bald hatte sie auch den Waldläufer, der vor ihr ritt, erreicht. Beravor fragte ihn, was die Reiter an der Spitze des Zuges so erregt habe, und dieser antwortete:
„Die Tage zuvor stieg stets Rauch auf von Isengart." Beravor sah in den Osten, zum Turm, und sagte: „Es steigt immer noch Rauch auf von Isengart", denn so war es: hoch stiegen Säulen von Rauch in den roten Morgenhimmel und verloren sich schließlich in den Wolken, die schnell über den Himmel zogen.
„Nun", sagte der Waldläufer wieder, und Beravor sah in seinem Gesicht, dass es eine Nachricht sein musste, die ihm Rätsel aufgab, „wie die sagen, die an der Spitze unseres langen Zuges reiten – denn die Straße ist nicht breit genug, weder hier noch vorne, als dass viele Reiter nebeneinander reiten könnten –, ist der Rauch keineswegs mehr schwarz oder braun wie ständig zuvor, sondern weiß wie der Dampf von heißem Wasser, und das ist er wohl auch."
Als Beravor erneut nach Osten zum Gebirge und zum Talkessel von Isengart sah, merkte sie, dass der Waldläufer Recht hatte: Der Rauch, der vorher stets dunkel und schmutzig gewesen war, war nun weiß oder höchstens grau, als wäre das Feuer, von dem sie in Bruchtal gehört hatte, dass es stets in Isengart brannte zu dieser Zeit, von einer gewaltigen Überschwemmung getroffen worden.
„Was mag diese unerwartete und rätselhafte Botschaft wohl bedeuten?", sagte Istavor, die wohl die ganze Zeit aufmerksam zugehört und sich noch nicht ins Gespräch eingeschaltet hatte.
„Das wissen die, die vor mir reiten, nicht", sagte der Waldläufer, der vor Beravor ritt, „und ich vermute, dass des Rätsels Lösung noch nicht einmal Halbarad oder den Elben, die uns führen, bekannt sein dürfte, denn niemand weiß, woher das Wasser, das den Dampf erzeugte, gekommen sein könnte."

Bald verebbte auch das Murmeln und Flüstern unter den Waldläufern, und jeder begann zu versuchen, sich seinen eigenen Reim auf diese ungewöhnliche Wendung der Dinge zu machen, doch Elladan forderte die Waldläufer auf, dennoch in ihrer Wachsamkeit nicht nachzulassen. Er versammelte die Schar um sich, auch wenn die meisten damit die Straße verließen, und sprach:
„Waldläufer des Nordens, wie Ihr alle sicherlich mittlerweile erfahren habt, haben die Geschehnisse vor uns eine seltsame Wendung genommen, denn es steigt, wie die scharfen Augen meines Bruders und die meinen Euch bestätigen können, kein Rauch mehr auf von Isengart, sondern gewaltige Säulen von Wasserdampf. Doch wir wissen nichts weiter von diesen Ereignissen, außer, dass sie geschehen sind, denn noch keine Nachricht haben die Vögel, die hier leben, uns überbracht, und auch sonst spricht die Natur nicht über das, was dort vielleicht geschehen sein mag; wir wissen also nicht, ob diese Nachricht für uns gut oder schlecht ist, ob es ein Schlag gegen Saruman oder nur eine List des Feindes ist. Seid also weiterhin wachsam und erwartet nicht, dass unsere Reise nun weniger gefährlich wird, als Ihr gedacht hattet. Fürchtet Euch aber auch nicht, denn noch nie hat jemand einen Nutzen davon gehabt, sich vor dem Unbekannten zu fürchten. Verfallt also nicht in Aufregung über das, was sich in Isengart ereignet haben mag, sondern haltet weiter an Eurem Weg fest, der Euch bald nach Rohan bringen wird: Wenn wir geschwind reiten, und das tun wir schon, seit wir auf die Straße gelangt sind, so mag es vielleicht nur noch den heutigen und den morgigen Tag brauchen, bis wir die Grenzen Rohans erreicht haben werden, und vielleicht schon in der Nacht vom morgigen auf den Tag, der auf diesen folgen wird, werden wir die Furten des Isen überqueren, wenn das Schicksal uns gnädig ist und uns der Feind, der in unserer Nähe haust, nicht aufhält." Damit löste er die kurze Versammlung auf, und der Zug der Grauen Schar verteilte sich wieder auf die Straße. Beravor ritt neben Istavor im hinteren Teil des Zuges, hinter ihr mochten vielleicht noch zwei oder drei Zweiergruppen sein, und vor ihnen erstreckte sich der Zug weit bis nach vorne, denn die Pferde hielten einen guten Abstand zu ihren vor ihnen laufenden Verwandten ein.

Den ganzen Tag über ritten die Waldläufer auf ihren Rössern, welche sie zu immer weiterer Unermüdlichkeit antrieben. Sie rasteten, das Ziel bereits vor Augen, nicht, sondern griffen, wenn der Hunger allzu drückend wurde, in die Taschen, die an den Seiten ihrer Pferde hingen, und holten etwas Brot oder gepökeltes Fleisch hervor, das sie im Ritt zu sich nahmen. So sparten sie Zeit gegenüber den Tagen, in denen sie stets zum Schutz gegen Feinde in der Nacht ein Lager errichtet hatten. So ritten sie den ganzen Tag hindurch, und stets richteten sich ihre Blicke dann und wann nach Osten zu Isengart, von dem unaufhörlich dieser rätselhafte Dampf aufstieg, der alle Waldläufer in ihrem Inneren schwer beschäftigte. Auch Beravor, die schweigend neben ihrer Gefährtin ritt, kam nicht umhin, sich inmitten anderer Gedanken über die ihnen bevorstehenden Stunden auch immer wieder mit dieser Frage zu beschäftigen. Sie fragte sich, ob die Elbenzwillinge oder Halbarad eine Vermutung oder Ahnung von dem hatten, was passiert sein konnte.

Was Beravor jedoch ebenfalls beschäftigte und worüber sie lange nachdachte, immer wieder in den vielen Stunden, die vergingen, bis die Sonne im Westen versank und sich langsam die Nacht über das Land legte, war die Frage, was nach dem Ziel ihrer Reise wohl kommen mochte. Ihr Auftrag war es gewesen, Aragorn zu finden, und die Erfüllung dieses Auftrags war bereits in naher Zukunft zu erwarten. Dies war es gewesen, was die Waldläufer angetrieben hatte, worauf sie ihre Gedanken gerichtet hatten, und so war es auch bei Beravor gewesen: Bis nach Rohan hatten ihre Gedanken klar gesehen: Gefahren, Tod, all das hatte auf ihrem Weg gelauert und lauerte immer noch. Sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung von ihrem Weg bis nach Rohan gehabt, denn die Elbenzwillinge und Halbarad hatten den Waldläufern immer wieder den weiteren Fortgang ihres Weges beschrieben, doch was nach Aragorn kam, schienen auch sie nicht zu wissen oder zumindest niemandem mitteilen zu wollen. Beravor erwartete jedoch nicht, dass die Graue Schar den ganzen Weg nur gekommen war, um Aragorn sein Pferd zu bringen (das Halbarad immer wieder andern Waldläufern übergab, damit sie es führten), sondern wusste natürlich, dass sie gekommen waren, um in den Krieg, der schon seit Jahren in den Landen südlich und östlich von Eriador, in Gondor vor allem und auch in Rohan, so stark und mit solcher Gewalt gewütet hatte, dass sogar die friedlichen und etwas einfältigen Menschen und Hobbits (so hatte Beravor sie zumindest oft kennengelernt) dunkle Gerüchte davon gehört hatten, eingreifen und ihn zum Guten wenden sollten. Doch welchen Weg sie dazu einschlagen würden, wusste sie nicht. Sie wusste auch nicht, ob es andere wussten, doch sie wollte nicht schon wieder Halbarads Vertrauen in sie missbrauchen und ihn nach dem Weg fragen, den er, wenn er ihn denn wusste, sicherlich bewusst vor der Schar geheim gehalten hatte. Doch als Beravor dies bedachte, da schalt sie sich bereits selbst wieder für ihre Gedanken, die sie wieder an einen Punkt geführt hatten, wo die Angst sie zu übermannen drohte: Wenn Halbarad und die Elbenbrüder den Weg geheim hielten, so konnte es mit ziemlicher Sicherheit kein angenehmer sein.

All diese Gedanken wälzte Beravor während des Tages und auch während der Nacht immer wieder in ihrem Kopf hin und her, und auch Istavor hatte ähnliche Sorgen wie sie, wenn auch nicht so viel Vertrauen zu Halbarad. Durch Beravors Worte, wie sie von Halbarad und Aragorn ermutigt worden war, hatten ihr Hoffnung gemacht, keine trügerische, wie sie glaubte und glauben wollte, sondern wahre; und sie freute sich insgeheim darauf, Aragorn, den sie nur sehr selten einmal in Bruchtal gesehen hatte, wenn er von einer seiner mannigfaltigen und gefährlichen Reisen zurückkehrte, zu treffen, auch wenn sie sich nicht sicher war, was dieser zu zwei Frauen im Zug der Grauen Schar sagen würde. Wäre er froh, dass sie den Zug verstärkten? Oder würde er sich wundern, dass Frauen diese langen Märsche auf sich genommen hatten, Frauen, die selten genug Waldläufer waren, sondern eher die Kinder der Männer erzogen und lieber sesshaft waren? In Bruchtal hatte Aragorn sie immer mit Respekt behandelt, doch er hatte nie wirklich lange mit ihr geredet, denn er war oft zu erschöpft oder zu beschäftigt gewesen mit Männern von großer Weisheit und Wichtigkeit für Mittelerde, dass er für eine einfache Menschenfrau, ob sie nun nur ein Schwert führen konnte (was alle Dúnedain konnten, um ihre Familie zu verteidigen) oder eine tatsächliche Waldläuferin war, keine Zeit gehabt hatte. Andererseits, so fiel ihr ein, waren auch die Frauen der Dúnedain vielen Kriegern der Menschen überlegen an Kraft und Stärke, und es waren ohnehin nur wenige Waldläufer in aller Eile zum Zug der Grauen Schar gerufen worden, sodass man auch für Waldläuferinnen dankbar sein konnte.

In der Nacht, der hoffentlich letzten, bevor sie auf Aragorn trafen, wurden alle Waldläufer und auch die Pferde unruhiger. Sie spürten die drohende Spitze des Orthanc vor sich und bald zu ihrer Linken, als die Straße am Tal vorbeiführte, obwohl sie ihn nicht sehen konnten, und sie warteten alle nur darauf, in irgendeine Falle, die ihnen der Zauberer gestellt hatte, zu treten. Doch am frühen Morgen passierten sie Isengart in einiger Entfernung, und es stieg immer noch Dampf auf, wenn auch weniger und nur noch sehr heller, beinahe durchsichtiger, und kein Lebewesen um sie herum hatte sich gerührt und es hatte keinen Angriff gegeben; keinen Laut, kein Anzeichen eines Hinterhalts hatte es gegeben. Die Waldläufer und auch ihre Führer verwunderten sich ob dieser Tatsache sehr, denn obwohl sie auf ihr Glück gehofft hatten, einen so unbehelligten Durchzug bis an die Grenzen von Rohan hatten sie von einem so machtvollen Zauberer, wie Saruman es war, nicht erwartet. Doch sie misstrauten der Ruhe und ließen nicht zu, dass die Waldläufer ihre Pferde anhielten, um ihnen Pause und Zeit zum Grasen zu geben, denn noch immer bedrohlich stachen die Zinnen von Sarumans Turm aus dem Tal hervor, und es waren noch einige Meilen bis zur Grenze von Rohan.

Beravor indessen war nicht weniger verwundert als alle anderen, als sie wieder einmal nach Isengart blickte, das nun, da die Straße eine Biegung hin zu den Furten des Isen gemacht hatte, nordöstlich des Zuges lag. Auch Istavor staunte und freute sich über den bisher gefahrlosen Durchmarsch.
„Es ist seltsam", sagte sie, „dass Saruman nicht einmal Anstalten gemacht hat, uns aufzuhalten. Sicherlich hatte er Kunde von unserem Kommen. Und zweifelsohne hielt er uns nicht für ein paar einsame Reiter auf dem Weg nach Rohan, die ihn nicht zu kümmern brauchten, denn er weiß sicherlich um die Macht der Dúnedain."
„Ich weiß auch nicht, was ich davon halten soll", sagte Beravor, „denn einerseits möchte mein Herz sich freuen und jubeln, dass wir einer Gefahr entkommen sind, die doch unausweichlicher schien als jede andere Gefahr auf unserem Weg bis hierher, und doch vermutet ein Teil von mir noch immer – denn er möchte nicht an Glück glauben –, dass eine List dahintersteckt, die wir nur nicht zu durchschauen vermögen, denn trotz seinen neuerlichen Untaten ist Saruman doch ein weiser und schlauer Mann, dem ich es zutraue, dass er uns gerade in diesem Moment in eine Falle lockt, der wir nicht zu entrinnen vermögen."

Doch der Tag neigte sich dem Ende entgegen und die Sonne verschwand ein weiteres Mal im Osten, und noch immer hatte die von Beravor befürchtete Falle nicht zugeschnappt. Die Straße wurde nun wieder ebener, als die Waldläufer in die Nacht ritten. Es schien, als sei sie so nahe an Isengart in Schuss gehalten worden. Die Waldläufer begrüßten diese Wandlung der Straße natürlich, erlaubte sie es doch den Pferden, eine noch höhere Geschwindigkeit anzuschlagen. Bald nachdem die Sonne ganz hinter dem Horizont verschwunden war, war es vollkommen dunkel. Die großen, schweren Wolken, die am Nachmittag aufgezogen waren, hatten sich noch weiter verdichtet, und schließlich hatten sie den Mond und die funkelnden Sterne vollständig verdeckt. Die Waldläufer waren ihres Sehsinnes vollständig beraubt, sie konnten kaum noch die Zügel, die sie fest in den Händen behielten, sehen. Einige Stunden ritten sie schon so in der Dunkelheit, und langsam fragte sich Beravor, ob sie immer noch auf dem richtigen Weg waren, denn die Zeit, die bereits in dieser schwarzen Nacht vergangen war, schien ihr so unendlich lang gewesen zu sein. So kurz vor dem Ziel wollte sie die Nacht scheinbar noch einmal herausfordern. Doch noch als Beravor dies dachte, da begann die Straße langsam sumpfig zu werden, und die Pferde trabten mit platschenden Schritten durch eine mit Kies und Sand und Sträuchern bedeckte Furt, so viel konnte Beravor nun erkennen, denn die Wolken waren zu einem Teil aufgerissen und das Licht, das der noch nicht wieder sichtbare Mond und die vielen Sterne von sich gaben, reichten, um den Weg der Schar wenigstens spärlich zu beleuchten. Einige Waldläufer murmelten leise miteinander, doch es schien in dieser stillen Nacht für Beravor lauter zu sein als das Scheppern von heruntergefallenem Blechgeschirr im Gasthaus zum Tänzelnden Pony.

Nach einiger Zeit hatten Gwaelim und Galruin die Furt sicher und ohne Zwischenfälle überquert, und ihr Weg führte sie weiter über eine grasbewachsene Ebene. Mehr konnte Beravor nicht schließen aus dem, was sie sah, und dem, was sie unter sich und ihrem Pferd vom Boden spürte. Sie waren noch nicht lange geritten, da erhob sich wieder Flüstern unter den Dúnedain, und diesmal war es sogar noch lauter. Wieder einmal musste Beravor den vor ihr Reitenden befragen, was den solche Erregung hervorgerufen habe, und dieser antwortete:
„Die Elbenzwillinge haben jemanden erspäht, oder sogar mehrere. Reiter, sagen sie. Wir hoffen, dass es Reiter von Rohan sind, denn sie können uns vielleicht weiterhelfen, wo wir in dem riesigen Land von Rohan unseren König zu finden vermögen."
Diese Nachricht machte Beravor Mut, und doch musste sie gleichzeitig auch daran denken, dass dies nun endlich die List Sarumans sein könnte, die er sich überlegt hatte, um die Graue Schar aufzuhalten oder gar auszulöschen. Doch wiederum geschah lange Zeit nichts, außer, dass gesagt wurde, die beiden Elben hätten sich zurückfallen lassen, um im Notfall einem Menschen, Halbarad, das Reden mit den Reitern zu überlassen, denn es hieß, dass Elben in den Landen von Rohan oft misstrauisch beäugt würden. Beravor sah am Ende des Zuges davon freilich wenig, sie vermochte auch nicht unter den vielen Schatten, die vor ihr Ritten, die der Elbenzwillinge auszumachen.

Bald riss die Wolkendecke noch weiter auf, und der fahle Mond beschien endlich wieder die Ebene, die vor den Waldläufern lag. Ein- oder zweimal glaubte Beravor, weit vor sich die Schemen von ihnen entgegenkommenden Reitern zu sehen, die kurz wachsam dastanden und dann im Galopp wieder davonritten, wohl, um irgendjemandem Bericht zu erstatten. Doch abgesehen von diesen Gestalten begegnete ihnen lange niemand mehr, bis plötzlich eine durchdringende und klare, nicht unschöne Männerstimme rief:
„Halt! Halt! Wer reitet in Rohan?"
Auf ein Zeichen Halbarads hielt die Graue Schar. Beravor war sich sicher, dass, wer auch immer da sprach, kein Feind sein konnte, und der Gedanke, endlich in Rohan angekommen sein, ließ die Anspannung, die sie bisher mit sich getragen hatte, ein wenig weichen. An der Spitze des Zuges glaubte Beravor im Mondschein zu erkennen, dass Halbarad absaß und seine Hände hob. Nun konnte Beravor auch den Grund ihres Haltens erkennen: Nicht weit entfernt von Halbarad saßen Männer mit langen Spießen in der Hand auf ihren Pferden und bildeten einen großen Wall. Doch Halbarad schien sich nicht zu fürchten, denn er sprach: „Rohan? Sagtet ihr Rohan? Das ist frohe Botschaft. Wir kommen von weit her und suchen dieses Land in Eile." Daraufhin sprach wieder der andere Mann, der vorher bereits gerufen hatte:
„Ihr habt es gefunden. Als ihr dort drüben die Furten überquertet, habt ihr es betreten. Doch es ist das Reich des Königs Théoden. Niemand reitet hier ohne seine Erlaubnis. Wer seid ihr? Und warum in Eile?" Die Stimme des Mannes hatte scharf geklungen, als vermute er einen Angriff auf sich und seine Leute, doch Halbarad zeigte sich weiter unbeeindruckt. Beravor bewunderte ihn, wie er so ruhig bleiben konnte angesichts der Zahl der grimmigen Reiter und ihrer Speere, die ihn sofort hätten durchbohren können.
„Halbarad Dúnadan, Waldläufer des Nordens, bin ich", rief Halbarad. „Wir suchen Aragorn, Arathorns Sohn, und hörten, er sei in Rohan."

Da erscholl eine neue Stimme, und sie war klar und rein und warm, und allein ihr Klang flößte Beravor, obwohl sie weit weg auf ihrem Hengst saß, Respekt ein. Es war die Stimme eines Königs, und sie sprach:
„Und ihn habt ihr auch gefunden!" Eine Gestalt löste sich aus dem Wall aus Pferden, und sie ging zu Fuß. Direkt auf Halbarad lief sie zu und umarmte ihn. Laut und freudig sprach der Mann: „Halbarad! Von allen Freuden habe ich diese am wenigsten erwartet."
Beravor war stutzig. Er hatte sie nicht erwartet? Sie meinte sich zu erinnern, dass der Bote im Wald gesagt hatte, Aragorn erwarte seine Freunde in Rohan. Doch all diese Rätsel, auch das um Isengart und Saruman, konnten von ihr aus nun warten, denn sie hatten das erste aller möglichen Ziele erreicht. Sie hatten Aragorn unerwartet früh gefunden und waren ihrem König erfolgreich zur Hilfe gekommen.

***

Wie gesagt, alles, was Halbarad, Aragorn und der Rohir gesagt haben, entstammt Carrouxs Übersetzung, und auch bei den Handlungen haben wir uns genau ans Buch gehalten.

Wir hoffen, das Kapitel hat euch gefallen und vielleicht lässt der ein oder andere ja einen Kommentar da.

Liebe Grüße
Annaeru & Taudir

PS: Im Bild oben seht ihr Aragorn, gezeichnet von der großartigen Magali Villeneuve.

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