~I.~

Leise hob ich den Kopf. Hatte mich jemand gerufen? Ich lauschte angestrengt in den Wald. Nein, es war nur der klagende Ruf eines Purpurhuhnes gewesen. Um mich herum war es dunkel, doch anders als erwartet war es nicht still. Ja, geradezu ohrenbetäubend laut, zumindest für mich. Trotzdem glitt ich geschmeidig vom Baum zu Boden und schlich über das Moos. Auf einer kleinen Lichtung plätscherte ein Bach im matten Licht des abnehmenden Mondes. Auch in dem schwachen Licht erkannte ich die massige Silhouette eines Tieres, das hier gerade seinen Durst stillte. Wahrscheinlich eine Dächsin, die hierhergekommen war, um ihren Jungen, die bald ausgewachsen sein dürften, die beste Wasserstelle im Wald zu zeigen. Ich erkannte sie an ihrem markanten weißen Streifen auf dem Kopf, der von zwei schwarzen begrenzt wurde, und ich glaubte, auch noch Jungtiere in den Ufergewächsen umherstreunen zu sehen. Es war ganz gewiss die einzige Wasserstelle im Umkreis von ungefähr zehn Meilen. Ich war oft hier und hatte die Gegend ausgekundschaftet. Zwar gab es noch einige Schlammlöcher, an denen sich die Wildschweine bevorzugt aufhielten; an Stellen, wo Wasser aus dem Boden sickerte, doch eine richtige Quelle konnte man es nicht nennen.
Schnell pirschte ich durch das Dickicht. Hin und wieder trat ich fast auf einen Zweig. Dann hielt ich die Luft an und hoffte, dass es niemand gehört hatte. Geschwind huschte ich weiter, bis ich zu dem Trampelpfad kam, an dem ich oft patrouillierte. Bald hatte sich mein Atem beruhigt und ich lief weiter, gleichmäßig und ruhig atmend. Plötzlich hörte ich einen Ast knacken, ganz in meiner Nähe. Vorsichtig nahm ich den Bogen von meiner Schulter und legte einen Pfeil in die Sehne. Alles war still, es gab kein ungewöhnliches Geräusch mehr. Wahrscheinlich war es nur ein Damhirsch gewesen, der durchs Unterholz brach. Fast unhörbar atmete ich erleichtert aus und schlich zügig weiter; ich wollte den Waldrand noch vor der Dämmerung erreichen. Nach einem 15-minütigen Marsch lichteten sich schließlich die Bäume. Karge Gräser wuchsen hier und auf den Ebenen bis zu den Felsen, weil ein unbarmherziger Wind über die Landschaft pfiff. Als ich hinaustrat, setzte ich meine Kapuze ab. Die Böen hätte sie mir ohnehin vom Kopf geblasen und in dieser unwirtlichen Gegend war kaum jemand unterwegs. Seufzend setzte ich meine Wanderung fort. Diesen Teil mochte ich am wenigsten. Auf einmal bekam der Wind eine Stimme. ‚Wer ist da?', wisperte er. Vorsichtig spannte ich meinen Bogen und hob den Kopf, um herauszufinden, woher der Wind kam. Von dort müsste auch das Flüstern gekommen sein. Doch ich fragte mich, wie man hier meine Schritte im trockenen Gras hören sollte. Der Wind blies so laut, dass ich meine eigenen Gedanken kaum hörte. Doch weiterhin war ich auf der Hut. Ich war eine Elbin, eine einzelne Waldläuferin und bei den meisten nicht gerne gesehen.

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