~XLVII.~
Etliche Tage zogen ins Land und mal wälzte ich mich auf meiner Liege hin und her, mal ging ich in meiner Zelle auf und ab. Es regnete oft und das monotone Prasseln auf den Pflastersteinen des Marktplatzes hallte in meinem Kopf wieder. Es bildete einen steten Takt zu meiner Langeweile. Inzwischen hatte sich mein Tag-Nacht-Rhythmus vollständig aufgelöst. Mein Körper benötigte nun kaum mehr Schlaf, zumal ich mich nicht sonderlich körperlich verausgabte und sowieso den halben Tag auf meiner Liege döste.
Von Zeit zu Zeit beschwerten sich meine Mitinsassen über die wenige Nahrung und den daraus folgenden Hunger. Ich jedoch verspürte denselbigen nicht, da meine Jagd ohnehin nicht immer von Erfolg gekrönt war. Hunger zu haben war für mich also völlig normal.
Seit einiger Zeit war schon niemand mehr zu Besuch gekommen. Aber mittlerweile war ich den tristen Gefängnisalltag schon so gewohnt, dass ich mich nicht wunderte.
An einem Abend, ich döste gerade etwas auf meiner Liege, wurde schwungvoll die Tür oben an der Treppe geöffnet und Schritte klangen auf dem nackten Stein. Zuerst blieb ich liegen, war es doch meist die Frau eines Insassen, die zu den vorderen Zellen wollte. Doch als die Tritte in meinem Gang hallten, blickte ich auf. Eine Gestalt mit einem grauen Mantel trat vor das Gitter und strich sich die Kapuze hinunter. Es war Ári. Was wollte er von mir?
„Was macht Ihr hier?", fragte ich verwundert.
„Miréla schickt mich."
„Wieso?"
„Ich soll dich beruhigen. Weil ich das ja angeblich so gut kann." Sein kurzes, kaltes Lachen schallte durch die leeren Kerkergänge.
„Beruhigen könnt Ihr mich, indem Ihr mich freilasst." Distanziert beobachtete ich ihn, schritt dann aber schnell auf ihn zu ans Gitter. „Bitte, lasst mich frei. Hier bin ich Elrond nicht von Nutzen", flehte ich ihn an.
Er holte tief Luft. „Das ist wider das Gesetz. Das kann ich nicht so einfach veranlassen."
„Aber ich nutzte niemandem", versuchte ich es noch einmal. Dickköpfig verschränkte ich die Arme. Dann - einer plötzlichen Eingebung folgend - ging ich die Sache anders an. „Ich habe Informationen über das Dorf. Informationen, die Euch vielleicht interessieren könnten."
„Informationen welcher Natur?" Er legte seinen Kopf etwas schief.
„Informationen, die ich Euch nur geben kann, wenn mir meine Freiheit zugesichert wird."
Ári atmete hörbar auf und drehte sich leicht verzweifelt blickend Richtung Gang. Dann beugte er sich ganz dicht ans Gitter, sodass ich seinen Atem in meinem Gesicht spürte, als ich meinen Oberkörper ebenfalls in Hörweite bewegte. „Verstehst du nicht, dass ich nicht dazu befugt bin? Hör' zu, Nienná, ich würde dir liebend gerne helfen, aber ich darf nicht. Ich dürfte noch nicht einmal hier sein."
„Und doch seid Ihr es." Ein zaghaftes Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Seufzend strich sich Ári mit der Hand über das Gesicht und wandte sich ab. „Na gut, ich will versuchen dir zu helfen, aber dazu musst du mir deine Informationen geben." Sein Blick brannte sich in meinen, als er wieder zurück ans Gitter trat. Innerlich jubelte ich. Ári würde mir helfen!
„In diesem Dorf stimmt etwas nicht, dass spürte ich von Anfang an. Ich weiß jetzte auch warum und habe auch schon einen Plan, wie die Verräter zu enttarnen sind."
Áris Lippen formten sich zu einem wissenden 'o'. „Ich höre...?"
Leise Schritte ertönten im Dunkel und ich öffnete ruckartig die Augen. Hektischer Atem näherte sich meiner Zelle und eine in einen dunkelgrauen Mantel gehüllte Person schritt in den schmalen Streifen Mondlicht, der durch das Zellenfenster fiel. Ári fing an, mir etwas zuzuflüstern, schnell und fast lautlos: „Wir setzen deinen Plan in die Tat um. Morgen schon kommt eine Garde und holt dich ab. Doch eine Bewilligung deiner Freiheit konnte ich leider nicht erwirken." Meine Hoffnung stürzte schlagartig in sich zusammen, wie ein Kartenhaus im Wind.
„Und das ist noch nicht alles: Du wirst morgen noch einmal darüber informiert, dass du keinen Fluchtversuch starten darfst. Andernfalls wird die Todesstrafe über dich verhängt und du darfst, falls so ein Versuch glückt, nie mehr die Lande der Elben betreten, denn dort darf man dich dann morden, ohne das besagter Mörder eine Strafe zu fürchten hat."
Meine Gesichtszüge froren augenblicklich ein. Er beugte sich an das Gitter und sein Atem kitzelte mich, während er sprach: „Versprich mir, dass du nicht fliehen wirst."
„Ich würde vermutlich sowieso nicht weit kommen, nehme ich an", erwiderte ich schulterzuckend.
„Das war keine Antwort", meinte er trocken.
Seufzend rollte ich mit den Augen. „Ich verspreche es dir."
„Gut." Er richtete sich wieder auf und blickte mich noch eine Weile an, bevor er eilig im Gang verschwand.
Lange sah ich ihm noch nach, bis der Mond untergegangen war und die Morgendämmerung nahte. War er mein Rettungsbringer oder mein Todesbote?
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