~XXXI.~

Draußen fing der Assassine an zu rennen. Ich folgte ihm geschwind. „Warum so eilig?", erkundigte ich mich.

„Dieser Mann ist der Berüchtigtste aller Assassinen. Auch wenn er sagt, dass jemand gehen soll, schickt er seine Männer nach, um zu überprüfen, dass derjenige binnen weniger Minuten aus der Stadt verschwunden ist. Heutzutage ist die Stadt jedoch so groß, dass dies unschaffbar ist. Das weiß er. Seine Männer sind nur seine willenlosen Mörderpuppen und töten gewissenlos, wenn es ihnen befohlen wird."

„Dann haben wir jetzt ein Problem."

„Schön, dass du es auch merkst."

„Entschuldige, dass ich keinen Kontakt zum Herrn der Assassinen pflege und deshalb nicht Bescheid wusste." Gespielt fassungslos schüttelte ich den Kopf.

Flink sprang er auf den Kutschbock, sodass sein Pferd erschrocken den Kopf hochriss und losrannte. Schnell stieg ich ebenfalls hinauf. Der Assassine trieb seinen Gaul in den Galopp und durch die überfüllten Straßen. Trotzdem verließen wir erst nach fünf Minuten die Stadt. Draußen jagte sein Pferd noch schneller dahin. Im Fahren riss sich der Assassine den Hut vom Kopf und streifte den guten Mantel ab. Ich packte die Gelegenheit beim Schopfe, auch wenn es in dem Moment etwas herzlos erschien und legte meinen Hut ab. Ich würde die Möglichkeit zum Fliehen nutzen, doch so weit, wie er noch fuhr, würde ich mitfahren, solange es weit genug von der Stadt weg war. Diese Geschwindigkeit legte ich zu Fuß niemals zurück.

Der Wind peitschte um meinen Kopf. In der eisigen Luft lag der Geruch von Spannung. Alles in mir schrie, sofort abzuspringen und wegzulaufen, doch selbst wenn ich jetzt hinuntersprang und der Assassine es nicht merken würde, hätte ich die beiden anderen Assassinen am Hals. Wenn Nocturîan nur hier wäre, würde ich es wagen, zu Fuß jedoch nicht.

Die Panik wurde immer größer, je schneller der Wagen dahin schoss. Bald hörten wir die dumpfen Huftritte von zwei weiteren Pferden. Auch das beruhigte uns nicht wirklich.

Das Nebelgebirge tauchte vor uns aus dem Dunst auf und wegen meinem Orientierungssinn merkte ich, dass wir uns Bruchtal näherten. Doch darüber konnte ich mir jetzt keine Gedanken machen. Nach zwei Stunden in dem Tempo war das Zugpferd schweißüberströmt und am Ende seiner Kräfte. Die Reiter drosselten ihr Tempo und ließen sich zurückfallen. Endlich konnten wir aufatmen, wenn auch nur kurz. Den Mantel hatte ich schon abgelegt. Nun zog ich mir mit einer einzigen Bewegung meinen Umhang an und schnappte meine Waffen. Flugs sprang ich vom Wagen und rannte los. Dummerweise hatte ich mich vorher nicht umgeschaut, sonst hätte ich gemerkt, dass diese Gegend kaum Deckung bot. Wenigstens musste er mir auf diesem morastigen Boden zu Fuß folgen. Ich lief, so schnell ich konnte, bis es sich anfühlte, als würden meine Füße den Boden nicht mehr berühren. Den sumpfigen Untergrund konnte man ohnehin nur kurz betreten, ehe man einsank. Auf einer kleinen Anhöhe hielt ich einen Augenblick an, um zu verschnaufen. Dabei blickte ich zurück und traute meinen Augen kaum. Der Assassine hatte sein Pferd losgemacht und galoppierte mir jetzt nach. Mit einem leisen Aufschrei stürzte ich die Böschung hinunter und weiter in Richtung eines kleinen Wäldchens am Schotterhang des Nebelgebirges. Bald konnte ich schon das ‚Pflopp' der Hufe hinter mir hören. Kopflos hastete ich weiter und schaffte es tatsächlich noch bis zu dem Hain, ehe der Assassine mich einholte. Dort zog ich schon im Herumwirbeln blitzschnell meine Dolche. Er verlangsamte das Tempo und sprang von seinem grauen Kaltblüter. Drohend blitzte sein Breitschwert in den wenigen Sonnenstrahlen, die durch die dicke Wolkendecke drangen, auf, als er es aus der Scheide zog. „Wo wolltest du denn hin?", erkundigte er sich hämisch grinsend. „Warum seid Ihr mir gefolgt?" Ehrlich interessiert ließ ich meine Dolche etwas sinken. Doch der Assassine war wie ausgewechselt. „Ich habe zuerst gefragt." „Kein bestimmter Ort." „Du weißt zu viel. Wenn das die Allianz der Assassinen erfährt, bin ich ein toter Mann. Also muss ich dich zum Schweigen bringen." Beunruhigt schluckend trat ich einen Schritt zurück und hob meine Dolche wieder. Ich versuchte es anders.

„Eure Kutsche steht nun ganz allein auf dem Weg. Jeder könnte sich nun Euren Besitztümern habhaft machen."

„Ich habe sie die Böschung hinunter gerollt. Jeder wird sie für kaputt halten."

„Trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit, wann man merkt, dass sie noch intakt ist." Starr blickte ich ihm in die schwarzen Augen. „Und außerdem interessieren sich Orks nicht dafür, ob sie kaputt ist. Sie wollen nur Wertvolles und das findet man ja bekanntlich auch in Ruinen."

„Wie lieb von dir, dass du dir Sorgen machst. Aber keine Sorge, so lange wird das hier nicht dauern."

Er kam auf mich zu und holte mit seinem Schwert aus. Angespannt parierte ich den Schlag und verkrampfte beim metallischen Klang des Aufeinanderpralls. Immerhin stand mir gegenüber vielleicht mein zukünftiger Mörder. Metall klirrte, als er auf mich einhieb. Ab und zu splitterte Rinde, wenn einer von uns daneben schlug. Immer dichter wurde der Wald, in den er mich drängte. Plötzlich stand ich mit dem Rücken an einem Baum. Er holte zum finalen Schlag aus, als ich mich gerade noch rechtzeitig wegduckte.

Nach einer beachtlichen Zeit hatten wir den Wald verlassen und betraten die offenen Schotterhänge, auf denen der Wind furchtbar pfiff und heulte. Doch er ließ sich davon nicht beirren und trieb mich mit gezielten Schlägen immer weiter die Felsen hinauf. Auf einmal sirrte ein Wurfmesser heran und verfehlte nur knapp mein Ohr. Dann flogen vier auf einmal auf mich zu. Zwei wehrte ich mit meinen Dolchen ab, die anderen beiden trafen mich knapp unterhalb der linken Schulter. Ein Schmerz durchfuhr mich und aus Reflex griff ich mit der rechten Hand an die blutende Stelle. Diese Gelegenheit nutzte er, um mich anzugreifen. Sein Schwert streifte meine Wange und meine rechte Schulter. Ich sprang keuchend zurück und er schlug nochmals zu. Traf genau die pochende Stelle. Ich strauchelte und fiel rücklings in eine Kuhle, die von Felsen versteckt war. Ich dachte schon, das sei mein Ende, doch in diesem Moment ertönte ein Pfiff und er drehte sich um. Sein Fuß verpasste nur knapp die Kante der Grube. Die schnellen Galopptritte verrieten mir, dass wohl die anderen Assassinen eingetroffen waren. In diesem Moment war ich ihnen wirklich dankbar dafür. Der Assassine über meinem Versteck rannte zum Wald zurück. Dort stand ja immer noch sein Pferd.

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