~LI.~
Nun waren zwei weitere Braune angebunden, ein Fuchs und ein Apfelschimmel. Ein Falbe warf ängstlich den Kopf hoch und zerrte an seinem Anbindestrick, als wir kamen. Nocturîan und die Stute standen am anderen Ende. Mein Schimmelhengst wieherte freudig, als er mich sah. Ich liebkoste ihn ein wenig, als ich den Strick löste und folgte dann Shay und dem Mann hinter das Gasthaus. Dabei kamen wir an einer rossigen Stute vorbei und Nocturîan spielte verrückt. Er wieherte, drehte seine Ohren zu ihr, stieg leicht und weigerte sich, weiter zu gehen. Letztendlich zog ich ihn vorwärts, bis er sich nicht mehr wehrte. Hinter der Taverne befanden sich zehn Anbindeboxen, worein wir über Nacht unsere Pferde stellen konnten. Als die beiden mit Wasser und Heu versorgt waren, gingen wir wieder hinein und begutachteten zu allererst unser Zimmer. Es war klein, enthielt aber alle Sachen, die wir in den nächsten 24 Stunden brauchen würden. Ein Bett war breit, schön gefedert und Decke und Kissen waren mit weichen Daunen gefüllt. Das andere drängte sich an die Wand. Es war sehr schmal und die Decke war kratzig auf der Haut, aber für den Zweck des Schlafens würde es reichen, vorausgesetzt, man hatte keine zu hohen Ansprüche an sein Schlafgemach. Ich verstaute Bogen, Köcher und Dolche unter ebendiesem Bett und meine Ledertasche daneben. Dann wandte ich mich zu Shay. „Wollen wir nun wieder hinunter gehen? Es ist bald Essenszeit."
„Sicher, aber wir beeilen uns lieber, bevor alle Plätze belegt sind", meinte er und war schon an der Tür. „Das hier scheint ein sehr gutes Gasthaus zu sein."
Eilig schlossen wir ab und liefen in die Wirtstube. Sie war tatsächlich schon gut gefüllt und wir suchten uns einen Platz in einer Ecke. Bald kam auch die Wirtin zu uns und wir bestellten. Als sie zu einem anderen Tisch gegangen war, füllte sich der große Raum nach und nach mit immer mehr Menschen. Es wurde warm und die Gespräche an den Nachbartischen plätscherten im Hintergrund wie ein gurgelnder Bach nach der Schneeschmelze und wiegten mich langsam in den Schlaf.
Shay tippte mich an, als unsere Speisen serviert wurden. Ein junger Kellner stellte die vollen Teller vor uns ab. Inzwischen hatte ich meinen Hunger übergangen, doch der Höflichkeit halber aß ich fast alles von meinem Salat. Shay bemühte sich, seinen skeptischen Blick vor mir zu verbergen, doch ich sah ihn trotzdem. Nachdem ich das Besteck auf fünf Uhr ausgerichtet hatte, wie es mein Benehmen verlangte, schob ich den Teller von mir.
„Bist du wirklich satt?", fragte mich der braunhaarige Mann mir gegenüber.
Ich nickte.
„Du bist so dünn, das sieht unheimlich aus. Iss' doch noch etwas, die Chance bekommst du so schnell nicht wieder."
Dankend schüttelte ich den Kopf und lehnte somit seinen Vorschlag ab. „Das weiß ich, aber ich bin wirklich satt."
Missbilligung und Skepsis leuchteten in seinen Augen, als er mich ansah, und für einen kurzen Moment glaubte ich auch Sorge darin aufflackern zu sehen, doch jener verging so schnell wieder, dass ich es bezweifelte. Shay wandte sich wieder seinem Essen zu.
Die Bank knarzte, als sich Shay, mit einem seligen Lächeln auf den Lippen, zurücklehnte und genüsslich streckte.
Sein Teller war bis auf den letzten Tropfen Soße saubergeputzt. Ein hübsches Mädchen mit einem netten Lächeln auf den Lippen räumte unser Geschirr weg.
Gerade wollten wir wieder auf unser Zimmer gehen, da erspähte Shay einige Männer am Nachbartisch, die um Geld pokerten.
Er stieß mich an. „Ich möchte noch einmal kurz zu ihnen. Kartenspielen ist eine heimliche Leidenschaft von mir. Du, ähm, kannst ja schon hoch gehen."
Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin noch nicht müde und ein bisschen Abwechslung schadet niemandem. Ich schaue euch etwas zu."
„Okay."
Der hochgewachsene Mann ging auf den Tisch zu. „Dürfte ich bei eurem Spiel mitmachen?", erkundigte er sich und deutete auf die Spielkarten. Der Mann, der dieselben gerade mischte, hielt inne, hob seinen Kopf und musterte uns mit seinen wässrigen, braunen Augen, die unter seinem breiten Hut hervor spähten, von oben bis unten. Die anderen am Tisch taten es ihm gleich. „Solche Typen wie dich kenne ich", wagte ein Mann mit braungrauem Haar und gleichfarbigem, vollen Bart zu sagen. „Die machen nichts als Ärger." „Vor allem, wenn sie eine Frau im Schlepptau haben." Ein alter Mann mit anfangender Glatze und grauem Schnurrbart ließ sein rauchiges Lachen hören - wobei ihm beinah die Zigarre zu Boden gefallen wäre - und die anderen stimmten mit ein. Blitzschnell war ich bei ihm und mein Arm lag fest um seine Kehle. Er war sichtlich verwirrt, hatte die ganze Aktion doch nicht länger als einen Wimpernschlag gedauert, als ich ihn schon ihm Schwitzkasten hatte.
„Ich bin niemandes Weib und schon gar keine Magd. Ich bin eine freie Frau. Haltha naithlye (Hüte deine Zunge)."
„Emewýn." Shay tat eine Handbewegung. „Hauta (Ruhig)."
Ich ließ den armen Mann los, der sofort bei seinen Freunden Zuflucht suchte und nach Luft rang. Ich warf ihm noch einen warnenden Blick zu, ehe ich mich auf einer nahen Bank niederließ.
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