~XXXIV.~

Drei Tage lang wanderten wir durch die endlosen Minengänge. Schließlich kamen wir an einen Abzweig, an dem wir hielten. Schon jetzt befürchtete ich, dass Gandalf nicht weiter wusste. Und tatsächlich, er betrachtete irritiert die Gänge und meinte dann: „An die Stelle kann ich mich nicht erinnern."

Gelangweilt sortierte ich Steine nach ihrer Farbe und Größe. In dem Dunkel um uns herum tropfte regelmäßig Wasser auf einen Stein. Unheimlich hallte es von den Wänden wider. Ein helles „Ping" in der modrigen Luft war das einzige Geräusch. Die Hobbits schienen sich die Zeit mit stillen Spielen zu vertreiben, während die anderen wie erstarrt ins undurchdringliche Dunkel stierten. Ich blickte mich um, hatte ein Geräusch gehört. Nackte, dunkle Felsen bildeten die Mine und die Gänge führten in die Dunkelheit. Nicht gerade das motivierendste Plätzchen in Mittelerde. Auch erkannte mein scharfes Elbenauge scharfkantige Felsen in der Düsternis, die den Abgrund markierten. Es stimmte wirklich, was ich in vergangener Zeit in alten Büchern las. Die Zwerge hatten zu gierig und zu tief geschürft. Wer wusste schon, was für Kreaturen sie in der Finsternis geweckt hatten. Genau aus diesem Grund mied ich derartige Wege untertage. Weiter unten in der Höhle kletterte etwas herum, eine kleine, hässliche Gestalt mit unförmigem Körper und fast weißer Iris. Seine Augen schimmerten bedrohlich hinter einem Felsen. Auch Frodo hatte seine Gegenwart bemerkt und eilte verängstigt an die Seite von Gandalf. Flüsternd unterhielten sie sich. Von dem Wesen hatte ich schon einmal gehört, begegnet war ich ihm jedoch noch nie. Gollum, der den Ring hasste und liebte, wie sich selbst. Lange hatte er den Ring sein Eigen genannt. Einst war er wohl ein Hobbit gewesen, doch diese Zeiten waren längst in Vergessenheit geraten.

Auf einmal stand Gandalf bedächtig auf und sah sich um. „Ich glaube- ja! Ich weiß den Weg wieder!" Er ging voraus in einen Gang und wir folgten ihm. Bald kamen wir in einen prächtigen Saal und alle blickten sich ehrfürchtig um. Es waren Hallen, die zur Zeit der Zwerge wohl prunkvolle Feste gesehen hatten. Auch ich kannte die Hallen nur aus dieser Zeit. Umso trauriger und leerer wirkten sie jetzt auf mich. Zu unserer Rechten tat sich nach einer Weile ein weiterer Raum auf, jedoch lange nicht so groß und prachtvoll wie der andere. Ein massiver Gesteinsblock stand genau unter einem winzigen Fenster, sodass die Inschrift bestrahlt wurde. Gimli rannte voraus, genau auf diesen Stein zu. Er sank auf die Knie und stieß einen gequälten Schrei aus. Wir eilten ihm nach, wollten sehen, was für Unglück nun wieder über uns hereingebrochen war, da stand sie mir klar vor Augen, die Inschrift, auch wenn ich sie mehr erahnen als lesen konnte. Es waren elbische Worte und die Ritzen schon so mit Staub bedeckt, dass man Schwierigkeiten hatte, ihre Bedeutung zu entziffern. Gandalf trat neben den Stein und las die Worte vor. „Hier ruht Balin, Fundins Sohn, Herr von Moria." Die Hobbits hatten schreckgeweitete Augen und versteckten sich hinter Aragorn. Vor mir hatten sie immer noch Angst. Ich trat einen Schritt vor. „Lasst uns von hier verschwinden. Eine böse Macht treibt sein Unwesen in den dunklen Tunneln dieser Mine." Gandalf schien leicht zu frösteln. Doch er ging geradewegs zu einem toten Zwerg, der an das Grab gelehnt war und ein dickes Buck in seinen vertrockneten Händen hielt. Gandalf nahm seinen Hut ab und drückte ihn zusammen mit seinem Stab Pippin in die Hand. Dann bückte er sich nach dem Buch und hob es auf. Mit der Hand wischte er vorsichtig über den Einband. Er schlug es auf. „Gandalf, wir sollten jetzt wirklich gehen", drängte ich.

Auf den vergilbten Seiten war mit krakeliger Handschrift geschrieben, anscheinend hatte man es in großer Eile verfasst. „Wir können nicht raus! Sie haben die zweite Halle genommen und die Brücke. Wir haben das Tor blockiert, können es aber nicht lange halten. Trommeln, Trommeln in der Tiefe..." Gandalf blickte uns vielsagend an, als er umblätterte. „Wir können nicht raus. Es sind zu viele. Sie kommen..." Er las es sehr langsam und bedächtig, fast war es so, als wolle er die Worte erschmecken. Ich stand etwas entfernt von ihm, doch ich erkannte, wie der Schreiber bis zu seinem letzten Atemzug die Feder hielt. Alle schwiegen, gedachten der Gefallenen, als plötzlich ein Geräusch ertönte. Ganz leise, nur ein Lufthauch, ein zartes Berühren. Doch blitzschnell drehte ich meinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Pippin hatte ein auf dem Brunnenrand sitzendes Skelett angestoßen, wovon erst der Kopf und dann das ganze Skelett rücklings in die Tiefe fielen. Eine eiserne Kette wickelte sich ab. Angstvoll realisierte ich, dass an sie ein Eimer gebunden war. Ich jagte zu Pippin, bereit, den Eimer zu ergreifen, doch alles ging viel zu schnell und das hölzerne Gefäß folgte scheppernd dem Skelett. Ein Moment war Ruhe. Plötzlich wandte sich Gandalf energisch Pippin zu. „Peregrin Tuk, das nächste Mal wirfst du dich selbst hinein, dann sind wir dich und deine Dummheiten los." Mit ängstlichem Blick nickte Pippin, hatte den Zauberer offenbar noch nie so böse erlebt. Erzürnt entriss er Pippin seine Sachen, wandte sich ab und erstarrte sogleich, denn von weit unten drangen gedämpfte Trommelschläge zu uns. Frodo zog sein Schwert ein Stück aus der Scheide. Es schimmerte bläulich. „Sie kommen." Fast ohne eine Bewegung meiner Lippen sprach ich die gefürchteten Worte aus. Die Trommeln kamen näher. Alle standen noch wie versteinert da. „Warum fliehen wir nicht?", flüsterte ich. Ich stand neben Aragorn und folgte seinem Blick. „Sie haben uns schon gefunden. Willst du denn in der Halle kämpfen?" Mir lag schon eine Antwort auf der Zunge, als ich erkannte, dass Aragorn keine Antwort wollte, also schwieg ich. Boromir rannte zum Tor und sah sich draußen um. Anscheinend wollte er wissen, wie viel Zeit uns noch blieb. Und offensichtlich waren die Orks schon auf dem Gang, denn ein Pfeil verfehlte knapp seinen Kopf und er kam zurück. Er und Aragorn verrammelten die Tür. Dann bezogen sie bei uns angriffsbereit Stellung.

Mein Inneres war in totaler Aufruhr und ich kurz davor, einen Herzinfarkt zu erleiden. Seit wie vielen Jahrhunderten hatte ich nicht mehr so etwas Nervenaufreibendes erlebt? Ich wusste es nicht zu sagen. Und ich ließ mir nichts anmerken. Zeitgleich mit Aragorn spannte ich meinen Bogen. Er stand wieder neben mir und diese Tatsache entlockte mir ein Lächeln, wenn es auch gleich wieder verschwand. Legolas machte sich am anderen Ende der Gefährten kampfbereit. Die Hobbits verbargen sich hinter uns. Anscheinend, und der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln, war das ihre Kampfstrategie.

Das Tor wackelte verdächtig, als die Orks es versuchten aufzubrechen. Einer schlug ein Loch in das alte Holz. Ein Bogenschütze, der schießen wollte. Schon steckte er den Pfeil hindurch, doch Legolas erschoss ihn mit einer Zielgenauigkeit, die nur die Elben besaßen, noch bevor er zum Zuge kommen konnte. Ein letztes Mal erzitterte das Holztor und schließlich brachen die Orks durch. Und gleich sahen wir auch warum.


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