~VII.~
Noch bevor es dämmerte, schrie der Hahn des Dorfes und weckte auch Nocturîan und mich. Da jetzt die Arbeit der Bauern und Schmiede, sprich: aller Dorfbewohner losging, blieb ich bis zum Sonnenaufgang wach und besserte Kleidung aus, flickte meine Ledertasche, der wohl die Reise nicht ganz so bekommen war und baute neue Pfeile aus den Haselzweigen, die ich mir extra deswegen mitgenommen hatte. Als die Sonne mühsam über den Horizont geklettert war, traten wir den kurzen Marsch zum Dorf an. Unterwegs begegneten wir einigen Landstreichern, die das Dorf vermutlich nur über Nacht aufgesucht hatten. Auch einige Bauern sahen wir, die den Boden ihrer Felder umpflügten und damit auf den kommenden Winter vorbereiteten. Auf dem Dorfplatz war der Markt aufgebaut und es waren auch schon jede Menge Leute dort. Unauffällig, mit der Kapuze über dem Kopf gezogen, betrat ich den offenen Platz. Ich lief zum Stand des Bäckers, der noch seine Backwaren hinaus räumte. „Guten Morgen. Könnte ich vielleicht einen Laib Brot bekommen?" Der Mann hinter der Theke schaute mich scharf an. „Und zu welchem Preis?" Am liebsten hätte ich ihn gefragt, ob das so wichtig sei. Doch ich riss mich zusammen und holte demonstrativ das Rebhuhn von Nocturîans Rücken. Vorher hatte ich ihm noch eine alte Trense aufgeschnallt, damit niemand sich deswegen wunderte. Nun sah er wirklich aus wie ein armer Lastengaul. Wenn er wollte, konnte er auch richtig gut spielen. „Ich kann Euch ein Rebhuhn geben", meinte ich und deutete auf das tote Tier in meiner Hand. Misstrauisch beäugte er es und blickte dann wieder zu mir. „Dafür gebe ich Euch einen halben Laib." Einen halben Laib? Das würde ja nicht mal eine Woche reichen! „Einen halben Laib? Ist das Euer Ernst?" Fassungslos starrte ich ihn an und schwenkte das Rebhuhn. „Seht Ihr? So ein Prachtexemplar fängt sich nicht so einfach! Und der soll nur einen halben Laib wert sein? Fragt Eure Jäger oder Euren Metzger, der wird es bestätigen können!", regte ich mich auf. Nocturîan schlug mit dem Schweif und wich einige Schritte zur Seite aus. Entnervt zog ich am Strick, um ihn wieder zu mir zu holen. Er wusste, dass alles nur ein Spiel war, was es den Menschen überzeugend zu vermitteln galt. „Wir Ihr wünscht", gab er mit grimmiger Miene zurück und winkte einen älteren Mann von gedrungener Statur herbei. ‚Na, da habe ich mir ja was eingebrockt.' Ohne mir etwas anmerken zu lassen, lehnte ich mich an den Stand und drehte einen Faden zwischen meinen Fingern. Die beiden Männer flüsterten etwas miteinander und blickten ab und zu in meine Richtung. Dann kamen sie entschlossen auf mich zu. „Na, zeigt mal Eure Beute her", brummte der grauhaarige Metzger in seinen Bart. Ich reichte ihm das tote Tier, das ich noch immer in den Händen hielt. Er nahm es und betrachtete es von allen Seiten. „Mhh, fett ist es nicht gerade..." Erzürnt richtete ich mich auf, um zu protestieren, da fuhr er schon fort: „Im Vergleich zu der Ausbeute unserer Jäger zur Zeit ist es wirklich prächtig." Beschwichtigend hob er die Hände. Der Bäcker unterdes stand, an einem Pfahl im Schatten lehnend, mit verschränkten Armen da und musterte uns mit zusammengekniffenen Augen. „Und was wäre der wert?", hakte ich nach. „Mhh, also wenn Ihr noch einen von der Sorte fangen würdet, bekämet Ihr vielleicht sogar eineinhalb Laibe", fing er an. „Und wenn ich Euch noch zehn Silbermünzen gebe? Bekomme ich dann zwei Laibe?" Ich ließ die Münzen in meiner Hand klimpern. Natürlich kannte ich die Versuchung bei Bauern, das Geld zu besitzen, zumal es relativ viel war. „Dann ließe sich darüber reden", grummelte der Bäcker und kam aus dem Schatten auf uns zu. Anscheinend konnte er mich immer noch nicht leiden. „Dann gebt doch mal her", sagte er und hielt die Hand auf. „Nicht so eilig", meinte ich finster, da ich die hinterhältigen Tricks auf dem Dorf kannte. „Erst das Brot, dann das Geld." Widerwillig ging er in die kleine Bäckerei und kam kurz darauf mit zwei Broten heraus. Er reichte sie mir. „Und jetzt das Geld", knurrte er. Langsam ließ ich die Münzen in seine Hand plumpsen. „Danke." Meine Worte hörten sich nicht wirklich dankbar an, es war mehr eine Höflichkeitsform. Danach drehte ich mich ohne Abschiedsworte um und ging, mit Nocturîan am Zügel. Als wir einige Stunden vom Dorf entfernt waren, band ich Nocturîan wieder los, der gleich daraufhin mit fliegender Mähne davonrannte. Ich lächelte in mich hinein und verstaute die alte Trense in meiner Tasche.
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