~LVIII.~


Niennás point of view:

Aufmerksam hob ich den Kopf. Im Baum sitzend hatte ich mich etwas gestärkt, doch nun hielt ich inne und blickte auf die Landschaft vor mir. Etwas war anders, seltsam, ja, geradezu mysteriös. Ein Schein erhellte die Nacht. Er war nur als heller Punkt am Horizont zu sehen und bewegte sich langsam hierher.

Ich schaute genauer hin. Es war wie eine riesige Fackel in der Finsternis, getragen von tausenden, grausigen Kreaturen, die sich aus Richtung Isengart näherte. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Welchen Schrecken hatte Saruman nun schon wieder in die Welt entlassen?

Wenig später erkannte ich die hässlichen, unmenschlichen Gestalten als Orks und Uruk-hai. Sie folgten allem Anschein nach einer Niederung und marschierten direkt auf das Dorf zu. Der Wind trug ihre schweren Schritte und das Kratzen der groben Waffen zu mir herüber. Eilig sprang ich auf den Boden, wollte Schutz suchen zwischen den Bäumen und hoffte, dort unentdeckt zu bleiben.

Bald hörte ich auch die Schreie aus Richtung des Dorfes, die von den heftigen Böen über die Ebenen verstreuten wurden. Ich kannte nicht das Geheiß Sarumans, auf welches die Unwesen handelten, aber ich vermutete, dass es etwas mit dem Einen Ring und einer Armee zu tun hatte. Das traute ich Saruman ohne weiteres zu. Schon damals hatte er auf mich einen sehr merkwürdigen Eindruck gemacht und ich hegte leises Misstrauen gegen ihn.

Ich starrte Löcher in die Luft, während ich so in Erinnerungen schwelgte. Doch ich wurde aus den selbigen gerissen, als ich plötzlich Rauch roch. Ein Feuerschein ließ die dunklen Ebenen aufleuchten. Erschrocken erhob ich mich, das Übel zu sehen, was ich vermutete. Und richtig, die grausigen Unmenschen entzündeten alle Häuser, der Reihe nach, bis sie lichterloh brannten und ich nur noch den Todesschein sah und die panischen Angstrufe hörte, die weit hallten.

Alles verschwamm vor meinen Augen, während ich vergeblich versuchte, mich zu konzentrieren. Shay war in diesem Dorf gefangen und - dieser Gedanke machte mir aus mir nicht bekannten Gründen Angst - er konnte nicht fliehen. Denn er war sicherlich gefesselt und so kaltblütig, wie mir die Assassinen begegnet waren, starben sie lieber mit ihm und seinen Geheimnissen, als ihn entkommen zu lassen. Und ich stand hier und konnte so wenig dagegen tun.

Auf einmal aber ging ein Ruck durch mich und ich machte eine unwillkürliche Armbewegung zu meinem Dolch. Ich konnte nicht einfach tatenlos bleiben und darauf warten, dass mir niemand von Shay's Tod erzählte. Denn es würde niemand kommen, das wusste ich. Es wurden doch sicher auch andere verletzt, wenn nicht gar getötet. Etwas musste ich unternehmen. Nur was?

Nocturîan und Aimée waren inzwischen verschwunden, wahrscheinlich hatten ihnen die lauten Geräusche und der Geruch nach Feuer und Rauch Angst gemacht. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, mir war selbst nicht ganz wohl dabei. Schnell griff ich also meinen Bogen aus dem Baumstamm samt den Pfeilen. Danach schlich ich eilig gebückt über das Feld, bis ich den Schutz der Häuser erreichte. Dort wusste ich erst einmal nicht, was ich tun sollte. Ein wenig ratlos blickte ich an der Hauswand hinauf. Vielleicht konnte ich mir von da oben einen Überblick verschaffen und so etwas wie einen Plan entwickeln. Schnell zog ich mich an den Fensterbrettern hoch und stand schließlich auf dem Dach, welches einen etwas labilen Eindruck machte. Von hier aus konnte ich auf die vielen Gassen schauen und erkannte sogar den Marktplatz durch den ganzen Qualm, der aufstieg.

Von oben ließ sich auch der Schecken besser erkennen, und nun vermochte ich ihn zu benennen. ‚Und wenn der Schrecken einen Namen hat, lässt er sich bekanntlich leichter bekämpfen.' Zwar war das Ausmaß des Ganzen erschreckend, aber es schien nicht mehr unendlich und überall zu sein.

Von meinem Posten aus konnte ich mit Sicherheit einige der Kreaturen umlegen, und zumal ich momentan noch unentdeckt war und sowieso lieber meinen Bogen benutzte, legte ich sogleich einen Pfeil in die Sehne und nahm den ersten Gegner ins Visier.

Ich verschoss einige sorgfältig gezielten Pfeile und die Orks sanken unter Stöhnen, was ich von meinem Platz aus eher erriet als vernahm, getroffen zu Boden. Als ich meinen Bogen zum siebten Mal spannte, erspähte mich eines der Monster auf dem Dach, zeigte auf mich und brüllte den anderen etwas zu. Fluchend steckte ich Bogen und Pfeile zurück auf meinen Rücken und rannte zum nächsten Dach. Zum Glück standen die Häuser recht nah beisammen, weshalb ich nur von Haus zu Haus springen musste. Die Dächer waren teilweise so historisch oder Wind und Wetter hatten ihnen schon so zugesetzt, dass manchmal Teile der Ziegel zu Boden fielen.

Ich näherte mich dem Stadtzentrum, und daher ging ich nicht davon aus, dass der Abstand zwischen den Dächern nicht durch einen Sprung zu überwinden wäre. Doch plötzlich trat genau dieser Fall ein und ich kam schlitternd genau vor dem Abgrund zum Stehen.

Unsicher und mit einem Anflug von Panik blickte ich zu dem Haus gegenüber. Diesen Sprung würde ich nie schaffen. Ich musste mir einen anderen Weg suchen. Meine Augen sausten über die Reihen von Häusern, die wie auf einer Perlenschnur aufgefädelt waren und aneinander klebten.

Plötzlich fiel mir etwas auf. Anscheinend fand in dem Dorf nämlich zurzeit irgendeine Feierlichkeit statt, denn zwischen den Häusern war ein Seil mit einem Banner aus Stoff gespannt. Angespannt drehte ich mich nach allen Seiten und betrachtete die Gassen ringsum. Keiner ließ sich sehen.

So machte ich mich daran, hinunter zu den Fensterbrettern zu kraxeln und mich von dort aus zu dem Seil zu hangeln, um die anderen Häuser zu erreichen.

Als ich schon fast dort angekommen war, hörte ich das Poltern der Orks. Panisch beeilte ich mich noch mehr, denn so in der Luft hängend war ich ein leicht zu treffendes Ziel.

Das Rumoren näherte sich erschreckend schnell und mit letzter Kraft zog ich mich auf das Dach, wo ich erst einmal erschöpft liegen blieb. Unten stürmten meine Verfolger mit viel Geschrei vorbei. Die Sprache von Mordor, die ich nur kurz kennen gelernt hatte, konnte ich zwar weder richtig sprechen noch verstehen, doch ich glaubte, ihre Wut herauszuhören.

Vorsichtig robbte ich zum First des Daches und warf einen Blick auf die sich vor mir befindlichen, fast ausnahmslos brennenden Häuser. Vor Schreck weiteten sich meine Augen. Dieses Ausmaß, dieses Zeichen scheinbar grenzenloser Macht, was Saruman hiermit gesetzt hatte, hatte ich nicht erwartet; und all das nur für metallene Gegenstände.

Ich schloss die Augen und atmete tief ein, versuchte, die rauchige Luft zu ignorieren und den Schein des Feuers um mich herum. Warum war ich gleich noch einmal hier? Weil ich jemanden retten wollte, von dem ich nicht wusste, wo er war und jemandem helfen wollte, von dem ich nicht wusste, ob er meine Hilfe brauchen konnte. ‚Clever, wirklich clever, Nienná.' In Gedanken verdrehte ich die Augen. Wie viele Jahre musste man trainieren, bevor man beherrschte, erst nachzudenken und dann zu handeln?

Offensichtlich aber befand ich mich, trotz des inständigen Wunsches, nicht wirklich hier zu sein, genau in diesem Dilemma.

Nach ein paar Minuten hatte ich mich endlich damit abgefunden und beschlossen, vom Dach hinunter zu gehen und durch dunkle, leere Gassen zu schleichen, um vielleicht das Gebäude auszumachen, in dem Shay festgehalten wurde. Außerdem war somit die Gefahr geringer, vielen Uruks gegenüber zu stehen. Ich ließ mich vorsichtig zu Boden gleiten, mich immer an einen Vorsprung im Mauerwerk klammernd, und kam tatsächlich heil unten an, genau auf der Pflastersteinstraße, auf der die hässlichen Gestalten entlang gerannt waren. Ich lief genau in die entgegengesetzte Richtung und wurde langsam von der undurchdringlichen Dunkelheit verschluckt.








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