~XIII.~

Am nächsten Tag brachen wir auch schon wieder auf. Mit Aragorn hatte ich ein kleines, dürres Reh gefangen, allem Anschein nach krank. Es war nicht viel dran, doch uns war es Recht, da wir ja sowieso bald Richtung Westen liefen, und dann konnten wir es nicht mitnehmen. An einem recht trockenen Platz unter einer Tanne hatten wir, naja, ein mehr glühendes Feuer gemacht, das hieß ohne Flamme. Auch der Rauch blieb so fast aus. Heute Morgen hatte es nochmals geschneit, und es schneite noch immer. Es würde die Reise sehr viel beschwerlicher als normalerweise machen. Wenigstens brauchten wir uns so keine Sorgen um „Spuren-verwischen" machen, das nahmen der Wind und der fallende Schnee uns ab. Außerdem würden wir in dem Schneetreiben kaum zu sehen sein, falls sich jemand nach draußen traute außer den Nazgûl.

Nach gut acht Stunden Fußmarsch ragten vor uns schon die Wetterberge in die Höhe. Riesige, schneebedeckte Gipfel verschwanden in Wolkenschleiern. „Wir werden sie nicht überqueren", sprach Aragorn und blickte mich an. „Folgen wir ihnen weiter nach Norden, können wir durch ein Tal, an den Nördlichen Höhen vorbei." Zustimmend nickte ich. „Das ist ein guter Weg. Doch das Licht schwindet rasch, wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht hier rasten wollen." „Am Fuße der Wetterberge gibt es einen spärlichen Baumwuchs aus Tannen und Fichten. Dort können wir rasten." Aragorn zog seinen Mantel enger um sich. „Es hört nicht auf zu schneien. Bestimmt gibt es bald einen Schneesturm." Nocturîan schnaubte und sein Atem erzeugten kleine Wölkchen in der kalten Luft, die der Wind jedoch bald verwehte. Zitternd liefen wir vorwärts.

Nach weiteren drei Stunden waren wir am Fuße der Wetterberge angelangt. Schnell hatten wir auch den kleinen Hain gefunden, allerdings waren die Abstände zwischen den Bäumen so groß, dass man nicht mehr von einem Hain sprechen konnte. Letztendlich fanden wir doch drei Fichten, die relativ dicht beisammen standen und uns genug Schutz für die Nacht boten. Allerdings musste Nocturîan ungeschützt draußen stehen, denn die Bäume waren gedrungen und klein. Ich kramte eine Decke aus meinem Lederbeutel hervor und reichte sie Aragorn. „Und was nimmst du?", fragte er. „Ich habe doch den Umhang", erinnerte ich ihn, ohne aufzublicken. „Mhh", brummte er zweifelnd. „Außerdem kann ich auch mit der Wache anfangen", schlug ich vor. „Kommt gar nicht in Frage. Du erfrierst da draußen im Schnee. Außerdem dachte ich, dass uns Nocturîan warnt, wenn etwas ist." „Na gut", murrte ich widerwillig. Aragorn war mir viel zu fürsorglich! Ein Glück, dass ich nur den Winter mit ihm verbringen musste.

In der Nacht wachte ich auf und blickte neben mich. Aragorn's Schlaflager war niedergedrückt, jedoch leer. Ich fasste an die Stelle. Es war noch relativ warm. Er konnte also noch nicht lange weg sein. Kopfschüttelnd nahm ich von der Decke Notiz, die er mir übergeworfen hatte. ‚Widerspenstig, dieser Mann.' Lautlos erhob ich mich und schlich näher an die Bäume heran. Aragorn war nirgendwo zu sehen. Auch Nocturîan war verschwunden. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Wenn Aragorn nur nicht abgezogen war! Ohne ihn und Nocturîan würde ich nicht weit kommen. Schnell rannte ich hinter den Bäumen hervor zu einer nahen Schneewehe. Von dort aus sah ich eine dunkle Gestalt auf einem Felsen stehen. ‚Wer ist das?' Vorsichtig lief ich näher. Dann erkannte ich auch Nocturîan. Erleichert atmete ich auf. Relativ entspannt ging ich nun auf die dunkle Gestalt zu. „Was machst du denn hier?", fragte ich und trat neben ihn. Von dem Felsen konnte man weit über die Ebene schauen, an manchen Tagen vielleicht sogar bis zu den Trollhöhen, doch heute war das Wetter so schlecht, dass nicht einmal ich vermochte, weiter als bis zur nächsten Bergspitze zu sehen. „Das einzige, was man als Waldläufer zu tun hat. Nach möglichen Feinden Ausschau halten", meinte er und seine Stimme klang rau. „Und, hast du schon was entdeckt?" Der Wind nahm zu und peitschte meine langen, schwarzen Haare durch die Luft. „Nichts." Trotz alledem klang er etwas resigniert. „Was ist?", wollte ich nun von ihm wissen und schaute ihn nun direkt an. Er drehte sich nicht zu mir um, doch ich erkannte einen Hauch von Sehnsucht in seinem kaum hörbaren Seufzer. „Es ist Arwen, nicht? Du vermisst sie", stellte ich fest. „Woher weißt du das nur immer?", fragte er, doch er klang abwesend und als er mich ansah, schaute er durch mich hindurch. „Ich sehe es in deinen Augen, wenn du zum Horizont blickst", meinte ich leise. Eine Weile schwieg er. „Und du?", erkundigte er sich leise. „Vermisst du jemanden?" Sarkastisch lachte ich auf. „Wen soll ich schon vermissen, außer meiner Schwester?" „Das war ernst gemeint." Langsam drehte er seinen Kopf zu mir. „Ja, und meine Antwort war mein voller Ernst." Durchdringend sah ich ihm in die dunkelblauen Augen, bis er den Kopf wandte. „Aber... wenn wir schon einmal hier und wach sind, können wir ja auch gleich weiter. Wir verschwenden nur Zeit." Entschlossen stapfte ich durch den mittlerweile schon knöcheltiefen Schnee zu unserem Lager und packte alles zusammen. Nach einiger Zeit kam auch Aragorn mit Nocturîan. Schweigend brachen wir auf.

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