16. Kapitel - Kampf gegen den Nîn-i-Eilph

16. Kapitel – Kampf gegen den Nîn-i-Eilph

Ein leises Schnauben und ein weiches Pferdemaul weckten Merendú. Er hatte sich in der vorangegangenen Nacht irgendwann erschöpft auf einem relativ trockenen Fleckchen Erde, das von den Wurzeln eines dünnen Baumes gehalten wurde, niedergelassen. An dessen Stamm gelehnt war Merendú wider besseres Wissen eingeschlafen. Auch wenn er gewusst hatte, dass ein Einschlafen im Moor zu den Dingen zählte, die selbst ein erfahrener Waldläufer besser vermied, so hatte er keine Möglichkeit mehr gesehen, noch während die Sonne ihre Strahlen auf Mittelerde hinabgeschickte, einen Weg aus dem tückischen Sumpf zu finden. So hatte er nur noch die Kraft gehabt, sich einen sicheren Platz zur Ruhe zu suchen, der im so viel Schutz wie nötig bot.
Merendú blinzelte gegen das trübe Licht des anbrechenden Morgens. Obwohl er als Waldläufer stets aufmerksam sein sollte, war Merendús Geist noch langsam. Schläfrig strich er über das weiche Pferdemaul, dann rang er sich dazu durch, aufzustehen. Seine Finger fühlten sich taub an, seine Kleidung war klamm, doch ein Feuer zu entzünden war gefährlich und aufgrund der Feuchtigkeit auch schwerlich möglich. Leichter Nebel waberte über den Boden, doch glücklicherweise war die Luft klar und Merendú konnte seine Umgebung gut erkennen.
Die Beine seines Pferdes waren mit Schlamm verklebt, auch am Bauch war das Fell vom Schmutze bedeckt. Merendús Finger kratzten ein wenig des Schlamms ab, sein rauer Finger glitt über das verkrustete Fell; doch bald erkannte der junge Dúnadan, dass dieses Tun nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Vielmehr, das war ihm klar, sollte er versuchen, die übrigen Waldläufer wiederzufinden.
Merendú öffnete eine der Satteltaschen und zog ein kleines Stück aufgeweichtes Brot hervor, das er skeptisch musterte, schließlich aber doch verspeiste, was allerdings kaum den aufkommenden Hunger bezwingen konnte.
Azar (1) schnaubte leise und stieß Merendú mit dem Kopf in den Rücken, ganz so, als wolle er den Waldläufer zum Aufbruch drängen. Merendú lächelte, obwohl es kaum Aussicht gab, aus dem Moor zu entkommen und die anderen Dúnedain zu finden. Er nahm Azars Zügel in eine Hand, dann tastete er mit einem Fuß vorsichtig nach festem Boden. Sein Fuß fand ein Fleckchen kaum nachgebenden Boden und Merendú verlagerte sein Gewicht vorsichtig auf diesen Fuß. Der Boden hielt.

Der Weg war mühselig, Merendú und Azar kamen nur sehr langsam vorwärts. Als die bleiche Sonne den Himmel hinaufgeklettert war und sie selbst Merendús Kleidung trocknen und seinen Körper wärmen konnte. Doch ihr Licht war nicht hell genug, um den Sumpf vollständig zu durchdringen und ihm alle Schatten auszutreiben; auch den Bodennebel zu vertreiben vermochte es nicht.
Merendú und Azar erreichten eine größere Insel festen Landes, auf der sie bequem Platz hatten. Merendú ließ sich erschöpft zu Boden sinken und lehnte sich gegen einen dürren Baumstamm, der wankte, aber nicht umfiel. Schweiß rann ihm, trotz der Kälte in der Luft, über das Gesicht, und Merendú wischte ihn mit einer müden Handbewegung weg. Obwohl er es gewohnt war, sich lange alleine in der Wildnis aufzuhalten, war er noch immer erschöpft, was auch darauf zurückzuführen war, dass er schon lange mit der Grauen Schar unterwegs gewesen war und dass er am vorangegangenen Tag nicht den ersten Kampf gegen Orks gefochten hatte.

Merendú erinnerte sich kaum mehr an den Weg, den er nach dem Kampf zurückgelegt hatte. Er war im Dunklen vorwärtsgestolpert, in der Hoffnung, ein Zeichen von Beravor oder Istavor, die er während des Kampfes noch an seiner Seite gewusst hatte, zu finden. Doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht und er irrte nun umher, ohne zu wissen, ob er sich dem Rand des Nîn-i-Eilph genähert hatte. Sicher, die Sonne hatte ihm gezeigt, dass er die Richtung, in die er ging, immer annähernd Süden gewesen war, dennoch wusste er nicht, wie viele Meilen des Moores noch vor ihm lagen.
Ein weiteres, aufgeweichtes Stück Brot fiel Merendús Hunger zum Opfer, er erlaubte sich aber nicht, mehr des Brotes zu verspeisen, da er auf eine unbestimmte Zeit auf seine spärlichen Vorräte angewiesen war. Ebenso hielt er es mit dem sauberen Wasser, das in seinem nur noch halb vollen Wasserschlauch schwappte. Azar hingegen musste sich um seine Verpflegung keine Sorgen machen, Wasser, das seinen Ansprüchen genügte, und pflanzliche Nahrung war auch in Fülle vorhanden.
Merendú schloss die Augen und horchte auf die Geräusche des Sumpfes. Ein leiser Windhauch brachte die letzten Blätter an den Bäumen zum Rascheln, irgendwo stieß ein Vogel einen misstönenden Schrei aus, Azar schnaubte leise. Doch Laute, die auf die anderen Waldläufer hinwiesen, hörte er nicht. Dennoch wollte er nicht aufgeben und sich und Azar dem Sumpf übergeben.
Merendú strich sich eine schulterlange, dunkelbraune Haarsträhne aus der Stirn und rappelte sich wieder hoch. Die Sonne zog mit erschreckender Geschwindigkeit über den wolkenverhangenen Himmel, sodass dem jungen Dúnadan, wie er schätzte, nur noch vier Stunden bis zum Sonnenuntergang blieben.
Er beschloss, dass Azar seinen Weg auch ohne seine Führung finden würde und schwang sich in den sauber gebliebenen Sattel.

Seine Vermutung bestätigte sich. Azar schien einen Sinn dafür zu haben, einen sicheren Weg durch das sumpfige Gelände zu finden und sie kamen schneller voran als mit Merendús Führung.
Der nachgebende Boden schmatzte vernehmlich unter den Schritten des Hengstes, doch niemals hatte er Mühe, seine Beine wieder aus dem Sumpf zu ziehen. Merendú gewährte dem ausdauernden Pferd deshalb auch mehr kleine Pausen, als es gebraucht hätte.

Als die Sonne ihre Herrschaft am Himmel dem Mond überließ, ließ Merendú Azar eine breite trockene Stelle finden. Er klopfte dem Hengst den Hals, dann sah er sich um. Doch es gab nichts Neues zu sehen; die Landschaft, oder als was auch immer man das ihn Umgebende bezeichnen wollte, veränderte sich nicht. Alles sah gleich aus, egal wohin er blickte, überall erwartete ihn der Anblick von dürren Bäumchen, braunem, brackigem Wasser, Schlamm und niedrigem, dornigem Gestrüpp, dem Azar anscheinend etwas Nahrhaftes abgewinnen konnte.
Seinem Mahl aus einem Stück Brot konnte er jetzt ausnahmsweise einen Bissen Cram (2) hinzufügen. Er hatte von etwas Ähnlichem gehört, das die Elbenfrau Galadriel schenkte, nur sollte es besser schmecken und nahrhafter sein als alles, was die Menschen herstellen konnten.

Die Finsternis zog rasch herein, Merendú begann zu zittern. Er brachte Azar dazu, sich hinzulegen, schmiegte sich eng an dessen warmen Körper und zog den grauen Elbenmantel fest um sich.
Von Zeit zu Zeit schnaubte Azar und hob den Kopf, um sich aufmerksam umzusehen, doch die meiste Zeit hörte Merendú die Laute des nächtlichen Moores, dem der kalte, weiße Schein des Mondes ein noch unwirtlicheres Aussehen verlieh als tagsüber die Sonne. Frösche quakten, doch blieben sie den Augen des jungen Dúnadan verborgen, Insekten umsurrten ihn und Azar. Ein leises Platschen ertönte, dessen Herkunft Merendú nicht herauszufinden versuchte. Er versuchte zu schlafen, doch der Schlaf wollte nicht über ihn kommen. Stattdessen begann Merendú, über seine gegenwärtige Situation nachzudenken. Er, ein Waldläufer, hatte sich in einem Wald, wenn auch überschattet vom Sumpf, verirrt. Merendú musste trotz seiner Lage lächeln. Welch eine Ironie des Schicksals. Doch bald würde ihm nicht mehr zum Lachen zu Mute sein, das wusste er. Sein Trinkwasservorrat neigte sich dem Ende entgegen und auch sein Vorrat an Nahrung würde nicht mehr lange vorhalten.
Er fragte sich, ob er wohl den Weg aus dem Moor finden würde, bevor das Moor ihn zu sich holte und seinen Körper verschlang. Immerhin würden hier keine Orks seinen Körper schänden, dachte er bitter.

Gedankenverloren strich er über Azars hellbraunes Fell. Das Pferd gab ihm Sicherheit und machte seine Hoffnung, lebend aus dem Sumpf zu kommen, um ein Vielfaches greifbarer.
Der Mut hatte ihn nicht verlassen. Merendú würde weiterkämpfen bis er umfallen oder festes Land erreichen würde. Er würde nicht aufgeben. Er würde nicht aufgeben. Das immer wieder in Gedanken wiederholend schlief Merendú nach langer Zeit endlich ein.

Der nächste Tag brachte keine Neuerungen mit sich. Nach wie vor lag das Moor scheinbar endlos vor Merendú. Er selbst hatte sich immer für zäh, tapfer und widerstandsfähig gehalten, doch nun kamen die Zweifel wieder auf, die ihn schon am Vortag gequält hatten. Auch wenn er es lebend aus dem Moor schaffen würde, was Merendú unwahrscheinlich genug erschien, so hatte er doch kaum Hoffnung, noch Anschluss zu finden an den Rest der Schar, welcher nun sicherlich seiner nicht länger warten könnend weitergezogen war. Doch Merendú konnte nicht aufgeben. Er war ein Waldläufer, ein Dúnadan, und als solcher war er seinem König zur Treue verpflichtet und wenn er sie benötigte, würde er ihm zur Hilfe eilen. Auch wenn Merendú in diesem Augenblick nicht wusste, wie.

Azar suchte sich auch an diesem Tag seinen Weg durch die sumpfigen Gelände des Nîn-in-Eilph. Das Pferd trat hierhin und dorthin, doch immer schien es einen Sinn zu haben für den sichersten Pfad. Die Sonne begann ihren Lauf erst lange, nachdem der Waldläufer bereits wieder aufgebrochen war, doch er und auch sein Pferd, so schien es ihm, begrüßten die Wärme, die die Sonne ihnen spenden konnte in einer Zeit, in der Kälte und Dunkelheit trotz dem herannahenden Sommer immer seltener wurden. Azar schnaubte und stieß leichte Dampfwölkchen ob der noch feuchtigkeitsgeschwängerten Morgenluft aus. Merendú wusste schon lange nicht mehr genau, wo er war, denn trotz der eher spärlichen Bewaldung des Moores hatte er als einzigen wirklichen Orientierungspunkt nur die sich in weiter Entfernung erhebenden Nebelberge, welche auch für einen erfahrenen Waldläufer nur einen schwachen Anhaltspunkt abgaben.

Azar riss ein Bündel Gras aus und kaute scheinbar genüsslich darauf herum, während er den weiteren Weg suchte. Merendú wusste nicht, wohin sein treuester Gefährte ihn führen wollte, aber er hatte das Gefühl, dass er seinem Pferd vertrauen könne, als wisse dieses, was er wolle und wohin es zu gehen hatte. Beinahe mit traumwandlerischer Sicherheit kämpfte Azar mit jedem Schritt gegen den Sumpf an. Mit jedem Schritt, den sein Pferd in die anscheinend richtige Richtung tat, vergrößerte sich die bisher noch sehr kleine Hoffnung Merendús, doch noch aus den Tücken des Schwanenfleets herauszufinden und Aragorn im Kampfe zur Hilfe eilen zu können.

Als die Sonne bereits hoch stand und sie schon mehrere Stunden gelaufen waren, entschloss sich Merendú, eine kurze Pause einzulegen, um sich von der gefährlichen Wanderung zu erholen. Sie hatten schon eine beachtliche Strecke zurückgelegt und es konnte nach Merendús Schätzung nicht mehr allzu weit bis zum Ausgang aus dem Moor sein – sofern Azar ihn den geraden Weg leitete und nicht kreuz und quer lief. Merendú suchte sich einen trocknen Platz, um sich kurz hinzusetzen und seinen Beinen etwas Erholungszeit zu gönnen. Er entscheid sich für ein kräftig aussehendes Wurzelgeflecht, das seiner Meinung nach stark genug war, den Boden unter sich zu festigen und somit Merendú einen günstigen Platz zur kurzen Erholung zu bieten. Er war erschöpft, das musste er sich nun eingestehen. Auch wenn er vom Kampfe mit den Orks keine größeren Wunden davongetragen hatte, so hatte er doch all seine Kräfte gebraucht, um abseits des Weges von allen getrennt gegen die Schar der Angreifer zu bestehen. Natürlich war ihm dabei auch die Tatsache zugutegekommen, dass der Kampf im Moor stattgefunden hatte, sodass die Orks es nicht gewagt hatten, ihn einzukreisen, da sie sonst an manchen Stellen einfach verschwunden wären.

Merendú kam es wie eine Ewigkeit vor, dass er von der Schar getrennt worden war. Nur noch wie ein Traum kam es ihm vor, wie eine alte Hoffnung, nun verloren und vergangen. Wieso nur hatten sie den Weg durchs Moor gewählt? Wieso hatten sie nicht die wenigen zusätzlichen Tage in Kauf genommen, um das Moor zu umgehen? Merendú wusste nicht einmal, ob es überhaupt irgendeiner der Schar aus dem Fleet geschafft hatte. Er erinnerte sich nur noch daran, wie er zuerst von dem vorderen Teil der Schar und danach von den hinter ihm kämpfenden Waldläuferinnen Beravor und Istavor. Danach hatte in seiner Erinnerung nur der Kampf einen Platz. Er vermochte nicht genau zu sagen, wie er gesiegt hatte, wann er eingeschlafen war und wann er von Azar geweckt worden war. Er konnte nicht einmal genau sagen welcher Tag es war.

Merendú erhob sich wieder. Die Rast hatte lange genug gedauert, und wenn er noch irgendeine Hoffnung hatte oder zumindest ein vager Lichtschein sich am Ende der Dunkelheit abzeichnete, so durfte er keine weitere Zeit verlieren. Er ging zu seinem Pferd, das mittlerweile bereits unruhig wurde, als wolle es selbst auch aus diesem verfluchten Sumpf hinaus. Je länger sie alleine durch den Nîn-in-Eilph wanderten, so schien es Merendú, desto enger schien ihre Verbindung zu werden, desto größer das Vertrauen ineinander. In den Wäldern im Norden war Merendú die meiste Zeit alleine gewandert, während Azar sicher in den Ställen von Bruchtal untergebracht war. Nun waren sie ganz voneinander abhängig, und das spürte anscheinend nicht nur Merendú.

Als er von Azar weitergeführt wurde, meinte Merendú mehrmals, ein leises Atmen hinter sich zu hören. Doch bald bemerkte er, dass es nur der Wind gewesen war, der sich mit den anderen Geräuschen des Sumpfes vereint hatte, um ihn zu täuschen. Er war ganz alleine im Moor, kein größeres Tier und erst recht kein anderer Mensch waren zu hören oder zu sehen. Der wind nahm derweilen zu, und bald fröstelte Merendú. Sein Umhang war zwar bereits wieder getrocknet, doch auch dieser konnte bald die schneidende Kälte, die dieser Sturm mit sich brachte, nicht mehr gänzlich vom Körper des Waldläufers fernhalten. Azar und er senkten den Kopf, damit die Augen nicht tränten, und der Wind stieß ein unheimliches Heulen aus, das sich immer wieder im Moor verlor und doch immer wieder neu entstand, als würde es aus seinem eigenen Tod geboren werden. Bald begann es auch noch, zu regnen. Die Tropfen peitschten vom Wind getrieben Merendú ins Gesicht, durchnässten zuerst den Umhang, dann seine Kleidung. Der Wind und der Regen erzeugten zusammen eine schneidende Kälte, die sich in Merendús Glieder fraß. Der Sturm und der Regen waren plötzlich gekommen, Merendú hatte zuvor keine Anzeichen eines Unwetters am Himmel entdecken können. Es schien, als habe sich das Moor gegen ihn verschworen, als wolle es verhindern, dass er herausfand.

Als der Sturm wie auch der Regen immer heftiger wurden, beschloss Merendú, dass es keinen Sinn mehr hatte, weiterzulaufen. Der Regen verschlechterte ihre Sicht und jeder Fehltritt konnte ihm und Azar zum Verhängnis werden. Also suchte er eine einigermaßen feste und trockene Stelle unter einem Baum, und setzte sich dort hin. Seine Vorräte, die Azar transportiert hatte, waren durchnässt, doch das Dörrfleisch schmeckte auch feucht noch einigermaßen. Azar schnaubte mehrmals, als wolle er das Unwetter so vertreiben, dann fing er an, zu grasen, seine Mähne hing durchnässt herunter. Merendú versuchte, als es dunkel wurde, zu schlafen, doch das Unwetter, das immer noch andauerte, nachdem die Sonne untergegangen war, ließ ihn weiterhin wachen. Der Wind ließ die Bäume ächzen und stöhnen. Der Sturm schnaufte, kein anderes Geräusch war mehr zu vernehmen.

So sah Merendú den Ork auch zu spät, der aus dem Dickicht hinter ihm brach. Er wurde von einem Schlag getroffen und stürzte klatschend ins Moor. Noch bevor er wirklich wusste, was geschehen war, drehte er sich reflexartig um und zog sein Schwert. Dann sah er, wieso er nicht tot war. Der Ork war beim Angriff im glitschigen Moor abseits der festen Pfade ausgerutscht und kämpfte jetzt gegen die Kraft des Sumpfes. In diesem Moment war Merendú dankbar dafür, gerade im Sumpf zu sein. Er vermutete, dass der Ork ein Überlebender aus dem Kampf war, der zwischen der Schar des Dunklen Herrschers und den Waldläufern gefochten worden war; und wie er jetzt im Sumpf umherirrte.

Merendú richtete sich auf. Die Stelle, an die er gefallen war, war sumpfig. Seine Füße sanken ein wenig ein, was ihn beim Laufen behinderte. Auch der Ork nicht weit entfernt von ihm hatte sich ebenfalls erhoben und sein gezacktes Schwert gezogen. Auf seiner Rüstung prangte ein rotes Auge; ein Kennzeichen, dass er zum Heer Saurons gehörte. Nun kam er auf den Waldläufer zu, der immer noch überrascht vom Angriff nun auch zum Kampfe bereit war. Der Ork stand auch nicht auf sicherem Boden; dies erkannte man an den tiefen Spuren, die er im Moor hinterließ, als er auf Merendú zulief. Dieser fasste jenen genau ins Auge; es schien ihm keiner der Uruk-hai zu sein, die sowohl Sauron der Abscheuliche, als auch Saruman der Verräter einsetzten als ihre Krieger; und doch waren sie nichts anderes als weitere Sklaven der großen Herren.

Endlich gelangte Merendú auf festeren Boden. Er konnte nun ein wenig an Geschwindigkeit zulegen, um dem Ork mit der richtigen Kraft begegnen zu können. Dieser konnte, unfähig, seinem Gegner angemessen zu begegnen, den Schlag des Waldläufers nur mit Mühe abwehren. Doch der Grund wurde wieder rutschiger, als Merendú sich an der Stelle befand, an der der Ork soeben noch gestanden war. Merendús linker Fuß fand plötzlich keinen Halt mehr, der Waldläufer versuchte noch, mit seinen Armen das Gleichgewicht wiederzufinden. Kurz bevor er sich wieder in die richtige Stellung bringen konnte, wurde er vom Ork angegriffen, der die Gelegenheit erkannt hatte. Merendú konnte den Angriff des Ungetüms zwar abwehren, doch der Stoß ließ ihn vollends in den wässrigen Boden klatschen. Mit seinem Schwert stieß er nach seinem Angreifer, traf ihn am Bauch. Der Ork taumelte. Das Schwert hatte eine tiefe Wunde in seinen Wanst geschlagen. Blut quoll hervor. Je weiter der Ork rückwärts lief, desto tiefer versanken seine ledernen Stiefel im Wasser, das trüb vom Schmutz und den toten Pflanzen war. Plötzlich fand der Ork keinen Halt mehr. Er versank plötzlich. Sein Blut färbte das sowieso schon dreckige Wasser dunkelrot. Bald war er verschwunden, ob ertrunken oder an seiner Wunde verstorben, interessierte Merendú im Moment wenig. Der Kampf gegen den Ork hatte ihn weit von Azar weggetrieben; das Pferd war aufgeschreckt, doch es schien sich nicht zu trauen, näher an seinen Herrn heranzutreten. Bald merkte Merendú, wieso. Als er versuchte, aufzustehen, vermochte er sich nicht auf dem spärlich bewachsenen Boden abzustützen. Er gab nach. Wälzend versuchte der Dúnadan, sich von der Gefahrenstelle zu entfernen, doch je mehr er sich bewegte, desto mehr sank er in den Boden. Verzweifelt versuchte er, sich zu drehen, suchte panisch nach einem Ast, an dem er sich herausziehen konnte, doch er fand nichts dergleichen. Seine Füße fanden keinen Halt, als er mit ihnen versuchte, sich an irgendetwas abzustoßen. Das Moor, gegen das er so lange erfolgreich hatte bestehen können, gegen das er so trotzig mit seinem winzigen Funken Hoffnung gekämpft hatte, begann ihn zu verschlingen.

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1: Adûnaïsch, Stern (sprich: Ásar ['a.zɑʀ])

2: Reisekuchen der Menschen; ähnlich dem Lembasbrot, aber weniger wohlschmeckend

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