~XLIX.~

Bald war die Stute schweißgebadet, obwohl wir uns im Schatten des Waldes bewegten und ihr Körper glänzte in den Strahlen der Mittagssonne, wann immer sie ihren Weg durch das dichte Kronendach fanden. Der Wagen ächzte und stöhnte bei diesem Tempo und ich begann daran zu zweifeln, dass er uns bei dem Fluchtversuch sehr hilfreich sein würde. An Shays Miene merkte ich, dass er Ähnliches dachte. Trotz der Verbissenheit, mit der er den Wagen lenkte, entdeckte er den elbischen Späher zuerst in einer hohen Astgabel vor uns. Er trug zwar keine Waffen bei sich - weder Bogen noch Dolche - doch um seinen Hals baumelte ein Horn, in das er zu unserem Bedauern in dem Moment dreimal kräftig blies.

Kommentarlos drückte mir Shay die Zügel in die Hand und erhob sich. Es summte leise, als sich die kleine Seilwinde an seinem Arm abrollte. Mit einem Knall schlug sich der Metallhaken in einen Ast und hob Shay in die Luft. Etwas unbeholfen strampelte er mit den Beinen, bevor er den Späher mit seiner versteckten Klinge tötete und ihn vom Baum schubste. Dann schwang er sich an den Ästen dicht stehender Buchen vorwärts, bis er - überraschend schnell - den klapprigen Kohlewagen eingeholt hatte. Er sprang und landete auf den Kohlestücken, vermutlich also nicht da, wo er geplant hatte. Er taumelte kurz, ehe er wieder auf den Kutschbock kletterte und mir die Zügel aus der Hand nahm.

Als ich das nächste Mal zurückblickte, galoppierten etwa ein Dutzend Elben mit wutverzerrtem Gesicht auf ihren schlanken Rössern hinter uns her und mir wurde klar, sie würden uns einholen, würden wir nicht etwas unternehmen, denn die kleine Braune rannte schon, so schnell sie konnte. Also griff ich nach der Laterne, deren Licht mitten am Tag sowieso überflüssig war, und zerschlug sie am Rand. Eilig warf ich sie auf die Kohlen und öffnete hinten die Klappe, sodass die brennende Fracht den Reitern den Weg versperrte. Gleichzeitig schlug Shay die Riemen durch, die Verbindung zwischen Pferd und Wagen, und sprang auf ihren Rücken. Nocturîan kam angeprescht, genau in dem Moment, als sich der Wald zur Steppe wandelte und ich schlang meine Arme schnell um seinen Hals und zog mich auf ihn, als er neben dem brennenden Wagen her galoppierte. Sobald ich den Wagen nicht mehr berührte, rannte mein Hengst zur Seite, und das keine Sekunde zu spät. Das stehengebliebene, hölzerne Gefährt hinter uns fing Feuer und die Flammen schlugen hoch in den Himmel.

Die Elbenpferde wieherten und scheuten panisch. Ein paar Bogenschützen legten an und die Pfeile schnellten zu uns. Sie verfehlten nur knapp meinen Kopf (gerade rechtzeitig duckte ich mich weg) und Shays Hand. Allerdings streifte einer Nocturîans Fessel und er quiekte kurz schmerzvoll. Doch er galoppierte so weiter wie vorher, nur ein bisschen lahmend. Von Furcht ergriffen, weil ich nicht wusste, wie schlimm seine Verletzung war, blickte ich hinunter. Diese blutete ein bisschen, sie schien ihn aber nicht weiter zu beeinträchtigen.

Schnell waren wir außerhalb der Reichweite der Schützen und sie mussten aufgeben. Ich atmete erleichtert auf. Unsere Pferde fielen in einen steten Trab. Wir hielten auf ein Laubwäldchen zu, das wir noch vor der Dämmerung zu erreichen suchten.

Erfreulicherweise floss durch den Wald ein Bach, der sich weiter südlich mit dem Anduin vereinigte. Dort saß ich einige Stunden später und wusch Nocturîans kleine Wunde aus. Nachdem ich sie versorgt hatte, sah ich Shay mit zwei prächtigen Forellen auf die Lichtung treten. „Offensichtlich bist du ein besserer Angler als ich", bemerkte ich, während ich mich erhob und zu ihm lief. Als Antwort grinste Shay nur in sich hinein und begann schweigend, die Fische, die er am Ufer schon ausgenommen hatte, auf zwei Stöcke zu spießen. Als er sie über dem Feuer festgemacht hatte, schaute er zu mir, doch er schien eher durch mich hindurch zu blicken. „Manchmal... da zahlt sich Geduld aus, Emewýn." Er drehte seinen Kopf zu mir, und diesmal sah er mich wirklich. Er lächelte leicht, und wegen dem merkwürdigen Ausdruck in seinen Augen wagte ich zu bezweifeln, dass er noch über die Forellen sprach.

Wir aßen den Fisch und die Sonne ging langsam unter. Shay hatte die kleine Braune von den langen Riemen befreit, die sie nutzlos hinter sich her schleifte. Nur die Zügel hatte er übrig gelassen, auch wenn sie zum Reiten etwas zu lang waren. Nun graste die Stute friedlich neben Nocturîan und ihr Gebiss klapperte ab und zu, wenn sie am Gras zupfte.

Irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen, das Geräusch zu hören, und ging zu ihr hinüber. Ich nahm ihr die Trense ab, ließ aber die Zügel auf ihrem Hals liegen, und trennte kurzerhand das Gebiss heraus. Daraufhin legte ich ihr das neue Lederhalfter an und hieß sie weitergrasen. Dann schritt ich wieder zurück zu Shay und setzte mich neben ihn.

Das Laub der Pappeln und Buchen tanzte in der warmen Abendluft. Die Haare von dem weißen Araberhengst und die ordentlicher gekämmten der braunen Stute flogen in der Brise hin und her. Dieselbe spielte auch mit meinen Haaren und pustete sie mir ins Gesicht.

Ungefähr eine Stunde später kam ein frischer Wind auf aus Richtung des Anduin. Shay erhob sich und zog mich mit. „Komm, wir müssen uns einen trockenen Unterschlupf suchen. Es wird Regen geben in der Nacht."

Zustimmend brummte ich ein „Mhh" und nahm meine Waffen, ehe ich Shay folgte.

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