~VI.~
Wir hielten nur kurz bei meinem ehemaligen Winterquartier an, um meinen Bogen und die Vorräte mitzunehmen. So wie es aussah, konnte ich nicht hier bleiben. Also ritt ich weiter und machte erst Rast in einem Birkenhain, als schon der Morgen graute. Erschöpft glitt ich von Nocturîans Rücken. Er schnaubte und senkte den Kopf. Ich bedeutete ihm, sich neben mich zu legen und er tat es ohne zu zögern. Ich schlief schnell ein und träumte verwirrendes über Gasthäuser, Verfolgungsjagden und Kämpfe.
Als ich nach dem wenig erholsamen Schlaf in der kurzen Nacht erwachte, glitzerte auf den Wiesen und in den sich im Wind wiegenden Zweigen Reif. Die Sonne war schon weit aufgestiegen am Himmel. Nocturîan scharrte sich bereits Gras frei. Hastig packte ich meine Sachen zusammen und blickte immer wieder beunruhigt um mich. Nichts war zu sehen, nur einige Zugvögel, die sich verspätet zu Scharen zusammentaten. Der Himmel strahlte in einem eisigen Blau. Schnell lud ich meine wenigen Sachen auf Nocturian und schnürte sie fest. Heute wollte ich zu Fuß gehen, damit sich Nocturîan von der Galopp-Nacht von gestern etwas ausruhen konnte. Außerdem waren wir nun an einem Wald angekommen, da konnte ich sowieso nicht auf Nocturîan reiten.
Ich entschied mich, durch das Unterholz zu laufen, doch immer in der Nähe von etwas lichterem Wald, damit Nocturîan gut folgen konnte. Im Wald kletterte ich immer mal wieder auf einen Baum, damit ich unsere zurückgelegte Strecke begutachten und mögliche Verfolger rechtzeitig bemerken würde. Doch leider hatte ich die Orientierung verloren, in welchem Wald ich mich genau aufhielt. ‚Egal', dachte ich. ‚Hauptsache weg.'
Am Abend machte ich Rast auf einer kleinen Lichtung. Mittlerweile wurde es abends richtig dunkel, vor allem in diesem dichten Wald. Ein Feuer wagte ich nicht zu machen, da der Schein weithin zu sehen sein und es Verfolgern ein leichtes sein würde, mich ausfindig zu machen. Außerdem rauchte ein Feuer, vor allem, wenn es so nass war wie im Unterholz hier. Und der Rauch würde alle im Umkreis von 3 Tagesritten auf meine Anwesenheit aufmerksam machen. Also tat ich mich wohl oder übel an dem Dörrfleisch gütlich, was ich im Sommer bereitet hatte. Als es dann so dunkel wurde, dass ich meine Hand nicht mehr vor Augen sah, kuschelte ich mich an Nocturîan, der sich schon hingelegt hatte, und schlief augenblicklich ein.
In der Nacht wachte ich auf, weil Nocturîan im Schlaf gezuckt hatte. Sofort war ich hellwach und in Alarmbereitschaft. Aufmerksam lauschte ich in die dunkle Nacht, doch ich hörte nichts außer dem einsamen Ruf eines Käuzchens. ‚Mhh, da ist wohl nichts...', dachte ich und legte mich dankbar für den Schlaf wieder hin.
Als der nächste Morgen dämmerte, war ich schon lange mit Nocturîan weitergezogen. Wir hatten den Schutz des Waldes verlassen und überquerten nun eine weite Steppenlandschaft. Nocturîan lief wieder neben mir, diesmal trug ich meine „Last" selbst. In der Ferne erkannte ich schon einige Rauchsäulen, die in den Himmel emporstiegen und somit auf das nächste Dorf hinwiesen. Der Wald begann schon wieder am Horizont, an dem nun einige dunkle Silhouetten auftauchten. Im Dorf konnte ich, wenn ich Glück hatte, einige Laibe Brot kaufen oder bestenfalls ertauschen. Momentan litt ich zwar nicht an Geldmangel, doch wenn man es nicht sorgfältig genug handhabte und zu viel auf einmal ausgab, kam man schnell in Geldmangel, wie ich selbst am eigenen Leib hatte erfahren müssen. Doch so viel dazu, das Geld wurde immer zum Ende des Winters hin knapp, doch momentan hatte ich noch reichlich. Im Wald hatte ich Fallen aufgestellt und tatsächlich ein Rebhuhn gefangen. Kaninchen wagten sich bei diesem Wetter wohl nur noch selten aus ihren Bauen.
Nach einem halben Tagesmarsch hatten wir das Dorf erreicht. Es war schon reichlich spät geworden, die Sonne hatte schon bedenklich weit den westlichen Himmel erklommen, und so entschloss ich mich, außerhalb der Siedlung zu rasten und bei Einbruch des neuen Tages ins Dorf zu gehen, um zu sehen, was sich so tauschen ließ. Erschöpft ließ ich mich schließlich ins weiche Gras sinken, als Nocturîan und ich uns für einen Hain mit einer großen Buche und einigen Wildrosenbüsche entschieden hatten. Nocturîan selbst graste etwas abseits und würde Gefahr sofort bemerken. Er war heute die ganze Zeit während unseres Marsches neben mir gelaufen, musste auch nicht schnell rennen oder mich sonderlich lange tragen. Daher konnte er diese Nacht zum Fressen nutzen, wobei er dazu wahrscheinlich noch den ganzen morgigen Tag Zeit hatte, außer ich würde seine Dienste außerhalb des Rebhuhn-Tragens in Anspruch nehmen, was ich momentan nicht geplant hatte. Seufzend schloss ich meine Augen und sofort umfing mich meine vertraute Traumwelt.
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