~XV.~

Später am Nachmittag brieten wir Fleischstücke über dem Feuer. Das Fleisch, was wir nicht jetzt aßen, wollten wir zu Dörrfleisch machen, so gut es ging. Die Wölfe waren schon nahe, ich sah ihre dunklen Silhouetten am Rand des kleinen Waldes, doch sie wagten sich nicht näher, wegen dem Feuer. Nocturîan blieb wider Erwarten, wahrscheinlich, weil er Angst hatte, dass ihm die Wölfe folgen würden, würde er weggehen. Was auch immer in zurückhielt, es war nicht physisch.

Die Nacht blieben wir hier, wie wir besprochen hatten. Unter den Fichten breiteten wir unsere Decken aus und legten uns schnell hin. Nocturîan sollte uns wecken, wenn das Feuer drohte auszugehen.

Es war noch tiefste Nacht, als ich Nocturîans feuchtwarme Nase an meiner Wange spürte. Ich stand auf und schaute nach dem Feuer. Es glühte wirklich nur noch. Hinter mir hörte ich Aragorn aufstehen. „Na, gut geschlafen?", fragte er und streckte sich gähnend. „Naja, die Kälte war nur lästig." Ich räusperte mich. „Wenn wir jetzt einmal wach sind, können wir auch gleich weitergehen. Ich meinerseits schlafe jetzt sowieso nicht mehr." Zustimmend nickte Aragorn. „Lass uns aufbrechen."

Wir hatten gerade den Grat eines Berges erreicht, als der Morgen graute. Gebannt beobachteten wir eine Weile den Sonnenaufgang. Dann bemerkte ich plötzlich, dass mich Aragorn anstarrte. „Was gibt's?", erkundigte ich mich misstrauisch und ging in Abwehrposition. „Bist du dir bewusst, dass du erstaunlich hübsch bist?" Seine Stimme klang rau und fremd. „Hast du schon einmal übers Heiraten nachgedacht?" Entgeistert sah ich ihn an. „Ich habe den Eindruck, du willst mich veralbern." Ich machte eine kurze Pause, sprach aber sofort weiter, als Aragorn zu einer Widerrede ansetzte. „Wen sollte ich heiraten wollen? Es gibt niemanden, den ich liebe, außer meiner Schwester, aber das sagte ich schon, nicht? Niemand würde mich wollen. Ich bin eine Verbannte, da kann man nicht heiraten. Ich bin wie ein Tier, sozusagen zum Abschuss freigegeben." Geduldig sah er mich an. „Wie ist deine Meinung zu einer Hochzeit?" „Pff. Man bindet sich, das war's. Du bist niemals mehr frei. Also, von mir aus können alle heiraten, außer ich." Dann blickte ich ihm in die Augen. „Ahh, du hast also gar nicht einfach so gefragt, sondern wegen Arwen. Verstehe." „Hättest du es denn lieber gewollt, wenn ich dich ohne Grund gefragt hätte?", wollte er wissen und schaute herausfordernd in meine Augen. „Nein, und das weißt du." Mein Blick wurde steinhart und eiskalt und ich richtete ihn nach vorne. „Komm, der Abstieg wird nicht vom Reden getan."

Ich schüttelte kurz den frisch gefallenen Schnee von meinen Schultern, um zu überspielen, dass ich innerlich zitterte vor Kälte. Nicht vor den eisigen Temperaturen draußen, sondern von meinem Herzen. Es war über die vielen Jahrzehnte des Alleinseins zu Eis gefroren. Sollte ich es auftauen? Würde es jemand auftauen können? War es vielleicht besser, ein Herz aus Eis zu haben? Vielleicht würde man dann nicht so verletzt... ‚Ein Herz aus Eis ist besser als gar kein Herz.' Entschlossen setzte ich wieder einen Fuß vor den anderen, obwohl mich die Erschöpfung fast übermannte. Doch ich hatte gelernt, selbst über meinen Körper zu bestimmen. Gefühle konnten mir nichts mehr anhaben. Trotzig reckte ich das Kinn. ‚Und ich werde nicht aufgeben. Ich werde kämpfen.'

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